TE OGH 2011/2/28 9ObA121/10z

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Veröffentlicht am 28.02.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Thomas Keppert und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Isabella F*****, vertreten durch Mag. Holzer, Mag. Kofler und Mag. Mikosch, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K***** GmbH Steuerberatungsgesellschaft, *****, vertreten durch NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen 4.832,19 EUR brutto sA (Rekursinteresse: 624,80 EUR sA, Revisionsinteresse: 967,32 EUR brutto sA), über den Rekurs und die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. September 2010, GZ 7 Ra 55/10b-21, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Februar 2010, GZ 30 Cga 184/09v-15, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs und der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Berufungsentscheidung, die hinsichtlich der Abweisung eines Betrags von 3.240,07 EUR brutto samt 9,38 % Zinsen ab 1. 1. 2009 als unbekämpft unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird und die Kostenentscheidung wie folgt zu lauten hat:

„Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 652,32 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 524,64 EUR (darin 87,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war von 1983 bis 31. 3. 1989 bei einem Steuerberater, danach (infolge Betriebsübergangs) bis 31. 3. 2005 beim übernehmenden Steuerberater und ab 1. 4. 2005 (wiederum infolge Betriebsübergangs) bei der Beklagten als Lohnverrechnerin/Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Angestellte bei Wirtschaftstreuhändern anzuwenden.

Rekurs- und revisionsgegenständlich sind die der Klägerin gewährten Essensmarken:

An Arbeitstagen, an denen sie ein Mittagessen einnahm, erhielt sie während ihrer Tätigkeit bei den beiden ersten Arbeitgebern vorerst einen Teilersatz (50 %) in Form von Essensmarken und sodann Essensmarken über zuletzt 2 EUR pro Arbeitstag. Im Jahr 2006 boten die Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern, so auch der Klägerin an, die steuerfreien Essensmarken auf das Höchstmaß der Steuerfreiheit von 4,40 EUR pro Arbeitstag anzuheben oder eine begünstigte Zukunftssicherung über 300 EUR oder eine Gehaltserhöhung in Anspruch zu nehmen. Dabei wurde den Mitarbeitern auch dargestellt, dass die Ausweitung der Steuerfreiheit bei den Essensmarken Nettovorteile bewirke. Die Klägerin entschied sich anstelle einer Reallohnerhöhung für die Erhöhung der Essensbons auf den vollen steuerfreien Betrag. In der Folge nutzte sie diese an ihren Arbeitstagen. Im Zuge der Errichtung eines neuen Dienstvertrags für das Jahr 2007 wurde die Arbeitszeit der Klägerin über ihren Wunsch neu verteilt. Anstelle von bisher fünf Arbeitstagen pro Woche arbeitete sie ab 1. 7. 2007 jede Woche von Montag bis Donnerstag und jeden ersten Freitag im Monat. Im Jahr 2007 begehrte die Klägerin von der Beklagten den Essensmarkenbetrag für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006 auch für Urlaubstage, Zeitausgleich, Krankenstandstage etc über insgesamt 154 EUR. Aufgrund der Geringfügigkeit des Betrags und zur Wahrung des Friedens wurde der Klägerin dieser Betrag mit der Juliabrechnung überwiesen. Danach erhielt sie die Essensmarken wiederum nur an ihren Arbeitstagen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 9. 9. 2009 eingelangten Klage 4.832,19 EUR brutto sA an Jubiläumsgelddifferenz (1.456,75 EUR brutto), Essensmarkendifferenz (624,80 EUR), Abfertigungsdifferenz (1.161,60 EUR brutto) und Urlaubsersatzleistung (1.589,04 EUR brutto). Zur noch maßgeblichen Differenz bei den Essensmarken und der Abfertigung brachte sie vor, bei den Essensmarken handle es sich um einen Gehaltsbestandteil, der ihr für den Zeitraum 12/07 bis 12/08 für Tage, an denen eine Arbeitsleistung wegen Urlaub, Feiertag, Krankheit oder Freitagen unterblieben sei, in Höhe von 624,80 EUR gebühre. Als Lohnbestandteil (monatlich 96,80 EUR) seien die Essensmarken auch bei dem für die Bemessung der Abfertigung maßgeblichen Monatsentgelt zu berücksichtigen. Es bestehe daher eine Abfertigungsdifferenz in Höhe von 1.161,60 EUR brutto.

