TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/02 C1 300013-1/2008

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Veröffentlicht am 02.09.2008
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Spruch

C1 300013-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des K. H., geb. 1959, StA. Türkei, vom 16.03.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.03.2006, FZ. 05 17.103-BAG, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz BGBl. I 1997/76 abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Die nunmehrige Beschwerdeführerin stellte am 25.10.2004 erstmals einen schriftlichen Asylantrag, welcher gemäß § 31 Abs. 1 AsylG am 30.11.2004 als gegenstandslos abgelegt wurde, da die Beschwerdeführerin nach Einbringung des schriftlichen Antrages der Aufforderung nach § 24 Abs. 2 AsylG nicht nachgekommen ist.

 

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der verfahrensgegenständliche Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 14.10.2005 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine glaubhaften asylrelevanten Umstände geltend gemacht habe und das Asylrecht lediglich als Mittel zur Familienzusammenführung benutzt worden sei.

 

Hiegegen wurde Rechtsmittel eingebracht und der Bescheid in seiner Gesamtheit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 23.08.2007, in welcher auch der Ehemann der Beschwerdeführerin, K. M. und ihre drei ältesten Kinder einvernommen wurden und zu der die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab sie (BW2) Folgendes zu Protokoll:

 

"VL: Wie geht es Ihnen heute?

 

BW2: Gut.

 

VL: Wann und wo sind Sie geboren?

 

BW2: Ich kann nicht viel lesen und schreiben. Ich bin überhaupt nicht in die Schule gegangen. Ich habe aber etwas lesen gelernt. Ich bin in H. 1959 geboren.

 

VL: Seit wann sind Sie verheiratet?

 

BW2: Ich glaube, seit ca. 22 Jahren. Mit Beginn des Jahres werden es 22 Jahre.

 

VL: Haben Sie vorher schon Ihren Gatten gekannt?

 

BW2: Wir sind verwandt.

 

VL: Wo haben Sie mit Ihrer Familie gelebt?

 

BW2: In G., dies immer.

 

VL: Haben Sie dort in einem Haus/einer Wohnung gelebt?

 

BW2: In einem eigenen Haus.

 

VL: Wovon haben Sie gelebt?

 

BW2: Von Pistazien.

 

VL: Hatten Sie Felder in G.?

 

BW2: Ja, in der Nähe von meinem Geburtsort. Alles war in dieser Gegend.

 

VL: Wie weit in etwa war das von G. entfernt?

 

BW2: Etwa eineinhalb Stunden mit dem Auto.

 

VL: Waren das große Felder?

 

BW2: Ja.

 

VL: Warum haben Sie die Türkei verlassen?

 

BW2: Mein Mann hatte eine Betriebsstätte in G.. Diesen Betrieb leitete er gemeinsam mit seinem Onkel. Man hat ihm keine Ruhe gelassen. Ich habe mehr Sorgen als er, weil, nachdem er hierher gekommen ist, hat man mir keine Ruhe gegeben. Die Polizisten sind immer wieder gekommen und haben nach meinem Mann gefragt, weil sie angenommen haben, dass er ins Ausland geflüchtet ist. Der ganze Bezirk, alle Nachbarn haben nicht mehr mit mir gesprochen. Sie haben mit mir gestritten, weil sie mich beschuldigt haben, dass ständig die Polizei zu uns ins Haus kommt und warum sie ständig kommt.

 

VL: Wie oft ist die Polizei zu ihnen gekommen?

 

BW2: Etwa 4 Mal in der Woche.

 

VL: Was hat die Polizei zu Ihnen gesagt?

 

BW2 (beginnt zu weinen): Sie haben immer wieder das Haus durchsucht. Ich bin nämlich am Kreuz operiert. Die haben mich an die Wand geschleudert. Die Nachbarn haben mich beschuldigt, weil die Polizei zu mir nach Hause kam und auch gleichzeitig deren Häuser durchsucht hat. Ein Sohn der Nachbarn wurde festgenommen. Deshalb bin ich weggegangen.

