TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/22 E8 251026-2/2008

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Veröffentlicht am 22.03.2011
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Spruch

E8 251.026-2/2008/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. FAHRNER als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.08.2007, FZ. 03 38.096-BAS, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.02.2011 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I. Nr. 76/1997 idgF abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF"), eigenen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, reiste am 14.12.2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15.12.2003 im Gefolge seiner Festnahme in einem Reisezug an der österreichischen-deutschen Grenze einen Asylantrag, den er damit begründete, er werde in der Türkei aus politischen Gründen verfolgt (AS. 3).

 

2. Am 08.01.2004 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BAA, Außenstelle Salzburg (AS. 15 ff). Einleitend gab der BF an, er stamme Y. in T., wo seine Eltern eine große Landwirtschaft hätten und er gemeinsam mit seinen Geschwistern auf den Feldern gearbeitet und die Tiere versorgt habe; im Übrigen erhalte sein Vater auch eine Pension. Den Militärdienst habe er von 1998 bis 1999 abgeleistet. Zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, im Heimatdorf gäbe es bewaffnete Auseinandersetzungen; konkret sei er glaublich im August 2001 zwei Tage nach Beendigung derartiger Auseinandersetzungen mitgenommen und mehrfach gefoltert worden (AS. 19); dabei sei ihm z.B. sein Nasenbein gebrochen worden, welches er im Anschluss in einer Privatklinik in Istanbul habe operieren lassen müssen (AS. 21). Von wem er gefoltert wurde, könne er nicht angeben; die Personen seien normal angezogen gewesen, hätten aber Waffen im Gürtel gehabt; im Übrigen seien dem BF die Augen verbunden worden, sodass er nichts habe sehen können (AS. 21). Erst im weiteren Verlauf der Einvernahme gab der BF an, dass die Personen, die ihn gefoltert hätten, auch "Kontra-Guerillas" genannt würden (AS. 21). Bei der Anhaltung sei er gefragt worden, wo sich die Guerillas befinden würden; erst nach vier Tagen sei der BF wieder freigelassen worden (AS. 21). Wegen der erlittenen Folterungen habe er keine Anzeige bei der Polizei erstattet, da die Polizei von diesen Leuten nichts wisse; diese würden "getrennt von der Polizei" arbeiten (AS. 21).

 

Im Übrigen gab der BF an, in seinem Dorf seien mehrere Personen von Unbekannten umgebracht worden; so sei etwa ein Bruder seiner Mutter ums Leben gekommen (AS.17). Auch habe der BF an Demonstrationen teilgenommen und dabei insbesondere Häftlinge, welche sich im Hungerstreik befunden hätten, unterstützt (AS. 19). Zudem gab der BF an, er habe nur eine bestimmte Menge an Lebensmitteln oder Zigaretten kaufen können, da ansonsten seitens der Behörden der Verdacht aufgekommen wäre, dass er diese Lebensmittel an die Guerillas weitergeben würde; diese Kontrollen gäbe es nach wie vor (AS. 21). Überdies sei der BF Mitglied der kurdischen Partei "KADEK"; auf die Frage nach seinem Mitgliedsausweis gab der BF an, dieser würde sich in der Türkei in T. befinden; auf dem Ausweis stehe jedoch DEHAP, da die KADEK illegal sei (AS. 21). Die Frage, ob er den Mitgliedsausweis vorlegen könne, bejahte der BF insofern, als er sich den Ausweis faxen lassen könne bzw. könne er sich das Original auch durch seinen Schwager schicken lassen (AS. 23). Für KADEK habe der BF auch Spendengelder gesammelt (AS. 21). Auf die spätere, nochmalige Frage nach politischen Aktivitäten gab der BF an, er sei "Mitglied der DEHAP" und "illegales Mitglied der KADEK" (AS. 23).

 

Auf die nochmalige Frage, warum er gefoltert wurde, gab der BF an, dies sei darauf zurückzuführen, dass er Guerillas gesehen habe, aber den staatlichen Stellen keine weiteren Informationen gegeben habe; im Übrigen hätten ihn die Guerillas als Verräter getötet, wenn er etwas verraten hätte (AS. 23). Die Frage, ob er von den Behörden in seiner Heimat gesucht werde, bejahte er dahingehend, dass er "unter Beobachtung" stehe, was er auf weiteres Nachfragen des einvernehmenden Beamten insofern präzisierte, als dies bedeute, dass die Telefone abgehört werden würden (AS. 23). Auch die Frage, ob er von den Behörden gesucht werde, bejahte er dahingehend, dass er von Jitem seit 2000 gesucht werde (AS. 23); bei Jitem handle es sich um paramilitärische Kräfte, die vom Staat bezahlt werden würden (AS. 25). Im Falle einer Rückkehr in die Türkei fürchte er, verhaftet zu werden; aus dem Gefängnis würde er nicht mehr lebend herauskommen (AS. 25).

 

2. Mit Schreiben vom 08.01.2004 richtete das BAA ein Ersuchen an den amtsärztlichen Dienst der BPD S. um ärztliche Untersuchung des BF (AS. 33). Am 16.01.2004 langte beim BAA das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung des BF ein (AS. 39 f). Im Hinblick auf die Angaben des BF bei der Untersuchung wird ausgeführt, dass dieser berichtet habe, er sei ungefähr im September 2002 während vier Nächten mehrere Stunden lang auf verschiedene, näher umschriebene Weise gefoltert worden. Der Amtsarzt stellte beim BF folgende Diagnosen fest: Zustand nach Nasenbeinbruch, Schmelzdefekt bei Zahn 21, Zustand nach Daumenluxation links, traumatische Großzehennagelschädigung links, posttraumatische Belastungsreaktion. Abschießend gab der Amtsarzt an, dass die Angaben des BF zur Folterung glaubhaft und nachvollziehbar scheinen und sich zwanglos in das festgestellte Verletzungsmuster fügen würden; der Wahrheitsgehalt der Angaben könne jedoch aufgrund der objektivierbaren Verletzungszeichen weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden (AS. 41).

 

3. Am 19.01.2004 langte beim BAA eine türkische Meldebestätigung des BF sowie ein Auszug aus dem Personenstandsregister ein (AS. 43 f), die vom BAA einer Übersetzung zugeführt wurden (AS. 53 ff).