Die Beklagte bestritt dies und beantragte Klagsabweisung. Mit der Klägerin sei die Gewährung von Essensgutscheinen pro Arbeitstag im Ausmaß von 4,40 EUR vereinbart worden. Bei den Gutscheinen handle es sich um einen sozialversicherungsfreien Vorteil. Der Dienstnehmer müsse entweder direkt im Betrieb verköstigt werden oder in einer Gaststätte essen. Wenn der Dienstnehmer direkt mit dem Gastwirt verrechne oder diesem in Form von Essensmarken einen Teil der jeweiligen Essensrechnungen des Arbeitnehmers bezahle, liege bis 4,40 EUR pro Arbeitstag Beitragsfreiheit vor, wenn die sonstigen Voraussetzungen (§ 3 Abs 1 Z 17 EStG) erfüllt seien. Diese Bestimmung beziehe sich ausschließlich auf Arbeitstage. Eine allgemeine Bezahlung auch in Urlaubszeiten, bei Krankheit und dergleichen widerspräche dem Grundsatz der steuerfreien Sachbezugsleistung. Die Essensmarken seien auch nicht bei der Berechnung der Abfertigung zu berücksichtigen. Bei den Essensbons handle es sich um eine freiwillige soziale Zuwendung, die je Arbeitstag gewährt werde. Solche Leistungen stellten einen zweckgebundenen Aufwandsersatz dar, der lediglich der Abdeckung eines konkreten finanziellen Aufwands des Arbeitnehmers diene, nicht aber eine Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft sei. Der Betrag sei auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin nur für jeden tatsächlichen Arbeitstag, nicht aber für sämtliche Urlaube, Krankenstände und sonstige Abwesenheiten eine Essensmarke erhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Klägerin habe sich auch im Jahr 2006 mit dem sozialversicherungsfreien Sachbezug von Essensbons über 4,40 EUR pro Arbeitstag einverstanden erklärt, dabei handle es sich nicht um einen Gehaltsbestandteil. Ihr gebühre daher auch für den klagsgegenständlichen Zeitraum Dezember 2007 bis Dezember 2008 dieser Bezug nur an Arbeitstagen, nicht aber in Urlaubszeiten, bei Krankheit oder anderen Abwesenheiten. Da die Essensbons zur Abdeckung eines mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden finanziellen Aufwands der Klägerin zweckgebunden gewährt worden seien, stellten sie einen Aufwandsersatz dar, der auch nicht in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Unter Pkt II.1. änderte es das Ersturteil im Sinne eines Teilurteils ab, verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von 967,32 EUR brutto samt 9,38 % Zinsen ab 1. 1. 2009 und wies das Begehren auf Bezahlung eines Betrags von 3.240,07 EUR brutto samt 9,38 % Zinsen ab 1. 1. 2009 ab. Unter Pkt II.2. hob es hinsichtlich des Begehrens auf Bezahlung weiterer 624,80 EUR sA das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Die Klägerin mache mit der Essensmarkendifferenz inhaltlich - ua - zusätzliches Urlaubsentgelt nach § 6 UrlaubsG bzw Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs 3 EFZG geltend. Diese Bestimmungen gingen vom sogenannten Ausfallsprinzip aus und seien unabdingbar. Für Angestellte treffe § 8 AngG eine entsprechende Regelung. Bei der Bemessung des fortzuzahlenden Entgelts sei der weite arbeitsrechtliche Entgeltbegriff heranzuziehen, der jede Leistung umfasse, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür erhalte, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stelle. In der Rechtsprechung sei bisher die Gewährung eines Mittagessens gegen einen Betrag von 20 S als eine vom Bestehen der Wohlfahrtseinrichtung „Personalkantine“ unabhängige individuelle Sachleistung des Arbeitgebers qualifiziert worden (Arb 10.980). Nach der Entscheidung 8 ObA 219/97g sei ein Zuschuss zum Mittagessen nicht eine nur ganz lose mit der Arbeitsleistung zusammenhängende „entgeltferne“ Begünstigung, sondern werde vom Arbeitgeber im Zusammenhang mit der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung erbracht. Schließlich sei die Erhöhung des Betrags für Essensmarken der Klägerin anstelle einer Gehaltserhöhung gewährt worden, was für den Entgeltcharakter der Leistung spreche. Nicht ausschlaggebend sei, ob bei Weitergewährung der Leistung während des Urlaubs oder im Krankheitsfall die Steuerbegünstigung entfalle. Der Klägerin stehe die Essensmarkendifferenz daher für jene Tage zu, an denen sie infolge Krankheit oder Konsumation ihres Urlaubs keine Arbeitsleistung erbracht habe, nicht aber für jene Tage, an denen sie aufgrund der gewählten Arbeitszeitverteilung nicht gearbeitet habe. Zur Feststellung, an wie vielen Tagen die Klägerin infolge Krankheit oder Urlaubs Essensmarken nicht erhalten habe, sei das Ersturteil betreffend die Abweisung des Betrags von 624,80 EUR aufzuheben.

