TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/12 B10 400874-1/2008

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Veröffentlicht am 12.08.2008
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Spruch

B10 400.874-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Abs. 3 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von H.E., geb. 00.00.1988, Staatsangehörigkeit: Bosnien-Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.07.2008, Zl. 0802098-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, reiste am 26.01.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.01.2005 einen Antrag auf Asylgewährung gemäß § 3 AsylG 1997.

 

Das Kind des Beschwerdeführers, B.V., hat am 27.10.2005 ebenfalls die Gewährung von Asyl beantragt und wurde dessen Verfahren mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.10.2006, Zl. 05 18.379-BAT, gem. §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen.

 

Dagegen hat der Jugendwohlfahrtsträger, die BH Mistelbach, am 23.10.2006 fristgerecht Berufung erhoben.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2007, Zl. 05 01.213-BAT, wurde unter Spruchteil I. der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.01.2005 gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen, unter Spruchteil II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und unter Spruchpunkt III. die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien-Herzegowina gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ausgesprochen.

 

Am 29.02.2008 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am 05.03.2008 und am 10.03.2008 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt neuerlich zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich befragt.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 16.07.2008, Zahl: 08 02.098-EAST Ost, "den Asylantrag" des Beschwerdeführers vom 29.02.2008 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und zugleich seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach "Bosnien" gem. § 10 Abs. 1 Z 1 leg. cit. verfügt (Spruchpunkt II.).

 

Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH

v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Entschiedene Sache liegt immer dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 27.9.2000, Zl. 98/12/0057; VwGH v. 25.4.2002, Zl. 2000/07/0235). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH v. 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

 

Für den Unabhängigen Bundesasylsenat ist Sache des gegenständlichen Verfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG demnach ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde den neuerlichen Asylantrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Dies ist aufgrund folgender Erwägungen zu verneinen:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Gemäß § 1 Z 6 AsylG 1997 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG stellt ein Familienangehöriger (§ 1 Z 6) eines Asylberechtigten; subsidiär Schutzberechtigten oder Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 10 Abs. 5 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

 

Gemäß § 32 Abs. 7 AsylG gelten die Bescheide der anderen Familienmitglieder als mitangefochten, wenn gegen einen zurückweisenden oder abweisenden Bescheid gemäß § 10 Abs. 4 AsylG auch nur von einem Familienmitglied Berufung erhoben wurde.

 

Das Kind des Beschwerdeführers, B.V., hat am 27.10.2005 ebenfalls die Gewährung von Asyl beantragt und wurde dessen Verfahren mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.10.2006 gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen.

 

Dagegen hat der Jugendwohlfahrtsträger, die BH Mistelbach, fristgerecht am 23.10.2006 Berufung erhoben.

 

Somit gilt der Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2007, Zl. 05 01.213-BAT, mit welchem der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 27.01.2005 gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen wurde, als mitangefochten, was bedeutet, dass über diesen Asylantrag noch nicht rechtskräftig entschieden wurde.

 

§ 23 Abs. 5 AsylG: Wird während eines anhängigen Berufungsverfahrens ein neuer Asylantrag gestellt oder eingebracht, wird dieser Antrag im Rahmen des anhängigen Berufungsverfahrens mitbehandelt.

 

Über den Antrag vom 29.02.2008 war daher von der Erstinstanz nicht abzusprechen.

 

Darüber hinaus liegt im gegenständlichen Verfahren kein rechtskräftiger Vorbescheid vor, weshalb keine res iudicata vorliegen kann und daher spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Familienverfahren, Mitanfechtung
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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