 

4. Mit Bescheid vom 27.05.2004, Zahl: 03 38.096-BAS, wurde der Asylantrag des BF gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.); gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.); gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend führte das BAA im Wesentlichen aus, der BF habe keine Gefahr einer Verfolgung seiner Person glaubhaft machen können. So habe er nur äußerst vage Angaben hinsichtlich des bewaffneten Konflikts, in dessen Anschluss er gefoltert worden sei, tätigen können; er habe keine konkreten Angaben tätigen können, warum er gefoltert wurde und habe insbesondere auch widersprüchliche Zeitangaben getätigt. Weiters habe der BF nicht einmal Grundkenntnisse über die politischen Parteien in der Türkei und vermenge Begriffe wie KADEK und DEHAP. Die beim BF bestehenden Verletzungen hätte sich dieser auch etwa auf seinem Bauernhof zuziehen können und verwies das BAA diesbezüglich auch auf die Ausführungen des Amtarztes, wonach die objektivierbaren Verletzungszeichen des BF den Wahrheitsgehalt seiner Angaben weder beweisen noch ausschließen würden. Schließlich würden auch keinerlei Hinweise darauf bestehen, dass der BF im Falle einer Rückkehrverbringung in die Türkei Gefahr liefe, in seinen gemäß Artikel 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt zu werden und verfüge der BF in Österreich auch über kein relevantes Privat- oder Familienleben, welches einer Ausweisung entgegenstünde.

 

5. Mit Schriftsatz vom 09.06.2004 erhob der BF gegen den Bescheid fristgerecht Berufung (AS. 115 f), worin der BF im Wesentlichen sein bisher erstattetes Vorbringen wiederholt.

 

6. Am 10.03.2006 langte beim BAA die Kopie einer Heiratsurkunde ein, woraus hervorgeht, dass der BF am 04.03.2006 geheiratet hat.

 

7. Mit Bescheid vom 11.10.2006, Zahl: 251.026/0-IX/27/04, behob der damalige UBAS den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheids an das BAA zurück (AS. 129 ff). Begründend führte der UBAS im Wesentlichen aus, das BAA habe es unterlassen, auf das Vorbringen des BF sachgerecht einzugehen. So sei es beispielsweise unterlassen worden, entsprechend detaillierte Feststellungen zur aktuellen Situation von Aktivisten der KADEK zu treffen und habe das BAA etwa auch unterlassen, sich in geeigneter Weise mit dem Schreiben des polizeiamtsärztlichen Dienstes der BPD S. vom 14.01.2004 auseinanderzusetzen, wonach beim BF offensichtlich eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

 

8. Am 30.10.2006 wurde der BF erneut vor dem BAA, Außenstelle Salzburg, niederschriftlich einvernommen (AS. 117 ff). Eingangs wurde der BF gefragt, warum er bislang weder den Mitgliedsausweis der DEHAP noch den türkischen Nüfus in Vorlage gebracht hat. Diesbezüglich gab der BF eingangs an, man müsse "dort" persönlich erscheinen, um diese Dokumente zu erhalten; auf weiteres Nachfragen gab der BF an, der Mitgliedsausweis von DEHAP sei verlorengegangen und sein Nüfus sei beim Schlepper verblieben (AS. 159).

 

Auf die Frage, ob er irgendwelche ergänzenden Angaben tätigen wolle, gab der BF an, ein Schulkollege, welcher ein Nachbar gewesen sei, sei von paramilitärischen Kräften getötet worden; näheres wisse der BF nicht darüber, er habe jedoch auch selbst Angst, getötet zu werden (AS. 161). Im Übrigen seien jeweils einmal im Jahr 2004 und einmal im Jahr 2005 Soldaten zum Vater des BF gekommen und hätten diesen nach dem Aufenthaltsort des BF gefragt; etwas Schriftliches, wie z. B. einen Haftbefehl, habe sein Vater jedoch nie bekommen (AS. 61).

 

Nach seinem Wissen über KADEK befragt, gab der BF an, die PKK sei eine terroristische Organisation und habe deshalb ihren Namen geändert und heiße nunmehr KADEK; wie diese jetzt genau heiße, wisse er jedoch nicht (AS. 161); er sei ja lediglich Sympathisant und habe keinen diesbezüglichen Kontakt mehr. Im weiteren Verlauf dieser Einvernahme gab der BF an, er habe für KADEK Geld gesammelt (AS. 163). Nach seinem Wissen über DEHAP befragt, gab der BF an, sie sei eine legale Partei mit Beziehungen zur KADEK; es gäbe diesbezüglich eine Unterdrückung und der Name DEHAP sei auch in DTP geändert worden (AS. 163). Auf die Frage, an wie vielen Demonstrationen der KADEK er teilgenommen habe, gab der BF an, dies sei vier bis fünf Mal gewesen, dabei sei er geschlagen worden (AS. 163). Einmal sei er auch auf die Polizeistation mitgenommen und befragt und geschlagen worden; dabei sei er eine Nacht lang dort gewesen und am nächsten Tag entlassen worden; den Demonstrationsteilnehmern sei gesagt worden, dass sie an solchen Demonstrationen nicht mehr teilnehmen sollten; glaublich sei dieser Vorfall im Jahr 2000 oder 2001 gewesen, er könne dies jedoch nicht genau sagen (AS. 163).

 

Auf die Frage nach seinen im ersten Verfahrensgang geschilderten Folterungen gab der BF an, diese seien im Zusammenhang mit bewaffneten Auseinandersetzungen im Dorf gestanden. So sei er am Tag nach den Auseinandersetzungen "von Leuten der Jitem", welche in Zivil und bewaffnet gewesen sein, verhaftet und mit dem Auto mit verbunden Augen an einen ihm unbekannten Ort verbracht und dort gefoltert worden. Er sei dort ca. 15 bis 20 Tage lang gewesen und von diesen Leuten dann wieder in die Nähe seines Hauses gebracht worden (AS. 165). Danach sei er in Istanbul in einer Klinik gewesen und sei sechs Monate lang nicht aus dem Haus gegangen, da er psychisch fertig gewesen sei (AS. 165). Auf die Frage, welche Informationen vom BF während seiner Inhaftierung verlangt wurden, gab er an, er sei drei Tage vor der bewaffneten Auseinandersetzung mit Leuten der Guerillas gesehen worden; die Guerilla-Leute seien bei ihm zu Hause gewesen und mit seinem Fahrrad gefahren. Die Leute der Jitem hätten Informationen über die Leute der Guerilla verlangt und dem BF vorgeworfen, dass er mit diesen Personen zusammengearbeitet habe bzw. auch dort gewesen sei, wo die Kämpfe waren. Im Falle einer Rückkehr sei sein Leben in Gefahr; im Übrigen sei auch sein Freund H. getötet worden (AS. 167).

