TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/31 S8 400282-1/2008

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Veröffentlicht am 31.07.2008
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Spruch

S8 400.282-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Büchele als Einzelrichter über die Beschwerde der R.M., geb. 00.00.1986, StA. Georgien, p. A. European Homecare, Betreuungsstelle Traiskirchen, 2514 Traiskirchen, Otto-Glöckel-Straße 24-26, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2008, FZ. 08 04.542 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBL. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführerin, eine Staatsangehöriger aus Georgien, reiste am 07.05.2008 illegal mit dem Zug aus Frankreich kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.05.2008 gemeinsam mit ihrem Ehegatten (vgl. dazu das Erkenntnis des Asylgerichtshof vom heutigen Tag zur Zahl: S8 400.283-1/2008/2E) einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt. Dabei gab sie an, sie habe am 06.05.2008 gemeinsam mit ihrem Gatten ihr Heimatland legal mit einem Schengen Touristenvisum für Frankreich (ausgestellt im April 2008 von der französischen Botschaft in Tiflis) auf dem Luftweg über Litauen nach Frankreich verlassen. Sie hätten Frankreich am 06.05.2008 erreicht und seien noch am selben Tag mit dem Zug nach Wien gefahren. In Wien hätten sie einige Tage bei Bekannten verbracht, danach seien sie in ein Hotel übersiedelt. Sein Heimatland habe er verlassen, weil er Mitglied einer Oppositionspartei sei. Sie seien Zeugen eines Konfliktes Mordes mit politischem Hintergrund geworden. Sie seien daraufhin von der Staatsanwaltschaft einvernommen worden. Da die Angaben im Protokoll im Widerspruch zu seinen Aussage gestanden hätten, habe sie die Unterschrift verweigert. Es sei wenig später ein Anschlag auf ihn verübt worden. Er habe seine Arbeit verloren. Da er und seine Gattin auch zunehmend bedroht worden sei, habe er gemeinsam mit seiner Gattin Georgien verlassen.

 

2. Am 28.05.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage der konkreten Aussage der Beschwerdeführerin über ihren Reiseweg ein dringliches Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige französische Behörde, welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde. Die Frist zur Beantwortung wurde darin gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin-Verordnung unter Hinweis auf die angekündigte Ausweisung auf einen Monat verkürzt.

 

Die entsprechende Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 über die Führung von Konsultationen mit Frankreich die Beschwerdeführerin am 30.05.2008. Am 09.06.2008 langte ein Schreiben der französischen Behörden beim Bundesasylamt ein, worin die Zuständigkeit Frankreichs gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-Verordnung bestätigt wurde.

 

3. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 18.06.2008 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, zur Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehegatten nach Österreich eingereist. Sie sei körperlich und geistig in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich, im EU-Raum, Norwegen oder Island habe sie nicht. Es seien bereits auch weitere Personen in Kiew und Holland verhaftet worden. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass beabsichtigt sei, die Ausweisung nach Frankreich zu veranlassen, gab sie an, ihr Ziel sei von Anfang an Österreich gewesen. In Frankreich fühle sie sich nicht sicher, weil sie erfahren habe, dass ein Bekannter von Georgiern verhaftet bzw. verschleppt worden sei. Der Präsident von Georgien habe "einen langen Arm" und wisse daher, dass sie in Frankreich sei.

 

4. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25.06.2008, Zahl: 08 04.542-EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der nunmehrigen Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-Verordnung Frankreich zuständig sei. Gleichzeitig wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Frankreich gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei. Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Frankreich, insbesondere zum französischen Asylverfahren. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben der Asylwerberin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese konkret Gefahr liefe, in Frankreich Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr eine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 04.07.2008 auf dem Faxwege eingebrachte Beschwerde. Dieser führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde sei nicht auf sein Vorbringen und entsprechende Beweise und Beweisanbote zu einem in Frankreich vom georgischen Geheimdienst verschleppten Parteikollegen eingegangen. Es drohe ihm ebenfalls aus Frankreich die Verschleppung nach Georgien. Weiters habe die Behörde im bekämpften Bescheid offensichtlich Textbausteine verwendet und sich nicht darum bemüht, individuell auf den gegenständlichen Fall bezogen zu ermitteln und zu entscheiden, sondern habe allgemeine Phrasen verwendet. Dies zeige das Beispiel, dass im angefochtenen Bescheid auf Seite 14 von einer Abschiebung in die Volksrepublik China die Rede sei. Österreich müsse vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, weil ein zu großes Risiko in Frankreich bestehe.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Ausführungen zu Punkt I. sowie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der ersten Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen (Angehörige aus Staaten die nicht im Geltungsbereich der Dublin-Verordnung stehen) innerhalb der Europäischen Union sowie Norwegen und Island trifft. Nach dieser Regelung kommt Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zu. Die Verfahrenzuständigkeit ergibt aus den in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Kriterien.

 

2.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 bzw. 14 und Art. 15 der Dublin-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit von Frankreichs kraft gültigen Visums (gültig von 06.05.2008 bis 29.05.2008) gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin-Verordnung besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben. Dem wurde im Verfahren auch nicht widersprochen.

 

2.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex 1/2007, 22 ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der aus der EMRK abgeleiteten Rechte zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis VfSlg. 17.586/2005 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin-Verordnung bereits erfolgt sei. Er hat aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bestenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zwingend durch eine mögliche Verletzung der Rechte nach Art. 3 oder Art. 8 EMRK geboten sei.

 

2.2.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EGMR) lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigender notorischer Umstände von Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade im Fall des Beschwerdeführers eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl. 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Verletzung der EMRK darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin-Verordnung, K13. zu Art. 19 Dublin-Verordnung).

 

Der Asylgerichtshof hat weiters folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18 ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin-Verordnung², K8. bis K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 überhaupt für unbeachtlich zu erklären.

 

2.2.1.1. Zur Kritik am französischen Asylwesen

 

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin selbst unbestritten bei ihrem seinerzeitigen Aufenthalt in Frankreich keinen Asylantrag gestellt. Sie wurde auch nicht Opfer von Übergriffen, Hinweise auf eine besondere individuelle Vulnerabilität sind ebenso nicht hervorkommen.

 

Nach der Judikatur der Straßburger Organe muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582). Diesen Erfordernissen ist jedoch die Beschwerdeführerin keinesfalls nachgekommen. Vielmehr bezieht sich diese bei ihrer Kritik an Frankreich darauf, dass ein Bekannter von Georgiern verschleppt worden sei und sie sich deswegen in Frankreich nicht sicher fühlen würde. Ein Vorbringen, aus welchem eine konkrete individuelle Gefahr für sie persönlich ableitbar wäre, erstattete die Beschwerdeführerin nicht. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass Frankreich ein Rechtstaat mit funktionierender Staatsgewalt ist und die Beschwerdeführerin sich im Falle eventueller Übergriffe gegen ihre Person, welche im Übrigen in jedem Land möglich wären, an die französischen Behörden wenden und von diesen Schutz erwarten könnte. Die Beschwerdeführerin wäre daher allfälligen Übergriffen nicht schutzlos ausgeliefert, vielmehr würde die Möglichkeit bestehen, sich an die französische Polizei zu wenden und Anzeige zu erstatten.

 

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführerin in Frankreich grundsätzlich ein Asylverfahren offen steht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und Rückschiebungsschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK definiert sind, weshalb im konkreten Fall gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ihren Herkunftsstaat Georgien rückgeschoben werden könnte.

 

Soweit aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass die Beschwerdeführerin in Frankreich möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Georgien abgeschoben werden könnte, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahren anzustellen (vgl. u. a. VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

2.2.1.2. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Verfahrensfehler

 

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Berufungsschrift, dass die Erstbehörde offensichtlich Textbausteine verwendet und sich nicht darum bemüht habe, individuell auf den konkreten Fall bezogen zu ermitteln und zu entscheiden, sondern habe allgemeine Phrasen auf den gegenständlichen Fall angewendet. Dies zeige das Beispiel, dass im angefochtenen Bescheid auf Seite 14 (richtig: Seite 15) von einer Abschiebung in die Volksrepublik China die Rede sei. Nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes handelt sich in diesem keinesfalls um einen Verfahrensfehler wegen mangelnder Ermittlungen, sondern vielmehr um einen Schreibfehler. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls festzuhalten, dass aus dem gesamten erstinstanzlichen Bescheid keinesfalls ersichtlich wäre, dass sich die Erstbehörde auf die Verwendung von Textbausteinen beschränkt hätte. Vielmehr geht aus der Bescheidbegründung jedenfalls hervor, dass sich das Bundesasylamt mit dem konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt hat.

 

2.2.2. Zur möglichen Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie der Beschwerdeführerin in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes treffen zu, diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

 

2.2.3. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtsmeinung des Bundesasylamtes keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.2.4. Spruchpunkt I. der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.3. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung der Beschwerdeführerin erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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