TE AsylGH Erkenntnis 2011/04/11 E12 259399-0/2008

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Veröffentlicht am 11.04.2011
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Spruch

E12 259.399-0/2008-17E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. Markus STEININGER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX alias XXXX, StA. Armenien alias staatenlos, vertreten durch RA Dr. Farhad PAYA & Partner, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.03.2005, Zl. 04 09.983-BAG, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, abgewiesen.

 

II. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird behoben und gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idgF. festgestellt, dass eine Ausweisung von XXXX alias XXXX auf Dauer unzulässig ist.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

Bisheriger Verfahrenshergang

 

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden auch: BF), eine Staatsangehörige von Armenien, brachte am 30.4.2004 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein. Dazu wurde sie am 16.3.2005 (AS 29ff) niederschriftlich einvernommen.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates gab sie im Wesentlichen an, dass sie Armenien wegen ihres Vaters verlassen habe. Im Dezember 2003 sei ihr Vater von ihr nicht bekannten Zivilisten von zu Hause abgeholt worden. Seither sei er verschwunden. Ca. 2 Wochen später habe sie beim Nachhausekommen gesehen, wie unbekannte Männer das Haus verlassen haben. Als sie ins Haus kam, habe die Mutter geweint und die Wohnung sei zertrümmert gewesen. Ihre Mutter habe ihr nicht erklären können, was vorgefallen war.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.3.2005 (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet) wurde der Asylantrag der BF gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. wurde sie aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete es das BAA als glaubwürdig, dass die BF keine eigenen Fluchtgründe habe und sich auf jene der Mutter stütze.

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf das Bundesasylamt Feststellungen über die damals aktuelle politische Situation, staatliche Repressionen und Repressionen Dritter, Sicherheitsbehörden und Strafverfolgung, Menschenrechtslage und Rückkehrsituation.

 

Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 7 AsylG 1997 nicht habe festgestellt werden können.

 

Auch könne nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG ausgegangen werden und kam eine subsidiäre Schutzgewährung aus dem Titel des Familienverfahrens ebenso nicht in Betracht.

 

Im Hinblick auf Spruchpunkt III wurde ausgeführt, dass die BF über keinen gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitel für Österreich bzw. für den Schengen-Raum verfüge. Darüber hinaus verfüge sie auch über keinen weiteren über das Asylverfahren hinausgehenden Aufenthaltsstatus. Es liege auch kein Familienbezug zu einer in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Person vor. Aufgrund dieser Umstände ergebe sich, dass die Ausweisung dringend zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele geboten sei. Es seien auch keine weiteren Umstände ersichtlich, die für eine gegenteilige Entscheidung zu ihren Gunsten sprechen würden.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 29.3.2005 innerhalb offener Frist Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen wurden nur allgemeine rechtliche Ausführungen getätigt und wiederholt, dass die BF armenische Staatbürgerin sei.

 

Mit Schriftsatz vom 18.1.2008 wurde im Wesentlichen Folgendes ergänzend ausgeführt:

 

Die Mutter der BF sei ebenso wie ihre bereits verstorbenen Eltern in Aserbaidschan geboren und erst im Alter von 4 oder 5 Jahren nach Armenien gekommen. 1982 habe sie einen aserbaidschanischen Staatsbürger geheiratet und habe auch in Aserbaidschan gelebt. 1989 sei die Familie nach Georgien geflohen. 1990 und 1991 sei die Familie in die Ukraine übersiedelt. Von 1991 bis 1996 habe sie in der Umgebung von Moskau gewohnt, von 1996 bis 2004 in der Ukraine. Die Familie der BF sei dort aber nie angemeldet gewesen und habe dort ein Restaurant betrieben. 2003 sei die Mutter der BF in der Ukraine vergewaltigt worden, wodurch sie leidvoll erfahren habe, dass sie in der Ukraine nicht geduldet werde.

 

Die BF sei staatenlos und nie in Armenien, Aserbaidschan, Georgien oder in der Ukraine gemeldet gewesen, weshalb sie weder Sozialhilfe noch ärztliche Versorgung bekäme, da dies armenischen Staatsbürgern vorbehalten sei. Der BF sei bei einer Rückkehr die Lebensgrundlage entzogen.

 

Der Vater der BF sei in Holland anerkannter Flüchtling.

 

Mit Schriftsatz vom 1.7.2008 führte die BF weiters aus, dass ihr Vater in Holland anerkannter Flüchtling sei und daher aufgrund der humanitären Klausel Holland für die Prüfung ihres Asylantrages zuständig sei. Dem stehe auch die zwischenzeitig eingetretene Volljährigkeit nicht entgegen. Daran ändere auch der bereits erfolgte Ablauf der 3-Monatsfrist nichts. Vorgelegt wurden aus einem holländischen Asylverfahren stammende Kopie betreffend einen gewissen " XXXX, StA. Aserbaidschan".

 

Mit Schriftsatz vom 5.6.2009 wurde mitgeteilt, dass die Namen der Kinder richtig auf XXXX, und XXXX, lauten würden. Es werde beantragt, die Namen richtig zu stellen.

 

Am 31.7.2009 zeigte der Beschwerdeführervertreter die Vollmachtsauflösung an.

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 28.10.2010 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen Länderfeststellungen zu Armenien übermittelt und ihnen die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 2 Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Die BF wurde weiters aufgefordert, innerhalb der genannten Frist auch allfällige Änderungen ihrer persönlichen Verhältnisse seit der letzten Einvernahme vor dem BAA bekannt zu geben. Weiters wurde sie aufgefordert, Originalnachweise für ihr Vorbringen vorzulegen. Das BAA gab keine Stellungnahme ab.