 

VL wiederholt ihre Frage.

 

BW2: Sie sagte, ich sollte verraten, wo mein Mann ist. Ich sollte nicht lügen.

 

VL: Was haben Sie der Polizei gesagt?

 

BW2: Ich sagte, er ging ins Ausland. Man hat mir aber nicht geglaubt.

 

VL: Was wollte die Polizei von Ihrem Mann?

 

BW2: Ihn dazu befragen, warum er die PKK unterstützt. Warum er sich um solche Dinge kümmert, die mit der PKK zu tun haben. Ich habe eine Bandscheibenoperation hinter mir und habe ständig im Stress gelebt.

 

VL: Wo war Ihre OP?

 

BW2: In der Türkei. Hier bin ich an der Niere operiert worden.

 

VL: D.h. die Polizei ist fast 4 Jahre lang 4 Mal in der Woche zu Ihnen gekommen?

 

BW2: Ja.

 

VL: Wann kam die Polizei da?

 

BW2: Z.B. um 11, am Nachmittag, am frühen Abend, zu unbestimmten Zeiten.

 

VL: Keines Ihrer Kinder hat das mitbekommen?

 

BW2: Doch. Die meiste Zeit waren sie in der Schule, aber manchmal haben sie das auch miterlebt.

 

VL: Da haben Ihre Kinder und auch Sie im erstinstanzlichen Verfahren etwas anderes angegeben.

 

BW2: Die Kinder waren in der Schule, aber sie haben ihnen keine Rechte gegeben, die Schule zu besuchen.

 

VL: Waren Ihre Kinder in der Schule oder nicht?

 

BW2: Ja, sie waren in der Schule. Sie haben das Oberstufengymnasium abgeschlossen und wollten an den Uni-Prüfungen teilnehmen, man hat sie nicht zugelassen.

 

VL: Sowohl Ihre beiden Söhne als auch Ihre Tochter haben ausgesagt, dass sie von den Befragungen durch die Polizei nichts mitbekommen haben und Sie ihnen auch nichts gesagt haben Das passt mit Ihrer heutigen Aussage nicht überein, wenn Sie angeben, 4 Jahre lang 4 Mal in der Woche befragt worden zu sein.

 

BW2: Ich habe ihnen vieles nicht erzählt, weil sie so traurig darüber waren. Ich habe ihnen wenig erzählt. Manchmal sind sie gekommen und haben mich weinend vorgefunden. Ich habe ihnen nicht erzählt, warum ich geweint habe. Ich wollte ihnen nichts darüber erzählen, weil sie sonst auch in Stress geraten würden.

 

VL: Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Polizei derart intensiv nach dem Aufenthaltsort Ihres Mannes fragt und dabei nicht einmal ihre beiden Söhne in diese Befragungen involviert.

 

BW2: Manchmal sind sie schon einer solchen Befragung begegnet, nicht oft, aber doch. Z.B. hat mein jüngerer Sohn mitbekommen, dass ich Streit mit meinem Nachbarn hatte. Weil ich einen Hass auf die Zustände dort hatte, habe ich das Land verlassen. Glauben Sie, wenn es mir gut ginge und ich mich wohlfühlte, würde ich meine Heimat verlassen.

 

VL: Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Polizei ständig nach Ihrem Gatten fragt, weil er angeblich die PKK unterstützt hat, und Ihre Söhne diesbezüglich keine Schwierigkeiten mit der Polizei hatten.

 

BW2: Auch die Söhne hatten Schwierigkeiten. Natürlich wurden sie auch beschuldigt. Sie kamen ein Jahr nach mir und waren inzwischen beim Großvater.

 

VL: Ihre beiden Söhne haben bis heute nichts von Problemen mit der Polizei angegeben.

 

BW2: Die Polizei hat meinen Söhnen gegenüber nichts unternommen, aber der jüngere Sohn wurde in der Schule mit einem Messer angegriffen. Sie sind schon groß, wenn sie keine Angst vor dem Wehrdienst hätten, wären sie dort geblieben und nicht hergekommen."

