TE OGH 2011/5/12 13Os18/11p

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Veröffentlicht am 12.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Resch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois D***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 30. November 2010, GZ 17 Hv 23/10m-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Johann S***** und demzufolge auch im (diesen betreffenden) Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die auf die Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde bezogenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann S***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Referat der Entscheidungsgründe im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er

„in der Zeit von März 1996 bis August 2008 in Götzis mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der B***** AG durch sein Auftreten als rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Kreditnehmer getäuscht, indem er die Befugnis für seinen Stiefsohn Dr. Michael M***** in dessen Namen Bankgeschäfte zu tätigen, überschritt und mit dessen von Dr. M***** unterzeichneten Krediteröffnungsanträge die Bank veranlasste, einen Kontokorrentkredit zu gewähren und Kreditbeträge in der Höhe von ATS 3,1 Mio zweckwidmungswidrig seinen Konten gutzuschreiben wie für die Eröffnung eines Kreditkontos zu Lasten Daniela N*****, indem er ihre Unterschrift mehrmals fälschte und damit die Kreditsumme seinem Konto gutschreiben ließ, letztlich durch Vorgabe der Bank gegenüber, er sei über das Erbe seiner Gattin Erna S***** verfügungsberechtigt und den Mitarbeiter der Bank Alois D***** veranlasst, vom Erbe ATS 50.000,-- auf sein Gehaltskonto, ATS 50.000,-- auf sein Baukonto, ATS 50.000,-- auf das Kontokorrentkonto des Dr. M***** sowie ATS 50.000,-- auf das von ihm widerrechtlich eröffnete Konto der Daniela N***** zu überweisen, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zu Überweisungen verleitet, die die B***** AG an ihrem Vermögen in der Höhe von EUR 295.205,15 hinsichtlich der Dr. M***** lautenden Konto und EUR 274.656,24, hinsichtlich der auf Daniela N***** lautenden Konten schädigte, wobei der Gesamtschade EUR 50.000,-- überstieg“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann S***** geht fehl.

Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ist dann nichtig aus Z 3, wenn es die Tat nicht hinreichend individualisiert oder die ihm - in Bezug auf die rechtsrichtige Subsumtion - zukommende Ordnungsfunktion nicht erfüllt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 285 bis 288). Der unsubstantiierte Einwand der Verfahrensrüge, der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO lasse hinsichtlich „des Faktums Erna S*****“ den Geschädigten nicht erkennen, orientiert sich somit nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, weil alleine das Unterlassen des Anführens des Geschädigten weder die rechtliche Unterstellung noch die Individualisierung der Tat hindert. Im Übrigen geht das Vorbringen auch inhaltlich fehl, weil der Urteilstenor bezüglich aller Tathandlungen die B***** AG als Geschädigte nennt (US 3).

Entsprechendes gilt für die auf Z 3 gegründeten Beschwerdeausführungen zu den Schadensbeträgen: Zum einen ist die exakte - jedenfalls (weit) über der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB (50.000 Euro) gelegene - Schadenshöhe weder für die Subsumtion noch zur Tatindividualisierung von Relevanz, zum anderen führt das Erstgericht die Schadensendsummen im Erkenntnis ohnedies genau an (US 3).

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass die Beschwerde die Feststellungen zum „Faktum Erna S*****“ ersichtlich missinterpretiert. Das Erstgericht lastet dem Beschwerdeführer nämlich keineswegs an, seine Gattin, Erna S*****, durch die Verwendung von 250.000 S (ds rund 18.170 Euro), die diese aus einer Erbschaft erhalten hatte, am Vermögen geschädigt zu haben. Nach den Urteilskonstatierungen täuschte er vielmehr Alois D***** durch das teilweise Abdecken von Verbindlichkeiten mittels dieses Betrags über seine Bonität und bestärkte ihn dadurch - zum Nachteil der B***** AG - in der Annahme, (weitere) Überweisungen von den auf Dr. Michael M***** und Daniela S***** lautenden Konten (US 37, vgl auch US 3) zulassen zu können.

Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den - im Übrigen nicht durch den gebotenen Hinweis auf die entsprechende Fundstelle in den Akten (RIS-Justiz RS0124172) angesprochenen - Antrag, „der Ermittlungsbehörde den Auftrag zu erteilen, den tatsächlichen Vermögensnachteil, den die B***** angeblich erlitten hat, zu ermitteln“ (ON 58 S 21), zu Recht ab (ON 58 S 24), weil dieser nicht einmal das Beweismittel hinreichend konkretisierte. Hinzu kommt, dass der Beweisantrag auch nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen, also etwa den Nachweis fehlender Überschreitung der Qualifikationsgrenze, zielte.

Durch die Abweisung (ON 58 S 25) des Antrags auf „Einholung eines Sachbefundes aus dem Bankwesen, dass der Schadensbetrag in der Höhe von 1,2 Mio unrichtig ist und ein mutmaßlicher Schadensbetrag von 600.000 Euro nicht übersteigt“ (ON 58 S 25), wurden Verteidigungsrechte ebenso nicht verletzt, weil auch mit diesem Antrag die insoweit maßgebliche Subsumtionsfrage der Überschreitung der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB nicht angesprochen wird.

Ebenfalls nicht auf entscheidende Tatsachen bezieht sich die Mängelrüge (Z 5), indem sie eine - die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB nicht berührende - Schadensdiskrepanz von 70.000 Euro behauptet.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5), es sei kein Vermögensschaden entstanden, weil mit den Darlehensbeträgen offene Kreditforderungen abgedeckt worden seien, ist unverständlich.

Indem die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 9 lit a) aus der Behauptung, die Taten seien ausschließlich in den Jahren 1998 und 1999 gesetzt worden, den Verjährungseinwand ableitet, entfernt sie sich von den Urteilsannahmen (US 33 bis 36) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil die tatrichterlichen Feststellungen die vorgenommene Subsumtion nicht tragen.

Hintergrund des Schuldspruchs ist eine jahrelange Geschäftsbeziehung zwischen dem Beschwerdeführer und der B***** AG (im Folgenden: B*****), wobei der unter einem freigesprochene Alois D***** jener B*****-Mitarbeiter war, der den Beschwerdeführer betreute. Nach den Urteilskonstatierungen hielt dieser in den Jahren 1989 bis 2008 zahlreiche Konten bei der B*****, über die er laufend Finanzierungen - insbesonders für Liegenschaftskäufe - abwickelte (US 9 bis 11). Nachdem im Jahr 1994 der bankintern gewährte Kontorahmen von insgesamt 14 Mio S (das ist rund 1 Mio Euro) überzogen war (US 11) und auch in den Folgejahren keine wesentliche Verbesserung seiner finanziellen Lage eintrat, eröffnete der Beschwerdeführer den erstrichterlichen Feststellungen zufolge im März 1996 auf den Namen seines Stiefsohns Dr. Michael M***** (US 17, 18) und im Juli 1999 auf jenen seiner Tochter Daniela N*****, geborene S*****, (US 32) weitere Konten. Darüber hinaus hielten die Tatrichter fest, dass der Beschwerdeführer im Juni 2001 250.000 S (ds etwa 18.200 Euro), die seine Ehefrau Erna S***** geerbt hatte, zur Teilabdeckung der Negativsalden auf den B*****-Konten verwendete (US 36).

Zur objektiven Tatseite listet das Erstgericht zahlreiche Kontobewegungen auf (US 11 bis 37), ohne aber erkennen zu lassen, durch welche dieser Überweisungen oder Behebungen die B***** am Vermögen geschädigt worden ist, wobei die Urteilsfeststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht einmal eine Gesamtschadenssumme enthalten. Wie sich die im Referat der Entscheidungsgründe (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) angeführten Schadensbeträge (US 3) von 295.205,15 Euro (Konto Dr. M*****) und 274.656,24 Euro (Konto N*****) errechnen, ist nicht nachvollziehbar.

