TE OGH 2011/6/29 15Os77/11d

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Veröffentlicht am 29.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bütler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Labinot P***** und Stefan K***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Jänner 2011, GZ 9 Hv 89/10z-68, sowie über die Beschwerde des Angeklagten P***** gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Stefan K*****, demgemäß auch in dem ihn betreffenden Straf- und Privatbeteiligtenausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P***** wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde dieses Angeklagten werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten P***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Labinot P***** und Stefan K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1.) sowie der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (2.) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach haben sie am 8. Mai 2010 in Thal

1. „mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dem Taxilenker Ihab M***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von rund 55 Euro (sowie eine weitere Geldbörse mit Bargeld in unbekannter Höhe) mit dem Vorsatz abgenötigt bzw abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Labinot P***** Ihab M***** mit der rechten Hand in den Schwitzkasten nahm und mit den Worten: „Wo ist deine Tasche? Wo Geld? Willst du nicht sterben, dann gibst du mir dein Geld!“ gefährlich bedrohte und Stefan K***** gleichzeitig auf ihn einschlug, wobei es dem Taxilenker gelang, mit der zweiten Geldtasche aus dem Auto zu flüchten, er jedoch von Stefan K***** verfolgt und mehrmals gegen den Körper getreten wurde, wodurch der Taxilenker auch Verletzungen, (Prellung des Kehlkopfes, Prellung der Halsregion, Prellung der linken Schulterregion, Hautabschürfung am rechten Knie, sowie Schürfstelle am rechten Kleinfinger) erlitt und die Wegnahme der weiteren Brieftasche letztlich lediglich deshalb unterblieb, weil aufgrund des davor ausgelösten Alarms und des Hilferufs des Taxilenkers bei den umliegenden Häusern die Lichter angingen und Labinot P***** und Stefan K***** daraufhin flüchten mussten;“

2. unbare Zahlungsmittel, nämlich zwei Bankomatkarten der Ste***** AG und der B***** AG, je lautend auf Ihab M*****, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem sie die Bankomatkarten wegwarfen;

3. Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, indem sie den Behindertenausweis und die E-Card lautend auf Ihab M***** wegwarfen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte K***** mit einer auf Z 4, 5, 5a, „9“ und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die Abweisung seines Antrags auf Vernehmung der Zeugen Heinz S*****, Antonella S*****, Thomas R***** und „dessen namentlich nicht bekannte Freundin/Lebensgefährtin“. Diese könnten als unmittelbare Zeugen der Tat zur materiellen Wahrheitsfindung beitragen.

Da das Beweisverfahren aber keine Anhaltspunkte dafür ergeben hat, dass die Bewohner des Hauses T*****straße ***** tatsächlich Wahrnehmungen zum Tatgeschehen (gegen 3 Uhr 45) gemacht haben (vgl etwa die Angaben des Zeugen St***** zur Familie S*****: „Ich habe mit dem oberen Mieter gesprochen und er sagte, er habe etwas gehört aber er weiß nicht was.“ [ON 39 S 53]), hätte es eines zusätzlichen Vorbringens bedurft, weshalb anzunehmen sei, dass diese Zeugen relevante Wahrnehmungen gemacht haben. Der Umstand, dass der Zeuge St***** ausgesagt hat, Thomas R***** und seine Freundin hätten nach der Tat mit dem Opfer über den Vorfall gesprochen, reicht hiezu nicht aus. Der Beweisantrag konnte daher als unzulässiger Erkundungsbeweis abgewiesen werden.

Weiters beantragte der Angeklagte „dem Ihab M***** die beiden verfahrensgegenständlichen Geldtaschen, seine zerbrochene Brille, die abgebrochene Zündschlüsselkappe sowie sämtliche an ihn voreilig rückausgefolgten Gegenstände zum Zweck der Beweissicherung vorübergehend abzunehmen sowie diese Geldtaschen und Gegenstände und das bei beiden Angeklagten aufgefundene und sichergestellte Bargeld sodann erkennungsdienstlich auf Spuren der beiden Angeklagten und des Ihab M***** zu untersuchen“ sowie „dem Ihab M***** auch dessen Taxifahrzeug zum Zweck der Beweissicherung vorübergehend abzunehmen und dasselbe erkennungsdienstlich ebenfalls auf Spuren, insbesondere Spuren von mir, zu untersuchen“ (ON 54 S 15 iVm ON 42).

Auch diese Beweisaufnahmen konnten ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben, weil es der Antragsteller unterließ, zu erklären, weshalb - im Gegensatz zur Aussage der erhebenden Beamten, wonach alle möglichen Spuren ausgewertet wurden, bei manchen Gegenständen aber keine verwertbare Spur vorgefunden wurde (ON 54 S 3 - vgl auch ON 50, 51, 62) - zu erwarten sei, dass nunmehr - Monate nach der Tat - für die Klärung der Schuldfrage dienliche Spuren aufzufinden seien.

Der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins am Tatort sowie auf „Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins des bei der Tat verwendeten Taxifahrzeugs“ (Tatrekonstruktion) lässt jeden Hinweis vermissen, weshalb diese Erhebungen über die bisherigen Verfahrensergebnisse hinaus (Fotografien des Tatorts und des Fahrzeugs - ON 2 S 111 ff und mehrfache Vernehmungen der Angeklagten und des Opfers) geeignet seien, das intendierte Beweisthema, nämlich die Unschuld des Angeklagten, zu beweisen (§ 55 Abs 1 letzter Satz).

Schließlich legt auch der Antrag auf Übersetzung „der mir vom Mitangeklagten P***** angelasteten, angeblichen serbischen Worte“ nicht dar, weshalb dadurch mit Blick auf die Verantwortung des Angeklagten, er habe diese Äußerung nicht getätigt und verstehe sie auch nicht, eine erhebliche Tatsache unter Beweis gestellt werden sollte.

Das nachträgliche, weitwendige Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde zur Begründung dieser Anträge ist aufgrund des Neuerungsverbots prozessual verspätet und somit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) allerdings auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6 f) bei sämtlichen dem Schuldspruch zugrunde liegenden strafbaren Handlungen (1. - 3.) mit keinem Wort begründet sind. Dieser Nichtigkeit begründende Mangel zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verweisung an das Erstgericht zur Neudurchführung des Verfahrens.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte K***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die vom Angeklagten P***** angemeldete (ON 69), aber nicht ausgeführte als „Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe“ bezeichnete Nichtigkeitsbeschwerde war zurückzuweisen, weil der Rechtsmittelwerber Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet hat (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO).

Zur Entscheidung über seine Berufung sowie seine Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO waren die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97738

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00077.11D.0629.000

Im RIS seit

19.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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