 

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei und Angehörige der Volksgruppe der Kurden, hat im Oktober 2004 ihr Heimatland gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, K. R., K. M. und K. A., illegal verlassen, ist in Österreich 2004 illegal eingereist und hat am 14.10.2005 gegenständlichen Asylantrag gestellt. Die beiden volljährigen Söhne der Beschwerdeführerin, K. D. und K. Y., sind ebenfalls in Österreich als Asylwerber aufhältig und sind deren Asylverfahren im Rechtsmittelstadium anhängig.

 

Sie ist verheiratet und Mutter von zwei volljährigen und vier minderjährigen Kindern, wobei das jüngste Kind bereits in Österreich geboren wurde.

 

Der Ehemann der Beschwerdeführerin, K. M., hat am 22.03.2001 einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.08.2001, Zahl: 01 06.470/2-BAG, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt wurde. Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.08.2008, Zahl: 222.408-4/2008/12E, abgewiesen. Die Angaben des Ehemanns der Beschwerdeführerin wurden aufgrund eklatanter Widersprüche, welche dieser auch im Rechtsmittelverfahren nicht aufklären konnte, als nicht glaubwürdig gewertet.

 

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen türkischen Personalausweis.

 

Nicht festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ist.

 

Es wird nicht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

 

Anlässlich der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 22.11.2005 und am 26.01.2006 gab die Beschwerdeführerin an, ihr Heimatland verlassen zu haben, da ihr Ehemann schon seit langem in Österreich sei. Dieser habe Probleme mit den Gendarmen in seinem Dorf gehabt. Sie habe keine Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär in ihrem Heimatland gehabt. Sie sei nur nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes befragt worden. Nach ca. zehn Minuten seien die Polizisten ohne weitere Anordnungen wieder gegangen. Sie sei viermal auf das Polizeirevier mitgenommen und dort befragt worden. Nach diesen Befragungen habe sie ohne weitere Veranlassung wieder gehen können. Ihre fünf Kinder seien in diese Befragungen nie involviert gewesen. Ihr konkreter Ausreisegrund sei gewesen, dass sie zu ihrem Mann habe wollen und sie nicht alleine in der Türkei habe leben können.

 

Widersprechend zu den Angaben im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens brachte die Beschwerdeführerin nunmehr in der mündlichen Berufungsverhandlung vor, dass die Polizei vier Jahre lang viermal pro Woche zu ihr nach Hause gekommen sei, das Haus durchsucht und sie gegen die Wand geschleudert habe. Weiters gab die Beschwerdeführerin nunmehr - ebenfalls im Widerspruch zu ihren Aussagen im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens - an, dass ihre Kinder diese Befragungen durch die Polizei manchmal auch miterlebt hätten. Auf Vorhalt der Widersprüche gab die Beschwerdeführerin lediglich an, ihre Kinder seien in der Schule gewesen und man habe ihnen keine Rechte gegeben, die Schule zu besuchen. Auf nochmaligen Vorhalt, ihre Kinder hätten in deren erstinstanzlichen Einvernahmen angegeben, sie hätten von den Befragungen durch die Polizei nichts mitbekommen, gab die Beschwerdeführerin ausweichend an, sie habe ihren Kindern vieles nicht erzählt, ihre Kinder hätten sie jedoch manchmal weinend vorgefunden, wobei sie ihnen nicht gesagt habe, warum sie weine. In der Folge gab die Beschwerdeführerin an, ihre Söhne seien manchmal doch einer solchen Befragung begegnet.

 

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.11.2005 angab, ihr Ehemann habe Probleme mit der Gendarmerie im Dorf gehabt, sie wisse allerdings nicht genau, welche. Es habe mit irgendeiner Partei zu tun. Nunmehr brachte sie vor, die Polizei habe sie dazu befragt, warum ihr Mann die PKK unterstütze.