 

9. Mit Schreiben vom 30.01.2007 gab das BAA ein psychiatrisch-fachärztliches Gutachten den BF betreffend in Auftrag (AS. 175 f) und richtete eine Anfrage an die Staatendokumentation im Hinblick auf Jitem (AS. 193 f).

 

10. Am 15.02.2007 langte die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Jitem ein (AS. 191 ff).

 

11. Am 19.02.2007 langte beim BAA das psychiatrisch-fachärztliche Gutachten den BF betreffend ein (AS. 197 f). Der Facharzt führt darin aus, dass beim BF eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, die bei einer Rückkehr in die Türkei mit einer massiven Verschlechterung bis hin zur Suizidgefährdung führen könne; es bestehe derzeit eine dringende Behandlungsbedürftigkeit.

 

12. Am 19.07.2007 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BAA, Außenstelle Salzburg (AS. 209 ff). Auf die Frage, ob sich bezüglich seiner bisher getätigten Angaben etwas geändert habe, gab der BF an, es gehe "politisch und terrormäßig ziemlich turbulent zu." Auch höre er immer wieder von seiner Familie, dass Zivilpersonen nach Hause kämen und nach ihm fragen würden (AS. 209). Auf die Frage, was diese Personen vom BF wollten, gab der BF an, er habe an Aufmärschen der DEHAP teilgenommen und für diese Partei auch Geld gesammelt; dies sei den dortigen Behörden bekannt, er wisse jedoch nicht, was die Personen von ihm wollen würden. Im Übrigen sei ein Freund von ihm in die Berge gegangen und voriges Jahr dort getötet worden; auch ein anderer Schulkollege sei von Soldaten umgebracht worden, was er in einer kurdischen Zeitung gelesen habe (AS. 211). Die Frage, ob er per Haftbefehl gesucht werde, verneinte der BF (AS. 211). In Österreich habe er nunmehr eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.

 

Im Anschluss an die Einvernahme brachte der BF schließlich verschiedene Internetausdrucke sowie eine CD-Rom mit weiteren Dokumenten, die offensichtlich aus dem Internet stammen, in Vorlage. Diese wurden vom AsylGH in Teilbereichen einer Übersetzung zugeführt und behandeln diese Texte verschiedenste Themenbereiche ohne konkreten Bezug zum BF, wie z. B. Gewaltanwendungen bei Demonstrationen, diesbezügliche Inhaftierungen, Gerichtsverfahren wegen Äußerung der Meinung sowie Folterungen in der Türkei (Übersetzung OZ 12).

 

13. Mit Bescheid vom 27.08.2007, Zahl: 03 38.096-BAS, wies das BAA den Asylantrag des BF gem. § 7 AsylG 1997 neuerlich ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG bis zum 27.08.2008 erteilt. Begründend führte das BAA zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen sei nicht glaubwürdig, zumal sich der BF lediglich auf oberflächliche und allgemein gehaltene Angaben beschränkt bzw. zwischen den einzelnen Einvernahmen sich teilweise in Widersprüche verwickelt habe. So habe der BF etwa bei seiner ersten Einvernahme vor dem BAA angegeben, er sei bei den angeblichen Folterungen nach vier Tagen wieder entlassen worden, während er im zweiten Verfahrensgang angegeben habe, er sei 15 bis 20 Tage lang festgehalten worden. Auch habe der BF im ersten Verfahrensgang etwa nicht angeben können, von wem er gefoltert worden sei, während hingegen er im zweiten Verfahrensgang sehr wohl wusste, dass er von Leuten der Jitem gefoltert worden sei; diesbezüglich entstehe der Eindruck, dass der BF mit dieser Behauptung versucht, seinem Asylantrag eine gewisse Substanz zu verleihen, ohne dass diese Vorfälle tatsächlich stattgefunden hätten. Auch habe sich der BF hinsichtlich seiner Demonstrationsteilnahmen einerseits auf allgemeine Aussagen beschränkt bzw. sich andererseits auch in näher dargestellte Widersprüche verwickelt. Im Übrigen könne der Aussage des BF, dass die Jitem ein großes Interesse an ihm habe, auch deshalb kein Glauben geschenkt werden, da der BF seinen eigenen Angaben zufolge aufgrund seines schlechten psychischen Zustandes sechs Monate lang zu Hause geblieben sei, wobei für Jitem in dieser Hinsicht jederzeit die Möglichkeit bestanden hätte, den BF dort aufzusuchen und festzunehmen; der BF habe jedoch tatsächlich ohne jegliche weitere Probleme in seinem Elternhaus leben können. Gegen die Glaubwürdigkeit spreche schließlich auch, dass der BF trotz Aufforderung keinerlei Dokumente - wie z. B. den Mitgliedsausweis der DEHAP - in Vorlage brachte. Selbst wenn man jedoch von der Richtigkeit der Angaben des BF ausginge, so könne dies zu keiner Asylgewährung führen: Wenn der BF von staatlichen Organen aufgesucht und über Informationen betreffend die Guerillas befragt wurde, so handle es sich bei letzteren um Terroristen, die seitens des türkischen Staates gesucht und strafrechtlich verurteilt würden; diese Befragung hätte dann lediglich der Aufklärung strafbarer Handlungen gedient und könne nicht zur Asylgewährung führen. Wegen der dabei allenfalls erlittenen Folter hätte der BF Anzeige bei einer Justizbehörde erstatten können. Im Übrigen sei der BF eigenen Angaben zufolge lediglich einfaches Mitglied der DEHAP gewesen und könne den Angaben des BF nicht entnommen werden, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte.

 

Die Gewährung subsidiären Schutzes begründete das BAA schließlich einerseits mit der vom BF geschlossenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie andererseits mit dem instabilen psychischen Zustand des BF und der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit, die ihm bei einer Rückkehr drohen würde.

