A9 235.955-0/2008/7E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Vorsitzende und den Richter Dr. Pipal als Beisitzer über die Beschwerde von A.H., geb. 00.00.1984, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.03.2003, GZ. 02 07.526-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2008 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) und § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.1. Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.03.2002 den gegenständlichen Asylantrag ein.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28.08.2002 gab der Beschwerdeführer an, er sei Ibo-Angehöriger, habe sein ganzes Leben in Lagos verbracht und sei als Straßenhändler (Kleidung) tätig gewesen. Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen aus, sein Vater sei Mitglied in der Ogboni-Society gewesen. Als er noch klein gewesen sei, habe ihn sein Vater ohne sein Wissen in diese Gesellschaft eingeführt. Am 15.02.2002 habe ihn sein Vater an einen geheimen Platz mitgenommen und ihm gesagt, dass er "ein Mitglied bei dieser Gesellschaft sein sollte", allerdings habe der Beschwerdeführer "mit diesen okkulten Dingen nichts zu tun haben" wollen. Bei einem Schrein sei schließlich ein - näher beschriebenes - Ritual durchgeführt worden. Daraufhin hätte man ihm sieben Tage Zeit gegeben, um dieser Gesellschaft beizutreten, andernfalls würde er getötet. Nach drei Tagen sei er davon gelaufen. Zwar seien ihm die Verfolger nachgelaufen, doch sei ihm die Flucht in eine Kirche gelungen, wo ihm die Kirchenleute geholfen hätten. Diese hätten die Polizei gerufen, welche dann gegen die (10 bis 15) Verfolger gekämpft hätte. Während dieser Kämpfe sei er geflüchtet und schließlich mit Hilfe seines Pastors ausgereist.
Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, dass ihn die Verfolger nach wie vor suchen und töten würden, weil er sich geweigert habe, ihrer Gesellschaft beizutreten. Außerdem sei einer der Verfolger bei der Verfolgung gestorben, da er in ein Auto gelaufen sei und infolge des Verkehrsunfalles verstorben sei. An die Polizei habe er sich deshalb nicht schutzsuchend gewendet, "weil einige der Mitglieder der Polizei selber Mitglieder der Society" seien. Der - beim Ritual mitgewirkt habende - alte Mann mit dem Totenschädel sei dem Beschwerdeführer erschienen, als er sich beim Pastor aufgehalten habe, diesen Mann habe nur der Beschwerdeführer sehen können, er verfolge den Beschwerdeführer in seinen Träumen. Er könne erst zurückkehren, wenn sein Vater tot sei. In einem andern Teil Nigerias könne er nicht leben, weil "überall in Nigeria könnten diese Menschen kommen und einen holen", der alte Mann könnte erscheinen und die anderen Verfolger zu ihm führen, sie verwendeten magische Kräfte.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen und II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt wird.
II. Der Asylgerichtshof führte am 05.08.2008 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschien, weswegen die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt wurde (Verhandlungsniederschrift OZ 5).
III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Ibo an und lebte bis zu seiner Ausreise in der Stadt Lagos, wo er als Straßenhändler tätig war. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe (Bedrohung durch seinen Vater bzw. durch andere Mitglieder der Ogbonis wegen seiner Weigerung, dieser Geheimgesellschaft beizutreten) werden mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Es konnten auch keine konkreten Gründe festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in Nigeria einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
1.2. Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z. B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu mittlerweile beendeten Unruhen, es herrscht kein Bürgerkriegszustand.
Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.
Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.
Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.
1.3. Zu traditionellen Religionen und Geheimkulten werden folgende Feststellungen getroffen:
In Nigeria wird vielfach an Magie (Zauberei, Juju) geglaubt. Viele Volksgruppen Nigerias bekennen sich auch zu - regional unterschiedlichen - traditionellen Religionen. Diese werden teilweise neben der christlichen oder der islamischen Religion praktiziert. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein. Heute sollen Menschenopfer im Zuge von religiösen Zeremonien hingegen nicht mehr vorkommen. Jedoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass es auch heute noch in Nigeria zu Gewalttaten mit religiöser oder ritueller Komponente kommt. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass solche Straftaten von den staatlichen Organen geduldet bzw. nicht verfolgt würden. Beispielsweise wurden im Jahr 2003 vom nigerianischen Höchstgericht Todesurteile gegen sieben Personen, denen Beteiligung an einem so genannten Ritualmord vorgeworfen wurde, bestätigt. Ritualmord oder der Besitz von Leichen, Leichenteilen oder menschlichem Blut ohne entsprechendes medizinisches Zertifikat ist in manchen Bundesstaaten sogar ein eigener Straftatbestand.
