TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/10 E2 200268-8/2008

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Veröffentlicht am 10.03.2009
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Spruch

E2 200.268-8/2008-26E

 

Im Namen der Republik

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzende und die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. BIRNGRUBER über die Beschwerde des -XX-, StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.11.2004, FZ. 97 00.464-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2009 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 31.01.1997 einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1991.

 

1.2. Am 03.02.1997 wurde der BF vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen (AS 5 ff). Im Zuge dieser Einvernahme führte der BF aus, am 31.01.1997 auf einem LKW versteckt illegal nach Österreich eingereist zu sein. Er habe in seinem Heimatstaat als LKW-Fahrer für die Pasdaran eine Fahrt von Teheran nach -XXdurchführen müssen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass ca. ein Jahr davor eine derartige Fahrt von seiner Firma durchgeführt worden war, wobei die beiden LKW-Fahrer aber tot zurück gebracht worden seien. Da er dieses Mal Waschpulver habe transportieren sollen, habe er keine Einwände gegen diese Fahrt gehabt. Die Fracht sei in seiner Abwesenheit unter Beaufsichtigung der Pasdaran geladen worden und er habe im Anschluss die Frachtpapiere erhalten, aus denen Waschpulver als Ladung hervorgegangen sei. Während der Fahrt habe sich die Plane gelöst und beim Befestigen habe er feststellen können, dass an Stelle des Waschpulvers Kisten mit einer Giftkennzeichnung geladen gewesen seien. Der ihn begleitende bewaffnete Pasdaran habe ihm gedroht, wenn er nicht weiterfahre, könne seiner Familie etwas passieren. Trotz Fluchtmöglichkeiten im Iran sei er beim LKW geblieben, weil der Pasdaran im Iran unverzüglich Hilfe durch andere Behörden bzw. Sicherheitskräfte erhalten hätte und ihm somit die Flucht nicht geglückt wäre. Auf Grund der Vorkenntnisse (getötete LKW-Fahrer der Firma bei einem Transport für die Pasdaran) und des Umstandes, dass falsch deklarierte Waren (vermutlich Gift bzw. Explosivstoffe) ins Ausland hätten geschafft werden sollen, sei ihm bewusst gewesen, dass er diesen Transport nicht überleben würde und daher sei er nach der Ankunft im Irak bei der ersten Gelegenheit geflüchtet. Eine solche habe sich ca. einer Stunde nach einem Grenzstopp, welcher ein paar Minuten gedauert hätte, und wo er den LKW nicht hätte verlassen dürfen, ergeben. Er habe angehalten, weil der Pasdaran sein Gebet und seine Waschungen neben einem Fluss habe verrichten wollen. Dabei sei es ihm gelungen, zu Fuß zu flüchten. Nach ca. 2 bis 3 Minuten habe er drei Schüsse gehört, sei jedoch weiter gelaufen. Nach ca. 5 Stunden habe er einen bewaffneten Kurden getroffen, welcher ihn durchsucht und in weiterer Folge zu anderen Kurden in ein Zelt gebracht habe. Mit diesen habe er sich in Farsi verständigen können und ihnen erklärt, dass ein Transport in den Irak stattgefunden habe und er geflüchtet sei. Er sei ca. 2 Tage angehalten worden, während dieser Zeit dürften seine Angaben überprüft worden sein. Nachdem sie sich offenbar bestätigt hätten, seien die Kurden freundlich zu ihm gewesen und hätten ihm geholfen. Er habe sich noch einige Tage in dem Zelt aufgehalten und sei anschließend in ein Dorf mit 20 Lehmhütten gebracht worden. Dort habe er keine Schwierigkeiten gehabt und sei auch keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Er habe dort jedoch nicht bis an sein Lebensende dort bleiben wollen. Die Kurden hätten ihm daraufhin geholfen, ein sicheres Drittland zu erreichen und er sei schließlich mit Hilfe der Kurden versteckt in einem LKW, bis nach Österreich gelangt.

 

Am Tag seiner Ankunft in Österreich habe er seine Mutter angerufen und diese habe ihm mitgeteilt, dass sein Sohn, der derzeit seinen Militärdienst ableistet, verhaftet worden sei und sich derzeit noch in Haft befinde. Seine Frau, die 12 Jahre lang als Beamtin der Universität in Teheran tätig gewesen war, sei mit der Begründung entlassen worden, dass sich der BF regimefeindlich betätig habe. Seine Frau sei einige Male verhört worden und anschließend mit den beiden Kindern in den Untergrund gegangen. Seine Mutter habe ihm weiters mitgeteilt, dass er drei Vorladungen für das Gericht bekommen habe, wobei der Grund für die Vorladungen in seiner regimefeindlichen Tätigkeit gelegen sei. Bis zur genannten LKW-Fahrt habe er keinerlei Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden gehabt und sei auch keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen.