 

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erfuhr - im Vergleich zum erstinstanzlichen Vorbringen - in wesentlichen Teilen eine Steigerung, sodass die erkennende Behörde davon ausgeht, dass dadurch lediglich versucht werden soll, die Intensität einer asylrelevanten Verfolgung zu erreichen, zumal die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, die Widersprüche zum erstinstanzlichen Vorbringen nachvollziehbar aufzuklären. Auf mehrmaligen Vorhalt der Widersprüche in der Berufungsverhandlung antwortete die Beschwerdeführerin entweder gar nicht oder derart ausweichend, dass eine Klärung der Widersprüche nicht möglich war.

 

Sohin kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin in der Türkei eine asylrechtlich relevante Verfolgung in der geforderten maßgeblichen Intensität droht, zumal sie auch selbst nie angegeben hat, dass ihr eine eigene politische Gesinnung unterstellt wurde.

 

Zur Lage der Kurden in der Türkei und zur Rückkehr abgelehnter Asylwerber wird festgestellt:

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei von 70 Millionen - also ca. 14 Millionen Menschen - (zumindest teilweise) ist kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste leben die Hälfte bis annähernd zwei Drittel von ihnen: ca. 3 Mio. im Großraum Istanbul, 2-3 Mio. an der Südküste, 1 Mio. an der Ägäis-Küste, 1 Mio. in Zentralanatolien gegenüber ca. 6 Mio. in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Kurden leben auch im Nord-Irak, Iran in Syrien und Georgien. Nur ein Teil der kurdisch-stämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig. Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit nie staatlichen Repressionen unterworfen. Auch über erhöhte Strafzumessung in Strafverfahren ist nichts bekannt. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist. Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus. Auch Innenminister Aksu z.B. ist kurdischer Abstammung. Er hat Reden auf kurdisch gehalten, allerdings nicht bei offiziellen Anlässen.

 

Die Tatsache, dass "Separatismus" und "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande" kurdischstämmigen Türken weit öfter als anderen Türken vorgeworfen wurden, liegt daran, dass die Unterstützung der Terrororganisation PKK sich nahezu ausschließlich aus kurdischstämmigen Kreisen rekrutierte.

 

Türkische Regierungen versprechen seit langem, die wirtschaftliche und soziale Lage des in weiten Teilen noch semifeudal strukturierten und wenig entwickelten Südostens der Türkei zu verbessern. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des Instituts für Bevölkerungsstudien der Haceteppe Universität Ankara (Tgyona) sind in den letzten 20 Jahren (1986 bis 2005) zwischen 953.680 bis

1.201.200 Personen aus "Sicherheitsgründen" aus den 14 Provinzen im Osten und Südosten der Türkei abgewandert, davon im Zeitraum 1986 bis 1990 31,6 %, von 1991 bis 1995 61,3 % von 1996 bis 2000 5 % und von 2001 bis 2005 2,1 %. Aus den Daten von Tgyona ist zu entnehmen, dass zwischen 91.000 und 101.200 Personen, die aus Sicherheitsgründen in den letzten 20 Jahren aus den ländlichen Gebieten der 14 Provinzen abgewandert waren, an den Ausgangsort zurückgekehrt sind; zählt man die Städter hinzu, so sind es zwischen 112.000 und 124.000 Personen. Dies sind 10,9 bis 12,1 % der Personen, die aus Sicherheitsgründen aus den 14 Provinzen abgewandert waren.

 

Menschenrechtsorganisationen, z.B. Human Rights Watch, schätzen die Zahl der Binnenflüchtlinge auf bis zu zwei Millionen und gehen von geringeren Rückkehrerzahlen als die Regierung aus. An einem wirklichen Rückkehrer-Konzept fehlt es nach wie vor. Ohne eine staatliche Anschubfinanzierung wird den meisten der in die Städte geflüchteten Menschen eine Rückkehr in die Dörfer nicht möglich sein. Oft fehlt es auch am Willen, in die in beruflicher und privater Hinsicht meist perspektivlosen Dörfer des Südostens zurückzukehren. Ein erster symbolbeladener Besuch des Ministerpräsidenten Erdogan in Diyarbakir am 12.08.2005 führte zu der Hoffnung, dass die Regierung das "Kurdenproblem" nunmehr als solches wahrnimmt (Erdogan: "Es gibt ein kurdisches Problem. Dies ist auch mein Problem."). Kritisiert wird allerdings, dass dieser Ankündigung keine Taten folgten.