Als Entgeltbestandteil seien die Essensgutscheine auch bei der Berechnung der Höhe der Abfertigung zu berücksichtigen. In der Entscheidung 8 ObA 2349/96s sei auch einer anstelle der Ist-Gehaltserhöhung vereinbarten Mitarbeiterbeteiligung echte Entgeltfunktion zuerkannt und diese in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einbezogen worden. Ausgehend davon, dass die Klägerin pro Woche an vier Tagen und zusätzlich an einem Freitag pro Monat gearbeitet habe, ergebe sich eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Abfertigung von 80,61 EUR (4,40 x 4 = 17,60 x 4,33 = 76,21 + 4,40), daher eine Abfertigungsdifferenz von 967,32 EUR brutto, die der Klägerin zuzusprechen, der darüber hinausgehende Betrag von 194,28 EUR brutto jedoch abzuweisen gewesen sei.

Die Revision sowie der Rekurs seien zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Essensmarken im Hinblick auf das Ausfallsprinzip auch während des Krankenstands und des Urlaubs zustünden und ob die entsprechenden Beträge in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung einzubeziehen seien, nicht vorliege.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs und der Revision wiederholt die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt und meint, dass bei der Gewährung von Sachbezügen danach zu differenzieren sei, ob die Leistung untrennbar mit dem aufrechten Dienstvertrag oder aber mit der aktiven Arbeitsleistung am Arbeitsplatz verbunden sei. Auch nach den Generalkollektivverträgen zum Urlaubsentgelt und zum Krankenentgelt gemäß EFZG würden Aufwandsentschädigungen und die zuletzt genannten Leistungen nicht zum Entgeltbegriff zählen. Sachbezüge wie freie oder verbilligte Mahlzeiten am Arbeitsplatz, die wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Arbeitsleistung während einer Arbeitsverhinderung ihren Zweck verlieren würden, zählten daher analog zu § 3 EFZG auch bei Angestellten nicht zum Entgeltbegriff. Hätte ein Arbeitnehmer Anspruch auf Essensmarken für jene Tage, an denen er diese Sozialleistung nicht beanspruchen könne, hätte er einen finanziellen Vorteil gegenüber jenen Arbeitnehmern, die diese Sozialleistung an Arbeitstagen beanspruchten. Dass es sich bei der seinerzeitigen Erhöhung der Essensmarken um eine Gehaltserhöhung gehandelt habe, sei den Feststellungen des Erstgerichts nicht zu entnehmen. Die Klägerin habe sich anstatt einer Reallohnerhöhung für die Erhöhung bei den Essensbons auf den vollen steuerfreien Betrag entschieden. Hätte sie sich für eine begünstigte Zukunftssicherung entschieden, so wäre auch dieser Betrag nicht als Entgelterhöhung anzusehen. Als zweckgebundener Aufwandsersatz seien die Leistungen auch bei der Abfertigung nicht zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs und die Revision sind aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.