 

Mit Schriftsatz vom 11.11.2010 zeigte der bisherige Rechtsvertreter neuerlich seine Bevollmächtigung an und behauptete nunmehr, die BF sei Staatsbürgerin von Aserbaidschan. Vorgelegt wurden Unterlagen zur Integration. Die BF seien noch nie in Armenien gewesen und hätten dorthin auch keinen Bezug.

 

Der Rechtsvertreter der BF führte mit Schriftsatz vom 16.11.2010 neben weiteren Wiederholungen und allgemeinen rechtlichen Ausführungen im Wesentlichen zur behaupteten Integration der BF aus und bezog sich dabei auf die vorgelegten im Akt befindlichen Unterlagen. Hinsichtlich des angeblichen Vaters wurden wieder nur die bereits im Akt befindlichen Kopien vorgelegt. Eine Vorlage von Personenstandsurkunden unterblieb neuerlich.

 

Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

Basierend auf dem Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende

Feststellungen zu treffen:

 

Die Beschwerdeführerin:

 

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine im Herkunftsstaat der Volksgruppe der Armenier angehörige armenische Staatsbürgerin, die sich zum christlichen Glauben bekennt. Die BF ist eine gesunde, mobile, arbeitsfähige Frau mit einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

 

Die BF ist seit 7 Jahren im Bundesgebiet aufhältig. Mit der BF befinden sich ihre Mutter und ihr Bruder, beide ebenfalls Asylwerber, im Bundesgebiet.

 

Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest.

 

Die Lage im Herkunftsstaat Armenien:

 

Justiz

 

Die Judikative wird in der armenischen Verfassung in Kapitel 6,

Artikel 91-103 beschrieben. Die Rechtsprechung erfolgt ausschließlich in Gerichtshöfen in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen (Artikel 91). Die Unabhängigkeit der Gerichte wird in der Verfassung garantiert (Artikel 94).

 

Im Jahr 2008 wurde das Gerichtssystem neu organisiert. Neben den spezialisierten Gerichten (Zivilrechts-, Strafrechts und Verwaltungsgerichtshöfe) gehören auch die Gerichtshöfe der allgemeinen Rechtsprechung zur ersten Instanz. Die Berufungsgerichte sind der Appellationsgerichtshof für Zivilrechtssachen und jener für Strafrechtssachen. Die höchste Instanz ist der Kassationshof - ausgenommen für Verfassungsrecht, hier ist der Verfassungsgerichtshof zuständig.

 

Die Verfassung definiert auch die Bildung und die Aktivitäten des Justizrates. Der Rat besteht aus neun Richtern, die in einer geheimen Wahl für eine Zeitspanne von fünf Jahren von der Generalversammlung der Richter der Republik Armenien gewählt werden. Zusätzlich werden zwei Gelehrte der Rechtswissenschaften vom Präsidenten der Republik eingesetzt, zwei von der Nationalversammlung. Die Sitzungen des Justizrates werden vom Vorsitzenden des Kassationshofes geleitet, jedoch hat dieser kein Stimmrecht (Artikel 94.1).

 

Die Richter und Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes sind unabsetzbar, außer in Übereinstimmung mit der Verfassung. Sie können ihre Tätigkeiten bis zum 65. Lebensjahr ausführen. Weiters dürfen sie nicht verhaftet werden, ausgenommen es liegt eine Bewilligung des Justizrates bzw. des Verfassungsgerichtshofes vor. Sie dürfen sich auch weder politisch betätigen noch andere bezahlte Tätigkeiten ausüben, ausgenommen wissenschaftliche, pädagogische oder kreative Arbeiten (Artikel 97, 98).

 

(BAA-Analysen der Staatendokumentation (Simone Langanger):

Justizsystem in Armenien, 31.5.2010;

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1275649303_baa-analy-justizsystem-armenien-2010-04-as.doc Zugriff 8.7.2010)

 

Das Gesetz gewährt eine unabhängige Justiz, jedoch verblieben die Gerichte in der Regel unter politischem Druck der Exekutive und Korruption war ein ernstzunehmendes Problem.

 

Es gibt Gerichte der allgemeinen Rechtssprechung erster Instanz, spezialisierte Gerichte der ersten Instanz (Zivil- und Strafrecht), ein Verwaltungsgericht, Berufungsgerichte für Zivil- und Strafrechtssachen, einen Kassationsgerichtshof und ein Verfassungsgericht.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Reformen im Justizbereich wurden auch 2009 weiter verfolgt. Im April 2009 wurde ein strategischer Aktionsplan für die Einführung von Justizreformen 2009-2011 angenommen. Es gab 2009 nennenswerte Fortschritte in der Erhöhung der Gehälter für Richter, trotzdem bleibt die Unabhängigkeit der Richter Grund zur Sorge. Insgesamt muss Armenien noch mehr Anstrengungen unternehmen, um eine korrekte Vollstreckung der Gesetze zu gewährleisten.

 

(Europäische Kommission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2009; Progress Report Armenia [SEC(2010) 516] 12.5.2010)

 

In der Verfassung ist die Gewaltenteilung festgelegt. Sie sicherte in der Vergangenheit jedoch kein wirkliches Gleichgewicht zwischen den drei Staatsgewalten. Der direkt gewählte Präsident verfügte über überproportionale Macht, die weder durch die Legislative noch durch die Judikative effektiv ausgeglichen wurde. Einfachgesetzliche und vor allem Verwaltungsvorschriften stammen, ebenso wie die Behörden, zum Teil noch aus der sowjetischen Zeit. In der Praxis kann von einer klaren Trennung der Gewalten nicht gesprochen werden. Die Gewaltenteilung wurde durch die 2005 per Volksabstimmung angenommenen Verfassungsänderungen jedoch gestärkt: Der Präsident kann nunmehr weder den Ministerpräsidenten eigenmächtig entlassen, noch kann er das Parlament eigenmächtig auflösen - dies bedeutet eine Stärkung der Unabhängigkeit des Parlaments, aber auch der Regierung. Vor der Verfassungsänderung konnte der Präsident das Parlament unter Drohung der Auflösung zum Misstrauensvotum nötigen. Bei der Volksabstimmung kam es zu massiven Wahlfälschungen.