 

Viele türkische Bürger kurdischer Abstammung sind bzw. waren Anhänger oder Mitglieder der die Interessen von Kurden vertretenden Parteien DTP, DEHAP (bis zu ihrer Selbstauflösung) bzw. HADEP (bis zu ihrem Verbot). Dem Auswärtigen Amt wurden zahlreiche Anfragen zu Mitgliedschaften von Asylwerbern in der HADEP vorgelegt, auch zu Mitgliedschaften, die schon viele Jahre zurückliegen. Abgesehen davon, dass solche Mitgliedschaften in der HADEP nicht mehr in zuverlässiger Weise überprüft werden können, ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.

 

Kurdisch als Umgangssprache und in Buchveröffentlichungen sowie Printmedien ist keinen Restriktionen ausgesetzt. Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza im "öffentlichen Raum", das heißt z.B. im Schriftverkehr mit Behörden ist noch eingeschränkt. Das Reformpaket vom 03.08.2002 hatte bereits das Verbot von Rundfunk- und Fernsehsendungen auf Kurdisch aufgehoben (der Gebrauch im Radio wurde damals schon toleriert). Sendungen in kurdischer und anderen "Sprachen und Dialekten, die in der Türkei üblicherweise gesprochen werden" - so der Wortlaut - sind damit zugelassen; ihre Zulassung steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass sie nicht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Verfassung stehen und nicht gegen "die unteilbare Einheit des Staates mit seinem Land und seiner Nation" gerichtet sein dürfen. Nach einem sehr schwierigen Implementierungsprozess mit einigen Rückschlägen werden seit Juni 2004 - also 22 Monate nach Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen - im staatlichen Fernsehen TRT in der Sendung "Kültürel Zenginligimiz" ("Unser kultureller Reichtum") wöchentlich je eine halbe Stunde in Bosnisch, Arabisch und Tscherkessisch sowie in Kurmanci und Zaza ausgestrahlt. Es sind jedoch nur Nachrichten, Musik und Kulturprogramme gestattet, türkische Untertitel bzw. Übersetzungen auf Türkisch sind Pflicht. Nur überregionale Sender dürfen Sendungen in diesen Sprachen ausstrahlen (TV: bis 45 Minuten täglich und vier Stunden wöchentlich, Radio: bis zu einer Stunde täglich und fünf Stunden wöchentlich). Attraktiver für die kurdische Bevölkerung im Südosten sind die von Sendern in Europa und Nordirak ausgestrahlten Sendungen in kurdischen Sprachen. Die Rundfunk- und Fernseh-Aufsichtsbehörde RTÜK hat am 07.03.2006 auch privaten regionalen Sendern erlaubt, innerhalb der o.a. Grenzen ihre Sendungen in kurdischen Sprachen auszustrahlen. Seit dem 23.03.2006 strahlen Gün TV und Söz TV aus Diyarbakir sowie Medya FM Radio kurdischsprachige Programme aus.

 

Das Reformpaket vom 03.08.2002 erlaubte mit der Änderung des Gesetzes über den Fremdsprachenunterricht, dass in privaten Lehreinrichtungen Kurse in diesen "Sprachen und Dialekten" abgehalten werden. Ebenfalls nach erheblichen Implementierungs-schwierigkeiten werden seit April 2004 Kurdischkurse an privaten Lehrinstituten angeboten; mittlerweile finden diese Kurse in vielen türkischen Großstädten statt. Da die Nachfrage jedoch hinter den Erwartungen zurückblieb, wurden alle Kurse aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten.

