TE OGH 2011/5/25 15Os24/11k

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Veröffentlicht am 25.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bütler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton A***** und Dr. Gerhard H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 28. Juli 2010, GZ 26 Hv 8/10x-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Nussbaumer, sowie des Verteidigers des Erstangeklagten, Dr. Grass, zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten A***** zu A./II./ aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Anton
A***** und Dr. Gerhard H***** von der wider sie erhobenen Anklage, es hätten in H*****, zu B./ I./ in D*****,

A./ Anton A***** als Beamter, nämlich als seinerzeitiger Leiter des Meldeamtes H*****, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich in ihren Rechten auf ordnungsgemäße Führung des Melderegisters sowie des Zentralen Melderegisters zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er

I./ im September 2003 die beiden nicht existierenden Personen Kevin H*****, sowie Manuel H*****, jeweils mit dem Hauptwohnsitz *****, im Melderegister erfasste;

II./ im Jänner 2007 im Melderegister eintrug, die beiden zu A./I./ genannten Personen seien nach unbekannt verzogen;

B./

I./ Dr. Gerhard H***** einen Beamten, nämlich den zuständigen Sachbearbeiter der Passabteilung der Bezirkshauptmannschaft D*****, dazu bestimmt, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf Ausstellung ausschließlich inhaltlich richtiger Passeintragungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze, insbesondere des Passgesetzes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu missbrauchen, indem er den Beamten

1./ im September 2003 veranlasste, im österreichischen Reisepass Nr ***** unrichtigerweise die zu A./I./ erwähnten Personen Kevin und Manuel H***** als seine Kinder einzutragen;

2./ im Juli 2004 veranlasste, Kevin und Manuel H***** unrichtigerweise im Reisepass Nr ***** als seine Kinder einzutragen;

II./ Anton A***** zu der in B./I./1./ beschriebenen Tat des Dr. Gerhard H***** dadurch beigetragen, dass er die zu A./I./ beschriebene unrichtige Melderegistereintragung vornahm und den Passantrag an die Bezirkshauptmannschaft D***** ausfüllte,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

 

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen Begründung (Z 5 zweiter Fall) rügt die Staatsanwaltschaft - an sich zutreffend -, dass das Erstgericht im Zusammenhang mit der (den Freispruch A./I./ betreffenden) Konstatierung, die Eintragung im Melderegister sei notwendige Voraussetzung für die inkriminierten unrichtigen Passeintragungen gewesen (US 22), mehrere den Angeklagten Anton A***** belastende Verfahrensresultate unerörtert gelassen hat. Sie spricht damit aber fallbezogen keine entscheidenden Tatsachen an, weil die beiden Angeklagten nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen in der die Reisepassfälschung ermöglichenden Eintragung im Melderegister den einzigen Weg zur Rückholung der Kinder sahen (US 19 f), also diesen rechtfertigenden Umstand zumindest irrtümlich annahmen (§ 8 StGB).

 

Soweit die Rechtsrüge (der Sache nach Z 9 lit a) in Ansehung der Punkte B./I./1./ und B./II./ der Anklage das Vorliegen einer (objektiven) Notstandssituation in Abrede stellt, weil im Zeitpunkt der im  September 2003 gesetzten Tathandlungen die diplomatischen Bemühungen zur Rückführung der Kinder noch nicht abgeschlossen gewesen wären, der von den Angeklagten bewirkte Rechtsguteingriff sohin nicht die „ultima ratio“ der Gefahrenabwehr dargestellt habe, spricht sie gleichfalls keine entscheidende Tatsache an, weil die beiden Angeklagten nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen auch vom Vorliegen einer Notstandssituation ausgingen (US 18, 19 f, 22).

Welche „Ausführungen zum Putativnotstand“ die Beschwerdeführerin zusätzlich zu den vom Erstgericht - allerdings abweichend von dessen eigener rechtlicher Bewertung des Sachverhalts als „entschuldigende Nothilfe“ (US 23) bzw „rechtfertigende Nothilfe“ (US 27) - ohnehin getroffenen (US 18, 19, 22) vermisst, unterlässt sie darzulegen, weshalb die Rüge die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht verfehlt.

Mit ihrer Kritik am Fehlen von Rechtsausführungen zur - in den Gründen konstatierten - Putativnothilfe in den Entscheidungsgründen ist die Rüge darauf zu verweisen, dass das Fehlen rechtlicher Erwägungen keinen der im § 281 Abs 1 StPO taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe herstellt (RIS-Justiz RS0100877).

Zutreffend rügt die Staatsanwaltschaft jedoch (Z 9 lit a, nominell Z 9 lit b; vgl aber Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634), dass dem Urteil zu A./II./ keinerlei Konstatierungen zu entnehmen sind, dass auch die Eintragung im Melderegister im Jänner 2007, die beiden Kinder seien nach unbekannt verzogen, zur Rückführung der Kinder erforderlich gewesen sei oder der Erstangeklagte dies zumindest angenommen habe.

Dieser von der Staatsanwaltschaft aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen bewirkt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO des Freispruchs A./II./ und macht eine Verfahrenserneuerung in diesem Umfang unumgänglich.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97631

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00024.11K.0525.000

Im RIS seit

11.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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