 

Die Unabhängigkeit der Gerichte (Artikel 94 und 97 der Verfassung) wird durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und die weit verbreitete Korruption in der Praxis eingeschränkt. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör und Verteidigung durch Personen des Vertrauens werden gewährt (vgl. Artikel 39 bis 43 der Verfassung). Die Verfassung enthält einen ausführlichen modernen Grundrechtsteil (Artikel 8 und 14 bis 43) mit vielen sozialen Grundrechten. Allerdings bestehen erhebliche Einschränkungsmöglichkeiten (Art. 44 und 45) insbesondere durch den Präsidenten, dem die Verfassung weitgehende Vollmachten (Notverordnungsrecht nach Art. 55 Abs. 14) einräumt.

 

Das zivil- und strafrechtliche Gerichtssystem besteht aus drei Instanzen; daneben existiert ein Verwaltungsgericht (Spezialisierung nur in der Eingangsinstanz) und das Verfassungsgericht. Der Kreis der Antragsberechtigten vor dem Verfassungsgericht wurde im Rahmen der Verfassungsänderungen des Jahres 2005 stark erweitert. Nunmehr kann sich jeder Bürger mit Fällen, die höchstinstanzlich entschieden wurden, an das Verfassungsgericht wenden.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Der Justizrat schlägt Kandidaten für das Richteramt vor, die dann vom Präsidenten ernannt werden. Der Präsident hat dadurch noch immer einen großen Einfluss auf das Justizpersonal. Der Rat nominiert auch die Kandidaten für den Gerichtsvorstand auf allen drei Ebenen und den dazugehörigen Kammern. Der Präsident und die Nationalversammlung ernennen jeweils zwei Kandidaten für den Justizrat; die Generalversammlung der Richter wählt die übrigen neun Mitglieder in einer geheimen Abstimmung.

 

Angeklagte, Strafverteidiger und die geschädigte Partei haben das Recht, gegen ein Gerichtsurteil in Berufung zu gehen. Richter gewähren normalerweise - nach Anfrage - dem Strafverteidiger zusätzliche Zeit, um einen Fall vorzubereiten. Die Unschuldsvermutung ist zwar per Gesetz vorgeschrieben, jedoch wurde dieses Recht von Zeit zu Zeit verletzt.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Sicherheitsbehörden

 

Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit verantwortlich, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD) für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Aktivitäten und Grenzkontrollen zuständig ist. Die Leitungspositionen in beiden Organisationen werden vom Präsidenten ernannt. Der Polizei und dem NSD mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an etablierten Strukturen zur Umsetzung von Reformen oder zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Gefangene berichteten, dass Exekutivbehörden wenig unternahmen, um bei Anschuldigungen von Misshandlungen zu ermitteln. Infolgedessen blieb Straffreiheit ein ernstzunehmendes Problem.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Die Polizei ist ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD) direkt der Regierung unterstellt, aber der Präsident ernennt die Behördenleiter. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit, Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Es besteht eine klare Trennung zwischen beiden Organen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z. B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Das OSZE Büro in Eriwan unterstützte die armenische Regierung bei der Verstärkung der Maßnahmen gegen Menschenhandel, unter anderem durch Vorschläge, gesetzliche Vorkehrungen für den Schutz von Opfern von Menschenhandel, die als Zeugen aussagen, oder in einem weiteren Sinn Zeugenstatus genießen, einzuführen.

 

Im März 2007 veröffentlichte das OSZE Büro in Eriwan eine Studie mit dem Titel "Trafficking in Human Beings in the Republic of Armenia:

An Assessment of current Responses" von Hana Snajdrova und Blanka Hancilova. Die Studie betonte, dass im Sommer 2006 die Regierung von der Nationalversammlung die Koordination ihrer Bestrebungen mit dem Justizministerium forderte, das früher der Nationalversammlung die Adaptierung der Strafprozessordnung vorlegte, unter anderem mit Änderungen zu Opfer- und Zeugenschutz. Diese wurden mit Unterstützung des OSZE Büros in Eriwan entwickelt. Das Paket wurde im Mai 2006 adaptiert.

 

Die Studie bezieht sich auf Kapitel 12, Art. 98 und 98.1 der Zivilprozessordnung als Teil des Pakets, das in Kooperation mit dem OSZE Büro in Eriwan konzipiert wurde. Ungeachtet dieser Änderungen führt die Studie die folgenden großen Mängel bezüglich Zeugenschutzes aus: Die aktuelle Version der Strafprozessordnung beschränkt den Schutz nur auf Opfer, auf Zeugen, die im Strafprozess involviert sind und deren enge Verwandten, doch dehnt sich der Schutz nicht auf andere Personen aus, die am Strafprozess teilnehmen. Momentan verlangt die Strafprozessordnung, dass die Behörden anfangs mit einer offiziellen Warnung auf die Bedrohung von Opfern oder Zeugen antworten, eine Maßnahme, die wenig dazu tut, derartige Drohungen zu beenden, während die Sicherheit der Opfer und Zeugen untergraben wird.

 

Artikel 98 und 98.1 wurden in die Strafprozessordnung als einzige Vorkehrungen in den armenischen Gesetzen zum Thema Zeugenschutz eingeführt. Besonders Artikel 98 gewährt den Schutz des Zeugen und der Mitglieder seiner/ihrer Familie, wenn der Zeuge einen schriftlichen Antrag einbringt und dem Antrag durch die Institution, die den Strafprozess durchführt, stattgegeben wird. Artikel 98.1 gewährt die Mittel des Schutzes, wie Warnung der Person, die den Zeugen bedroht, Datenschutz, Änderung des Arbeitsplatzes des Zeugen, Anhörungen hinter verschlossenen Türen, Aufzeichnung der Anrufe der Person, die den Zeugen bedroht usw.