 

Nach dem Parteiengesetz sind öffentliche Reden von Politikern in einer anderen als der türkischen Sprache noch immer verboten.

 

Die Vergabe kurdischer Vornamen unterlag bis 2003 Restriktionen. Behördlicherseits wurde das Vergeben kurdischer Vornamen früher als politische Einflussnahme der PKK/KADEK gedeutet. Das Reformpaket vom 19.06.2003 änderte das Personenstandsgesetz dahingehend, dass nur noch Vornamen verboten sind, die gegen die "Moral und öffentliche Ordnung" verstoßen; Verbote wegen Verstoßes gegen "nationale Kultur, Traditionen und Gebräuche" sind nicht mehr vorgesehen. In der Praxis ist damit die Vergabe von kurdischen, aber auch anderen, ausländischen Vornamen erlaubt. Ein Runderlass des türkischen Innenministeriums weist daraufhin, dass die nur im Kurdischen, nicht jedoch im offiziellen türkischen Alphabet vorhandenen Buchstaben w, x und q bei der Namensvergabe nicht zulässig sind und ins Türkische transkribiert werden müssen. Als Folge sind auch Gerichtsverfahren zu dieser Problematik anhängig.

 

Dem traditionellen kurdischen "Nevroz-Fest" (Neujahr am 21. März), das die kulturelle Identität der Kurden jedes Jahr symbolhaft besonders sichtbar macht, standen die türkischen Sicherheitskräfte jahrelang besonders misstrauisch gegenüber. Die Nevrozfeste 2003 und 2004 verliefen in einer entspannten Atmosphäre der Toleranz auch unter Beteiligung offizieller Stellen, ganz im Gegensatz zu Nevroz-Feiern in einigen der Vorjahre, bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Festnahmen kam. Ministerpräsident Erdogan bezeichnete das Nevroz-Fest in einer Erklärung als wichtigen Faktor, der "den Zusammenhalt der Nation stärke".

 

Einreisekontrollen:

 

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder, auch Abgeschobene wie abgelehnte Asylbewerber und Zurückgeschobene, gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden nach einer strengeren Anwendung der bestehenden Regelungen die Einreise neuerdings nur mit türkischen Reisepass oder Passersatzpapier. In einzelnen Fällen findet bei Einreise noch eine zusätzliche Kontrolle der türkischen Staatsangehörigkeit über die Registrierungen in den Personenstandsämtern statt. In diesem Zusammenhang gab es Fälle, in denen der Verdacht der Manipulation von in der Türkei registrierten Daten Zurückzuführender besteht.

 

Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei:

 

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, das es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. In neuerer Zeit wurde dem Auswärtigen Amt nur ein Fall bekannt, in dem eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte. (So die vom BT-Petitionsausschuss übermittelten Falldarstellungen nach freiwilliger Ausreise einer kurdischstämmigen Familie, die kurz vor Abschiebung stand und wiederholt über mehrer Tage befragt wurde).

 

Besteht der Verdacht einer Straftat (z.B. Passvergehen, illegale Ausreise), werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahmen bei Einreise führte.

 

Das Auswärtige Amt ist in den vergangenen Jahren Fällen, in denen Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylwerber) konkret vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen stets überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit fast vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Im Jahr 2005 wurde ein Fall an das Auswärtige Amt zur Überprüfung mit der Behauptung heran getragen, dass ein abgelehnter Asylbewerber nach Rückkehr misshandelt worden sei. Ein Teil der lediglich mündlichen Angaben stellte sich in der Folge von Nachforschungen als falsch heraus. Die mündlichen Misshandlungsvorwürfe konnten nicht verifiziert werden, da keine ärztlichen Untersuchungsergebnisse vorlagen. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Das Auswärtige Amt geht deshalb davon aus, dass bei abgeschobenen Personen die Gefahr einer Misshandlung bei Rückkehr in die Türkei nur aufgrund von vor der Ausreise zurückliegender wirklicher oder vermeintlicher Straftaten auch angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der letzten Jahre in diesem Bereich äußerst unwahrscheinlich ist. Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, werden ausgeschlossen.