1. Zur Essensmarkendifferenz:

Unstrittig lag der Vereinbarung der Streitteile („Stfr. Essensbons EUR 4,40 pro Arbeitstag“) die Wahl der Klägerin zugrunde, anstelle einer Reallohnerhöhung den Nettovorteil aus der bis zu einem Wert von 4,40 EUR pro Arbeitstag bestehenden Steuerbefreiung (§ 3 Abs 1 Z 17 EStG 1988) zu lukrieren. Dieser Steuervorteil besteht für vom Arbeitgeber gewährte freie oder verbilligte Mahlzeiten und für Gutscheine für Mahlzeiten, wenn diese nur am Arbeitsplatz oder - um auch Arbeitgebern ohne betriebseigene Kantine eine steuerfreie Verköstigung der Arbeitnehmer zu ermöglichen - in einer nahe gelegenen Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden (§ 3 Abs 1 Z 17 Satz 2 EStG 1988). Die Steuerbefreiung bei Essensgutscheinen setzt daher ihre tatsächliche Einlösung zur Konsumation einer Mahlzeit im Betrieb oder in einer nahen Gaststätte voraus, wofür sicherzustellen ist, dass die Speisen nicht außerhalb der genannten Stätten abgegeben werden, nicht nach Hause mitgenommen und die Essensbons auch nicht an arbeitsfreien Tagen eingelöst werden können (vgl Kuprian in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 11. EL § 3 Anm 136).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Geldersatz für die in Zeiten des Urlaubs, Krankenstands und von Freizeit nicht iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG 1988 konsumierbaren Essensmarken steht ihr dann zu, wenn die vertragliche Beschränkung der Gewährung von Essensmarken auf Arbeitstage gegen zwingendes Recht, insbesondere gegen die Bestimmungen des § 6 UrlG und § 3 EFZG bzw § 8 AngG, verstößt. Diese Bestimmungen gehen vom Ausfallsprinzip aus, nach dem der Arbeitnehmer während eines Urlaubs oder Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (RIS-Justiz RS0058728). Da die Bestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers unabdingbar sind, kann die Geltung des Ausfallsprinzips nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (zB 9 ObA 63/09v [zu § 6 UrlG]).

Der als Berechnungsbasis heranzuziehende Entgeltbegriff ist dabei weit auszulegen. Unter ihm ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung jede Art von Leistung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer für die zur Verfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird. Es kommt auf die Funktion der jeweiligen Leistung als Abgeltung der Arbeitsleistung, nicht aber auf die Bezeichnung, die steuer- oder die sozialrechtliche Beurteilung an (Reisner in ZellKomm, § 6 UrlG Rz 7 mwN; 9 ObA 57/00y; 9 ObA 220/02x ua). Vom Entgeltbegriff sind daher auch Akkordlöhne und Prämien, Zuschläge, Zulagen (ohne Aufwandersatzcharakter), Provisionen, Sonderzahlungen, Entfernungszulagen und Gewinnbeteiligungen oder anstelle einer Ist-Gehaltserhöhung vereinbarte Mitarbeiterbeteiligungen erfasst, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen, Trinkgelder sowie Sozialleistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie regelmäßig geleistet werden (Reisner aaO, § 6 UrlG Rz 8; s auch Drs in ZellKomm, § 8 AngG Rz 103 mwN).

Ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers unter den Begriff des Entgelts fällt oder aber als Aufwandsentschädigung anzusehen ist, bestimmt sich allein danach, ob und inwieweit sie lediglich der Abdeckung eines konkreten finanziellen Aufwands des Arbeitnehmers dient oder (auch) Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft ist (9 ObA 101/03y). Als Aufwandersatz gelten etwa das Kilometergeld (9 ObA 142/05f), Diäten (9 ObA 8/96) oder eine Schmutzzulage, soweit dadurch ein Mehraufwand für Reinigung abgegolten wird (vgl 9 ObA 54/90). Wird ein Aufwand des Arbeitnehmers überhöht abgegolten, dann handelt es sich nur im Umfang des tatsächlichen Aufwands um Aufwandersatz, darüber hinaus jedoch um Entgelt (8 ObA 2312/96z, 9 ObA 101/03y).

