TE OGH 2011/3/16 6Ob30/11x

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Veröffentlicht am 16.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** N*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die beklagte Partei Dr. G***** F*****, vertreten durch rechtsanwälte.tusch.flatz.dejaco.kasseroler.gmbh in Feldkirch, wegen 132.641,97 EUR sA?(Revisionsinteresse 18.092,41 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2010, GZ 4 R 259/10k-46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen verpflichteten - insoweit rechtskräftig - den Beklagten zum Schadenersatz gegenüber der Klägerin und sprachen dieser 114.388,46 EUR zu. Die Klägerin sei die Witwe des am 24. 8. 2008 verstorbenen A***** N***** und neben mehreren Kindern des Erblassers aufgrund gesetzlicher Erbfolge dessen Erbin zu einem Drittel. Der Erblasser habe allerdings am 7. 6. 2001 beim Beklagten, einem Rechtsanwalt, zugunsten der Klägerin ein letztlich aufgrund eines Fehlers des Beklagten formungültiges fremdhändiges Testament errichtet gehabt, nach welchem die Klägerin Alleinerbin, die Kinder jedoch lediglich pflichtteilsberechtigt hätten sein sollen. Bei Gültigkeit dieses Testaments wäre der Klägerin ein weiteres Drittel des Nachlasses zugekommen, mit dessen Wert sie somit geschädigt sei.

Das - allein noch revisionsgegen-ständliche - Teilbegehren von 18.092,41 EUR wiesen die Vorinstanzen mit der Begründung ab, selbst bei formgültigem Testament wäre auch der Erbteil der Klägerin mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB an der im Alleineigentum des Erblassers gestandenen Wohnung belastet gewesen, welches einen Wert von 54.277,24 EUR habe; der Schadenersatzanspruch reduziere sich daher um ein Drittel des Wertes des Vorausvermächtnisses, also um 18.092,41 EUR. Da sich der (überlebende) Ehegatte das Vorausvermächtnis auf seinen gesetzlichen Erbteil anrechnen lassen müsse, habe die Klägerin das Vorausvermächtnis zusätzlich erhalten und müsse sich daher ein Drittel davon wieder in Abzug bringen lassen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

Es steht zwischen den Parteien fest, dass der Beklagte der Klägerin gegenüber für die Folgen der Errichtung eines formungültigen Testaments durch den Erblasser einzustehen hat. Der konkrete Schaden der Klägerin ist dabei nach der Differenzmethode zu ermitteln, es sind also die rechtliche und wirtschaftliche Position der Klägerin bei formgültigem Testament und jene bei formungültigem Testament zu vergleichen. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht strittig.

Bei formgültigem Testament wäre die Klägerin Alleinerbin ihres vorverstorbenen Ehegatten, dessen Kinder jedoch lediglich pflichtteilsberechtigt. Als Alleinerbin wäre die Klägerin auch Alleineigentümerin der vormaligen Ehewohnung. Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB hat lediglich subsidiären Charakter (RIS-Justiz RS0012820) und kommt daher nicht zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte etwa aufgrund des Erbfalls daran Eigentümer wird (6 Ob 615/95 NZ 1996, 308; 5 Ob 125/09g). Der Klägerin stünde daher die vormalige Ehewohnung im ungeschmälerten Wert zur Verfügung; sie könnte sie jederzeit um den von den Vorinstanzen ermittelten Verkehrswert veräußern.

Demgegenüber ist sie nunmehr lediglich Dritteleigentümerin der vormaligen Ehewohnung, deren Wert durch das Vorausvermächtnis geschmälert ist. Würde die Klägerin sich mit den Miteigentümern auf einen Verkauf einigen, würde sie entweder zwar lediglich ein Drittel des geminderten Verkehrswerts erhalten, käme jedoch noch immer in den Genuss des Vorausvermächtnisses oder sie würde zur Erreichung des gesamten Verkehrswerts auf ihr Vorausvermächtnis verzichten und sich dies von den Miteigentümern abgelten lassen. Damit besteht ihr Schaden aber jedenfalls nicht in einem Drittel des vollen Verkehrswerts der vormaligen Ehewohnung.

Darüber hinaus kam der Klägerin - wie schon dargestellt - erst aufgrund der Formungültigkeit des Testaments das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB zu; dieses ist aber gemäß § 757 Abs 2 ABGB nicht in ihren Erbteil als überlebender Ehegatte einzurechnen (Welser in Rummel, ABGB³ [2000] § 757 Rz 4; Hopf/Kathrein, Eherecht² [2005] § 757 ABGB Anm 4; Eccher in Schwimann, ABGB³ [2006] § 757 Rz 6; ders in Schwimann, TaKomm [2010] § 757 ABGB Rz 2; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] §§ 757-759 ABGB Rz 8; Scheuba in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON [2010] § 757 Rz 5; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 757 Rz 4); es steht ihr also zusätzlich zum Erbteil zu. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass sie insoweit nicht geschädigt ist, ist demnach durchaus vertretbar.

Textnummer

E96711

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00030.11X.0316.000

Im RIS seit

06.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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