 

Folglich ist es möglich, zwei Leistungen des OSZE Büros in Eriwan herauszuheben:

 

1) Die oben erwähnte Studie, in der das Thema Menschenhandel und Zeugenschutz mit einer Reihe von Empfehlungen vorangebracht wurde, um von den armenischen Behörden berücksichtigt zu werden;

 

2) Änderungen der Strafprozessordnung, die Zeugenschutz vorsehen.

 

Nichtsdestotrotz sollte man mit der OSZE Schlussfolgerung einverstanden sein, dass der relevante Artikel nur beschränkte Auswirkung hat und möglicherweise sogar kontraproduktiv ist. Dies ist der erste Mangel. Der zweite ernstzunehmende Mangel ist, dass das Gesetz in der Praxis sehr beschränkt durchgeführt wird. Um gemäß den Anforderungen des Gesetzes zu leben, sind finanzielle und materielle Mittel nötig, die die armenische Regierung in Anbetracht der akuten sozioökonomischen Probleme, die als erste Priorität bekämpft werden müssen, kaum zur Verfügung hat.

 

Zusammenfassend sollte gesagt werden, dass nach der Änderung der Strafprozessordnung zum Zeugenschutz im Jahr 2006 keine weitere gesetzliche Verbesserung in diesem Bereich stattgefunden hat. Die weitere OSZE Beteiligung zu diesem Thema deckt Empfehlungen zu Gesetzesänderungen aus Sicht der Opfer des Menschenhandels.

 

(Anfragebeantwortung des Sachverständigen für Armenien per Email vom 19.12.2009)

 

Polizeigewalt / Folter

 

Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass auf dem Gebiet der Republik Armenien landesweit systematisch Folter praktiziert wird.

Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll. Diese Praktiken sind jedoch im Vergleich mit der Zeit kurz nach der Unabhängigkeit Armeniens stark zurückgegangen. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen und durch die Polizei wurden auch 2009 berichtet, vor allem in Verbindung mit den Ausschreitungen vom März 2008 [damalige Präsidentschaftswahl], gegenüber Wehrpflichtigen, in Hafteinrichtungen und in Polizeistationen. Es gibt keine verfügbaren Daten in Bezug auf Folter und Misshandlung und die wenigen Untersuchungen von Misshandlungsvorwürfen bleiben Grund zur Sorge. Armenien unternahm weiter Schritte in Richtung der Implementierung des optionalen Protokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT). Armenien legte einen ersten Bericht zur Implementierung von OPCAT im Dezember 2009 vor.

 

(Europäische Kommission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2009; Progress Report Armenia [SEC(2010) 516] 12.5.2010)

 

Obwohl Folter und unmenschliche Behandlung gesetzlich verboten sind, wird von Sicherheitskräften immer wieder Gewalt angewandt, v. a. bei Verhaftungen und Verhören während der Haft Haft. Die meisten der Fälle werden aus Angst vor Vergeltung nicht offiziell gemeldet.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Menschenrechtsorganisationen

 

In Armenien sind zahlreiche Menschenrechtsorganisationen registriert. Mit Menschenrechtsfragen beschäftigt sich ebenfalls sehr intensiv die internationale Gebergemeinschaft. Vertreter der Menschenrechtsorganisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen. Das Auswärtige Amt hat keine Behinderungen von Menschenrechtsorganisationen beobachtet.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

In Armenien waren 2009 über 4000 Nichtregierungsorganisationen registriert, davon waren 3200 öffentliche Organisationen und über 600 Stiftungen. Obwohl das rechtliche und politische Umfeld grundsätzlich positiv für NGOs ist, sind die Anforderungen für eine Registrierung mühsam und zeitraubend und nur ca. ein Viertel der Organisationen arbeiten aktiv.

 

Die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen werden von drei Gesetzen reguliert:

 

das Gesetz für öffentliche Organisationen

 

das Wohltätigkeitsgesetz

 

das Stiftungsgesetz

 

Die meisten NGOs sind in Jerewan und den größeren Städten im Norden des Landes situiert und sie sind zu einem großen Teil auf ausländische Spenden angewiesen. Viele dieser Organisationen kümmern sich um politische Themen, die in anderen Ländern normalerweise von politischen Parteien bearbeitet werden.

 

NGOs beschäftigen sich vor allem mit Themen wie Menschenrechte, Staatstätigkeit, Charity und Sozialarbeit, Medien, Umwelt, Jugend, Gesundheit und familiäre Angelegenheiten. Das soziale Ansehen von zivilgesellschaftlichen Akteuren ist sehr hoch und sie haben großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. 2009 waren NGOs in Diskussionen über legislative Änderungen eingebunden. Behörden sehen NGOs manchmal als feindliche Akteure oder auch als politische Konkurrenten an, jedoch schützt diese Aktivisten ihre Reputation in der Gesellschaft und im Westen.

 

(FH - Freedom House: Nations in Transit 2010, 29.6.2010)

 

Ombudsmann

 

Seit 2003 existiert in Armenien das Amt des Ombudsmannes. Anfangs wurde das Amt vor allem in Hinblick auf die Forderungen des Europarates geschaffen.

 

Laut Artikel 83.1 der armenischen Verfassung in der Fassung von 2005, wird der Ombudsmann von der Nationalversammlung für sechs Jahre von mindestens 3/5 der Abgeordneten gewählt. Der Ombudsmann ist unabhängig und genießt Immunität.

