TE OGH 2011/6/9 3Nc12/11m

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Veröffentlicht am 09.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, gegen die verpflichtete Partei H*****, wegen 800.000 EUR sA, über den vom Bezirksgericht Josefstadt mit Verfügung vom 9. Mai 2011, GZ 13 E 2322/10w-21, zur Entscheidung vorgelegten negativen Kompetenzkonflikt den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Fortführung des Exekutionsverfahrens ist das Bezirksgericht Josefstadt zuständig.

Der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. Juni 2010, GZ 13 E 2322/10w-10, wird aufgehoben.

Text

Begründung:

Aufgrund eines Sicherstellungsauftrags des Finanzamts für den 1. und 23. Bezirk vom 18. Juli 2006 bewilligte das - angesichts des im Antrag angegebenen Wohnsitzes des Verpflichteten - angerufene Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluss vom 25. August 2006 zur Hereinbringung einer Forderung von 800.000 EUR die Exekution durch Pfändung der Gesamtrechte des Verpflichteten aus dem Kaufvertrag vom 30. August/12. September 2005 hinsichtlich der 414/1550 Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** K*****, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an der Einheit Top 1 verbunden ist, gegenüber der Verkäuferin und gegenüber einem Rechtsanwalt als zur Auszahlung des Kaufpreises Verpflichteten. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sprach aus, dass die Entscheidung über den Verwertungsantrag vorbehalten bleibt und dass die Pfändung im Eigentumsblatt der EZ ***** Grundbuch ***** K***** anzumerken ist.

Nach Eintritt der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung stellte die betreibende Partei am 28. April 2010 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag auf Überweisung der gepfändeten Gesamtrechte aus dem Liegenschaftskaufvertrag, auf Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten des Verpflichteten an den zitierten Miteigentumsanteilen und auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechts auf der sodann dem Verpflichteten gehörigen Liegenschaftsanteile.

Aufgrund „der im Zuge des Verfahrens hervor gekommenen neuen Anschrift der verpflichteten Partei“ überwies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Exekutionssache mit Beschluss vom 3. Mai 2010 (ON 7) an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Josefstadt. Letzteres stellte den Akt mit Hinweis darauf, dass sich die Liegenschaft im Sprengel des Bezirksgerichts Kitzbühel befinde, formlos an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurück, das - nunmehr „aufgrund der zu verwertenden Rechte“ - die Exekutionssache mit Beschluss vom 21. Mai 2010 (ON 8) an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Kitzbühel überwies.

Das Bezirksgericht Kitzbühel wiederum erklärte sich im Hinblick auf die Anschrift der verpflichteten Partei mit Beschluss vom 26. Mai 2010 (ON 9) für unzuständig und überwies die Exekutionssache an das Bezirksgericht Josefstadt (ON 9), das seinerseits mit Beschluss vom 1. Juni 2010 (ON 10) seine Unzuständigkeit aussprach. Den Parteien stellte es die beiden Überweisungsbeschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. Mai 2010 (ON 7) und vom 21. Mai 2010 (ON 8) sowie seinen eigenen Beschluss vom 1. Juni 2010 (ON 10) zu, vorerst aber nicht den - von ihm übersehenen - Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 26. Mai 2010 (ON 9). Der Akt wurde mit Verfügung vom 10. November 2010 an das Bezirksgericht Kitzbühel übermittelt, das auf die fehlende Zustellung des Beschlusses vom 26. Mai 2010 hinwies, worauf das Bezirksgericht Josefstadt am 17. November 2010 auch die Zustellung dieses Beschlusses verfügte.

Während der Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. Juni 2010 (ON 10) unangefochten blieb, erhob die betreibende Partei rechtzeitig, aber erfolglos Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 26. Mai 2010. Das Rekursgericht ging in seinem Beschluss vom 10. Februar 2011 (ON 17) davon aus, dass nicht das Bezirksgericht Kitzbühel an den Unzuständigkeitsbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. Juni 2010, sondern umgekehrt das Bezirksgericht Josefstadt an den früheren Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 26. Mai 2010 gebunden sei. An sich wäre das Bezirksgericht Josefstadt bereits an den - offenbar später (in Form einer Überweisung an das Bezirksgericht Kitzbühel) berichtigten - Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. Mai 2010 gebunden gewesen. Im Hinblick darauf, dass sich die Zuständigkeit für die Rechteexekution nach §§ 331 ff EO nach dem Wohnort bzw Aufenthaltsort etc des Verpflichteten richte und das Bezirksgericht Kitzbühel lediglich als Grundbuchgericht einzuschreiten habe, begegne der angefochtene Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel keinen Bedenken.

Das Bezirksgericht Kitzbühel verfügte die Zustellung der Rekursentscheidung vom 10. Februar 2011 (ON 17) an die Parteien und übermittelte den Akt dem Bezirksgericht Josefstadt (ON 18), das den Akt gemäß § 47 JN zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt zwischen dem Bezirksgericht Josefstadt und dem Bezirksgericht Kitzbühel dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Da zwei einander widersprechende rechtskräftige Beschlüsse des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 26. Mai 2010 (ON 9) und des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. Juni 2010 (ON 10) über die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der betreibenden Partei vorliegen, sind die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 47 JN gegeben. Bei der Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt ist nach ständiger Rechtsprechung (s 3 Nc 34/03k mwN) auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses, auch wenn dieser vielleicht unrichtig war, Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 46 Abs 1 JN ist dann, wenn die Unzuständigkeit eines Gerichts aufgrund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit rechtskräftig ausgesprochen wurde, diese Entscheidung für jedes Gericht bindend, bei dem die Rechtssache in der Folge anhängig wird. Die Überweisung nach § 44 JN enthält zumindest insoweit eine analog zu § 46 Abs 1 JN sowohl in sachlicher als auch in örtlicher Hinsicht bindende Zuständigkeitsentscheidung, als das Gericht, an das überwiesen wurde, seine Zuständigkeit nicht deshalb ablehnen kann, weil das überweisende Gericht zuständig ist (RIS-Justiz RS0002439).

Diese Bindungswirkung des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, greift auch dann ein, wenn es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasste (8 Ob 19/95 = SZ 68/217 unter ausdrücklicher Ablehnung gegenteiliger Lehre; RIS-Justiz RS0002439 [T3 und T4], RS0081664 [T1]). Der Versuch des Bezirksgerichts Josefstadt, der Bindung dadurch zu entgehen, dass es seine Unzuständigkeit aussprach und dadurch einen negativen Kompetenzkonflikt herbeiführte, erweist sich demnach als untauglich. Es ist daher auszusprechen, dass für das Exekutionsverfahren das Bezirksgericht Josefstadt zuständig ist; gleichzeitig ist der Unzuständigkeitsbeschluss dieses Gerichts aufzuheben (RIS-Justiz RS0046377).

Textnummer

E97708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030NC00012.11M.0609.000

Im RIS seit

28.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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