 

14. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der BF mit Schriftsatz vom 12.09.2007 fristgerecht Beschwerde (AS. 343 ff). Darin verweist der BF zunächst auf die beiden bisher erfolgten ärztlichen Untersuchungen, aus denen hervorgehe, dass seine Angaben nachvollziehbar seien bzw. dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Mit diesen Aussagen habe sich das BAA nicht auseinandergesetzt und sei auch offengeblieben, woher die beim BF unzweifelhaft festgestellten Verletzungen stammen würden. Hinsichtlich des vom BAA aufgezeigten Widerspruchs, wonach er im ersten Verfahrensgang angegeben habe, er sei anlässlich der Folterungen drei bis vier Tage lang festgehalten worden, während er im zweiten Verfahrensgang sodann angegeben habe, er sei 15 bis 20 Tage lang angehalten worden, führte der BF aus, dabei handle es sich um zwei verschiedene Vorfälle. Die 15 bis 20 Tage lange Anhaltung sei nach den drei bis vier Tage langen Folterungen geschehen und sei der BF dabei nicht gefoltert, jedoch misshandelt worden. Was die drei bis vier Tage langen Folterungen anbelangt, so könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob er durch Leute der Jitem gefoltert wurde; jedenfalls sei Derartiges von ihm nur zu Protokoll gegeben worden, zumal ihm (sinngemäß) eine konkrete Aussage vor dem BAA geradezu abgerungen worden sei. Weiters trifft der BF Ausführungen dazu, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, die vom BAA geforderten Dokumente in Vorlage zu bringen und verweist darauf, dass die Existenz von Jitem von den türkischen Behörden bis zuletzt geleugnet worden sei. Schließlich würde dem BF bei einer Abschiebung anlässlich der routinemäßigen Kontrollen Festnahme und Übergabe an die Antiterroreinheit drohen, zumal seine Verbindung zu oppositioneller oder separatistischer Tätigkeit hervorkommen würde.

 

15. Am 23.02.2011 führte der Asylgerichtshof in der Sache des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch (OZ 11). In dieser wurde dem BF einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei an Hand des aktuellen Berichts des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 11.04.2010 erörtert. In der Beschwerdeverhandlung berichtete der BF wiederum im Wesentlichen von der Folterung im Anschluss an bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitsbehörden und der PKK sowie von Demonstrationsteilnahmen und seinem politischen Engagement in der Türkei. Hinsichtlich der näheren, entscheidungswesentlichen Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung sei auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Zur Person des BF wird festgestellt:

 

1.1. Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und stammt aus Y. in T., wo nach wie vor seine Eltern aufhältig sind und eine Landwirtschaft betreiben, auf der auch der BF selbst gearbeitet hat. In der Türkei halten sich weiters noch drei Brüder und eine Schwester des BF auf.

 

Den Militärdienst leistete der BF eigenen Angaben zufolge von 1998 bis 1999 in M. (Westtürkei) ab.

 

Im März 2006 hat der BF eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und kam im Mai 2008 ein gemeinsames Kind zur Welt.

 

1.2. Zu den vom BF vorgebrachten Fluchtgründen werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF - wie vom ihn behauptet - im Anschluss an bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und der PKK an einen ihm unbekannten Ort verbracht und vier Tage lang gefoltert wurde. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der BF ein anderes Mal - sei dies nun vor oder nach dem Folterfall gewesen - aufgrund einer Demonstrationsteilnahme 15 bis 20 Tage lang angehalten und misshandelt wurde. Weiters kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF in der Türkei in relevanter Weise für KADEK bzw. DEHAP aktiv war und deshalb in das Visier der Sicherheitsbehörden gelangte.

 

Dessen ungeachtet kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass der BF anlässlich von militärischen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und der PKK in seinem Heimatdorf von den Sicherheitskräften einvernommen und dabei allenfalls auch misshandelt wurde. Dies führte, sollte sich dies tatsächlich zugetragen haben, jedoch zu keinerlei weiteren Konsequenzen für den BF, etwa in Form eines Verfahrens, und kann in diesem Zusammenhang nicht festgestellt werden, dass die türkischen Sicherheitsbehörden irgendein konkretes Interesse an der Person des BF gehabt bzw. diesen zielgerichtet verfolgt hätten, wobei der BF eigenen Angaben zufolge während der letzten eineinhalb Jahre seines Aufenthalts in der Türkei im Grunde unbehelligt lebte. Für den Fall der Rückkehr des BF in die Türkei kann somit keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung festgestellt werden.

 

2. Zur allgemeinen Lage in der Türkei und im Hinblick auf die Zugehörigkeit des BF zur kurdischen Volksgruppe ist Folgendes anzumerken:

 

Im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Türkei wird auf die aktuellen Feststellungen in den länderkundlichen Informationsquellen des Gerichtes verwiesen. Diesen ist jedenfalls keine aktuelle allgemeine Gefahrenlage in der Türkei, die auch auf den BF durchschlagen würde, zu entnehmen. Im Hinblick auf das Vorbringen des BF hinsichtlich seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit ist festzustellen, dass es bei einem derzeitigen Anteil der Kurden von etwa einem Fünftel an der Gesamtbevölkerung der Türkei, d.h. etwa 14 Mio. Kurden, der sich auf die gesamte Türkei verteilt und zum größten Teil in die türkische Gesellschaft integriert ist, zu keinen systematischen und weit verbreiteten Repressionen gegen türkische Staatsbürger kurdischer Herkunft kommt.

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Die Feststellungen zur Identität des BF, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner regionalen Herkunft ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF im Verfahren.

