TE Vwgh Erkenntnis 2011/4/12 2007/18/0962

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Veröffentlicht am 12.04.2011
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des X X in W, geboren am 6. Juli 1990, vertreten durch DDDr. Franz Langmayr, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Langmaisgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 2007, Zl. E1/435111/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sieben Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei auf Grund einer am 15. Juli 2003 gültigen Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" am 17. September 2003 nach Österreich eingereist, wo er ab 18. September 2003 erstmals als behördlich gemeldet aufscheine. Die Erteilung der Niederlassungsbewilligung habe sich darauf gestützt, dass sein Adoptivvater österreichischer Staatsbürger sei. Der Beschwerdeführer, der - nach Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Niederlassungsbewilligung - über einen ab 15. September 2005 gültigen Niederlassungsnachweis verfüge, halte sich seit seiner Einreise legal im Bundesgebiet auf.

Am 13. Juni 2007 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Verbrechen des Raubes und des schweren Raubes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 27 Monaten (davon neun Monate unbedingt und 18 Monate bedingt unter Setzung einer dreijährigen Probezeit) rechtskräftig verurteilt worden, weil er - jeweils im Zusammenwirken mit anderen Tätern - am 25. November 2006, 29. November 2006, 1. Dezember 2006, 24. Dezember 2006, 6. Jänner 2007 (nach Ausweis der Verwaltungsakten: auch 7. Jänner 2007) und 13. Jänner 2007 jeweils ein namentlich bekanntes Opfer unter Anwendung von Gewalt (etwa durch Zu-Boden-Reißen, Niederschlagen, Festhalten) beraubt habe (Gegenstände und in jedem Fall Bargeld). Hiebei habe am 1. Dezember 2006 das Opfer durch die ihm versetzten Tritte und Schläge Rippenbrüche und einen Bruch des Schambeinastes, somit eine schwere Körperverletzung, erlitten.

(Aus der diesbezüglichen, in den Verwaltungsakten enthaltenen Urteilsausfertigung geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 25. November 2006, nachdem er zu zwei Mittätern gesagt hatte, dass sie den auf der Straße wahrgenommenen T. nun überfallen würden, gemeinsam mit seinen Mittätern das Opfer nach Versetzen eines Faustschlages zu Boden drückte und ihm eine Armbanduhr sowie ein Handy wegnahm. Am 29. November 2006 fasste der Beschwerdeführer den Entschluss, einen Bekannten, von dem er wusste, dass dieser EUR 200,-- Bargeld bei sich haben würde, auszurauben, weshalb er zwei Mittäter überredete, bei dem Raub mitzumachen. Am 1. Dezember 2006 überfiel der Beschwerdeführer mit drei Mittätern G R., wobei sie diesen von hinten niederrissen, ihm Schläge und Tritte gegen den Körper versetzten, wodurch dieser die angeführten schweren Verletzungen erlitt, und ihm sodann ein Handy und EUR 60,-

- an Bargeld wegnahmen. Am 24. Dezember 2006 überfiel der Beschwerdeführer gemeinsam mit fünf Mittätern K D., wobei sie diesen von hinten niederrissen, ihn festhielten und ihm sodann EUR 350,-- an Bargeld wegnahmen. Am 6. Jänner 2007 schlugen der Beschwerdeführer und vier Mittäter ihr Opfer P S. von hinten nieder und nahmen diesem dessen Kellnerbrieftasche mit EUR 180,-- an Bargeld weg. Einen Tag später, am 7. Jänner 2007, hielten sich der Beschwerdeführer und fünf Mittäter in einem näher genannten Park auf, wo sie R L. wahrnahmen, diesem nachliefen, Schläge und Tritte versetzten sowie eine Geldbörse mit EUR 50,-- an Bargeld, eine "Rapid-Abo-Karte" und ein Handy wegnahmen. Am 13. Jänner 2007 beraubten der Beschwerdeführer und vier Mittäter S M., indem sie diese von hinten zu Boden rissen und ihr deren Umhängetasche mit einem Handy und einer Ledergeldbörse mit EUR 30,-- Bargeld wegnahmen.)

Dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zufolge lebten dessen Eltern, denen die gemeinsame Obsorge (für ihn) zukomme, voneinander getrennt in Österreich. Seine Mutter sei türkische Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer werde angeblich nach seiner Haftentlassung - unter Beistellung von Bewährungshilfe - bei seinem Adoptivvater, einem österreichischen Staatsbürger, leben. Auch sein Bruder sei im Bundesgebiet aufhältig. Einer Bestätigung vom 20. Februar 2007 zufolge werde der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung bei einem näher genannten Unternehmen angestellt werden können.

Unter Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer zwar "Familienangehöriger" eines österreichischen Staatsbürgers im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG, aber nicht "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 leg. cit. sei. Es gehe nämlich weder aus dem bisherigen Akteninhalt noch aus dem Berufungsvorbringen hervor, dass sein Adoptivvater im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen - nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft - von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht habe.

Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Das dieser Verurteilung zugrunde liegende Verhalten lasse die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (Schutz der körperlichen Integrität, Verteidigung der Ordnung und des Eigentums anderer sowie Verhinderung strafbarer Handlungen) zuwiderlaufe. Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an der Hintanhaltung der Raubkriminalität, berühre.

Der Beschwerdeführer weise eine starke familiäre, aber nur schwache berufliche Bindung in Österreich auf. Immerhin habe er die begonnene Lehre als Maschinenbautechniker wegen seiner Unzuverlässigkeit abbrechen müssen und sei dann nur mehr vom 16. Oktober bis 12. Dezember 2006 als Arbeiterlehrling beim Verein "Jugend am Werk" tätig gewesen. Die letzten zwei Monate vor seiner Verhaftung am 8. Februar 2007 sei er offensichtlich wieder ohne Beschäftigung gewesen. Diesen Bindungen des Beschwerdeführers stehe gegenüber, dass er sich erst seit etwas über vier Jahren - also noch nicht allzu lange - im Bundesgebiet aufhalte. Trotzdem sei anzunehmen, dass er sich hier bereits einen gewissen Freundeskreis aufgebaut habe.

Auf Grund des ca. vierjährigen legalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der dargestellten familiären Bindungen sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen, dessen Zulässigkeit im Grunde des § 66 FPG dennoch zu bejahen sei. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit und Allgemeinschädlichkeit der Gewaltkriminalität, die Tatwiederholungen innerhalb eines Zeitraumes von etwa zwei Monaten und die dabei gezeigte Brutalität (vgl. den Raubüberfall vom 1. Dezember 2006) sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit und des Eigentums anderer) dringend geboten. Das geschilderte Fehlverhalten verdeutliche augenfällig die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für das Eigentum und die Gesundheit im Bundesgebiet aufhältiger Menschen sowie das Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten.

Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Schwere der Tathandlungen und deren Wiederholungen sowie den damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt - auch bezogen auf den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes - nicht möglich.