Zu den Tathandlungen und zur subjektiven Tatseite stellt das Erstgericht pauschal fest (US 42):

„Jedenfalls hat er durch Täuschung über Tatsachen bei Alois D***** einen Irrtum hervorgerufen, nämlich, dass er befugt sei, im Namen seines Stiefsohns Dr. M*****, im Namen seiner Tochter Daniela S*****, nunmehr N***** sowie im Namen seiner Ehegattin Erna S***** Kredit- oder Geldgeschäfte zu tätigen bzw. über deren Vermögen zu verfügen. Durch diese Täuschung des Alois D***** wurde die Bank durch ihren Mitarbeiter D***** veranlasst, die Bankgeschäfte zu tätigen und wurde so in ihrem Vermögen geschädigt. Dies wollte Johann S***** und hatte gleichzeitig den Vorsatz durch dieses Verhalten der Bank, nämlich durch Überweisung der Beträge auf sein Konto sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er damit seinen Schuldenstand verminderte. Der Schade der Bank trat mit Fälligstellung seiner Konten am 7. 12. 2006 ein. Er hat diese betrügerische Handlungen durch Fälschung von Urkunden bewerkstelligt. Er wollte auch die Bank mit einem weit über EUR 50.000,-- liegenden Betrag schädigen und sich in diesem gleichen Ausmaß bereichern.“

Die dargestellten Feststellungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht geeignet, den Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Betrugs zu tragen.

So wird zunächst nicht klar, wodurch der Beschwerdeführer Alois D***** zu welchen vermögensschädigenden Handlungen verleitet haben soll.

Würde man dabei auf jede einzelne Auszahlung oder Überweisung abstellen, hätte es entsprechender - jeweils tatbezogener - Konstatierungen bedurft. In diesem Fall wäre auch - wie von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigt - die Verjährungsfrage für jeden einzelnen Mittelabfluss gesondert zu prüfen.

Rechtlich anders zu bewerten wäre die Sachlage, wenn es sich bei den Kreditlinien um Kontokorrentkredite gehandelt hätte. Bei dieser Kreditform wird dem Darlehensnehmer nicht die Kreditvaluta in einem zugezählt, sondern ihm die Möglichkeit eingeräumt, ein Girokonto innerhalb eines festgelegten Zeitraums bis zu einem bestimmten Betrag zu belasten. Unter dem Aspekt betrügerischer Veranlassung der Darlehensgewährung bedeutet dies, dass die Tathandlung darin besteht, den Darlehensgeber durch Täuschung über Tatsachen zur Eröffnung der Kreditlinie, also zur Einräumung des Kontokorrentrahmens zu verleiten. Der Umstand, dass der Schaden - bei Kontokorrentkrediten geradezu typisch - sukzessive eintritt, ändert nichts daran, dass je herausgelocktem Kontokorrentkredit eine einzige Tat vorliegt, womit auch die Verjährungsfrage nicht einer einzelabflussbezogenen, sondern - unter Berücksichtigung des § 58 Abs 1 StGB - einer kreditbezogenen Betrachtung zu unterziehen wäre. Die Verwendung des Begriffs „Kontokorrentkonto“ (US 19, 32) weist zwar in diese Richtung, reicht aber aus dem Blickwinkel rechtsrichtiger Subsumtion nicht hin, weil zur Beurteilung des tatsächlichen Vorliegens eines Kontokorrentkredits konkrete Feststellungen zum Kontokorrentrahmen, zur vereinbarten Dauer des Kontokorrents und zum - für die Schadensberechnung wesentlichen - Kontokorrentsaldo erforderlich sind.

In Bezug auf den Vermögensschaden stellen die Tatrichter unter anderem auch Überweisungen zwischen den vom Beschwerdeführer gehaltenen Konten fest. Geht man insoweit - wie die Urteilsfeststellungen vermuten lassen - davon aus, dass es sich dabei um reine Umbuchungen handelt, die Alois D***** im Wissen um diesen Umstand vorgenommen hat, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein derartiges Vorgehen dem Tatbestand des Betrugs zu unterstellen sein soll.

Der Schuldspruch war daher von Amts wegen schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der - teils verfehlt (RIS-Justiz RS0115553) in Bezug auf die Subsumtion ergangene - Freispruch bleibt unberührt.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die aus der Aufhebung des Schuldspruchs resultierende Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO, wobei die amtswegige Maßnahme von der Kostenersatzpflicht nicht umfasst ist (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97499

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00018.11P.0512.000

Im RIS seit

22.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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