 

1.3. Mit Bescheid vom 06.02.1997, FZ 97 00.464-BAL (zugestellt am 13.02.1997), wies das Bundesasylamt den Antrag auf Gewährung von Asyl vom 31.01.1997 gemäß § 3 AsylG 1991 ab (AS 24 ff). Aus näher dargestellten Gründen ging das Bundesasylamt davon aus, dass dem Beschwerdeführer vollständig die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müsste. Aber selbst wenn die Angaben glaubwürdig und widerspruchsfrei gewesen wären, sei der Beschwerdeführer bereits im Irak vor iranischer Verfolgung sicher gewesen und er habe sich darüber hinaus vor seiner Einreise nach Österreich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten.

 

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 26.02.1997 rechtzeitig Berufung, in der er die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes im Einzelnen bestritt und darlegte, dass seine Angaben - im Gegensatz zur Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz - sehr wohl glaubwürdig seien (AS 41). Unter anderem beantragte er seine neuerliche Einvernahme.

 

1.5. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.11.1998, GZ. 200.268/0-VII/20/98, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), abgewiesen (AS 47 ff). Der Unabhängige Bundesasylsenat schloss sich im Ergebnis der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz an und gelangte - mit teilweise anderer Begründung - ebenfalls zur Auffassung, die Darstellung des Beschwerdeführers sei nicht glaubwürdig. Zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen meinte der Unabhängige Bundesasylsenat, diese stünden mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren in keinem relevanten Zusammenhang. Auf die Argumentation, der Beschwerdeführer habe sich bereits im Irak in Sicherheit befunden, ging der Unabhängige Bundesasylsenat nicht ein.

 

1.6. Gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.11.1998 erhob der BF mit Schriftsatz vom 15.02.1999 Beschwerde gemäß Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG und den §§ 26 ff VwGG an den Verwaltungsgerichtshof, welcher dieser mit Beschluss vom 31.03.1999, Zl. AW 99/20/0037-5, die aufschiebende Wirkung zuerkannte (AS 64).

 

1.7. Mit Erkenntnis vom 15.02.2001, Zl. 99/20/0080-8, hob der Verwaltungsgerichthof den angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 02.11.1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Unabhängige Bundesasylsenat hätte sich in Anbetracht des Berufungsvorbringens des BF nicht bloß auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern hätte den BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu den Punkten, auf die sie die mangelnde Glaubwürdigkeit des Gesamtvorbringens des BF stützte, vernehmen müssen.

 

1.8. Mit Bescheid vom 25.08.2003, GZ. 200.268/7-VII/20/03 hob der Unabhängige Bundesasylsenat den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.02.1997, FZ. 97 00.464-BAL, gemäß § 44 Abs. 7 AsylG 1997 wegen eines als fehlend anzusehenden Non-Refoulement-Abspruchs auf und verwies die Sache an das Bundesasylamt zurück (AS 65 ff).

 

1.9. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, Geschäftsstelle des Beirates für Asyl- und Migrationsfragen, vom 14.11.2003 wurde dem BF die Erteilung eines Aufenthaltstitels (Quotenplatz) in Aussicht gestellt, wofür es jedoch notwendig sei, den Asylantrag zurückzuziehen. Weiters wurde der BF aufgefordert, diverse Dokumente vorzulegen (AS 80).

 

Am 23.02.2004 langte beim Bundesasylamt das vom BF unterschriebene Asylantrags-Zurückziehungsformular ein. Neben diversen anderen Dokumenten brachte der BF auch seinen iranischen Reisepass in Vorlage. Aus diesem ist ersichtlich, dass dem BF am 18.11.1996 von der deutschen Botschaft in Teheran ein Visum, gültig für die Schengenstaaten vom 10.12.1996 bis 10.02.1997, ausgestellt wurde; weiters dass der BF am 25.12.1996 in Frankfurt am Main in Deutschland eingereist ist und dass der BF die Gültigkeit des Reisepasses am 04.02.2004 bei der iranischen Botschaft in Wien verlängern hat lassen.

 

Mit Inkrafttreten der Asylgesetz-Novelle 2003 (01.05.2004) war eine Zurückziehung des Asylantrages nicht mehr möglich, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen daher ausgeschlossen (AS 78, 79).

 

1.10. Am 13.10.2004 wurde der BF erneut vor dem Bundesasylamt einvernommen (AS 114 ff). Auf Vorhalt, dass aus dem vom BF nunmehr vorgelegten iranischen Reisepass ersichtlich sei, dass er nicht - wie bei seiner ersten Einvernahme im Jahr 1997 angegeben - illegal, sondern legal eingereist war, führte der BF aus, dass er vom Schlepper die Anweisung erhalten habe, eine illegale Einreise anzugeben. Tatsächlich hätten zwei Asylwerber, -XX- und -XX-, welche Verbindungen im Flughafen Teheran gehabt hätten, seine Ausreise organisiert.