In Nigeria existieren Geheimkulte, deren bekanntester die Ogboni-Gesellschaft ist. Die Bedeutung der Geheimkulte liegt darin, dass die Mitgliedschaft häufig Ressourcen, Einfluss und Arbeit sichert und Bestandteil der sozialen Integration ist und damit über Leben und Status der jeweiligen Familie bestimmt. Normalerweise liegt keine Zwangsmitgliedschaft vor, doch fühlen sich viele Personen - in der Regel von der eigenen Familie - auf Grund der Vorteile, die ein Beitritt zu einem Geheimkult mich sich bringt, unter Druck gesetzt. Die Geheimgesellschaften akzeptieren nicht jedermann, sondern laden Mitglieder angesehener Familien zum Beitritt ein. Auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder wird in der Regel kein Wert gelegt. Allenfalls kann derjenige, der sich weigert beizutreten, sein Eigentum und Erbe verlieren, muss aber nicht um sein Leben fürchten. Verfolgung durch einen Geheimkult ist allerdings dann zu befürchten, wenn jemand seine Geheimnisse preisgibt. Diese Geheimnisse sollen sich nicht auf die Namen der Mitglieder beziehen, da diese in der Regel ohnehin allgemein bekannt sind, sondern auf die Entscheidungen und Interna der Geheimgesellschaft. Wenn ein Mitglied des Geheimkultes diesen verlassen will, dann führt dies nicht zwangsläufig zu nachteiligen Auswirkungen oder einer Verfolgung. Geheimkulte beziehen einen Teil ihrer Macht aus dem verbreiteten Glauben daran, dass ihnen übernatürliche Kräfte zukommen.
Der Ogboni-Bund ist - als "traditionelle" Ogboni-Gesellschaft - zu unterscheiden von der "Reformed Ogboni Society" (ROF), einer Vereinigung einflussreicher Leute, die 1914 gegründet wurde. Vertreter der ROF leugnen einen Zusammenhang mit der traditionellen Ogboni-Gesellschaft, obwohl es Personen geben soll, die beiden Vereinigungen angehören. Die ROF soll sich selbst mit dem Freimaurer-Orden vergleichen. Die traditionelle Ogboni-Gesellschaft, von der im Folgenden die Rede ist, war Teil des sozialen und politischen Systems der Yoruba-Königreiche. Die Ogboni hatten eine religiöse und eine Rechtsprechungsfunktion; sie konnten den König "machen" und absetzen (d. h. zum Selbstmord zwingen; den letzten - erfolglosen - Versuch dieser Art soll es in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben haben). Es gab unterschiedliche Ränge; die Mitgliedschaft war vererblich dergestalt, dass eine Familie, in deren Eigentum ein Titel stand, den Nachfolger vorschlagen durfte. Die Mitgliedschaft im unteren Rang setzte keine Initiation voraus und brachte kein Geheimwissen mit sich, sie soll nach anderen Angaben einfach vererbt worden sein. Die Ogboni sollen heute noch beträchtlichen Einfluss und Verbindungen zu den offiziellen staatlichen Strukturen haben. Man muss annehmen, dass es eine Vielzahl von Ogboni-Gesellschaften gibt, die einander in Aufbau, Aufnahme von Mitgliedern, Ritualen und Sanktionsformen nicht unbedingt gleichen.
In der Literatur wird ein - offenbar nur historisch relevanter - Fall erörtert, in dem jemand wegen der Weigerung, dem Ogboni-Bund beizutreten, mit Sanktionen bis zur Tötung bedroht wurde, der Fall nämlich, dass sich ein Mitglied der Oyo Misi, die eine Art Staatsrat bildeten und automatisch Mitglied der Ogboni waren, der Verantwortung entziehen wollte, die mit dieser Funktion verbunden war.
Der Ogboni-Gesellschaft gehören nur Yoruba oder Angehörige ihrer Unterstämme an; andere werden nur ausnahmsweise aufgenommen. Voraussetzungen für die Aufnahme sind ein gewisses Alter, nämlich etwa 30 Jahre, sowie ein bestimmter sozialer Status und Wohlstand. Üblicherweise gehören einer Ogboni-Gesellschaft auch einige Frauen an. Im Einzelfall kann die Familie großen Druck auf jemanden ausüben, um ihn zum Beitritt zu bewegen. Gerüchte über Menschen- und Blutopfer oder über Kannibalismus sollen der Abschreckung und dazu dienen, die Ehrfurcht vor den Ogboni zu steigern. Ritualmorde und Menschenopfer sollen früher praktiziert worden sein, kommen aber heute nicht mehr vor.
2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen eigene Angaben in der erstinstanzlichen Einvernahme, die zur mangelnden Glaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe auf dessen Aussage vor der Erstbehörde im Zusammenhalt mit den in der Verhandlung erörterten Länderberichten: Zunächst ist anzuführen, dass nach den Länderberichten die Mitgliedschaft in der Ogboni-Gesellschaft als einer Art Loge nur Angehörigen hoch angesehener Familien der Yoruba offensteht, nur ausnahmsweise auch anderen Volksgruppen. Der Beschwerdeführer gehört aber der Volksgruppe der Ibo an und es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beschwerdeführer unter den Yorubas etwa hoch angesehen wäre oder einen außergewöhnlichen sozialen Status oder Wohlstand aufwiese, auch erfüllte er (mit zum Fluchtzeitpunkt unter 18 Jahren) nicht das erforderliche Mindestalter (nämlich etwa 30 Jahre) für die Aufnahme in die Gesellschaft. Es ist vor dem Hintergrund dieser Berichte auch nicht davon auszugehen, dass jemand gegen seinen Willen unter Androhung der Ermordung für den Fall der Weigerung in die Gesellschaft aufgenommen wird, zumal die Aufnahme als besondere Ehre angesehen wird und die Gesellschaft auf Unwillige, nur durch Zwang rekrutierte Mitglieder keinen Wert legt.
Dazu kommt die mangelnde Plausibilität der Aussagen des Beschwerdeführers zu den angeblichen Vorfällen: Zum einen führte der Beschwerdeführer aus, die Kirchenleute, zu denen er - aus den Fängen der Geheimgesellschaft entkommen - geflohen sei, hätten ihm geholfen, indem sie die Polizei verständigt hätten, die Polizei habe dann gegen die Verfolger gekämpft. Andererseits gab er an, er könne sich wegen der Bedrohung deshalb nicht schutzsuchend an die Polizei wenden, weil von dieser selbst einige Mitglieder dieser Geheimgesellschaft seien. Nun scheint nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer von der Polizei gegen Angriffe von Mitgliedern der Gesellschaft tatsächlich verteidigt worden sein soll, wenn diese auf Seiten der Gesellschaft stünde. Auch für die Ausführungen zur konkreten Bedrohung durch die Gesellschaft, nämlich die behauptete Verfolgung durch einen alten Mann mit Totenkopf in den Träumen des Beschwerdeführers sowie die Auffindung des Beschwerdeführers "überall in Nigeria" durch magische Kräfte der Gesellschaft ist nicht nachvollziehbar und wurde vom Beschwerdeführer auch in keiner Phase des Verfahrens näher erläutert.
2.2. Die Feststellungen zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria stützen sich auf die in der Verhandlung erörterten - vom Asylgerichtshof für unbedenklich und aussagekräftig erachteten - Quellen, nämlich: United States Department of State, Nigeria. Country Report on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008; Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.11.2007.
2.3. Die Feststellungen zu traditionellen Religionen und Geheimkulten stützen sich auf die in der Verhandlung erörterten - vom Asylgerichtshof ebenfalls für unbedenklich und aussagekräftig erachteten - Quellen, nämlich: Home Office, Country of Origin Information Report Nigeria, 13.11.2007, Pkt. 29.01, 29.02; Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Operational Guidance Note Nigeria, 18.01.2007, Pkt. 3.12; Immigration and Refugee Board of Canada, Country of Origin Research, Nigeria, 12.07.2005; Gutachten von Reinhard Schmidt-Grüber, 05.10.2004, Fragen 26-31; ACCORD, Birgit Kirsten Müllner/Barbara Svec, Nigeria. Länderbericht August 2004, S. 57-68.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 erster und zweiter Satz AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr.101/2003 sind Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.
Da der im Beschwerdefall zu beurteilende Asylantrag vor dem 30. April 2004 gestellt wurde, wird das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Hinsichtlich des Abspruches über den subsidiären Schutz wird, da die Erstbehörde eine Entscheidung nach § 8 AsylG in der Stammfassung getroffen hat, iSd oben dargestellten Übergangsbestimmungen § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 angewendet.
3.2. Zu Spruchpunkt I. (Asylgewährung):
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.09.1998, 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose z.B. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).
Nach den getroffenen Feststellungen wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner konkreten Bedrohungssituation an sich schon nicht als glaubwürdig beurteilt und zudem ausgeführt, dass im Verfahren auch keine andere konkret den Beschwerdeführer betreffende individuelle, auf Konventionsgründen beruhende Gefahr in Nigeria festgestellt werden konnte. Dazu kommt, dass selbst für den Fall des Zutreffens des Vorbringens, dass der Beschwerdeführer von einzelnen Ogboni-Mitgliedern aus seinem familiären Umfeld verfolgt werden sollte, er sich jedenfalls in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederlassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr entziehen könnte.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher der Erfolg versagt.
3. 3. Zu Spruchpunkt II. (Ausspruch über den subsidiären Schutz):
Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK).
Zur Auslegung des § 57 FrG ist im Wesentlichen weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer solchen Gefahr in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Zu diesem Punkt wird auf die getroffenen Feststellungen (Punkt III. 1.1.) verwiesen, wonach die behauptete Bedrohung des Beschwerdeführers nicht festgestellt wurde. Da auch nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr auf exzeptionelle Umstände träfe, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortung liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, dementsprechend insgesamt eine dem Beschwerdeführer drohende Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG nicht vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.