TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/15 99/20/0080

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Veröffentlicht am 15.02.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
B-VG Art129;
B-VG Art129c;
EGVG Art2 Abs2 D Z43a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der am 2. April 1952 geborenen MH in Linz, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. November 1998, Zl. 200.268/0-VII/20/98, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 31. Jänner 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab er an, er habe als LKW-Fahrer für die Pasdaran eine Fahrt von Teheran nach Bane durchführen müssen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass bereits vor ca. einem Jahr eine derartige Fahrt von seiner Firma durchgeführt, die beiden LKW-Fahrer aber tot zurück gebracht worden seien. Da er dieses Mal Waschpulver habe transportieren sollen, habe er keine Einwände gegen diese Fahrt gehabt. Die Fracht sei in seiner Abwesenheit unter Beaufsichtigung der Pasdaran geladen worden und er habe im Anschluss die Frachtpapiere erhalten, aus denen Waschpulver als Ladung hervorgegangen sei. Während der Fahrt habe sich die Plane gelöst und beim Befestigen habe er feststellen können, dass an Stelle des Waschpulvers Kisten mit einer Giftkennzeichnung geladen gewesen seien. Der ihn begleitende bewaffnete Pasdaran habe ihm gedroht, wenn er nicht weiterfahre, könne seiner Familie etwas passieren. Trotz Fluchtmöglichkeiten im Iran sei er beim LKW geblieben, weil der Pasdaran im Iran unverzüglich Hilfe durch andere Behörden bzw. Sicherheitskräfte erhalten hätte und ihm somit die Flucht nicht geglückt wäre. Auf Grund der Vorkenntnisse (getötete LKW-Fahrer der Firma bei einem Transport für die Pasdaran) und des Umstandes, dass falsch deklarierte Waren (vermutlich Gift bzw. Explosivstoffe) ins Ausland hätten geschafft werden sollen, sei ihm bewusst gewesen, dass er diesen Transport nicht überleben würde und daher sei er bei der Ankunft im Irak bei der ersten Gelegenheit geflüchtet. Diese habe sich nach einem Grenzstopp, welcher ein paar Minuten gedauert hätte, und wo er den LKW nicht hätte verlassen dürfen, nach ca. einer Stunde ergeben. Er habe angehalten, weil der Pasdaran sein Gebet und seine Waschungen neben einem Fluss habe verrichten wollen. Dabei sei es ihm gelungen, zu Fuß zu flüchten. Nach ca. 2 bis 3 Minuten habe er drei Schüsse gehört, sei jedoch weiter gelaufen. Nach ca. 5 Stunden habe er einen bewaffneten Kurden getroffen, welcher ihn durchsucht und in weiterer Folge zu anderen Kurden in ein Zelt gebracht habe. Mit diesen habe er sich in Farsi verständigen können und ihnen erklärt, dass ein Transport in den Irak stattgefunden habe und er geflüchtet sei. Er sei ca. 2 Tage angehalten worden, während dieser Zeit dürften seine Angaben überprüft worden sein. Nachdem sie sich bestätigt haben dürften, seien die Kurden freundlich zu ihm gewesen und hätten ihm weitergeholfen. Er habe sich noch einige Tage in dem Zelt aufgehalten und sei anschließend in ein Dorf mit 20 Lehmhütten gebracht worden. Dort habe er keine Schwierigkeiten gehabt und sei keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen; er habe dort jedoch nicht bis an sein Lebensende bleiben wollen; die Kurden hätten ihm daraufhin geholfen, ein sicheres Drittland zu erreichen und er sei schließlich durch Hilfe der Kurden, versteckt in einem LKW, bis nach Österreich gelangt.

Am Tag seiner Ankunft in Österreich habe er seine Mutter angerufen und diese habe ihm mitgeteilt, dass sein Sohn, der derzeit seinen Militärdienst ableiste, verhaftet worden sei und sich derzeit noch in Haft befinde. Seine Frau, die 12 Jahre lang als Beamtin der Universität in Teheran tätig gewesen sei, sei mit der Begründung entlassen worden, dass er regimefeindlich tätig gewesen sei. Seine Frau sei einige Male verhört worden und anschließend mit den beiden Kindern in den Untergrund gegangen. Seine Mutter habe ihm weiters mitgeteilt, dass er drei Vorladungen für das Gericht bekommen habe, wobei der Grund der Vorladungen seine angeblich regimefeindliche Tätigkeit sei. Bis zur genannten LKW-Fahrt habe er keinerlei Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden gehabt und sei auch keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 6. Februar 1997 den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Aus näher dargestellten Gründen ging das Bundesasylamt davon aus, dass den Fluchtgründen des Beschwerdeführers vollständig die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müsste. Aber selbst wenn die Angaben glaubwürdig und widerspruchsfrei gewesen wären, sei der Beschwerdeführer bereits im Irak vor iranischer Verfolgung sicher gewesen und habe sich darüber hinaus vor seiner Einreise nach Österreich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes im Einzelnen bestritt und darlegte, dass seine Angaben - im Gegensatz zur Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz - sehr wohl glaubwürdig seien. Unter anderem beantragte er seine neuerliche Einvernahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), abgewiesen. Die belangte Behörde schloss sich im Ergebnis der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz an und gelangte - mit teilweise anderer Begründung - ebenfalls zur Auffassung, die Darstellung des Beschwerdeführers sei nicht glaubwürdig. Zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen meinte die belangte Behörde, diese stünden mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren in keinem relevanten Zusammenhang. Auf die Argumentation, der Beschwerdeführer habe sich bereits im Irak in Sicherheit befunden, kam die belangte Behörde nicht mehr zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat. Er hat gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden, weshalb für das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat grundsätzlich auch die Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, insbesondere die Bestimmung des § 67d AVG über die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, Anwendung finden. Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG ist § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässiger Weise - neu und in konkreter Weise behauptet wird.

In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer zu den wesentlichen Punkten der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes ausführlich Stellung genommen und versucht, diese Vorwürfe (hinsichtlich der von ihm angestellten Vermutungen) und angeblichen Widersprüche zu erklären. Dem Berufungsvorbringen kann entnommen werden, der Beschwerdeführer sei seiner Meinung nach in der Lage, jene Bedenken, die gegen seine Glaubwürdigkeit sprechen, durch Klarstellungen im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme auszuräumen und damit die relevante Beweisgrundlage zu verbreitern.

Die belangte Behörde hätte sich in Anbetracht dieses Vorbringens nicht bloß auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung anhand der Aktenlage beschränken dürfen, sondern hätte den Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu den Punkten, auf die sie die mangelnde Glaubwürdigkeit des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers stützte, vernehmen müssen.

Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Im vorliegenden Fall ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung gelangt wäre, das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers sei glaubwürdig, und dies zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200080.X00

Im RIS seit

24.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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