TE OGH 2011/8/25 5Ob76/11d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei K***** KG, *****, vertreten durch Estermann & Partner KG, Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen Aufkündigung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 23. November 2010, GZ 6 R 317/10z-32, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit die Revisionswerberin in ihrer Mängelrüge darauf hinweist, dass das Berufungsgericht eine Auseinandersetzung mit der vertraglich vereinbarten, sofortigen Auflösungsmöglichkeit des Bestandvertrags (§§ 6, 7 und 8 des Bestandvertrags Beilage B3) unterlassen habe, verkennt sie, dass es darauf nur bei Nichtanwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften des § 30 MRG, also im Falle der Bejahung eines Pachtvertragsverhältnisses ankäme.

2. Enthält ein Kündigungsgrund mehrere Tatbestände, muss der geltend gemachte Tatbestand in der Aufkündigung individualisiert werden. Für die Frage, was als Kündigungstatbestand geltend gemacht wurde, kommt es nur auf diese Tatsachenbehauptungen an (RIS-Justiz RS0106599). Das gilt grundsätzlich auch für zulässig vereinbarte Kündigungsgründe iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG. Wurde nur ein bestimmter Umstand als Kündigungsgrund vereinbart, dann reicht die Ausführung des Kündigungsgrundes durch die Bezugnahme auf den vereinbarten Kündigungsgrund aus (RIS-Justiz RS0106599 [T10]). Ist dem Erfordernis der Individualisierung des als Kündigung herangezogenen Tatbestands in der Aufkündigung entsprochen worden, können im Rahmen dieses Kündigungsgrundes noch weitere Vorfälle nachgetragen werden (RIS-Justiz RS0106599 [T11; T15]). Ansonsten steht dem die in § 33 Abs 1 dritter Satz MRG verankerte Eventualmaxime entgegen.

Diesen Grundsätzen wird in der angefochtenen Berufungsentscheidung entsprochen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

3. Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an, weshalb der Lösung dieser Frage im Allgemeinen, abgesehen von einer auffallenden, im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung, keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0020338 [T10]; RS0020486 [T2]; RS0020513 [T5]; RS0031183).

Soweit die außerordentliche Revision Umstände hervorhebt, die eine Ähnlichkeit der vorliegenden Fallgestaltung (Inbestandgabe von Flächen und Räumlichkeiten zur Führung eines Restaurantbetriebs in einem Kinocenter) mit Bestandverträgen in Einkaufszentren nahelegen, ist darauf hinzuweisen, dass die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs diesfalls überwiegend die Qualifikation als Mietverhältnis und nicht als Pachtverhältnis vorgenommen bzw gebilligt hat (vgl 3 Ob 253/05k = wobl 2007/1, 14; 7 Ob 260/07x = wobl 2009/57, 163; 6 Ob 141/09t = wobl 2010/26, 65; 6 Ob 74/10s = wobl 2011/76, 164 (Vonkilch); Vonkilch, Bestandverträge in Einkaufszentren: Aktuelle Entwicklungen in Judikatur und Rechtspolitik, wobl 2010, 57). Ohne dass hier abschließend und grundsätzlich zur Frage, ob bei Zurverfügungstellung eines Objekts in einem Einkaufszentrum Miete oder Pacht vorliegt, Stellung genommen werden müsste, ist nach Ansicht des erkennenden Senats die durch die Vorinstanzen getroffene Qualifikation des konkreten Bestandverhältnisses als Geschäftsraummiete nicht zu beanstanden:

Der Revisionswerberin ist zwar zuzugestehen, dass aufgrund der Lage der Bestandräumlichkeiten neben dem Kinobetrieb bereits potentielle Kunden vorhanden waren und eine Betriebspflicht vereinbart wurde, doch steht dem insbesondere gegenüber, dass der Bestandnehmerin nicht ein lebendes Unternehmen übergeben wurde, sondern ein leeres Bestandobjekt (ein Objekt im „Edelrohbauzustand“), das die Beklagte nach Beendigung des Bestandverhältnisses auch wieder geräumt zurückzugeben hat (8 Ob 18/11x; 6 Ob 74/10s; 1 Ob 25/08w = wobl 2009/58, 164). Weder stellte die Klägerin Betriebsmittel noch eine Gewerbeberechtigung zur Verfügung, noch war nach dem unstrittigen Inhalt des Bestandvertrags der vereinbarte Zins abhängig von einer Höhe des erzielten Umsatzes (8 Ob 108/04x; RIS-Justiz RS0020586).

Ausgehend von den konkreten Umständen der hier zu beurteilenden Fallgestaltung ist die rechtliche Qualifikation des Vertrags der Streitteile als Geschäftsraummiete durch die Vorinstanzen keineswegs unvertretbar, sodass keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

4. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin bietet auch der Umstand, dass die Beklagte nicht die ursprüngliche Bestandnehmerin ist, sondern in deren Vertragsverhältnis eingetreten ist, keine Grundlage für eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhalts. Ob das Bestandverhältnis anders zu qualifizieren wäre, wenn im Zeitpunkt des Neuabschlusses eines Bestandvertrags andere Tatsachengrundlagen zu beurteilen wären, kann dahingestellt bleiben.

5. Letztlich ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die geltend gemachten Kündigungstatbestände die Auflösung des Mietverhältnisses iSd § 30 MRG nicht rechtfertigen, nicht zu beanstanden. Während sich die Behauptung der Lärmstörungen durch Musikberieselung nicht erweisen ließ, sind die Feststellungen über die unberechtigte Aufstellung von Spielautomaten unter dem maßgeblichen Aspekt zu sehen, dass deren Aufstellung zwar nicht ausdrücklich genehmigt, aber doch unbeanstandet geduldet und erst zu einem nicht feststehenden Zeitraum ein konkretes Verbot ausgesprochen wurde. Wenn die Vorinstanzen unter diesem Aspekt eine Verpflichtungserklärung der Beklagten, diese Automaten zu entfernen, als eine die Wiederholungsgefahr ausreichend ausschließende Tatsache ansahen, ist dies nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0070340). Die Auslegung des Berufungsgerichts zum Bestandvertrag der Streitteile ist weder „krass fehlerhaft“ noch sind dessen Ausführungen zur Eventualmaxime (§ 33 Abs 1 MRG) korrekturbedürftig (§ 502 Abs 1 iVm § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Die außerordentliche Revision war daher insgesamt mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E98285

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00076.11D.0825.000

Im RIS seit

23.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten