TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/01 C1 248409-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2008
beobachten
merken
Spruch

C1 248.409-0/2008/17E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des H. F., geb. 00.00.1982, StA. Serbien, vom 25.03.2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2004, FZ. 04 01.819-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2007 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Mit angefochtenem Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 4.2.2004 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien-Montengro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig ist.

 

Hiegegen wurde Rechtsmittel eingebracht, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen wiederholte und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens dahingehend beantragte, durch geeignete Recherchen die Gefährdungslage von Personen gemischt ethnischer Herkunft in seiner Heimat zu ermitteln und diesbezügliche Feststellungen zu treffen. Er führte weiter aus, er habe große Probleme mit einer anderen Familie. Sein Bruder sei von dieser Familie umgebracht worden und habe sein Vater einige Monate später seinen Bruder gerächt. Aus diesem Grund drohe ihm Gefahr und sei er gezwungen gewesen, seine Heimat zu verlassen. Er habe wahnsinnige Angst vor Blutrache und Vergeltungsmaßnahmen. Familienfehden würden im Kosovo als Privatsache betrachtet und würden daher von den Behörden keine Ermittlungen angestellt. Die staatlichen Behörden in seiner Heimat seien nicht in der Lage, derartige Übergriffe auf ihn zu verhindern. Die belangte Behörde habe sich mit der Frage, ob bzw. inwieweit er Schutz durch die staatlichen Behörden erwarten könne, überhaupt nicht beschäftigt.

 

Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer aus, im Kosovo sei seine wirtschaftliche und gesundheitliche Existenz massiv gefährdet. Er habe psychische Probleme und habe deshalb von seinem Arzt Medikamente verschrieben bekommen, welche er sich - soweit sie überhaupt verfügbar seien - nicht leisten könnte, da sie zu teuer wären.

 

Im Kosovo sei weiters die Sicherheit des Beschwerdeführers nicht gewährleistet. Es herrsche weiterhin eine Atmosphäre der (teilweisen) Gesetzlosigkeit und Gewaltbereitschaft vor. Die Polizei und die KFOR seien gar nicht mehr in der Lage, der Situation Herr zu werden. In diesem Monat (das Rechtsmittel stammt aus dem März 2004) sei es zu den schwersten Ausschreitungen seit dem Ende des Krieges 1999 gekommen. Die Lage habe sich bisher nicht beruhigt, ganz im Gegenteil gingen die Gewalttätigkeiten weiter und griffen auch auf serbische Städte jenseits des Kosovo über.

 

Im Rahmen der am 23.10.2007 durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

VL: Wie geht es Ihnen?

 

BW: Gut.

 

VL: Können Sie mir bitte Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum sowie Ihren Geburtsort angeben.

 

BW: H. F., am 00.00.1982 in P. geboren.

 

VL: Wo waren Sie in Ihrem Heimatland aufhältig?

 

BW: In P..

 

VL: Durchgehend?

 

BW: Schon durchgehend, ich habe auch Onkeln dort, bei diesen war ich auch.

 

VL: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

 

BW: Jänner 2004. So müsste es gewesen sein.

 

VL: Haben Sie schon einmal davor Ihr Heimatland verlassen?

 

BW: Ja.

 

VL: Wann und wohin?

 

BW: Wann, weiß ich nicht mehr, aber ich war in Mazedonien und Albanien.

 

VL: Zu welchem Zweck waren Sie in diesen Ländern?

 

BW: Meine Familie ist in Blutfehden verwickelt, deshalb musste ich dorthin fahren.

 

VL: Wie lange haben Sie sich dort aufgehalten?

 

BW: 2 oder 3 Monate, je nachdem, ob wir und wie lange eine "Besa" (Erlaubnis von der gegnerischen Partei, uns frei zu bewegen) bekommen haben.

 

VL: Wie genau ist das vor sich gegangen?

 

BW: Dort ist das so. Man schickt jemanden von der Familie oder einen Bewohner des Dorfes, den beide Parteien kennen, der ausrichten soll, für wie lange "Besa" erteilt wird.

 

VL: D.h. die gegnerische Familie hat Ihnen erlaubt, für ein paar Monate bei Ihnen im Dorf zu leben?

 

BW: Es ist immer verschieden, manchmal eine Woche, 2 Wochen, einen Monat.

 

VL: Was hat das für einen Sinn, wenn sich jemand rächen will?

 

BW: In dieser Zeit kann man sich frei bewegen, d.h. man hat die Zusicherung, dass die gegnerische Partei sich in dieser Zeit nicht rächen wird.

 

VL: So eine Art "Waffenstillstand"?

 

BW: So ist es.

 

VL: Hat das immer die ganze Familie betroffen oder nur ein einzelnes Familienmitglied?

 

BW: Das betrifft die ganze Familie.

 

VL: D.h. die gesamte Familie muss nach Mazedonien, dort eine Zeit bleiben, dann gehen alle wieder in ihr Dorf, dann geht man wo anders hin, usw.?

 

BW: Es ist auch vorgekommen, dass das "Besa" nur für 2 Wochen gewährt wurde und ich nicht in meine Heimat zurückgekehrt bin.

 

VL: Wo ist Ihr Vater aufhältig?

 

BW: Zur Zeit weiß ich das nicht.

 

VL: Wieso nicht?

 

BW: Ich habe keinen Kontakt zu ihm.

 

VL: Wann hatten sie das letzte Mal Kontakt zu ihm?

 

BW: Ich kann mich nicht erinnern.

 

VL: Was war der Grund für diese Blutrache?

 

BW: 1995 wurde ein Bruder von mir mit dem Messer getötet. Von der Familie, von der wir die "Besa" bekommen.

 

VL: Was geschah weiter?

 

BW: Rache.

 

VL: Wie genau ging das vonstatten?

 

BW: Mein Vater hat sich an dieser Familie gerächt. Er hat jemanden getötet.

 

VL: Wie, wen, wann usw.?

 

BW: Mein Vater hat einen der Söhne dieser Familie getötet.

 

VL: Wie?

 

BW: Mit der Waffe, was weiß ich?

 

VL: Das werden Sie doch wissen?

 

BW: Mit einer Waffe.

 

VL: Sie werden doch darüber gesprochen haben?

 

BW: Ich war ein kleines Kind, er hat nicht darüber gesprochen.

 

VL: Sie waren 13 Jahre alt.

 

BW: Jedenfalls wurde ich mit 13 Jahren nicht so ernst genommen, dass mein Vater mir davon berichtet hätte.

 

VL: Wie viele Brüder haben Sie?

 

BW: Noch 3.

 

VL: Wo halten sich diese auf?

 

BW: Einer ist in Deutschland, die anderen 2, glaube ich, in Italien.

 

VL: Wieso haben Sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht angegeben, noch Geschwister zu haben?

 

BW: Doch, das habe ich angegeben. Ich wurde gefragt, ob ich einen Bruder in Deutschland habe, ich sagte ja. Detailliert wurde ich damals nicht gefragt.

 

VL: Wie genau geht die Blutrache bei Ihnen vonstatten?

 

BW: Einer wird dir getötet. Du tötest einen von ihnen.

 

VL: Und das geht immer so weiter?

 

BW: Es wäre schön, wenn es zu einer Versöhnung käme, aber sie wollen nicht.

 

VL: Wurde es denn versucht?

 

BW: Ja.

 

VL: Wie?

 

BW: Man schickt Vermittler. Aber sie wollten nicht.

 

VL: Haben Sie sich an die KFOR oder eine andere Organisation gewandt?

 

BW: Ja.

 

VL: Und?

 

BW: Sie haben auch mit Angehörigen der gegnerischen Familie gesprochen, aber einer Versöhnung stimmen sie nicht zu.

 

VL: Das ist ein bisschen unglaubwürdig, wenn sie eigentlich der Auslöser des ganzen waren?

 

BW: Mein Bruder war damals 17, als er getötet wurde. Der Sohn der Familie, der von meinem Vater getötet wurde, hat Frau und Kinder hinterlassen, vielleicht ist das der Grund.

 

VL: Nach den uns vorliegenden Berichten gibt es die Blutrache im Kosovo. Die internationalen Behörden und auch die Behörden vor Ort sind heftigst bemüht, diese zu unterbinden und auch die Gerichte gehen dagegen vor. Darüber hinaus ist in den meisten Fällen, wenn je ein Familiemitglied getötet wurde, Schluss.

 

BW: Es stimmt, alle bemühen sich, das zu unterbinden, auch wir bemühen uns, dass es zu einer Versöhnung kommt. Vielleicht kommt es bald dazu. Jedenfalls war es bisher nicht der Fall und die Gefahr besteht nach wie vor. Bis es zu einer Versöhnung kommt, ist man gefährdet.

 

VL: Woher wissen Sie, dass die Gefahr nach wie vor besteht?

 

BW: Ich habe einen Onkel in meiner Heimat, der sich in der Sache sehr bemüht. Er versucht es immer wieder, "Besa" zu bekommen. Kurz bevor ich festgenommen wurde, habe ich mit ihm gesprochen, deshalb weiß ich, dass die Gefahr nach wie vor besteht.

 

VL: Ihr Onkel ist auch davon betroffen?

 

BW: Ja.

 

VL: Das ist aber ganz unüblich.

 

BW: Er ist der Bruder meines Vaters.

 

VL: Der Onkel konnte Ihnen über Ihren Vater nichts sagen?

 

BW: Nein. Ich weiß nicht. Er ist irgendwo in Europa, aber ich weiß nicht, wo.

 

VL: Wenn Ihr Bruder umgebracht wurde, und Ihre Familie rächt sich dann, ist es nicht nachvollziehbar, dass Ihre ganze Familie irgendwo in Europa verstreut ist.

 

BW: Die gegnerische Familie ist größer.

 

VL: Ihre Familie hatte doch auch mehrere Mitglieder?

 

BW: Sollen alle ausgerottet werden?

 

VL: War Ihr Vater berufstätig?

 

BW: Ja.

 

VL: Was hat er gemacht?

 

BW: Er war Bergmann in T..

 

VL: Wann ist Ihre Mutter gestorben?

 

BW: 1998.

 

VL: Möchten Sie noch irgendetwas angeben?

 

BW: Ich möchte nur angeben, dass es, falls es zu einer Versöhnung kommt, ich gerne nach Hause zurückkehren würde.

 

VL: Warum gehen Sie nicht an einen anderen Ort?

 

BW: Wohin? Ich habe es versucht.

 

VL: Wohin sind Sie gegangen?

 

BW: Mazedonien, Albanien. Es ging nicht.

 

VL: Warum nicht?

 

BW: Ich hatte keine Unterkunft und Verpflegung, gar nichts. Es ging nicht.

 

VL: Hatten Sie Unterkunft und Verpflegung, als Sie nach Österreich gekommen sind?

 

BW: Als ich den Asylantrag gestellt hatte, wurde ich in einem Heim untergebracht, dort hatte ich eine Verpflegung.

 

VL: Warum haben Sie nicht wo anders im Kosovo versucht, unterzukommen?

 

BW: Der Kosovo ist nicht groß. Diese Familie wäre in der Lage gewesen, mich zu finden, dann wäre ich gefährdet gewesen.

 

BWV: Welcher Ethnie gehören Sie an?

 

BW: Meine Mutter stammte aus einer gemischten Ehe, albanisch/aschkali.

 

BWV: Hat sich das irgendwie auf Ihre Situation im Heimatland ausgewirkt?

 

BW: Normal ist es nicht leicht, wenn man einer Minderheit angehört.

 

BWV: Sie waren bis 2004 in Ihrer Heimat. Können Sie berichten, dass seitens der Behörden etwas bezüglich dieser gegnerischen Familie unternommen wurde?

 

BW: Was nach dem Jahr 2004 passierte, weiß ich nicht. Mein Onkel hat sich immer sehr bemüht, aber in so einem Fall kann die Polizei nicht helfen. Das einzige, das sie unternehmen kann, ist, dass sie den Täter festnimmt.

 

VL: Hat Ihr Vater nach diesem "Rachemord" Probleme mit irgend jemandem gehabt?

 

BW: Er ist geflüchtet. Natürlich hatte er Probleme, er hat ja jemanden umgebracht.

 

VL: Hat derjenige, der Ihren Bruder umgebracht hatte, irgendwelche Repressalien durch die Polizei oder Behörden?

 

BW: Soviel ich weiß, war er im Gefängnis.

 

VL: Sie wissen nichts näheres?

 

BW: Nein, weil 1998/99 noch Krieg geherrscht hat.

 

VL: War die gegnerische Familie auch eine ethnische Minderheit?

 

BW: Es war eine albanische Familie."

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens für Minderheiten, insbesondere unter Aspekt der gemischt ethnischen Herkunft des Beschwerdeführers zur Frage der Gefährdungslage in seiner Heimat. Dies auch unter Einbindung des Problems der Blutrache und der damit verbundenen Frage, ob die staatlichen Behörden willens sind, derartige Taten aufzuklären bzw. zu verhindern.

 

Dieser Beweisantrag wurde wegen Entscheidungsreife abgewiesen, insbesondere unter Hinweis auf die Beantwortungen von Erhebungsersuchen durch den Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres im Kosovo vom 9.5.2007 und 1.9.2007 sowie den Bericht von Karsten Lüthke "Perspektiven bei einer Rückkehr in das Kosovo, insbesondere für Angehörige ethnischer Minderheiten".

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er stammt aus der Provinz Kosovo und war zum Zeitpunkt der Antragstellung Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro. Er ist gemischt ethnischer Herkunft, sein Vater ist Angehöriger der Volksgruppe der Albaner, seine Mutter entstammt selbst einer gemischt-ethnischen Ehe und war zur Hälfte Ashkali.

 

Der Beschwerdeführer hat die Provinz Kosovo verlassen und hat am 04.02.2004 gegenständlichen Asylantrag beim Bundesasylamt eingebracht.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 00.07.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen § 127 und 129 Abs. 1 und 2 StGB zu 6 Monaten Freiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

 

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ist.

 

Den Angaben des Beschwerdeführers waren keine asylrelevanten Verfolgungsgründe zu entnehmen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach ihm im Kosovo die Ermordung aufgrund einer Blutrache drohe, war kein Glauben zu schenken, zumal die Angaben des Beschwerdeführers zu wesentlichen Punkten seines Vorbringens nicht schlüssig nachvollziehbar sind.

 

Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme vor der Erstbehörde im Wesentlichen an, er sei aufgrund seiner gemischt-ethnischen Herkunft im Kosovo "isoliert" gewesen. Er sei geflüchtet, weil seine Familie mit einer anderen Familie in Streit liege und eine Blutrache bestehe. Sein Bruder sei umgebracht worden, daraufhin habe sein Vater ein männliches Mitglied der anderen Familie getötet. Es könne daher sein, dass ihm im Falle seiner Rückkehr Mord drohe. In der Berufung wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen bezüglich der Blutrache. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung führte er des Weiteren aus, er habe sein Heimatland schon zuvor verlassen, um einige Monate in Mazedonien und Albanien zu verbringen. Es gebe innerhalb der Blutfehde die Möglichkeit, eine "Besa", also eine Erlaubnis der gegnerischen Partei, sich frei zu bewegen, aufgrund derer er für einige Monate in sein Heimatdorf zurückkehren konnte.

 

Der Beschwerdeführer konnte jedoch auch auf nachdrückliche Befragung im Rahmen der Berufungsverhandlung keine Einzelheiten zum Entstehen der Blutrache schildern und gab an, lediglich zu wissen, dass sein Vater aus Rache jemanden getötet habe. Obwohl der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt bereits 13 Jahre alt war, konnte er keine Angaben dazu machen, wer getötet worden war oder mit welcher Waffe. Nach den Angaben des Beschwerdeführers ging die Blutrache darüber hinaus von der gegnerischen Familie aus und ist daher nicht nachvollziehbar, dass nunmehr gerade die Familie des Beschwerdeführers gezwungen wäre, aufgrund dieser Blutrache zu flüchten.

 

Basierend auf den angeführten Quellen werden folgende Länderfeststellungen getroffen:

 

Nach den vom UN-Sondergesandten Ahtisaari seit Februar 2006 durchgeführten Verhandlungen mit den Parteien in Pristina und Belgrad wird es voraussichtlich im Jahr 2007 eine Entscheidung über den zukünftigen Status der serbischen Provinz Kosovo geben. Diese steht seit 1999 unter der Verwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK).

 

Unter der UNMIK-Verwaltung haben sich demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte provisorische Regierung. Die kosovoserbische Minderheit nimmt bislang allerdings nur eingeschränkt am politischen Leben teil. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem ist an vielen Stellen noch verbesserungsbedürftig. Eine kosovarische Polizeitruppe (noch unter UNMIK-Aufsicht) wurde aufgebaut, die sich bislang im regionalen Vergleich als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat.

 

Die Sicherheitslage hat sich seit den Unruhen im März 2004 weitgehend beruhigt, sie ist jedoch weiterhin nicht stabil. Das Gewaltpotential bleibt hoch; bei einer Bevölkerung von zwei Millionen gibt es über 300.000 illegale Schusswaffen sowie Sprengstoffe und Handgranaten im Land. Insbesondere Schusswaffen und Handgranaten werden von weiten Teilen der Bevölkerung auch bei nichtigen Anlässen eingesetzt. Dabei handelt es sich fast immer um Auseinandersetzungen innerhalb derselben Ethnie und nicht um interethnisch motivierte Streitigkeiten.

 

Die Wirtschaftslage bleibt weiter prekär. Die Energieversorgung ist unverändert mangelhaft, es kommt weiter zu Stromabschaltungen. Die Straßeninfrastruktur bessert sich langsam. Die Arbeitslosigkeit bleibt weiter hoch, wobei verlässliche Zahlen insbesondere aufgrund des signifikanten illegalen Sektors (Schwarzarbeit, organisierte Kriminalität) fehlen.

 

Ein erstes positives Zeichen ist, dass die legale Privatwirtschaft im Kosovo 2006 um 10% gewachsen ist. Repressionen von staatlicher Seite gibt es seit 1999 nicht mehr; Repressionen gegenüber ethnischen Minderheiten haben seit 2004 stetig abgenommen. Die subjektiv häufig als unsicher empfundene Sicherheitslage behindert den Rückkehrprozess. Wohnraum ist im Kosovo zwar ausreichend vorhanden, jedoch insbesondere in Ballungszentren auch für kosovarische Verhältnisse teuer. Aufgrund von Vorurteilen gegenüber Roma, Ashkali und Ägyptern ist die Anmietung von Wohnraum für diese Gruppe besonders schwierig.

 

Güter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und Bekleidung sind problemlos erhältlich; derzeit eröffnet etwa jeden Monat ein neues Einkaufszentrum im Kosovo seine Pforten.

 

Die medizinische Grundversorgung ist gewährleistet. In einigen Bereichen ist die Versorgung jedoch eingeschränkt. Für Rückführungen ist noch UNMIK und dort OCRM (Office for Communities, Returns and Minorities) zuständig. Das absehbare Ende des Mandats und noch viele offene Fragen, die u.a. mit der Übergabe der Zuständigkeiten zusammenhängen, erschweren derzeit die Zusammenarbeit mit den Behörden im Kosovo.

 

(Quelle: Bericht des Auswärtigen Amts Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15.02.2007, Abschnitt Zusammenfassung)

 

Durch die Etablierung der internationalen Zivil- und Sicherheitspräsenz im Kosovo haben staatliche Repressionen gegen Kosovo-Albaner oder andere ethnische Gruppen ein Ende gefunden. Dem Auswärtigen Amt liegen keine aktuellen Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Personal von UNMIK vor. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung Repressionen seitens der Mitarbeiter der UNMIK-Übergangsverwaltung ausgesetzt sind.

 

(Quelle: Bericht des Auswärtigen Amts Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15.02.2007, Abschnitt II.1)

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. Sie reicht damit als alleinige Einkommensquelle unter Berücksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten kaum zum Leben aus. (Quelle:

Bericht des Auswärtigen Amts Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15.02.2007, Abschnitt IV.1.a)

 

Durch die Entwicklungen während der neunziger Jahre wurde auch der Gesundheitssektor des Kosovo sehr in Mitleidenschaft gezogen (Flucht oder Tod von medizinischem Personal, Zerstörung von medizinischen Einrichtungen, Versorgungsengpässe etc.). Die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung ist nach wie vor prioritär, schreitet aber aufgrund fehlender Ressourcen nur langsam voran. So wurde z.B. das Budget des PISG Gesundheitsministeriums für das Jahr 2006 von 56 Mio. (2005) auf 49 Mio. (2006) gekürzt.

 

Die Möglichkeiten, im Kosovo komplizierte Behandlungen oder operative Eingriffe vorzunehmen, sind zurzeit noch begrenzt. Die medizintechnische Grundausstattung für regionale Hospitäler kommt weiter voran.

 

Es wird weiterhin häufig über Fälle von Korruption und andere Unregelmäßigkeiten berichtet. In Einzelfällen, die auch in der kosovarischen Presse und von NROen wie Caritas International berichtet wurden, sollen Medikamente, die eigentlich kostenfrei oder gegen geringe Zuzahlung an die Patienten abzugeben sind (da sie auf der "essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgeführt sind), nur gegen Bezahlung an die Patienten abgegeben werden (dies mit dem Hinweis, sie seien derzeit in der Krankenhausapotheke nicht vorrätig, könnten aber aus anderen "Quellen" besorgt werden). Obwohl nach Auskunft des PISG Gesundheitsministeriums in den Krankenhäusern Verantwortliche für die kontrollierte Verwaltung und Ausgabe der Medikamente in der Erwartung bestimmt worden sind, dass damit diese Missstände für die Zukunft beseitigt sein sollten, führte dies aber offensichtlich nicht zu dem gewünschten Erfolg. Für die Verfügbarkeit medizinischer Geräte für den Patienten und für die Festlegung von Operationsterminen sind ähnliche Fälle bekannt geworden, d.h. gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme an das medizinische Personal wird der Patient "vorrangig" (an der Warteliste vorbei, z.B. bei Operationen) medizinisch behandelt.

 

Nach Auskunft des PISG-Gesundheitsministeriums stehen im öffentlichen Gesundheitswesen im Kosovo sieben Zentren für geistige Gesundheit und in fünf Krankenhäusern Abteilungen für stationäre Psychiatrie inklusive angeschlossener Ambulanzen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen und posttraumatischen Belastungsstörungen zur Verfügung. Stationäre psychiatrische Abteilungen mit angeschlossenen Ambulanzen existieren in den Krankenhäusern in Pristina, Mitrovicë/Mitrovica (Nord), Pejë/Pec, Prizren und Gjakovë/Dakovica. Im Universitätsklinikum in Prishtinë/Pri¿tina ist die psychiatrische Abteilung mit 72 Betten und die neurologische Abteilung mit weiteren 52 Betten sowie sechs Intensivplätzen ausgestattet. Die Zentren für geistige Gesundheit (Mental Health Care Centre, MHC) befinden sich in den Städten Pejë/Pec, Prizren, Ferizaj/Uro¿evac, Gjilan/Gnjilane, Gjakovë/Djakovica, Mitrovicë/Mitrovica (Süd) und Prishtinë/Pri¿tina. Das Kosovo Rehabilitation Center for Torture Victims (KRCT) unterhält in Prishtinë/Pri¿tina eine Betreuungseinrichtung und in den kommunalen Gesundheitszentren der Städte Gjilan/Gnjilane, Deçan/Decane, Pejë/Pec, Skenderaj/Srbica, Podujevë/Podujevo und Suharekë/Suva Reka. Dort werden von KRCT-Mitarbeitern regelmäßig Therapiemaßnahmen angeboten.

 

Ferner gibt es das Kosovo Institute for Mental Health Recovery (KIMHR), Centre for Stress Management and Education in Gjakovë/Djakovica (CSME), "One to One" Psychosocial Centres in Pejë/Pec und Prizren (vgl. auch "National Plan for Psycho-Trauma", März 2006). Zusätzlich sind einige NROen wie z.B. Medica Kosova tätig, die psychisch Kranke und durch belastende Kriegsereignisse traumatisierte Personen beraten und medizinisch/psychologisch behandeln.

 

Die stationären Behandlungsmöglichkeiten für Psychiatriepatienten sind aber weiterhin äußerst begrenzt, da auch die Dauertherapieeinrichtung in Shtime/¿timlje ständig ausgelastet ist. Aufgrund der geringen Zahl der im öffentlichen Gesundheitswesen praktizierenden Fachärzte - nach Auskunft des Gesundheitsministeriums arbeiten derzeit 37 spezialisierte Neuropsychiater, 22 Fachärzte für Psychiatrie, drei Psychologen und neun Neurologen im öffentlichen Gesundheitswesen (Stand 09.11.2005) - drohen noch immer erhebliche Engpässe auch bei der ambulanten psychiatrischen Versorgung.

 

Im Kosovo gibt es nur eine Betreuungseinrichtung für geistig Behinderte in Shtime/¿timlje. Die Zustände in dieser Betreuungseinrichtung haben sich beginnend mit dem Jahr 2003 sowohl hinsichtlich der Unterbringung als auch der Betreuung der Patienten aufgrund der Hilfsmaßnahmen internationaler Organisationen erheblich verbessert.

 

Im Oktober 2005 wurde ein völlig neues Haus in Betrieb genommen, in dem sich zehn Angestellte um elf mental zurückgebliebene Patienten kümmern. Die Aufnahmekapazitäten dort sind insgesamt jedoch weiterhin nahezu erschöpft.

 

Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im öffentlichen Gesundheitswesen ist seit 2003 für den Patienten nicht mehr gänzlich kostenfrei, je nach Behandlung im ambulanten Bereich sind zwischen 1 ¿ und 4 ¿ zu zahlen, für einen stationären Aufenthalt sind es täglich ca. 10 ¿. Bestimmte Personengruppen, wie z.B. Invaliden und Empfänger sozialhilfeähnlicher Leistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre sind jedoch von diesen Zahlungen befreit.

 

Auch für die Medikamente, die auf der "essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgeführt sind und bis 2003 kostenfrei bezogen werden konnten, wird nun eine Eigenbeteiligung von bis zu 2 ¿ erhoben. Allerdings kam es im September 2006 im Universitätsklinikzentrum in Pristina zu einem finanziellen Engpass mit der Folge, dass auch stationäre Patienten die benötigten Medikamente, Infusionen, etc. zum vollen Preis privat in Apotheken erwerben mussten, obwohl sie auf der "essential drugs list" aufgeführt sind. Viele der im öffentlichen Gesundheitswesen beschäftigten Ärzte betreiben zusätzlich eine privatärztliche Praxis. Der medizintechnische Standard dort ist oft erheblich höher als der im öffentlichen Gesundheitssystem. Weil es an einer Art Gebührenordnung fehlt, werden die Behandlungskosten zwischen Arzt und Patient frei vereinbart.

 

Kosovaren nutzen teilweise auch die Möglichkeit, eine für sie kostenpflichtige medizinische Behandlung in Mazedonien durchführen zu lassen. Soweit Kosovaren gültige serbische bzw. ehemals serbisch-montenegrinische Personaldokumente (Personalausweis oder Reisepass) besitzen, können sie theoretisch auch in das übrige Serbien reisen, um sich dort, allerdings auf eigene Kosten, medizinisch behandeln zu lassen. Aufgrund der politisch-ethnischen Situation ist dies allerdings keine allgemein gültige Lösung, sondern beschränkt sich auf Einzelfälle (Faktoren: ethnische Zugehörigkeit der Person/ ethnische Situation am Behandlungsort/ Sprachkenntnisse etc.).

 

Neben den Apotheken in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen existieren im Kosovo nach Presseberichten ca. 350 privat betriebene Apotheken. Eine ausreichende Kontrolle dieser Apotheken scheint jedoch nicht vorhanden zu sein, denn nach Aussagen der "Vereinigung der Apotheker im Kosovo" (SHFK) werden nur 125 dieser Apotheken von ausgebildeten Pharmazeuten geleitet. Im Bedarfsfall können alle erforderlichen Medikamente über die Apotheken aus dem Ausland bezogen werden. Die Kosten sind jedoch vom Patienten zu tragen.

 

Bei Rückführungen in den Kosovo ist es sinnvoll, den Betroffenen im Kosovo nicht ständig verfügbare Medikamente als Übergangsvorrat mitzugeben. Die Zustellung muss ggf. durch private Anbieter organisiert werden.

 

(Quelle: Bericht des Auswärtigen Amts Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15.02.2007, Abschnitt IV.1.b)

 

Die kosovo-albanische Tradition kennt die "Blutrache nach den Regeln des Kanun". Die Regeln des Kanun sind maßgeblich für die mögliche Auslösung, Eröffnung, Ablauf und Beendigung einer tatsächlichen traditionellen Blutrache. Diese ist aber im Kosovo so gut wie nicht mehr anzutreffen. Allerdings sind insbesondere außerhalb der größeren Städte des Kosovo nicht selten Racheaktionen aus allen erdenklichen Gründen festzustellen. Dies wird im Kosovo landläufig als Blutrache bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun vergleichbar beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen beziehungsweise tödlichen Folgen. Hier wird oft mit niedriger Hemmschwelle zur Schusswaffe gegriffen.

 

(Quelle: Bericht des Auswärtigen Amts Berlin über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 15.02.2007, Abschnitt IV.2.e)

 

Nach den Gesetzen des Kanun ist prinzipiell nur ein Mord eine Blutrache-relevante Tat. Die prinzipielle Grundstruktur ist, dass ein Mord mit einem anderen Mord gesühnt wird, sollte es nicht wieder einen neuerlichen Gegenmord geben. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so war die Tat gesühnt und hat keine weiteren Auswirkungen auf die Familie.

 

(Quelle: Kosovobericht der Österreichischen Botschaft, Außenstelle Prishtina, vom 01.04.2006, Seite 58f)

 

Entsprechend dem Erhebungsbericht des Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres im Kosovo vom 09.05.2007 wird der Kanun und damit die Blutrache immer mehr zurückgedrängt und durch ein zeitgemäßes Justizwesen ersetzt. Es gibt noch einige Fälle von Blutrache, aber in der weit überwiegenden Zahl von Gewaltverbrechen kommt der Kanun nicht mehr zur Anwendung. Der Kosovo hat einen gewaltigen Modernisierungsschub erlebt und ist auch durch die nunmehr fast zehnjährige Anwesenheit von internationalen Personen in großer Zahl "westlich geprägt" worden. Vor allem in den Städten war der Kanun immer eher untergeordnet gegenüber den Dörfern. Laut Erhebungsbericht des Verbindungsbeamten des Bundesministeriums für Inneres im Kosovo vom 01.09.2007 wird die Blutrache (Kanun) im Bereich der ethnischen Gruppen den Roma, Ashkalis und Ägypter generell nicht angewandt.

 

Betreffend Kosovaren mit gemischter Ethnie wird auf den Bericht des Home Office, UK Border Agency, "Operational Guidance Note, Kosovo" vom 22.7.2008 verwiesen. Unter Pkt. 3.8.5. wird Folgendes festgehalten:

 

"In general there ist sufficiency of protection for Kosovans of mixed ethnicity and those in ethnically mixed marriages. UNMIK/KPS are able and willing to provide protection for those that fear persecution and ensure that there is a legal mechanism for the detection, prosecution and punishment of persecutory acts. In general, an ethnically mixed applicant who speaks Albanian and can physically pass as an Albanian will be less at risk than those who do not speak Albanian and are easily distinguishable as being from a minority group."

 

Der Vollständigkeit halber wird hinsichtlich der jüngsten Entwicklung im Kosovo Folgendes festgestellt:

 

"Am 17. Februar 2008 hat sich die ehemalige serbische Provinz Kosovo, die seit 1999 unter UN-Verwaltung (UNMIK) steht, für unabhängig erklärt. Dennoch ist der neue Staat nur beschränkt souverän. Die Verfassung Kosovos, die am 15. Juni in Kraft treten soll, entspricht den Vorgaben des sog. Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit, die die weitere internationale zivile und militärische Präsenz und Supervision vorsieht. Anstelle der UN wird die EU, vertreten durch einen International Civilian Representative, die abschließende Autorität über die Auslegung des Ahtisaari-Plans haben. Die Entscheidungen des EU-Sondergesandten werden rechtsverbindlich für alle öffentlichen Behörden, er wird mit weit reichenden Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet. Nach dem Inkrafttreten der Verfassung sollen die Kompetenzen, die UNMIK vorbehalten waren (Justiz, Polizei, Zoll etc.), weitgehend auf die kosovarischen Institutionen übergehen. Vorbereitend hat die kosovarische Regierung eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht (u.a. ein Staatsbürgerschaftsrecht). Vorgesehen ist auch die Einrichtung eines Außenministeriums sowie der Aufbau von kosovarischen Streitkräften. Daneben ist auch die weitere International Military Presence (durch die NATO) festgelegt.

 

Die Sicherheitslage ist - mit Ausnahme Nord-Kosovos - seit der Unabhängigkeitserklärung weitgehend stabil. Auch die befürchteten Flüchtlingswellen sind ausgeblieben. Die Lage in Nord-Kosovo ist angespannt. Belgrad versucht mit allen Mitteln, die serbischen Siedlungsgebiete unter seine volle Kontrolle zu bringen. Auch die EU-Mission kann ihr Einsatzgebiet vorerst nicht auf den Norden ausdehnen. Dort und in anderen serbische Enklaven zeichnet sich eine Verfestigung und Erweiterung der parallelen Wirklichkeiten ab. Die Sicherheitssituation ist brüchig."

 

(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Kosovo, Mai 2008)

 

Die Unabhängigkeitserklärung enthielt positive Worte auf serbisch an die Adresse der serbischen Minderheit, die Bereitschaft, den Ahtisaari-Plan einzuhalten und eine Einladung an die EU, einen Internationalen Zivil-Repräsentanten (International Civilian Representative, ICR) zu entsenden, der die Umsetzung des Plans überwachen sollte.

 

Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene kosovarische Verfassung definiert die Republik als unabhängig und unteilbar. Grundlage der Verfassung war der Ahtisaari-Plan, der Autonomierechte für die serbisch besiedelten Gebiete vorsah. Offizielle Sprachen sind Albanisch und Serbisch, in einigen Gemeinden auch Türkisch.

 

Die neue Verfassung sieht entsprechend dem Ahtisaari-Plan keine Rolle mehr für die 1999 in Kosovo tätige UNO-Verwaltung (UNMIK) vor. Deren Autorität sollte an die Führung des neugeschaffenen Staates, der von einer EU-Mission überwacht wird, übergehen. Diese Entwicklungen werden von Serbien und Russland, die die Verfassung für illegal und irrelevant halten, verhindert.

 

In der Frage der kosovarischen Staatsangehörigkeit bestimmt die Verfassung, das alle Bewohner der Republik Kosovo mit dem Datum 15. Juni 2008 ein Recht auf die kosovarische Staatsbürgerschaft haben. Personen, die am 1. Januar 1998 ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Kosovo hatten, und ihre direkten Abkömmlinge sollten ebenfalls das Recht auf die Staatsbürgerschaft haben unabhängig von ihrem aktuellen Wohnsitz.

 

Der Ahtisaari-Plan sah vor, dass die internationale Präsenz reduziert wird. Eine Rechtsstaatlichkeitsmission der EU (EULEX) sollte in Kosovo bleiben, bis alle Kompetenzen auf den neuen Staat übergegangen sein würden. Klar war von vornherein, dass die EULEX nicht dasselbe Mandat haben würde wie die UNMIK. Auch ist die Zahl der für die EULEX tätigen Personen sehr viel niedriger als die Zahl der UNMIK-Angestellten.

 

Wegen des russischen und serbischen Widerstands gegen die EU-Mission wird das etwa 2000 Polizisten und Justizbeamte umfassende EU-Kontingent bis auf weiteres nur im überwiegend albanisch bewohnten Teil Kosovos zum Einsatz kommen. Im Norden und in den serbischen Enklaven soll weiterhin die UNO die Kontrolle behalten. Die serbische Regierung und die Kosovo-SerbInnen anerkennen nur die Autorität der UNMIK und der KFOR in den serbischen Gebieten. Es ist nicht auszuschliessen, dass es am Ende mehrere internationale Missionen in Kosovo geben und keine von ihnen ein eindeutiges Mandat durch den UNO-Sicherheitsrat oder einen klaren gesetzlichen Rahmen haben wird. EULEX würde die kosovo-albanische Administration beraten und unterstützen, während UNMIK - unfähig, sich ohne einen Sicherheitsratsbeschluss zurückzuziehen - eine Präsenz in Gemeinden mit serbischer Majorität aufrechterhalten würde. Damit würde die unerwünschte, ethnische Teilung gefestigt und die EU hätte gegenüber der Regierung in Prishtina ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie nicht in den serbischen Regionen operieren darf.

 

(Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosovo, vom 12. August 2008)

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Zu Spruchteil I.:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht) und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obige Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 6.10.1999. Zl.99/01/0279, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH vom 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH vom 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).

 

Wie bereits ausgeführt sind die Angaben des Beschwerdeführers mangels Plausibilität als nicht glaubwürdig zu werten. Jedoch selbst unter Zugrundelegung der vorgebrachten Tatsachen als wahr enthält das Vorbringen des Beschwerdeführers darüber hinaus keine ausreichenden Hinweise, die eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention begründen könnten. Wenn der Beschwerdeführer befürchtet, von Angehörigen einer verfeindeten Familie im Zusammenhang mit einer Blutrache verfolgt zu werden, so handelt es sich dabei um ein ausschließlich von Drittpersonen ausgehendes kriminelles Geschehen, das nicht dem Staat zugerechnet werden kann. Es haben sich im Verfahren jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben noch entspricht es den internationalen Berichten betreffend die Lage im Kosovo, dass der Staat aus asylrechtlich relevanten Gründen nicht gewillt oder fähig war bzw. ist, von "Privatpersonen" ausgehenden kriminellen Übergriffen nachzugehen (vgl VwGH vom 04.05.2000, Zl. 99/20/0177 u.a., dass ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung naturgemäß nicht gewährleistet werden könne, weshalb dem Fehlen eines solchen auch keine Asylrelevanz zukomme). Aus den internationalen Berichten ergibt sich zudem, dass in der Regel eine Blutrache beendet ist, wenn ein Mord durch einen weiteren Mord eines Mitgliedes der anderen Familie gerächt wurde. Wenn nun tatsächlich - wie der Beschwerdeführer vorgebracht hat - ein Familienmitglied aus jeder der an der Blutrache beteiligten Familien getötet wurde, so ist es vor dem Hintergrund dieser Berichte nicht realistisch, dass der Kanun fortgeführt würde.

 

Des Weiteren ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner gemischt-ethnischen Herkunft asylrelevante Verfolgungshandlungen zu befürchten hätte, zumal er selbst im Rahmen seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt sowie in der Berufungsverhandlung lediglich angegeben hat, als Angehöriger einer Minderheit isoliert gewesen zu sein bzw. dass es nicht leicht sei, wenn man einer Minderheit angehöre. Der Beschwerdeführer hat jedoch darüber hinaus keine konkreten Hinweise auf eine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit vorgebracht, die - auch unter Beachtung der obigen Länderfeststellungen - Asylrelevanz aufzeigt. Diesbezüglich ist noch anzumerken, dass der Beschwerdeführer die albanische Sprache perfekt beherrscht.

 

Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in der Republik Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH vom 17.06.1993, ZI. 92/01/1081; VwGH vom 14.03.1995, ZI. 94/20/0798).

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 Fremdengesetz 1997; nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Fremdenrechts ist eine Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung, oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291; vom 17.07.1997, Zl. 97/18/0336 und vom 05.04.1995, Zl. 93/18/0289 ua). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen. Die bloße Möglichkeit einer die in Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenen Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 sowie VwGH vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Wie bereits ausgeführt gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikels 3 EMRK überschritten wäre, zumal im Kosovo noch mehrere Onkel des Beschwerdeführers leben, bei denen er vor seiner Ausreise auch gewohnt habe. Bei einer Rückkehr in den Kosovo jedenfalls wäre es ihm möglich, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft - wenn auch beengt - zu erfüllen. Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht hat, im Kosovo sei auch seine gesundheitliche Existenz massiv gefährdet, da er psychische Probleme habe und deshalb Medikamente zur Behandlung von Angstzuständen und depressiven Störungen nehmen müsse, sind ihm die Ausführungen der aktuellen Berichte zur medizinischen Versorgung im Kosovo entgegen zu halten, wonach eine psychologische Behandlung und Betreuung - mit Ausnahme vereinzelter schwerwiegender Beeinträchtigungen - im Kosovo behandelbar und eine ausreichende medizinische Infrastruktur gegeben ist. Auch die Erhältlichkeit von Medikamenten, notfalls durch Nachsendungen aus dem Ausland, wird durch diese Berichte bestätigt. In Hinblick auf das im Übrigen unsubstantiierte Vorbringen des Berufungswerbers, dass er sich diese Medikamente nicht leisten könne, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Höhe der Eigenbeteiligung von in der "essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgeführten Medikamenten bei "bis zu 2 ¿" liegt. Es kann zudem davon ausgegangen werden, dass die Familie des Beschwerdeführers ihn auch in dieser Situation finanziell unterstützen kann.

 

Weiters ist festzuhalten, dass bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland die Tatsache der Asylantragstellung keine Verfolgung zur Folge hat.

 

Zumal sich im gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers sohin auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben haben und - wie oben bereits festgestellt - der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er einen Asylantrag gestellt hat, keine Sanktionen zu erwarten hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, medizinische Versorgung, Mischehen, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten