TE OGH 2011/5/10 4Ob67/11y

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Veröffentlicht am 10.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Rechtsanwaltskammer, *****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Arbeiterkammer *****, vertreten durch Forcher-Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 35.000 EUR), im Verfahren über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 10. März 2011, GZ 2 R 6/11s-20, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Oktober 2010, GZ 9 Cg 69/09w-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt,

(a) den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass das von der Revision betroffene Teilbegehren gesondert bewertet wird, und

(b) gegebenenfalls eine Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO zu treffen.

Text

Begründung:

Die klagende Rechtsanwaltskammer erhob zwei Unterlassungsbegehren: Einerseits wandte sie sich gegen die Behauptung der beklagten Landes-Arbeiterkammer, die „erste und noch immer einzige Anbieterin für Konsumentenschutz“ im betroffenen Bundesland zu sein; andererseits beanstandete sie, dass die Beklagte in den Rechtsanwaltsvorbehalt (§ 8 Abs 1 und 2 RAO) eingreife, indem sie auch Nichtmitglieder in Fragen des Konsumentenschutzes rechtlich berate und in deren Namen Schreiben an Dritte verfasse. Weiters begehrte die Klägerin die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

Das Erstgericht gab dem ersten Unterlassungsbegehren (unrichtige Alleinstellungsbehauptung) statt und ermächtigte die Klägerin insofern zur Urteilsveröffentlichung. Das zweite Unterlassungsbegehren (Eingriff in den Rechtsanwaltsvorbehalt) wies es ab.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die als außerordentlich bezeichnete Revision der Klägerin, die eine stattgebende Entscheidung auch über das zweite Unterlassungsbegehren und eine entsprechende Veröffentlichungsermächtigung anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Die Akten sind dem Berufungsgericht zur Ergänzung seines Bewertungsausspruchs und zur allfälligen Entscheidung nach § 508 Abs 3 ZPO zu übermitteln.

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand - und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts -, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; sonst sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096, RS0037838, RS0042349).

2. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden, nicht aber wenn die Ansprüche ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können (17 Ob 22/10z; 4 Ob 79/10m; vgl RIS-Justiz RS0037899). Ob die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gegeben sind, ist nach den Klagebehauptungen (Antragsbehauptungen) zu beurteilen (RIS-Justiz RS0042741).

3. Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf zwei Wettbewerbsverstöße der Beklagten. Sie behauptet einerseits eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG (unrichtige Alleinstellungsbehauptung) und andererseits eine sonstige unlautere Handlung iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch durch Eingriff in den Rechtsanwaltsvorbehalt). Daraus leitet sie zwei voneinander getrennte Unterlassungsansprüche ab. Diese sind auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt, ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang ist nicht erkennbar (vgl zu ähnlichen Konstellationen im Lauterkeitsrecht zuletzt 17 Ob 22/10z und 4 Ob 79/10m). Die Ansprüche sind daher nach § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen. Damit hat das Berufungsgericht über von einander getrennte Gegenstände entschieden, die gesondert zu bewerten sind. In diese Bewertung ist jeweils der anteilige Wert des Veröffentlichungsbegehrens einzubeziehen, da dieses Begehren in sachlichem und rechtlichem Zusammenhang mit dem jeweiligen Unterlassungsanspruch steht.

4. Sollte das Berufungsgericht entscheiden, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands beim in dritter Instanz allein strittigen (zweiten) Unterlassungsbegehren (Eingriff in den Rechtsanwaltsvorbehalt), unter Einbeziehung des anteiligen Werts des Veröffentlichungsbegehrens, 5.000 EUR nicht übersteigt, wäre die Revision jedenfalls unzulässig. Sollte es zum Ergebnis kommen, dass dieser Wert zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, wird es weiters zu prüfen haben, ob es die diesbezüglichen Ausführungen der Zulassungsbeschwerde als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO deutet. In diesem Fall wird es über die nachträgliche Zulassung der Revision zu entscheiden haben, sonst wird insofern ein Verbesserungsverfahren einzuleiten sein. Nur die Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 30.000 EUR müsste zur unmittelbaren Vorlage der außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof führen.

Schlagworte

Einzige Anbieterin für Konsumentenschutz,Gewerblicher Rechtsschutz,Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E97506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00067.11Y.0510.000

Im RIS seit

24.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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