 

Zunächst gab der BF an, er habe sich den Reisepass vor der Verfolgungshandlung [gemeint: die behauptete LKW-Lieferung in den Iran] ausstellen lassen, ehe er nach Hinweis auf das dem widersprechenden Ausstellungsdatum nunmehr angab, die zwei oben erwähnten Asylwerber hätten den Pass besorgt.

 

Nach seiner Flucht im Iran im Zuge der LKW-Lieferung habe er sich bei irakischen Kurden aufgehalten. Dann habe er -XX-, einen Mujaheddin, angerufen, der ihn einen Tag vor seinem Abflug nach Deutschland nach Teheran zurückgeholt habe.

 

In Österreich lebe er seit zwei Jahren mit seiner Freundin -XX-, gesch.-XX-, zusammen und arbeite seit fünf Jahren.

 

1.11. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.11.2004, FZ 97 00.464-BAL (zugestellt durch Hinterlegung am 12.11.2004) wies das Bundesasylamt den Asylantrag des BF vom 31.01.1997 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 idgF, für zulässig (AS 120 ff).

 

Das Bundesasylamt traf die Feststellungen, dass der BF im Jahr 1996 unter Verwendung eines Reisepasses aus dem Iran ausgereist und mit einem deutschen Visum in Europa eingereist sei. Der BF habe keine Verfolgung glaubhaft gemacht. Es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der BF im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung einer Gefahr iSd § 57 Abs 1 und 2 FrG ausgesetzt wäre.

 

Dass die angegebenen Verfolgungshandlungen keineswegs als glaubwürdig angesehen werden könnten, ergebe sich insbesondere aus den widersprüchlichen Angaben des BF zur Ausreise. Darüber hinaus zeige der Umstand der Verlängerung des iranischen Reisepasses durch die iranische Botschaft in Wien, dass der BF keine Probleme seitens der iranischen Behörden zu befürchten habe.

 

Mangels Glaubhaftmachung der Fluchtgründe könne auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG gesprochen werden.

 

1.12. Gegen diesen Bescheid brachte der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin, Mag. Michaela SPEER, rechtzeitig Berufung (nunmehr: Beschwerde) ein (AS 142 ff). In der Beschwerde führte die BFV aus, dass dem Bescheid ein Formalfehler anhaften würde, da die Behörde die vom BF angeführten Schlepper nicht einvernommen hat.

 

1.13. Mit Urteil des Landesgerichtes Ried vom 14.08.2008 wurde der BF von der gegen ihn mit Strafantrag vom 23.05.2008 erhobenen Anklage wegen gefährlicher Drohung gegen seine frühere Lebensgefährtin, -XX-, freigesprochen.

 

1.14. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der vorliegende Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E2 zugeteilt. Gem. § 17 Abs. 14 der ersten Geschäftsverteilung (GV 2008) des Asylgerichtshofes war eine Richterin als Beisitzerin berufen (Einlagen des Geschäftsfalles: 04.01.2005), welche zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung vom 26.02.1997 als bevollmächtigte Vertreterin des BF fungierte. Diese hat für gegenständliches Verfahren mit Erklärung vom 04.11.2008 Befangenheit gem. § 16 AsylGHG geltend gemacht (OZ 13) und sie ist somit gem. § 24 GV 2008 unzuständig. Gem. § 29 Abs. 1 Z 2 GV 2008 war vom Vorsitzenden des Senates die in der Einleitung des Erkenntnisses als Beisitzerin genannte Richterin als Vertreterin zu berufen.

 

1.15. Der Asylgerichtshof hat für den 26.02.2009 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und dazu den BF, dessen bevollmächtigte Vertreterin über die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Estermann & Partner, einen Vertreter des Bundesasylamtes Außenstelle Linz sowie einen Dolmetscher für die Sprache Farsi geladen. Die Vertretung wurde mit Eingabe vom 25.02.2009 (Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung, OZ 19) zurückgelegt. Die Verhandlung wurde in Anwesenheit des BF und des Dolmetschers durchgeführt. Das Bundesasylamt ließ sich mit Schreiben vom 26.01.2009 für die Nichtteilnahme eines Vertreters entschuldigen und stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

 

Im Zuge der Verhandlung wurde folgendes Berichtsmaterial erörtert:

 

Bericht des deutschen AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran vom 18.03.2008

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den gegenständlichen Verwaltungsakt des Beschwerdeführers, durch Einsichtnahme in das oben genannte, für das gegenständliche Verfahren relevante, Länderdokument sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof.

 

2. Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, ist am

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
10.06.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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