Sach- (Natural-)Leistungen bedürfen der Differenzierung: Auch sie können der Abgeltung eines konkreten Aufwands des Arbeitnehmers dienen (zB Straßenbahnnetzkarte, s Dittrich/Tades, Arbeitsrecht, AngG § 23 E 133) oder aber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vereinbart werden, wodurch sie grundsätzlich Entgelt darstellen (zB 9 ObA 101/03y: Dienstwagen zur privaten Nutzung; 9 ObA 2019/96v: Freiflüge; 9 ObA 266/88: verbilligter Strombezug; 9 ObA 265/93: Einkaufsgutscheine uva). Haben sie Entgeltcharakter, kann die Gewährung von Zusatzleistungen aufgrund der zwingenden Entgeltfortzahlungsbestimmungen auch nicht an die Voraussetzung der ständigen oder partiellen Betriebsanwesenheit geknüpft werden (RIS-Justiz RS0058567, RS0058620 ua).

Beachtlich ist aber auch, dass sowohl § 2 Abs 1 des Generalkollektivvertrags über den Begriff des Entgelts gemäß § 6 UrlG als auch § 2 Abs 1 des Generalkollektivvertrags über den Begriff des Entgelts gemäß § 3 EFZG vom Entgeltbegriff des § 6 UrlaubsG und des § 3 EFZG Aufwandsentschädigungen sowie jene Sachbezüge und sonstigen Leistungen ausnehmen, welche wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Erbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer während des Urlaubs bzw einer Arbeitsverhinderung nicht in Anspruch genommen werden können. Als derartige Leistungen werden in beiden Generalkollektivverträgen demonstrativ Tages- und Nächtigungsgelder, Trennungsgelder, Entfernungszulagen, Fahrtkostenvergütungen, freie oder verbilligte Mahlzeiten oder Getränke, die Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Arbeitgebers sowie der teilweise oder gänzliche Ersatz der tatsächlichen Kosten für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genannt.

In der Literatur wird vertreten, dass die Zusage zur Nutzung einer Kantine mit verbilligten Tarifen, eines Betriebskindergartens (Rebhahn in ZellKomm, § 1152 ABGB Rz 42) oder des firmeneigenen Fitnessraums (PVP 2010, 69) keine Grundlage für eine „Entschädigung“ im Urlaubs- oder Krankheitsfall darstellt.

In der Rechtsprechung wurde in einer früheren Entscheidung (Arb 9579 = öRdA 1978, 252 ff krit B. Schwarz; dazu auch krit M. Binder, Die Entgeltbemessungsgrundlage für Nichtarbeitszeiten, RdW 1983, 44) die Zuwendung von Fleischbezugsscheinen, die eine tatsächliche Arbeit des betreffenden Arbeitnehmers von wenigstens vier Stunden täglich zur Voraussetzung hatte, gebilligt (dort allerdings, um eine Gleichstellung mit den Dienstnehmern des Schwesterbetriebs zu erreichen, die einen Zuschuss für ein verbilligtes Mittagessen gleichfalls nur bei Betriebsanwesenheit erhielten).

Führt man sich den Sinn des Entgeltfortzahlungsprinzips, Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsverhinderung wirtschaftlich nicht zu benachteiligen, vor Augen, so sind generell solche Sachleistungen von der Entgeltfortzahlung auszunehmen, die ihrer Natur nach derart eng und untrennbar mit der Erbringung der aktiven Arbeitsleistung am Arbeitsplatz verbunden sind, dass sie ohne Arbeitsleistung nicht widmungsgemäß konsumiert werden könnten und ihre Weitergewährung während einer Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers nach dem mit ihnen verbundenen Zweck ins Leere ginge.