 

Im Jahr 2008 konnten die Tätigkeiten und die Unabhängigkeit der Institution des Ombudsmannes ausgeweitet werden. Der Ombudsmann untersuchte Fälle von Folter, soziale Themen, Militärdienstalternativen und Militärdienst für Minderheiten - im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Rates. Der Ombudsmann wurde auch ermächtigt, sich mit Beschwerden in Bezug auf das Militär auseinanderzusetzen.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt bei den Aktivitäten des Ombudsmannes ist der Schutz der persönlichen Freiheit. Für den Ombudsmann ist der Schutz der persönlichen Freiheit gegen willkürliche Handlungen seitens des Staates, eines der grundlegendsten Menschenrechte. Im Jahr 2008 gab es laut Dr. Harutyunyan mehr Beschwerden in Bezug auf Verletzung des Rechts auf Schutz der persönlichen Freiheit als in den Vorjahren. Die vermehrten Beschwerden sind für ihn Anlass zur Sorge, jedoch könnte es auch möglich sein, dass die Zahlen deshalb höher sind, weil sich mehr Menschen trauen, ihr Recht über den Ombudsmann einzufordern.

 

Jedes Individuum, ungeachtet seiner ethnischen Herkunft, Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Wohnort, Rasse, Alter, politischer oder anderer Zugehörigkeit und Tätigkeiten, kann eine Beschwerde einbringen. Der Ombudsmann hat, unter anderem, folgende Möglichkeiten:

 

er kann ohne Einschränkungen jegliche öffentliche Einrichtung oder Organisation besuchen (zB militärische Einheiten, Justizvollzugsanstalten, Untersuchungshafteinrichtungen und Strafanstalten)

 

er kann alle notwendigen Unterlagen, Dokumente und Erklärungen von jeglicher (staatlicher oder lokal verwalteter) Einrichtung, die mit einem Fall in Zusammenhang stehen, verlangen

 

Eine Beschwerde kann schriftlich oder mündlich eingebracht werden. Sie kann persönlich, per Post, per Fax oder per Email an folgende Adresse ergehen:

 

375002, Yerevan, Pushkin St. 56a

 

Tel.: (37410) 537651

 

ombuds@ombuds.am

 

Wichtige Informationen für den Ombudsmann sind der volle Name, die Adresse und eine genaue Beschreibung des Vorfalls und - wenn vorhanden - so viele Unterlagen in Bezug auf den Vorfall wie möglich. Anonyme Beschwerden werden nicht behandelt.

 

Es gibt einen wöchentlichen Empfangstag, und Menschen, die schon eine Beschwerde eingebracht haben, können sich im Vorhinein für einen Termin registrieren lassen.

 

Der Ombudsmann kann auch selbstständig tätig werden, wenn ihm Informationen über massive Verletzungen der Grund- und/oder Menschenrechte vorliegen, Themen von herausragender sozialer Wichtigkeit, oder auch Verletzungen von Rechten von Personen, die nicht selbst tätig werden können.

 

Nachdem der Ombudsmann eine Beschwerde erhält, läuft das Prozedere wie folgt ab:

 

er kann eine Untersuchung anordnen

 

er erklärt dem/der Beschwerdeführer/in Möglichkeiten zum Schutz seiner/ihrer Rechte

 

mit Einverständnis des/der Beschwerdeführers/in kann der Ombudsmann die Beschwerde an die entsprechenden Behörden weiterleiten, um das Problem zu lösen

 

er kann eine Beschwerde abweisen

 

Folgende Arten der Beschwerde werden vom Ombudsmann nicht untersucht:

 

wenn - aus der Sicht des Ombudsmannes - die Verletzung der Menschenrechte nicht schwerwiegend genug war

 

während eines laufenden Gerichtsverfahrens, oder Situationen, die nur durch gerichtliche Mittel zu lösen sind

 

Situationen, in denen Behörden oder Organisationen und deren Mitarbeiter, die nicht mit der Regierung in Verbindung stehen involviert sind

 

Sobald der/die Beschwerdeführer/in bei Gericht Klage erhebt, stellt der Ombudsmann seine Untersuchung ein

 

anonyme Beschwerden

 

Man muss weder mit strafrechtlichen oder administrativen Maßnahmen, noch mit Diskriminierung rechnen, wenn man eine Beschwerde eingebracht hat.

 

(BAA-Analysen der Staatendokumentation (Simone Langanger):

Justizsystem in Armenien, 31.5.2010;

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1275649303_baa-analy-justizsystem-armenien-2010-04-as.doc Zugriff 8.7.2010)

 

Das Institut einer Ombudsperson für Menschenrechte wurde durch die Verfassungsänderung im November 2005 eingeführt. Sowohl der derzeitige Ombudsmann als auch seine Vorgängerin haben sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben und konnten viele Fälle erfolgreich bearbeiten. Der derzeitige Ombudsmann sieht sich aufgrund seines Bemühens um Objektivität und der Tatsache, dass er sowohl Fehler und Missstände seitens Regierung als auch Opposition für ihr Verhalten kritisiert, teilweise heftiger Kritik von beiden Seiten ausgesetzt.

 

Die nationalen Einrichtungen zum Schutze der Menschenrechte sind Gerichte und die Ombudsperson für Menschenrechte. Nach den 2005 erfolgten Verfassungsänderungen kann auch jeder Bürger Fälle, die höchstinstanzlich entschieden wurden, vor das Verfassungsgericht bringen. Der derzeitige Ombudsmann und seine Vorgängerin haben sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben und zur Verbesserung der Menschenrechtslage beigetragen.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien; 11.8.2009)

 

Der Ombudsmann ist zuständig für die Verteidigung der Menschenrechte und schützt diese gegen Missbrauch von nationalen, regionalen und lokalen Beamten. Im ersten Halbjahr 2009 gingen 2 602 Beschwerden im Büro des Ombudsmannes ein, davon konnten 42 Fälle gelöst werden und 94 Personen erhielten Entschädigungen.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Von 1994 bis 2008 wuchs die armenische Wirtschaft ohne Unterbrechungen, in den Jahren 2001 bis 2007 durchschnittlich 13% pro Jahr, erreichte allerdings erst im Jahre 2004 wieder den Stand von 1990.