 

3.2. Zu den vom BF vorgebrachten Fluchtgründen ist Folgendes auszuführen:

 

3.2.1. Was zunächst die vom BF vorgebrachte Mitnahme mit darauffolgenden Folterungen im Anschluss an bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK anbelangt, so verwickelte sich der BF diesbezüglich in zahlreiche, erhebliche Widersprüche und kann ihm deshalb kein Glauben geschenkt werden. So gab der BF vor dem BAA an, er sei seinerzeit gemeinsam mit einem gewissen H. auf das Feld gegangen und seien sie von fünf bis sechs Personen, welche wie Guerillas angezogen gewesen wären, nach ihren "Genossen" gefragt worden (AS. 165). In der Beschwerdeverhandlung hingegen gab der BF auf ausdrückliches Nachfragen des vorsitzenden Richters zunächst an, er sei alleine auf das Feld gegangen (Verhandlungsschrift Seite 4); auf den Vorhalt der diesbezüglichen Angaben vor dem BAA gab der BF in weiterer Folge an, dies müsse ein "Missverständnis" gewesen sein; erst als dem BF vom vorsitzenden Richter nochmals seine diesbezüglichen Aussagen vor dem BAA, aus denen mehrfach und eindeutig hervorgeht, dass der BF davon sprach, er sei in Begleitung gewesen, vorhielt, gab der BF in weiterer Folge an, es könnte sein, dass er sich "geirrt" habe; er habe H. außerhalb des Dorfes getroffen, sie seien einige Schritte zusammen gegangen, er sei aber "hauptsächlich" alleine gewesen; auf nochmaligen Vorhalt seiner Angaben vor dem BAA änderte der BF seine Aussage weiter dahingehend ab, dass er doch "eine kurze Strecke" mit H. zusammen gegangen sei (Verhandlungsschrift Seite 4, 5), wobei es sich dabei nach Ansicht des AsylGH offensichtlich um eine Schutzbehauptung in Anbetracht des aufgezeigten Widerspruchs handelt. Auch hinsichtlich der Personen, die er auf den Feld getroffen habe und die ihn die geschilderten Fragen gestellt hätten, tätigte der BF im Verlaufe seiner Einvernahmen widersprüchliche Angaben: So gab der BF vor dem BAA an, er sei von fünf bis sechs Personen gefragt worden, wo seine Genossen wären (AS. 165), während er in der Beschwerdeverhandlung angab, er sei von ungefähr 15 Personen gefragt worden, ob er ihre Kollegen gesehen hätte (Verhandlungsschrift Seite 3), was doch einen erheblichen zahlenmäßigen Unterschied darstellt; weiters fällt auf, dass der BF erstmals in der Beschwerdeverhandlung angab, dass die Personen, welche er auf dem Feld getroffen habe, Jitem-Leute gewesen seien (Verhandlungsschrift Seite 3), während er im bisherigen Verlauf des Verfahrens stets lediglich davon sprach, diese Personen wären wie Guerillas angezogen gewesen (AS. 165), wobei nicht erhellt, warum der BF nicht bei seinen verschiedenen vorherigen Einvernahmen diesbezüglich bereits die Jitem erwähnte.

 

Auch hinsichtlich der angeblich kurz darauf erfolgten Verschleppung und vier Tage langen Folterung verwickelte sich der BF in erhebliche Widersprüche bzw. vermochte lediglich vage Angaben zu tätigen. So gab er in der Beschwerdeverhandlung auf die Frage, wie die Personen, die ihn mitgenommen hätten, an, diese seien in Zivil und "normal angezogen" gewesen (Verhandlungsschrift Seite 5). Erst auf den diesbezüglichen Vorhalt, dass er vor dem BAA von einem "grünen Anzug" sprach (AS. 165), bestätigte der BF diese Aussagen. Dies steht jedoch wiederum mit den vom BF in seiner Beschwerdeschrift getätigten Angaben in Widerspruch: So gab der BF - als es darum ging, ob diese Personen von Jitem waren - an, von der Jitem sei bekannt, dass deren Leute häufig mit einem grünen Anzug bekleidet seien, was bei den Leuten, die ihn mitgenommen und festgehalten hätten, aber gerade nicht der Fall gewesen sei (AS. 346). Auch vermochte sich der BF in der Beschwerdeverhandlung nicht daran zu erinnern, ob die Personen, die ihn festgenommen hätten, bewaffnet waren (Verhandlungsschrift Seite 5), wobei dies nach Ansicht des AsylGH kein unbedeutender Umstand ist und konnte sich der BF daran auch noch vor dem BAA im zweiten Verfahrensgang erinnern. Im Übrigen hat auch bereits das BAA im zweiten Verfahrensgang treffend aufgezeigt, dass der BF sein Vorbringen insofern gesteigert hat, als er bei seiner Einvernahme am 08.01.2004 zunächst angab, er wisse nicht, von wem er gefoltert wurde; er habe "keine Ahnung" (AS. 21); im weiteren Verlauf dieser Einvernahme gab der BF auch an, die Leute, die ihn gefoltert hätten, würde man auch "Kontraguerillas" nennen (AS. 21). Bei seiner Einvernahme am 30.10.2006 berichtete der BF diesbezüglich hingegen explizit von der Jitem und begründete dies damit, Leute der Jitem würden ein bestimmtes Auto fahren, einen grünen Anzug tragen und ihren Bart in einer bestimmten Form rasieren (AS. 65). In seiner Beschwerdeschrift relativierte der BF diese Aussagen wiederum insofern, als er nicht genau angeben könne, ob er durch Leute der Jitem gefoltert wurde, weil er dazu keine Wahrnehmungen habe machen könne; erst auf wiederholtes Nachfragen seitens des BAA, wer es denn gewesen sein könnte, habe er angegeben, dass dies möglicherweise die Leute der Jitem gewesen sein könnten (AS. 346). Diese Angaben sind jedoch wiederum nicht mit den Aussagen des BF in der Beschwerdeverhandlung in Einklang zu bringen: So gab der BF hier an, er wisse ganz genau, dass es sich um die Leute der Jitem gehandelt habe; auch der Einwand des BF auf den diesbezüglichen Vorhalt in der Beschwerdeverhandlung, er recherchiere erst in der letzten Zeit im Internet und lese sehr viel "über diese Sachen" (Verhandlungsschrift Seite 3), vermag den AsylGH nicht zu überzeugen bzw. drängt sich in Anbetracht der übrigen Beweisergebnisse der Verdacht auf, der BF habe zwar tatsächlich im Internet recherchiert - allerdings lediglich, um seinem nicht den Tatsachen entsprechenden Vorbringen mehr Substanz zu verleihen.