Bedenkt man nun, dass der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz primär in den arbeitsökonomischen Vorteilen einer solchen Verköstigung während des Arbeitstags liegt, weil sie im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Konzentration der Arbeitszeit ermöglicht (keine Notwendigkeit von Heimfahrten zur Nahrungsaufnahme), ergibt sich daraus der unmittelbare Zusammenhang der Zuwendung dieser Leistung mit der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. In dieselbe Richtung weist auch die Erwägung, dass mit dieser Zuwendung auch der sonst typischerweise höhere finanzielle Aufwand eines Arbeitnehmers für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten verringert oder vermieden werden kann. Nichts anderes trifft aber auf Essensgutscheine zu, die - ebenso wie eine freie oder verbilligte Mahlzeit am Arbeitsplatz - widmungsgemäß nur am Arbeitsplatz oder in einer nahen Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden können. Da auch sie in Zeiten der Arbeitsverhinderung den Zweck einer arbeitsökonomischen Nahrungsaufnahme verfehlten und, mangels Arbeitsleistung, keine arbeitsbedingten Mehrkosten der Nahrungsaufnahme außer Haus abgelten könnten, sind sie - freilich vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung - nicht in den der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Entgeltbegriff miteinzubeziehen. Damit scheidet auch eine Entschädigung in Form einer Geldersatzleistung aus.

Die von der Vorinstanz zitierte Entscheidung 8 ObA 219/97g steht dem nicht entgegen, da dort lediglich zu klären war, ob das mit den Arbeitnehmern vereinbarte Mittagessen auch nach dem Schließen der Personalkantine zu gewähren war, nicht aber, ob es sich dabei um einen dem Ausfallsprinzip unterliegenden Entgeltbestandteil handelte.

Unschädlich ist auch, dass die Klägerin nicht den genannten Generalkollektivverträgen unterliegt, da die gesetzliche Ermächtigung des § 6 Abs 5 UrlG und des § 3 Abs 5 EFZG, durch Kollektivvertrag zu regeln, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach diesen Bestimmungen anzusehen sind, einer entsprechenden Auslegung des Entgeltbegriffs außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Kollektivverträge nicht entgegensteht.

              Schließlich kann dem nicht entgegen gehalten werden, dass sich die Klägerin anstelle einer Gehaltserhöhung für den steuerbegünstigten Bezug der Essensgutscheine entschieden hatte, können doch die ihr angebotenen Alternativen auch als solche zwischen einer (der Entgeltfortzahlung unterliegenden) Lohnerhöhung und einer (der Entgeltfortzahlung nicht unterliegenden, dafür sonst vorteilhafteren) Sachleistung verstanden werden.

Nach all dem sind die der Klägerin iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG 1988 gewährten Essensgutscheine im vorliegenden Fall nicht in die Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall miteinzubeziehen. Das Klagebegehren ist insoweit nicht berechtigt.

2. Zur Abfertigungsdifferenz:

Auch der dem an den letzten Monatsbezug anknüpfenden Abfertigungsanspruch eines Dienstnehmers (§ 23 Abs 1 AngG) zugrundeliegende Entgeltbegriff ist weit auszulegen; er umfasst jede Leistung, die der Arbeitnehmer dafür bekommt, dass er dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (K. Mayr in ZellKomm, AngG § 23 Rz 2, 25). Nicht unter den Entgeltbegriff des § 23 AngG fallen daher auch hier zB der zweckgebundene Aufwandersatz (Diäten, Kilometergeld, etc), eine Dienstkleidungspauschale, wenn die Leistungen des Arbeitgebers (zB Schuhe) nicht derart beschaffen sind, dass sie auch eine außerdienstliche Nutzung ermöglichen, weiters Jubiläumsgelder, Beiträge zu einer Pensionskasse im Rahmen einer Betriebspensionsregelung, Vergütungen für Diensterfindungen, Leistungen Dritter (zB Trinkgelder) oder Sozialleistungen aus Wohlfahrtseinrichtungen (s die Nachweise bei K. Mayr aaO, Rz 27). Für die Frage, inwieweit Sachleistungen dem Entgeltbegriff zuzuzählen sind, müssen auch in diesem Zusammenhang die oben dargelegten Kriterien herangezogen werden, auf die zu verweisen ist. Sie schließen daher - wiederum vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung - auch die Einbeziehung von iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG 1988 gewährten Essensgutscheinen in den Entgeltbegriff des § 23 Abs 1 AngG aus.

Da die Klägerin danach auch die Abfertigungsdifferenz zu Unrecht geltend macht, war der Revision zur Gänze Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E96589

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00121.10Z.0228.000

Im RIS seit

23.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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