 

Erste Auswirkungen der Finanzkrise führten zu einer Verminderung des BIP-Wachstums im Jahre 2008 auf 6,8%, nach Schätzungen von Regierung und IWF könnte die armenische Wirtschaft 2009 um 15% schrumpfen.

 

Bereits im ersten Quartal 2009 führte das gleichzeitige und signifikante Abfallen von Exporten, Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen zu einem akuten und hohen Zahlungsbilanzdefizit Armeniens. Die erforderlich gewordene Freigabe des Wechselkurses des Dram führte Anfang März zu einer Abwertung von gut 20%. Kredite durch IWF, Weltbank, Russland und anderen Gebern über zusammen mehr als 2 Mrd. Euro wurden bereits bewilligt.

 

Einer der Gründe für den Einbruch von Rücküberweisungen, Direktinvestitionen und privaten Kapitalzuflüssen sind die Auswirkungen der Krise in Russland. Die armenische Diaspora dort umfasste bislang bis zu ca. 2 Millionen Menschen, darunter viele Arbeitsmigranten, die traditionell Geld, meist für den privaten Konsum, an ihre Familien in Armenien übersandt hatten.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Länder- und Reiseinformationen: Armenien, Stand Oktober 2009

http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Armenien/Wirtschaft.html, Zugriff 13.7.2010)

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zu Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist gewährleistet. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, nur stundenweise zur Verfügung. Die Wasserversorgung wird jedoch laufend verbessert.

 

Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Ansonsten überwinden viele, auch durch die traditionellen Familienbande, Versorgungsschwierigkeiten. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt.

 

Das Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 36.000 Dram (derzeit ca. 75 Euro), der offizielle Mindestlohn 25.000 Dram im Monat. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach. Die sprichwörtliche Geschäftstüchtigkeit der Armenier ermöglicht es vielen, sich ein Zubrot zu verdienen. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Nach einem Bericht der schwedischen Migrationsbehörde sollen von 1991-2007 ca. 800.000-1.000.000 Armenier, meist als Arbeitsmigranten, ihr Land verlassen haben. Allein 2005 bis 2006 sollen nach Angaben einer armenischen NGO, die auch vom zuständigen Ministerium zitiert wird, bis zu 1.220.000 Menschen als Arbeitsmigranten das Land verlassen haben, davon 92,2 % in die Russische Föderation. 2008 wird von ca. 100.000 Migranten ausgegangen, darunter auch viele Hochqualifizierte wie IT-Spezialisten.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Behandlung nach Rückkehr

 

Personen, die im Ausland um Asyl angesucht haben, haben in Armenien alleine aufgrund der Asylantragstellung mit keinen Sanktionen zu rechnen. Es gibt jedenfalls keinen entsprechenden Straftatbestand im armenischen Strafgesetzbuch.

 

(BAA - Bundesasylamt: Bericht zur Fact Finding Mission - Armenien, Georgien, Aserbaidschan, 1.11.2007)

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Sie haben überdurchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.

 

Staatliche Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht, es gibt jedoch zahlreiche Waisenhäuser, die durch Spenden aus dem Ausland z. T. einen guten Unterbringungs- und Betreuungsstandard gewährleisten können.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Das soziale Sicherungssystem Armeniens umfasst derzeit die folgenden Elemente:

 

¿ Staatliche soziale Unterstützungsprogramme wie etwa Familienbeihilfe, Berufsunfähigkeitsrente, Altersrente und andere soziale Beihilfen, einmalige Kindesprämien und Kindergeld (bis zum Alter von 2 Jahren).

 

¿ Soziale Unterstützungsprogramme für behinderte Mitbürger, Veteranen und Kinder;

 

insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationsprogramme, häusliche Alten- und Behindertenpflege, Heime, Waisenhäuser und Internate.

 

¿ Staatliche Sozialversicherungsprogramme, bestehend aus Alters- und Berufsunfähigkeitsrente sowie Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit und Schwangerschaft.

 

¿ Beschäftigungsprogramme einschließlich Arbeitslosenunterstützung, berufliche Weiterbildung für Arbeitslose und öffentliche (oder vergleichbare) Arbeiten.

 

¿ Ein System mit Privilegien für bestimmte Bevölkerungsgruppen, die 1999 unter besonders problematischen Lebensbedingungen zu leiden hatten. Dieses System umfasst derzeit einige Privilegien; vornehmlich für Veteranen des 2. Weltkriegs (und vergleichbare Gruppen) im Rahmen der (internationalen) GUS-Abkommen. In der Mehrzahl kommen Dienstleister in den Genuss dieser Privilegien. Für den Zeitraum von 2006 bis 2015 sind keine weiteren Privilegien geplant.

 

Verfahren zur Existenzgründung:

 

Heute realisieren zahlreiche internationale Organisationen und Wohlfahrtsverbände Projekte zur Förderung der Existenzgründung von Flüchtlingen und Heimkehrern. Nachfolgend finden

 

Sie eine Beschreibung einiger dieser Programme:

 

Armenian Relief Society (Wohltätigkeitsfonds)

 

Dieses Programm konzentriert sich auf wirtschaftliche Stärkung der Frauen. Die ARS bietet Frauen die nötigen Schulungen, um selbständiger zu werden und gleichzeitig die lokale Produktivität zu steigern. Gespendete Näh- und Stickmaschinen ermöglichen die Herstellung von Kleidung und kunsthandwerklichen Erzeugnissen. Öfen und Getreidemühlen fördern die Lebensmittelproduktion. Darüber hinaus finanzierte die ARS die Gründung von "Talin Optic" und "ARS Optic", zwei profitablen Brillenglas-Unternehmen, die Kunden in zwei Stunden bedienen und Arbeitsplätze schaffen.