 

3.2.2. Äußerst gravierende Widersprüche traten vor dem BAA auch dahingehend auf, dass der BF im zweiten Verfahrensgang angab, die nach den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen PKK und Sicherheitskräften stattgefundene Anhaltung mit Folterungen habe 15 bis 20 Tage lang gedauert (AS. 165/167), während er diesbezüglich im ersten Verfahrensgang von einer viertägigen Anhaltung sprach. In seiner Beschwerdeschrift versuchte sich der BF dahingehend zu rechtfertigen, dass dieser Vorfall mit der 15 bis 20 Tage langen Anhaltung von den drei bis vier Tage lange dauernden Folterungen unterschieden werden müsse. So sei er anlässlich einer Demonstrationsteilnahme von der Polizei festgenommen und 15 bis 20 Tage lang angehalten und dabei nicht gefoltert, jedoch misshandelt worden (AS. 347). Die drei bis vier Tage langen Folterungen hätten sich vor seiner 15 bis 20 Tage langen Inhaftierung durch die Polizei wegen der Demonstrationsteilnahme ereignet (AS. 347). Zunächst erhellt in diesem Zusammenhang in keiner Weise, warum der BF nicht bereits während der beiden Verfahrensgänge vor dem BAA angegeben hat, dass es abgesehen von der vier Tage langen Folterung auch eine 15 bis 20 Tage lange Anhaltung durch die Polizei gegeben hat, bei der er auch misshandelt worden sei, wobei ihm diese Anhaltung allein schon wegen ihrer angeblichen Länge in Erinnerung hätte bleiben müssen. In dieser Hinsicht trat aber auch ein anderer, gravierender Widerspruch auf: So gab der BF in seiner Beschwerdeschrift an, die drei bis vier Tage lange Folterung hätte sich vor seiner 15 bis 20 Tage langen Inhaftierung durch die Polizei wegen der Demonstrationsteilnahme ereignet (AS. 347), während hingegen er in der Beschwerdeverhandlung angab, die zwanzigtägige Anhaltung habe sich vor der viertägigen Anhaltung mit den Folterungen ereignet (Verhandlungsschrift Seite 7). Auch diese erheblichen Widersprüche legen den Schluss nahe, dass die Angaben des BF zu seiner Verschleppung und Anhaltung und den damit einhergehenden Misshandlungen nicht den Tatsachen entsprechen.

 

3.2.3. Im Übrigen verkennt der AsylGH nicht, dass seit den angeblichen Ereignissen mehrere Jahre vergangen sind und dass sich auch der BF selbst mehrfach auf seine Vergesslichkeit bzw. angeschlagene Psyche berief und dadurch allfällige Widersprüche zu rechtfertigen versuchte. Ebenso wenig verkennt der AsylGH, dass beim BF eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde (AS. 41, 199). Dessen ungeachtet kann dies in Anbetracht des Umfangs und der Art der aufgetretenen Widersprüche und Ungereimtheiten nicht dazu führen, dass dem BF Glauben zu schenken wäre. So erhellt z.B. in keiner Weise, warum der BF vor den beiden Verfahrensgängen vor dem BAA nicht bereits die angeblich längste polizeiliche Anhaltung (15-20 Tage), die Folge einer Demonstrationsteilnahme gewesen und bei welcher er misshandelt worden sei, erwähnte, ist doch damals eine wesentlich geringere Zeit zwischen den angeblichen Vorfällen und seinen Einvernahmen gelegen. Auch machte der BF in der Beschwerdeverhandlung insgesamt den Eindruck, als hätte er keinerlei Probleme, den Fragen zu folgen; vor allem aber fiel auf, dass er einerseits sehr wohl Details aus der Vergangenheit nennen konnte und sich sodann häufig bei grundlegenden Fragen und diesbezüglich vom vorsitzenden Richter aufgezeigten Widersprüchen auf seine Vergesslichkeit berief. Kein maßgeblicher Beweiswert kommt nach Ansicht des AsylGH im Übrigen in Anbetracht der beliebigen Antwortmöglichkeit den zum Beweis der Vergesslichkeit des BF von seiner Vertreterin in der Beschwerdeverhandlung gestellten Fragen nach dem Zeitpunkt seiner Hochzeit und der Geburt seiner Tochter und der vom BF diesbezüglich jeweils um ein Jahr falsch angegebenen Daten zu.

 

Schließlich wird vom AsylGH nicht verkannt, dass der BF am 14.01.2004 vom Amtsarzt der BPD S. sowie am 13.02.2007 von einem Psychiater untersucht wurde, wobei beim BF jeweils eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde und der Amtsarzt der BPD S. beim BF überdies konkrete Verletzungsmuster (Zustand nach Nasenbeinbruch, Schmelzdefekt bei einem Zahn, Zustand nach Daumenluxation links und traumatische Großzehennagelschädigung links) feststellte und diesbezüglich ausführte, die Angaben des BF zur Folterung würden nachvollziehbar erscheinen und sich "zwanglos" in das festgestellte Verletzungsmuster fügen (AS. 41). Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Amtsarzt in diesem Befund unter einem auch betonte, dass der Wahrheitsgehalt der Angaben des BF aufgrund der "Verletzungszeichen" weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden könne, sodass seitens des AsylGH in Anbetracht der übrigen Beweisergebnisse allein aufgrund der beim BF vorliegenden Verletzungsspuren noch nicht von der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen ausgegangen werden kann. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang zudem, dass die beim BF festgestellten Verletzungsanzeichen, wie z. B. ein Nasenbeinbruch, nicht typischerweise von einer Folterung herrühren müssen, sondern auch auf anderem Wege entstanden sein können.