Bei der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die hiefür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten überaus erheblich beeinträchtigt worden sei. Von daher hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, sehr hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Eine Ermessensentscheidung sei im Hinblick auf § 56 Abs. 2 Z 1 bzw. § 55 Abs. 3 Z 1 FPG (Begehung von Verbrechen) nicht in Betracht gekommen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Ausführungen der belangten Behörde, wonach der österreichische Adoptivvater des Beschwerdeführers von seinem (gemeinschaftsrechtlichen) Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht habe, und bringt vor, dass dieser am 1. Februar 1956 in der T geboren, dort aufgewachsen und im Jahr 1981 nach Österreich übersiedelt sei, wo ihm im Jahr 1991 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. Dieser habe auch dadurch von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, dass er in der T geheiratet, nach seiner Ehescheidung wieder geheiratet, den Beschwerdeführer (laut der mit der Beschwerde vorgelegten Kopie der beglaubigten Übersetzung des diesbezüglichen türkischen Urteils: mit 14. Oktober 2002, rechtskräftig seit 13. Dezember 2002) adoptiert sowie für den Familiennachzug des Beschwerdeführers und dessen Mutter nach Österreich gesorgt habe. Die belangte Behörde habe "die Ermittlung dieses ganzen für die Frage der Zuständigkeit wesentlichen Sachverhaltskomplexes unterlassen, obwohl in der Berufung die Parteienvernehmung des berufungswerbenden Adoptivvaters, wie aus dem Akt ersichtlich, als Beweis beantragt war". Die Unterlassung der Vernehmung des Adoptivvaters des Beschwerdeführers stelle daher einen relevanten Verfahrensmangel dar. Da der Beschwerdeführer nach der Aktenlage begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Z 11 FPG sei, weil er seinem österreichischen Adoptivvater nach Österreich nachgefolgt sei, der wiederum sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehme, hätte die belangte Behörde die Berufung jedenfalls gemäß § 6 AVG iVm § 9 Abs. 1 FPG an den unabhängigen Verwaltungssenat weiterleiten müssen.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat weder im erstinstanzlichen Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes noch (durch seinen Rechtsvertreter) in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid behauptet, dass (und gegebenenfalls in welcher Art und Weise) sein österreichischer Adoptivvater das (gemeinschaftsrechtliche) Recht auf Freizügigkeit ausgeübt habe. In Bezug auf die Lebensumstände und den Aufenthalt seiner Eltern hat er insoweit (lediglich) vorgebracht, dass beide Elternteile in Österreich (in getrennten Haushalten) lebten. Auch in seinem weiteren (durch seinen Rechtsvertreter) im Berufungsverfahren direkt an die belangte Behörde erstatteten Schriftsatz - somit in Kenntnis davon, dass die belangte Behörde (und nicht der unabhängige Verwaltungssenat) die Zuständigkeit als Berufungsbehörde wahrnimmt - hat er keine Behauptungen hinsichtlich einer Ausübung des genannten Freizügigkeitsrechtes aufgestellt und auch nicht in sonstiger Weise die Zuständigkeit der belangten Behörde in Zweifel gezogen.

Das obzitierte Beschwerdevorbringen verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (vgl. dazu § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Davon ausgehend hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde zu Recht in Anspruch genommen.

2.1. Die von der Beschwerde nicht bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers der - bei der Beurteilung nach § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG einen "Orientierungsmaßstab" darstellende (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2007/18/0771, mwN) - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, begegnet keinen Bedenken.

2.2. Der Beschwerdeführer hat - wie oben (I. 1.) näher dargestellt - sieben Raubüberfälle verübt, wobei mehrere Opfer nicht nur geschlagen wurden, sondern ein Opfer sogar durch die ihm versetzten Tritte und Schläge eine schwere Körperverletzung (Rippenbrüche und einen Bruch des Schambeinastes) erlitt. In diesen Raubüberfällen hat sich die hohe Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers manifestiert. Ferner hat er in gravierender Weise gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verstoßen. In Anbetracht des genannten schwerwiegenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers - dessen weiterer inländischer Aufenthalt nicht nur eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft (Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität) berührt, darstellen würde, sondern der auch durch seinen Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährden würde - ist die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden.

3.1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und bringt vor, dass der Beschwerdeführer nicht nur eine starke familiäre, sondern auch eine starke berufliche Bindung im Bundesgebiet aufweise, weil er, wie sich aus der von ihm vorgelegten Bestätigung vom 30. Oktober 2007 ergebe, unverzüglich nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bei einem näher genannten Unternehmen angestellt werde. Auch wäre zu berücksichtigen und festzustellen gewesen, dass der Adoptivvater des Beschwerdeführers vollständig sowie dessen Mutter und Bruder weitgehend (im Bundesgebiet) integriert seien. Im Hinblick auf die "gerichtlichen Weisungen", den vorhandenen Arbeitsplatz und die zwischenzeitlich erfolgte Reifung des Beschwerdeführers bestehe kein genügender Anlass für eine negative Verhaltensprognose. Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten erst 16 Jahre alt und bei seiner Verurteilung erst 17 Jahre alt gewesen und bereue seine Taten.