 

Micro-Enterprise Development-Projekt:

 

Seit 1997 bemüht sich das Micro-Enterprise Development (MED)-Projekt, die wirtschaftliche Selbständigkeit benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu steigern und die Integration von Heimkehrern (Asylbewerber, Opfer des Menschenhandels), Flüchtlingen und Vertriebenen durch Schulungen zur Gründung von Mikrounternehmen, Darlehen und Beschäftigungsmöglichkeiten zu vereinfachen.

 

Benachteiligte Personen und insbesondere Frauen sind ebenfalls eine Zielgruppe, deren Selbstständigkeit gefördert werden muss, um den Migrationsdruck zu mindern. Das MED ist in und um Eriwan, Gyumri, Vanadzor, Ashtarak, Spitak, Abovian und Byureghavan aktiv. Obwohl mehrere Mikrofinanzierungsprogramme im Land angeboten werden, nimmt das Projekt in diesem Bereich eine einzigartige Stellung ein:

 

1612 unterstützte Unternehmen

 

1623 geschulte Teilnehmer

 

Gewährung von Darlehen in Höhe von 2,4 Millionen USD

 

2377 Familien profitierten von der Existenzgründung und den Beschäftigungsmöglichkeiten.

 

91% der beobachteten Darlehensnehmer berichteten von einer Verbesserung der Lebensqualität aufgrund des erhöhten Einkommens oder Vermögens.

 

UMCOR/AREGAK (Zentrum für nachhaltige garantierte finanzielle Unterstützung)

 

Ein Mikrokreditprogramm.

 

Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten (USDA) trifft eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung und Steigerung der Selbstständigkeit in Armenien. Diese Aktivitäten dienen in der Hauptsache dazu, armenischen Herstellern in der Landwirtschaft zu

 

helfen, ihre Produktivität und die Qualität ihrer Produkte und Waren zu verbessern.

 

(IOM - International Organisation for Migration: Länderinformationsblatt Armenien 2009, letztes Update 30.11.2009)

 

Frauen/Kinder

 

Verfassungsgesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl von dem in der Bevölkerung verankerten patriarchalischen Rollenverständnis geprägt. Es gibt jedoch keine Hinweise auf geschlechtsspezifische Verfolgung.

 

Vergewaltigung - auch seitens des Ehepartners - wird strafrechtlich konsequent verfolgt, sofern sie angezeigt wird. Dies ist allerdings nur sehr selten der Fall. Prostitution und Sextourismus sind nicht illegal, die Zuhälterei und das Betreiben von Bordellen stehen jedoch unter Strafe. Das Gesetz verbietet sexuelle Belästigung nicht ausdrücklich, stellt jedoch einige Aspekte, z. B. anzügliche Handlungen und unsittliches Verhalten, unter Strafe. Es gibt keine glaubhaften Berichte über Zwangsheiraten.

 

Glaubwürdigen Presseberichten und einer belastbaren Studie des UNHCR zufolge werden armenische Frauen und Mädchen zur Prostitution sowohl in die Vereinigten Arabischen Emirate als auch in die Türkei und zur Zwangsarbeit nach Russland und in die Türkei verbracht. Die armenische Regierung bemüht sich darum, den Menschenhandel einzudämmen und hat Programme eingerichtet, die der Prävention dienen sollen. Der Opferschutz wird in der Praxis jedoch häufig vernachlässigt. Genaue Zahlen liegen nicht vor.

 

Kinderarbeit kommt in Armenien nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes nur im Familienverband, z.B. als Mithilfe im elterlichen Betrieb vor. Ein Arbeitsverhältnis kann nur ab dem vollendeten 16. Lebensjahr eingegangen werden.

 

Staatliche Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht, aber es gibt zahlreiche Waisenhäuser, die durch Spenden aus dem Ausland z. T. einen guten Unterbringungs- und Betreuungsstandard gewährleisten können.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, 11.8.2009)

 

Der Nationale Aktionsplan "Verbesserung der Situation von Frauen und Förderung ihrer Rolle in der Gesellschaft" 2004-2010 wird weiter umgesetzt. Das überarbeitete Gesetz zu Geschlechtergleichheit wurde noch nicht angenommen. Ein Gesetzesentwurf, der häusliche Gewalt kriminalisiert, wird noch diskutiert. Eine angemessene Gesetzgebung in Bezug auf häusliche Gewalt und zur Verbesserung der Teilnahme von Frauen am politischen und ökonomischen Leben ist noch zu erarbeiten.

 

(Europäische Kommission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2009; Progress Report Armenia [SEC(2010) 516] 12.5.2010)

 

Vergewaltigung ist gesetzlich verboten, die Höchststrafe beträgt 15 Jahre Haft; jedoch gibt es kein explizites Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe. Auch häusliche Gewalt ist weit verbreitet, es gibt aber auch hier kein spezielles Gesetz dagegen.

 

Es gibt eine NGO-betriebene Schutzeinrichtung für Opfer häuslicher Gewalt, die psychologische und rechtliche Hilfe anbietet. Eine Hotline wird auch von dieser NGO betrieben.

 

(US DOS - US Department of State: Country Reports on Human Rights Practices 2009 Armenia, 11.3.2010)

 

Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es kann nicht festgestellt werden dass die BF in ihrem Herkunftsland einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr ausgesetzt sein werde.

 

Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Beweiswürdigung

 

Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.

 

Die Identität des BF konnte mangels Vorlage unbedenklicher Originaldokumente nicht festgestellt werden. Der Asylgerichtshof legt daher Wert auf die Feststellung, dass die namentliche Nennung der BF lediglich ihrer Identifizierung als Verfahrenspartei im ggst. Asylverfahren gilt und nichts über ihre wahre Identität aussagt.

