TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/19 S7 400959-1/2008

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Veröffentlicht am 19.08.2008
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Spruch

GZ: S7 400.959-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Lassmann als Einzelrichterin über die Beschwerde des H.M., geb. 00.00.1981, StA. von Afghanistan, vertreten durch Dr. Herbert POCHIESER, RA, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.7.2008, Zahl: 08 01.364-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, der Asylantrag zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan und ist über die Türkei im September 2007 nach Griechenland und schließlich im Februar 2008 ins österreichische Bundesgebiet eingereist, wo er am 7.2.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. (vgl. Aktenseite 11 u. 13 des Verwaltungsaktes).

 

Im Rahmen seiner Erstbefragung bei der PI Traiskirchen EAST am 7.2.2008 gab der Asylwerber an, nach seiner Einreise in Griechenland im September 2008 Griechenland drei Tage nach seiner dortigen Einreise in Richtung Türkei verlassen zu haben, von der Türkei den iranischen Behörden übergeben und sodann nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein. Afghanistan habe er sodann umgehend verlassen und anschließend in Pakistan eine Woche im Krankenhaus verbracht. Vor ca. 1 1/2 Monaten sei er von Pakistan aus zur türkischen Grenze gefahren, von wo aus er letztendlich nach Österreich gelangt wäre (Aktenseite 13 des Verwaltungsaktes).

 

Mit E-mail vom 13.2.2008 ersuchte Österreich Griechenland um Übernahme des Asylwerbers. Griechenland hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) gem. Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) dem Aufnahmegesuch stattgegeben.

 

Mit Stellungnahme vom 27.3.2008 brachte der Asylwerber durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter im Wesentlichen vor, dass Österreich schon aufgrund der Tatsache, dass er sich nach seinem Aufenthalt in Griechenland über 3 Monate außerhalb des EU-Raumes aufgehalten habe, von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrach zu machen habe (Aktenseite 85 des Verwaltungsaktes).

 

Unter einem legte der Asylwerber zur Untermauerung seiner Angaben bezüglich seines nach seiner Einreise in Griechenland erfolgten Aufenthaltes in Pakistan und der dort konsumierten Heilbehandlung eine datierte Krankhausbestätigung vor.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1.4.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Griechenland zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass es in Griechenland keine Menschenrechte gebe und Asylwerber dort sehr schlecht behandelt würden (Aktenseite 113). Weiters bekräftigte der Asylwerber in dieser Einvernahme, nach seiner Einreise in Griechenland diesen Mitgliedstaat nach 3 Tagen wieder verlassen zu haben und von der Türkei ausgehend letztlich nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein und sich anschließend nach Pakistan begeben zu haben (Aktenseite 111 f. des Verwaltungsaktes).

 

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.7.2008, Zahl: 08 01.364-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei im Wesentlichen erneut geltend gemacht, dass sein Asylverfahren in Österreich schon aufgrund seines mehr als dreimonatigen Aufenthaltes außerhalb der EU-Mitgliedstaaten nach seiner Einreise in Griechenland zuzulassen gewesen wäre.

 

Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 14.8.2008, Zahl: S7 400.959-1/2008/2E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.7.2008, Zahl: 08 01.364-EAST Ost, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 41 (3) AsylG ist in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. a Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zuständig ist, gehalten, einen Asylwerber [...] aufzunehmen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. erlöschen die Verpflichtungen nach Absatz 1, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

 

Das Bundesasylamt hat im angefochtenen Bescheid die Behauptung des Asylwerbers hinsichtlich des insgesamt über dreimonatigen Aufenthaltes außerhalb der Mitgliedstaaten als unglaubwürdig gewertet und dies zusammengefasst damit begründet, dass seine Angaben bezüglich seines Krankhausaufenthaltes in Pakistan detailarm und unsubstantiiert wären, er weder den behandelnden Arzt noch die ihm verschriebenen Medikamente nennen hätte können und überdies nicht erklärbar sei, dass in einem laut Asylwerber ausschließlich von Afghanen frequentierten Krankhaus das Alter und das Geschlecht auf der von ihm vorgelegten Krankenhausbestätigung in Englisch angeführt wären, jedoch sein Name in der ihm verständlichen Schrift (Farsi) (Seite 22 des angefochtenen Bescheides). Gleichzeitig hat es das Bundesasylamt jedoch unterlassen, Ermittlungen hinsichtlich der Echtheit des vom Asylwerber vorgelegten Dokumentes anzustellen.