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem 17. September 2003, dessen familiäre Bindungen zu seinen hier lebenden Eltern und einem Bruder und im Hinblick darauf starke familiäre Bindungen des Beschwerdeführers berücksichtigt sowie zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Auch den Umstand, dass er eine verhältnismäßig kurze Zeit als Lehrling beschäftigt war, hat die belangte Behörde (als schwache berufliche Bindung des Beschwerdeführers in Österreich) berücksichtigt und darauf Bedacht genommen, dass er sich hier bereits einen "gewissen Freundeskreis" aufgebaut hat.

Diesen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen gravierenden, durch Brutalität gekennzeichneten Straftaten resultierende massive Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Gewalt- und Eigentumskriminalität, gegenüber.

Wenn die Beschwerde geltend macht, dass der Beschwerdeführer bei der Begehung der Straftaten erst 16 Jahre und bei seiner Verurteilung erst 17 Jahre alt gewesen ist, so ist dies zwar insoweit von Bedeutung, als der Umstand der Begehung von Straftaten im jugendlichen Alter im Rahmen der vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK zu erfolgenden Interessenabwägung entsprechend zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das Urteil des EGMR vom 23. Juni 2008, Nr. 1638/03, Maslov gegen Österreich). Damit ist jedoch für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen, weil sich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt von dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall in wesentlichen Punkten unterscheidet:

Im Gegensatz zum Beschwerdeführer ist der Fremde Maslov bereits im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen. Dieser war zwischen 14 und 15 Jahre alt, als er die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen beging, die nur mit einer Ausnahme nicht gewalttätiger Natur waren. Der Beschwerdeführer hingegen war mit 13 Jahren mehr als doppelt so alt, als er nach Österreich kam, und befand sich bei der Begehung seiner Straftaten bereits im 17. Lebensjahr, wobei alle von ihm verübten Straftaten mit Gewaltanwendung verbunden waren.

In diesem Zusammenhang ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

Der Beschwerdeführer hat im Berufungsverfahren (vgl. die Stellungnahme vom 30. Oktober 2007) vorgebracht, dass er bis zum 17. September 2003 in der T wohnhaft gewesen sei, wo er bis zum 18. Juni 2003 die Pflichtschule besucht habe. Mit dieser Stellungnahme wurde (u.a.) die Kopie einer beglaubigten Übersetzung der Bestätigung einer türkischen Behörde vorgelegt, der zufolge der Beschwerdeführer bis zum 17. September 2003 in der T gelebt habe.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer prägende Jahre seiner Kindheit in seinem Heimatland, der T, verbracht hat und ihm die türkische Kultur und Sprache vertraut ist, wobei aus dem Beschwerdevorbringen nichts Gegenteiliges abzuleiten ist. Vom Beschwerdeführer wird in der Beschwerde nicht mehr behauptet, dass er in seinem Heimatland keine Bindungen mehr habe. Auch insoweit unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall von jenem, der dem genannten Urteil des EGMR vom 23. Juni 2008 zugrunde lag. Insbesondere hatte der Fremde Maslov nie in seinem Herkunftsland Bulgarien die Schule besucht. Auch konnte dieser Bulgarisch weder lesen noch schreiben.

Stellt man nun die genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber, so ist das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung auch dann nicht zu beanstanden, wenn man dem Beschwerdevorbringen folgend noch berücksichtigte, dass ihm ein Arbeitsplatz nach seiner Haftentlassung zugesichert worden sei und seine Mutter und sein Bruder, wie von ihm vorgebracht, "weitgehend integriert sind".

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. April 2011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2007180962.X00

Im RIS seit

28.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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