 

3.2.4. Ungeachtet all dieser Erwägungen hält es der AsylGH in Anbetracht der ärztlichen Untersuchungsergebnisse sowie der seinerzeit angespannten Lage in den Kurdengebieten nicht gänzlich für ausgeschlossen, dass der BF im Gefolge von kämpferischen Auseinandersetzungen in seinem Heimatdorf - wenn auch nicht in dem Ausmaß wie von ihm behauptet bzw. mit der gezielten Verfolgungsabsicht aufgrund einer politischen Betätigung sowie der Mitwirkung von Jitem - von den Sicherheitsbehörden angehalten, befragt und allenfalls auch misshandelt wurde. Eine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung für den BF im Falle seiner Rückkehr kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden:

 

Den Angaben des BF ist nämlich klar zu entnehmen, dass er von der angeblichen Folterung im August 2001 bis zu seiner Ausreise aus der Türkei im Dezember 2003 ohne jeglichen Kontakt mit den Sicherheitsbehörden war. Er habe nach dem Folterfall zunächst sechs Monate lang das Elternhaus nicht verlassen und sei im Anschluss daran von seinen Eltern auf die Felder mitgenommen worden; lediglich einmal seien, als er einkaufen gewesen sei, "Männer" in das Haus gekommen und hätten nach ihm gefragt (Verhandlungsschrift S. 7); im weiteren Verlauf der Beschwerdeverhandlung gab der BF auch an, er habe sich in dieser Zeit "sehr unauffällig" verhalten und sei "nirgends hingegangen" und habe deshalb auch "keine Probleme" gehabt (Verhandlungsschrift S. 8). Vor diesem Hintergrund wäre es für die Sicherheitsbehörden - hätte tatsächlich ein Interesse am BF bestanden - ein Leichtes gewesen, des BF während eines Zeitraumes von ca. eineinhalb Jahren habhaft zu werden. Auch bestätigte der BF selbst explizit, dass er nicht per Haftbefehl gesucht werde (AS. 211). Insofern kann der AsylGH auch keinerlei Gefahr einer Verfolgung für den BF im Falle seiner Rückkehr erkennen. Kein Glauben kann dem BF jedenfalls geschenkt werden, wenn er nunmehr in der Beschwerdeverhandlung (ebenso wie in seiner letzten Einvernahme im zweiten Verfahrensgang vor dem BAA) vorbringt, dass (wie er von seiner Familie erfahren habe) derzeit "immer verschiedene Männer" in das Elternhaus kommen und nach seinem Aufenthaltsort fragen würden (Verhandlungsschrift S. 10), zumal dies in Anbetracht des im Grunde unbehelligten Aufenthalts des BF in der Türkei während der letzten eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise sehr unplausibel ist. Im Übrigen kann auch schon aufgrund der Unbestimmtheit des Vorbringens dieser "Besuche" - so würden auch seine Eltern nicht wissen, wer diese Personen seien - keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung für den BF abgeleitet werden. Gleiches gilt auch für das erstmals in der Beschwerdeverhandlung auf die Frage, warum er die Türkei im Dezember 2003 verlassen habe, erstattete (vage) Vorbringen, wonach Ende 2002 sein Freund Ö. Y., mit dem er gemeinsam Geld gesammelt habe, festgenommen worden sei (Verhandlungsschrift S. 8); so räumte der BF auf den Vorhalt, dass ihm allfällige Probleme wegen dieses Ende 2002 festgenommenen Freundes gewiss noch vor Dezember 2003 (dem Zeitpunkt seiner Ausreise) entstanden wären, ein, dass er lange Zeit von diesem Freund nichts gehört habe und dieser Freund (lediglich) den Namen des BF hätte nennen können; schließlich räumte der BF auf nochmaliges Nachfragen des vorsitzenden Richters ein, dass er bis zu seiner Ausreise von diesem Freund gar nichts mehr gehört habe und er nicht einmal wisse, ob dieser wirklich festgenommen wurde; jedenfalls sei bekannt, dass dieser "mitgenommen" wurde, wobei völlig offen sei, von wem (Verhandlungsschrift S. 8/9). Schließlich kann auch aus dem bloßen Vorbringen des BF, sein Freund H. sei, als sich der BF bereits in Österreich aufgehalten habe, getötet worden, ohne dass er diesbezüglich nähere Angaben zu machen vermochte (Verhandlungsschrift S. 9; vor dem BAA gab der BF diesbezüglich zwar an, sein Freund sei von Soldaten getötet worden, ohne jedoch Näheres auszuführen, AS. 161), keinerlei maßgebliche Gefahr einer Verfolgung für den BF abgeleitet werden.

 

3.2.5. Was im Übrigen die vom BF vorgebrachte Sympathie für bzw. Mitgliedschaft bei KADEK bzw. DEHAP anbelangt, so tätigte der BF bereits vor dem BAA lediglich vage Angaben; z.B. führte er etwa aus, abgesehen davon, dass DEHAP eine legale Partei mit Beziehungen zur (illegalen) KADEK sei und ihr Name mittlerweile in DTP umbenannt wurde, wisse er nichts über diese Partei; wenn er sich nicht irre, sei Ahmet Türk nunmehr an der Spitze der DTP (AS. 163). Diese Umstände lassen darauf schließen, dass der BF in der Türkei jedenfalls nicht in exponierter Weise politisch engagiert war. Auffallend ist etwa auch, dass der BF im ersten Verfahrensgang noch angab, er verfüge über einen Mitgliedsausweis der DEHAP, woraufhin er zur Vorlage desselben aufgefordert wurde; im weiteren Verlauf des Verfahrens gab der BF sodann - was dem BF noch nicht zur Last gelegt werden darf - an, er bzw. seine Familie habe den Ausweis verloren und habe sein Vater versucht, ein Duplikat ausstellen zu lassen, was jedoch mangels persönlichen Erscheinens des BF nicht möglich gewesen sei (AS. 159). Auch in seiner Beschwerdeschrift betonte der BF diesbezüglich, dass er den neuen Ausweis nur gegen persönliche Vorsprache erhalten könne (Beschwerdeschrift AS. 6). Im Widerspruch dazu gab der BF in der Beschwerdeverhandlung allerdings an, die Ausstellung eines Duplikats sei deshalb gescheitert, weil die Partei mittlerweile verboten wurde (Verhandlungsschrift S. 10). Ungeachtet dieser Ungereimtheiten vermag der AsylGH nicht gänzlich auszuschließen, dass der BF tatsächlich Sympathisant für bzw. Mitglied bei KADEK bzw. DEHAP war und in dieser Hinsicht allenfalls auch Geld sammelte und an Demonstrationen teilnahm, jedoch war er offensichtlich in keiner Weise exponiert tätig. Insofern konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund dieses Themenbereiches irgendwelchen gezielten Verfolgungshandlungen ausgesetzt war oder das Interesse der Behörden auf sich gezogen hätte, dies insbesondere auch in Zusammenschau mit der bereits oben unter 3.2.1. und 3.2.2. getätigten, ausführlichen Beweiswürdigung; folglich kann auch künftig für den BF im Falle seiner Rückkehr in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung festgestellt werden.

