TE OGH 2011/4/27 7Ob34/11t

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Veröffentlicht am 27.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Musey Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen 64.295 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2010, GZ 5 R 208/10k-29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung werden Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) als Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil, wenn sie vertraglich vereinbart wurden (7 Ob 221/06k mwN uva; vgl RIS-Justiz RS0062323); andernfalls kommt - wenn Art der Versicherung, versichertes Risiko und Prämie feststehen - der Versicherungsvertrag ohne AVB zustande (RIS-Justiz RS0117649). Dem Versicherungsnehmer muss deutlich erkennbar sein, dass der Versicherer nur zu seinen AVB kontrahieren will; diesem Willen muss sich der Versicherungsnehmer unterworfen haben. Dafür wird gefordert, dass in den Vertragsunterlagen zumindest ein deutlicher Hinweis auf die Einbeziehung der AVB enthalten ist und der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, sich die AVB zu beschaffen oder deren Inhalt zu erfahren (7 Ob 221/06k mwN uva). Insofern reicht für deren Einbeziehung in das Vertragsverhältnis etwa die Anführung der maßgebenden AVB auf dem vom Kunden unterfertigten Antragsformular aus, ohne dass es auf die Aushändigung der AVB an den Versicherungsnehmer ankäme (7 Ob 231/06f mwN uva; vgl RIS-Justiz RS0117648).

Ob in den Vertragsunterlagen in diesem Sinn ausreichend deutlich auf die Einbeziehung von AVB hingewiesen wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wegen dieser Einzelfallbezogenheit könnte dies nur dann eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (stRsp; vgl etwa 7 Ob 229/10t uva). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu: Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus der der Klägerin mit den Antragsformularen zugesandten Gegenüberstellung von Versicherungsprodukten sei für einen durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer eindeutig erkennbar gewesen, dass der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Haushaltsversicherung mit der Bezeichnung „All-in-one“ die ABH 2002 zugrundegelegt seien; es sei daher ausreichend deutlich gemacht worden, dass die Beklagte die Haushaltsversicherung nur zu diesen AVB abzuschließen bereit gewesen sei; ist zumindest vertretbar.

Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf nach ständiger Rechtsprechung nicht überspannt werden; sie erstreckt sich nicht auf alle möglichen Fälle (RIS-Justiz RS0080386). Eine Aufklärungspflicht besteht dann, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung hat (RIS-Justiz RS0080141). Erkennbare Fehlvorstellungen, insbesondere etwa auch, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt, sind vom Versicherer richtig zu stellen (RIS-Justiz RS0106980). Entgegen der Meinung der Klägerin ist für ihren Standpunkt aus diesen Rechtssätzen allerdings nichts zu gewinnen. Ihre Auffassung, seitens der Beklagten sei erkennbar gewesen, dass mit der Adaptierung des Versicherungsvertrags insbesondere die Versicherungsdeckung von Schmuck im Neuwert von über 60.000 EUR beabsichtigt gewesen wäre, kann nach den festgestellten Umständen nämlich nicht geteilt werden. War doch eine eklatante Unterversicherung schon aufgrund der Größe der versicherten Wohnung gegeben und damit eine Änderung des Versicherungsvertrags schon deshalb angezeigt. Die bloße Äußerung der Klägerin, dass sie Schmuck und Pelze habe und „das gerne gut versichert hätte“, musste der Angestellte der Beklagten ohne weitere Informationen nicht als Hinweis verstehen, dass die Klägerin Schmuck in einem 15.000 EUR bei weitem übersteigenden Wert besitzt und davon ausgeht, dass dieser Schmuck auch in einer 15.000 EUR übersteigenden Höhe versichert sein soll. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht demnach auch die Verneinung einer Aufklärungspflichtverletzung mit oberstgerichtlicher Judikatur nicht im Widerspruch.

Die Klägerin zeigt keinen tauglichen Zulassungsgrund auf. Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

Schlagworte

9 Vertragsversicherungsrecht,

Textnummer

E97222

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00034.11T.0427.000

Im RIS seit

20.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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