TE AsylGH Beschluss 2008/07/14 S11 317555-2/2008

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Veröffentlicht am 14.07.2008
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Spruch

S11 317555-2/2008/3Z

 

B E S C H L U S S

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichter über die Beschwerde der minderjährigen B.J., geb. 00.00.2007, StA. Russische Föderation, vertreten durch M.G. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.06.2008, Zahl: 07 11.541 - BAG, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 37 Absatz 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Text

BEGRÜNDUNG

 

1. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 03.06.2008, Zahl: 07

11.541 - BAG, den Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Beschwerdeführerin, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 13 iVm 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die minderjährige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.

 

2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

 

Der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin gab bei seiner niederschriftlichen Befragung am 11.12.2007 an, er habe Ende 2006 alleine seine Heimatstadt mit dem Zug in Richtung Weißrussland verlassen. An der weißrussisch polnischen Grenze sei er von der polnischen Polizei aufgegriffen und in das Lager L. gebracht worden. Die Behörden hätten angenommen, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Die Mutter, die Beschwerdeführerin und ihr Bruder wären zwei Monate später nachgekommen. Nach einer Verlegung von L. nach B. habe die Familie das Lager verlassen und habe sich privat eine Unterkunft gesucht.

 

Am 09.12.2007 sei der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin mit seiner Familie mittels Bus von B. illegal in die Tschechische Republik eingereist, von dort weiter zur österreichischen Grenze, die sie illegal zu Fuß überquerten.

 

Am 20.12.2007 wurde das Konsultationsverfahren mit Polen eingeleiten, wovon die Familie der minderjährigen Beschwerdeführerin am 27.12.2007 gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG in Kenntnis gesetzt wurde. Mit Schreiben vom 02.01.2008, bei Bundesasylamt eingelangt am 03.01.2008, stimmten die polnischen Behörden einer Wiederaufnahme der Familie der minderjährigen Beschwerdeführerin zu.

 

Bezüglich Verwandten in Österreich, wurden ein Onkel, der seit sechs Jahren hier lebe, und ein Cousin erwähnt. Am 29.05.2008 kam es zu einer Untersuchung des Vaters der minderjährigen Beschwerdeführerin durch Dr. T., einen Facharzt für Psychiatrie, der eine länger dauernde depressive Reaktion nach einer akuten Belastungssituation feststellte. Eine Überstellung nach Polen könne demgemäß eine Verstärkung des Krankheitsbildes bewirken, eine akute Suizidalität könne aber mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

 

Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens mit Polen, erfolgte gemäß Art. 16 Abs. 1 lit e mit Erklärung vom 02.01.2008 die Zustimmung zur Übernahme der Familie der minderjährigen Beschwerdeführerin.

 

Am 28.01.2008 wurde seitens der Erstbehörde eine zurückweisende Entscheidung, getroffen, die mit Bescheid des UBAS vom 25.02.2008, behoben und die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde.

 

Am 03.06.2008 wurde durch das Bundesasylamt eine neuerliche

Unzuständigkeitsentscheidung, Zahl: 07 11.541 - BAG, getroffen, die dagegen erhobene Berufung erfolgte fristgerecht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 11.12.2007 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung (§§ 4 und 5 AsylG oder § 68 Abs. 1 AVG) verbundene Ausweisung binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach herrschender Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).

 

Gemäß § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung nach § 5 verbunden ist, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin - Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts Bedacht zu nehmen.

 

2. Im konkreten Fall ist die Zustimmungserklärung zur Wiederaufnahme der Familie der minderjährigen Beschwerdeführerin seitens der polnischen Behörden bereits am 02. 01 2008 erfolgt, was insbesondere eine diesbezügliche Überprüfung der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II VO notwendig macht.

 

Weiters sind die Angaben zur Gesundheit des Vaters der minderjährigen Beschwerdeführerin sowie zu seinen familiären Verhältnissen durch den Asylgerichtshof einer genaueren Prüfung zu unterziehen.

 

Die angeführten Aspekte sind noch genauer zu erwägen; bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit der Familie der minderjährigen Beschwerdeführerin in Österreich für den Fall der Notwendigkeit weiterer Befragungen zweckmäßig.

 

Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.

 

Der Asylgerichtshof war im Ergebnis jedenfalls zwingend gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.

Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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