 

3.2.6. Was die Frage der Vertreterin des BF in der Beschwerdeverhandlung anbelangt, inwiefern er sich in Österreich politisch engagiere, so gab er an, es gäbe einen aufgrund ständiger Namensänderungen ihm namentlich nicht bekannten kurdischen Verein in L. (Österreich), dessen Mitglied er zwar nicht sei; er habe jedoch am vom Verein organisierten Demonstrationen teilgenommen. Auf die Frage, wofür oder wogegen er demonstriert habe, gab der BF an, die eine Demonstration sei "für die Rechte der Asylwerber" gewesen; eine weitere Demonstration am 1. Mai sei "für die Rechte der Arbeiter" gewesen; auf die weitere Frage seiner Vertreterin, ob bei den 1. Mai-Demonstrationen auch die Kurdenproblematik thematisiert worden sei, gab der BF an, es sei auch dafür demonstriert worden, dass die PKK nicht als Terrororganisation angesehen wird (Verhandlungsschrift S. 11). Im Hinblick auf eine diesbezügliche, allfällige Rückkehrgefährdung des BF ist zunächst anzumerken, dass sich diese Demonstrationen den eigenen Angaben des BF zufolge somit gar nicht gegen den türkischen Staat gerichtet haben; auch das Demonstrieren gegen die Einstufung der PKK als Terrororganisation war offensichtlich gegen die Europäische Union gerichtet. Im Übrigen besagt etwa das Deutsche Auswärtige Amt in seinem aktuellen Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, dass nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist laut dem Deutschen Auswärtigen Amt davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie die Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können. Setzt man diese Länderberichte mit dem Vorbringen des BF in Bezug, so folgt, dass ihm keinerlei maßgebliche Gefahr einer Verfolgung droht. Dem Vorbringen des BF ist nämlich nicht zu entnehmen, dass er in Österreich in exponierter Weise tätig geworden wäre oder konkret zu separatistischen oder terroristischen Aktionen angestiftet hätte.

 

3.2.7. Weiters ist anzumerken, dass sich entsprechend der Länderberichte wie etwa dem vom AsylGH in das Verfahren eingebrachten Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 11.04.2010 die allgemeine Situation für Kurden in der Türkei derart gestaltet, dass - auch unter Berücksichtigung des derzeit wieder verschärften Vorgehens des türkischen Staates gegen militante Kurden - momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer eine entsprechende Intensität erreichenden Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

 

3.2.8. Zur Wiedereinreise in die Türkei ist letztlich generell anzumerken, dass eine bekannter Weise abgeschobene Person nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen wird, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Dem Deutschen Auswärtigen Amt ist in jüngerer Zeit jedoch kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Für Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, liegen keine Anhaltspunkte vor (so das Deutsche Auswärtige Amt), sodass dem BF auch in dieser Hinsicht keine maßgebliche Gefahr droht.

 

3.2.9. Schließlich vermögen auch die von der Vertreterin des BF in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Berichte keine konkrete Gefahr einer Verfolgung für den BF aufzuzeigen. So dreht sich etwa das vorgelegte Urteil des VG Freiburg vom 15.10.2010 um einen "politisch Vorverfolgten, der im Westen der Türkei in den konkreten Verdacht der Unterstützung der PKK geraten ist", was im Falle des BF jedoch nicht bejaht werden konnte. Ähnliches gilt auch für die vorgelegte Anfragebeantwortung von Amnesty International vom 31.01.2011 an das Oberverwaltungsgericht Saarland, die einen Fall eines Kurden betrifft, der in der Türkei öffentlichkeitswirksam Propaganda für die PKK betrieben hat und sodann als aktiver Verfechter des Kurdentums in Deutschland in Erscheinung getreten ist, wobei sich in diesem (kurzen) Text zwar auch die bloße Behauptung findet, dass rückverbrachte Personen bei ihrer Ankunft zunächst überprüft würden; schon dies sei mit der Gefahr von Missahndlungen verbunden, was "in besonderem Maße für Kurden" gelte, "bei denen die türkische Polizei generell zu dem Verdacht tendiert, es handele sich um Unterstützer der PKK." Abgesehen davon, dass sich - wie bereits angesprochen - auch dieser Text auf eine konkrete Person bezieht, ist diese lapidare Aussage in keiner Weise begründet und schenkt der AsylGH folglich dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes mehr Glauben. Auch die weiters vorgelegten Dokumente insbesondere zur Handhabung der Antiterrorgesetze (insbesondere Human Rights Watch) vermögen keine Gefahr einer Verfolgung für den BF aufzuzeigen, da im Verfahren eben keinerlei Anhaltspunkte dafür aufgetreten sind, der BF könnte das Interesse der Sicherheitsbehörden auf sich gezogen haben und strafrechtlich verfolgt werden.

 

Letztlich vermögen auch die vom BF bereits vor dem BAA vorgelegten Berichte (verschiedene Internetausdrucke sowie eine CD-Rom mit weiteren Dokumenten, die offensichtlich aus dem Internet stammen), die verschiedenste Themenbereiche ohne konkreten Bezug zum BF, wie z. B. Gewaltanwendungen bei Demonstrationen, diesbezügliche Inhaftierungen, Gerichtsverfahren wegen Äußerung der Meinung sowie Folterungen in der Türkei, behandeln, die allgemeine Lage in der Türkei nicht entscheidungswesentlich in einem anderen Licht erscheinen zu lassen und sind diese mittlerweile auch als veraltet anzusehen.

 

III. Rechtlich folgt daraus:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 werden alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren grundsätzlich nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende geführt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, hinzugefügt durch Art. 2 Z 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Nichtgewährung von Asyl gem. § 7 AsylG

 

2.1. Gemäß § 7 AsylG 1997 hat der Asylgerichtshof Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

2.2. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, konnte der BF keine maßgebliche Gefahr einer Verfolgung für den Fall seiner Rückkehr in die Türkei glaubhaft machen. Eine Asylgewährung kommt deshalb nicht in Betracht.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Spruchpunkt I. des Bescheids abzuweisen.

 

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Anhaltung, Demonstration, Folter, gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, Misshandlung, politische Aktivität
Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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