 

(Quelle: Bericht des deutschen auswärtigen Amtes vom 11.01.2007 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, Stand Dezember 2006)

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Zu Spruchpunkt I:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955 i.V.m.

Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 06.12.1999, Zl. 99/01/0279, mwN).

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt sind die Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der Berufungsverhandlung als gesteigertes Vorbringen und daher als nicht glaubwürdig zu werten. Zum erstinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin ist - ungeachtet der Glaubwürdigkeit - Nachstehendes zu ergänzen: Das Vorbringen - mehrfache Befragung durch die Polizei über den Aufenthaltsort ihres Mannes; Mitnahme auf das Polizeirevier für circa zehn Minuten - können eine Verfolgung von staatlicher Seite darstellen, im vorliegenden Fall mangelt es jedoch jedenfalls an der von der Rechtsprechung geforderten "erheblichen Intensität". Gemäß den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin wurden ihr weder Anordnungen erteilt noch hatte sie Diskriminierungen oder Ähnliches zu erleiden.

 

Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr erheblichen Beeinträchtigungen ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit, ihrer Freiheit und ihres Lebens von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen wäre, haben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sohin nicht ergeben.

 

Zur Non-refoulement-Prüfung:

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 Fremdengesetz 1997; nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Fremdenrechts ist eine Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung, oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291; vom 17.07.1997, Zl. 97/18/0336 und vom 05.04.1995, Zl. 93/18/0289 ua). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen. Die bloße Möglichkeit einer die in Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenen Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 sowie VwGH vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Wie bereits ausgeführt gelang es der Beschwerdeführerin nicht, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Es kann auch nicht erkannt werden, dass sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikels 3 EMRK überschritten wäre, hat sie doch selbst angegeben, dass ihre Familie in der Türkei ein Haus und große Felder besitze, die derzeit von ihrem Schwiegervater betreut würden, und von der Pistazienernte gelebt habe, sodass es ihr bei einer Rückkehr in die Türkei möglich wäre, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu erfüllen.

 

Betreffend eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland ist auszuführen, dass die Tatsache der Asylantragstellung keine Verfolgung zur Folge hat. Ferner verfügt die Beschwerdeführerin über einen türkischen Personalausweis, welcher es ihr - wie sich aus den obigen Länderfeststellungen ergibt - ermöglicht, problemlos wieder in die Türkei einzureisen.

 

Im gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerin haben sich keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer der beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben. Insgesamt gesehen ist es der Beschwerdeführerin sohin nicht gelungen, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Zumal sich auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben haben und solche auch nicht begründet von der Beschwerdeführerin vorgebracht wurden, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu Spruchpunkt II:

 

Da die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat Türkei zulässig ist, hat die Behörde den Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau des K. M., dessen Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.09.2008, Zahl: 222408-4/2008/12E, gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen wurde. Eine Ausweisungsentscheidung wurde nicht getroffen. Über die Zulässigkeit einer Ausweisung des Ehemanns der Beschwerdeführerin hat die Fremdenpolizeibehörde zu entscheiden, wobei (unter anderem) auf eine allfällige Integration Bedacht zu nehmen sein wird. Im Hinblick auf die enge familiäre Bindung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann muss - bei sonstiger Verletzung des Rechts auf Familienleben - die Entscheidung inhaltlich gleich lauten wie bei ihrem Ehemann. Da die erkennende Behörde die fremdenpolizeiliche Entscheidung über die Ausweisung des Ehemanns der Beschwerdeführerin nicht vorwegnehmen kann, muss die Entscheidung über die Ausweisung im gegenständlichen Fall unterbleiben, weshalb Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu beheben war. Die Entscheidung über die Ausweisung wird von der Fremdenpolizeibehörde für alle Mitglieder der Kernfamilie einheitlich zu treffen sein.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Familienverfahren, gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, Minderheiten-Zugehörigkeit, non refoulement, Spruchpunktbehebung-Ausweisung, Unterkunft
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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