 

Hierzu ist auszuführen, dass obige Erwägungen des Bundesasylamtes bezüglich der Unglaubwürdigkeit des vom Asylwerber ins Treffen geführten Aufenthaltes in Pakistan insofern zu kurz greifen, als sich der Umstand, dass dieser nicht in der Lage war, den behandelnden Arzt bzw. die ihm verordneten Medikamente zu nennen, als nicht geeignet erweist, die Unglaubwürdigkeit seiner Angaben zu belegen, da es wohl überzogen schiene, wollte man von einer Person, welche einen behauptetermaßen bereits mehrere Monate zurückliegenden Krankhausaufenthalt erlebt hat, erwarten, derartige Details wie etwa den Name des behandelnden Arztes oder aber die Bezeichnung des verschriebenen Medikamentes wiederzugeben.

 

Ebenso handelt es sich bei den Erwägungen des Bundesasylamtes, wonach die Unechtheit der vorgelegten Krankenhausbestätigung dadurch indiziert würde, dass in einem - wie vom Asylwerber behauptet - fast ausschließlich von Afghanen frequentierten Krankenhaus das Alter und das Geschlecht auf Englisch, sein Name jedoch in der dem Asylwerber verständlichen Sprache Farsi angeführt worden sei, letztlich um bloße Vermutungen, die ebenso wenig geeignet erscheinen, die Echtheit des Dokumentes in Frage zu stellen.

 

Vielmehr hätte es hierzu eingehender Ermittlungen etwa im Rahmen einer kriminaltechnischen Untersuchung der vorgelegten Bestätigung bedurft. Auch hat es das Bundesasylamt unterlassen, eine (naheliegende) Überprüfung der Angaben des Asylwerbers durch beispielsweise einen Anruf eines entsprechend sprachkundigen Dolmetschers bei der im Dokument angeführten Telefonnummer des Krankenhauses durchzuführen.

 

Es liegt auf der Hand, dass ohne derartige Ermittlungen wie oben genannt nicht zweifelsfrei vom Vorliegen eines sich aus der Dublin II VO ergebenden, die Zuständigkeit Griechenlands indizierenden Sachverhaltes ausgegangen werden kann, da im Falle der Echtheit der vom Asylwerber vorgelegten pakistanischen Krankenhausbestätigung wiederum seine Angaben hinsichtlich des nach seiner Einreise in Griechenland erfolgten über dreimonatigen Verlassens des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaates nicht von vornherein als unglaubwürdig zu werten wären.

 

Auf die Notwendigkeit der Wahrung des persönlichen Parteiengehörs in einer Einvernahme ist zu verweisen.

 

Eine Sanierung dieses Verfahrensmangels im Verfahren vor dem Asylgerichtshof war diesem aufgrund der engen Frist des § 37 Abs. 3 AsylG (Entscheidung binnen zwei Wochen) nicht möglich, sodass lediglich ein Vorgehen gem. § 41 Abs. 3 AsylG möglich war.

 

Lediglich ergänzend sei erwähnt, dass es sich bei den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach dem Asylwerber am 25.3.2008 die schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG hinsichtlich der beabsichtigten Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und der Information der Führung von Konsultationen mit Griechenland ausgefolgt worden wäre, bezogen auf das angeführte Datum insofern wohl um einen Schreibfehler bzw. einen Irrtum handeln muss, als sich aus dem Verwaltungsakt zweifelsfrei ergibt, dass jene Mitteilung an den Asylwerber tatsächlich am 18.2.2008 (und sohin fristgerecht iSd § 28 Abs. 2 AsylG) ergangen ist, was der Asylwerber letztlich durch seine Unterschrift auch bestätigt hat (Aktenseite 49 des Verwaltungsaktes).

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Beweise, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
14.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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