 

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei aus der Sicht des Asylgerichtshofes um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat machen zu können. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges.

 

Auch kommt den Quellen Aktualität zu (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210).

 

Die BF trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substanttiert entgegen. Soweit die BF zur medizinischen Versorgung in Armenien im Schriftsatz vom 18.1.2008 auf einen Bericht aus dem Jahr 2006 verweist, ist diese Quelle älteren Datums als jene, die vom erkennenden Senat herangezogen wurden und daher schon aus diesem Grund nicht geeignet, diesen auf gleicher fachlicher Ebene zu begegnen.

 

In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 19.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft qualifiziert.

 

Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation der BF und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche ( z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Es ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, das heißt, mehr Gründe für als gegen diese Annahme sprechen (vgl zum Bericht der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts (1991) 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191)¿ Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

Dem Bundesasylamt ist zuzustimmen, wenn dieses im Verfahren der Mutter (E12 259.598), auf deren Fluchtgründe sich auch die BF stützt, ausführt, dass deren Angaben aufgrund von Widersprüchen sowie mangelnder Plausibilität und Nachvollziehbarkeit kein Glauben geschenkt werden könne.

 

Diese Ansicht teilte bzw. konkretisierte der Asylgerichtshof im Verfahren der Mutter wie folgt:

 

"So versuchte die BF von ihrem ersten aktenkundigen Auftreten in der Europäischen Union, die Asylbehörden durch unterschiedliche Angaben bezüglich ihrer Identität und ihrer Staatsangehörigkeit zu täuschen. So gab sie beispielsweise in ihrem Asylantrag vom 30.4.2004 (AS 5) und auch bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 16.3.2005 (AS 31f) ihre Staatsangehörigkeit mit Armenien und ihren Geburtsort mit XXXX an. Weiters führte sie aus, dass ihre Geburt in XXXX eingetragen sei und dass sie zur Volksgruppe der Armenier gehöre. Auch in ihrer Beschwerde bestritt sie die mit Armenien festgestellte Staatsangehörigkeit nicht. Im Schriftsatz vom 18.1.2008 wurde schließlich eine andere Identität der BF angegeben und behauptet, dass sie in Aserbaidschan als Kind aserbaidschanischer Eltern geboren sei und erst mit 4 oder 5 Jahren nach Armenien gekommen sei. Weiters wurde behauptet, die BF sei staatenlos. In der Stellungnahme vom 11.11.2010 wurde schließlich behauptet, die BF sei Staatsbürgerin von Aserbaidschan. Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben, aber auch aufgrund des Umstandes, dass die BF trotz entsprechender Aufforderung bis heute keine Originalnachweise für ihre angebliche aserbaidschanische Abstammung und ihre angebliche Ehe mit einem Aserbaidschaner, der in den Niederlanden Flüchtlingsstatus genießt, vorgelegt hat, hingegen ihre Angaben im Asylantrag und bei ihrer Einvernahme eindeutig und nachvollziehbar waren, ist das BAA zu Recht von der armenischen Staatsangehörigkeit der BF ausgegangen. Die behauptete Ehe mit dem in Holland anerkannten Flüchtling ist auch insofern wenig glaubwürdig, weil die BF in diesem Fall vermutlich von Haus aus die Niederlande als Zielland ausgewählt hätte, um die Familie wieder zusammenzuführen. Untermauert wird diese Unglaubwürdigkeit noch dadurch, dass der angebliche Ehemann erstmals im Schriftsatz vom 18.1.2008 Erwähnung findet. Die Verschleierungstaktik der BF ihre Staatsangehörigkeit und ihre Identität betreffend zeigt sich auch darin, dass sie bei ihrer Einvernahme am 16.3.2005 angab, dass sie einen Reisepass besessen habe, dieser aber nicht mehr da gewesen sei, nachdem die Unbekannten im Haus gewesen seien. Im Schriftsatz vom 18.1.2008 wurde hingegen behauptet, die BF sei in Armenien nie gemeldet gewesen. Diesfalls hätte sie allerdings aber auch nie einen Reisepass erhalten dürfen. Der erkennende Senat geht daher ebenso wie das BAA von einer armenischen Staatsangehörigkeit der BF aus, die lediglich im Zuge des Verfahrens verschleiert werden sollte, um so allenfalls einer Abschiebung zu entgehen.

 

Ebenso wenig nachvollziehbar sind die Angaben, die den eigentlichen Fluchtgrund der BF betreffen. So gab sie vor dem BAA am 16.3.2005 an, sie habe mit ihrer Familie in XXXX gelebt. Im Dezember 2003 habe ihr Mann Probleme mit Privatpersonen gehabt, weil er Dokumente versteckt haben sollte. In der Folge habe auch sie mit diesen Personen Probleme bekommen, weshalb sie letztlich Armenien im April 2004 verlassen habe. Im Schriftsatz vom 18.1.2008 wurde hingegen eine komplett andere Fluchtgeschichte präsentiert. Dabei wurde im Wesentlichen behauptet, die BF habe von 1996 bis 2004 unangemeldet in der Ukraine gelebt und sei von dort nach Österreich gekommen. Wegen Problemen mit Ukrainern in Zusammenhang mit dem von der Familie der BF betriebenen Restaurants habe dieses geschlossen werden müssen. Im Mai 1999 sei das Haus der BF überfallen und der Ehemann verprügelt worden. 2003 sei die BF mehrmals vergewaltigt worden, weshalb sie im April 2004 die Ukraine verlassen habe. Der behauptete Aufenthalt in der Ukraine und die damit angeblich in Zusammenhang stehenden Vorgänge sind auch insofern unglaubwürdig, als behauptet wird, die BF und ihre Familie seien dort zwar nie gemeldet gewesen, hätten aber umgekehrt ein Restaurant betrieben. Dabei hätten sich aber zwangsw

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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