TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/03 S7 318638-2/2008

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Veröffentlicht am 03.09.2008
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Spruch

S7 318.638-2/2008/2E

 

S7 318.640-2/2008/2E

 

S7 318.642-2/2008/2E

 

S7 318.643-2/2008/2E

 

S7 318.644-2/2008/2E

 

S7 318.646-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Lassmann als Einzelrichterin über die Beschwerden

 

1) des T.H., 00.00.1977 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008, ZI. 08 01.823-BAT,

 

2) der B.E., 00.00.1979 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008, ZI. 08 01.824-BAT,

 

3) des minderjährigen T.A., 00.00.2007 geb., vertreten durch die Kindesmutter, B.E., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008, ZI. 08 01.828-BAT,

 

4) des minderjährigen T.M., 00.00.2006 geb., vertreten durch die Kindesmutter, B.E., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008, ZI. 08 01.827-BAT,

 

5) der minderjährigen T.C., 00.00.1999 geb., vertreten durch die Kindesmutter, B.E., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008, ZI. 08 01.826-BAT,

 

6) der minderjährigen T.I., 00.00.2004 geb., vertreten durch die Kindesmutter B.E., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2008. ZI. 08 01.825-BAT,

 

alle StA Russische Föderation, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5, 10 AsylG idF BGBL. I Nr 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Die Beschwerdeführer reisten illegal über Polen kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten sie, beziehungsweise deren gesetzliche Vertreterin, am 20.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen gab der Erstbeschwerdeführer T.H. an, er wolle nicht nach Polen zurück, da er durch die dort lebenden islamischen Extremisten, Wahabiten genannt, gefährdet sei. Zudem sei er einem Mann namens J.I., welchen er noch aus Tschetschenien kenne begegnet, und hätte ihn dieser mit dem Tod bedroht.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin gab für sich und die minderjährigen Beschwerdeführer als Grund nicht mehr nach Polen zurückzuwollen an, es gäbe im Lager keine medizinische Hilfe. Zudem könne man in Polen lange leben, "aber man kann nichts erreichen (Seite 81 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)". Damit meinte die Zweitbeschwerdeführerin, dass es schwierig sei die polnische Staatsbürgerschaft zu erwerben und in Ruhe zu leben.

 

Weiters brachte sie vor, dass sie in Österreich eine Tante hätte, bei der sie seit ihrem dem achten Lebensjahr bis zu ihrer Hochzeit 1998, in ihrer Heimat gelebt hätte. Ihre Tante sei ebenfalls Asylwerberin und hätte sie einen positiven Bescheid erhalten. Es würde telefonischer Kontakt bestehen.

 

Im Flüchtlingslager würde der Bruder ihres Ehegatten leben. Dieser sei seit Kurzem hier und sei er halbseitig gelähmt.

 

Die erkennungsdienstlichen Behandlungen ergaben, dass die Beschwerdeführer bereits in Polen am 28.11.2007 einen Asylantrag stellten.

 

Am 21.02.2008 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmegesuch für die sechs Beschwerdeführer an Polen, das sich auf Art. 16 Abs 1 lit.c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates stützte.

 

Das Führen von Konsultationsverfahren mit Polen wurde den Beschwerdeführern beziehungsweise deren gesetzlichen Vertreterin, am 25.02.2008 mitgeteilt.

 

Mit Schreiben vom 28.02.2008, teilte die polnische Asylbehörde mit, dass Polen zur Wiederaufnahme aller sechs Beschwerdeführer gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zustimmt.

 

Die sowohl für den Erstbeschwerdeführer T.H. als auch für die Zweitbeschwerdeführerin B.E. seitens Dr. med. I.H. erstellten gutachterlichen Stellungnahmen vom 05.03.2008 ergaben, dass weder beim Erstbeschwerdeführer, noch bei der Zweitbeschwerdeführerin aus aktueller Sicht eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt.

 

Mit Bescheiden vom 14.03.2008 wies das Bundesasylamt die Anträge ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück; stellte fest, dass für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit.c Dublin VO Polen zuständig sei, wies die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AsylG dorthin aus und sprach überdies aus, dass gemäß § 10 Abs 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen zulässig sei.

 

Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht berufen.

 

Mit Bescheiden vom 09.04.2008 des Unabhängigen Bundesasylsenats, wurde den Berufungen der Beschwerdeführer die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

Mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 16.04.2008, betreffend B.E., ZI 318.640-1/3E-II/04/08 und vom 24.04.2008 betreffend T.H. ZI 318.638-1/3E-II/04/08, ZI 318.642-1/3E-II/04/08 betreffend den mj. T.A., ZI 318.643-1/3E-II/04/08 betreffend den mj. T.M., ZI 318.644-1/3E-II/04/08 betreffend die mj. T.C. sowie ZI 318.646-1/3E-II/04/08 die mj. T.I. betreffend, wurde den Beschwerden der genannten Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 14.03.2008 (08 01.824 EAST-Ost, 08 01.823 EAST-Ost, 08 01.828 EAST-Ost, 08 01.827 EAST-Ost, 08 01.826 EAST-Ost, 08 01.825 EAST-Ost) gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben.

 

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 05.08.2008 Zahl 08 01.824 EAST-Ost betreffend B.E., Zahl 08 01.823 EAST-Ost betreffend T.H., Zahl 08 01.828 EAST-Ost betreffend T.A., Zahl 08 01.827 EAST-Ost betreffend T.M., Zahl 08 01.826 EAST-Ost betreffend T.C. sowie Zahl 08 01.825 EAST-Ost betreffend T.I., wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 20.02.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG abermals als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen für die Prüfung der Anträge gemäß Art 16 Abs. 1 lit.c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II VO) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gemäß 10 Abs. 1 Z1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und unter einem ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragssteller nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 zulässig ist.

 

Die Erstbehörde traf in diesen Bescheiden Feststellungen zum polnischen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes, zur Versorgung von Asylwerbern sowie zur psychologischen Betreuung in Polen. Daraus ergibt sich, dass in Polen die medizinische und psychologische Versorgung von Asylwerbern gewährleistet ist.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass es den Beschwerdeführern während ihres gesamten Vorbringens nicht gelungen sei, stichhaltige Gründe anzugeben, die die Annahme glaubhaft machen könnten, dass sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

Gegen diese Bescheide wurden am 22.08.2008 fristgerecht Beschwerden eingebracht. Darin wird zunächst erneut der Sachverhalt und der bisherige Verfahrensgang wiedergegeben. In weiterer Folge wird der Erstbehörde vorgeworfen mit ihrer Entscheidung gegen Art. 8 EMRK zu verstoßen, da die Tante der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich anerkannter Flüchtling sei und bestehe ein sehr inniges Verhältnis zwischen den beiden. Es wäre - laut Beschwerden - der viel weitere Familienbegriff des Art. 8 EMRK heranzuziehen gewesen, der laut Judikatur des EGMR an den tatsächlichen Umständen zu messen sei.

 

Zudem sei nun auch der halbseitig gelähmte Bruder des Erstbeschwerdeführers nach Österreich gekommen und würde auch hier eine Familienbeziehung bestehen.

 

Des Weiteren leide der Erstbeschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung und sei die medizinische Versorgung in Polen mangelhaft. In den Beschwerden ebenfalls thematisiert wurde die Verweigerung eines fairen Verfahrens durch die polnischen Asylbehörden sowie eine fehlende Existenzgrundlage in Polen. Österreich hätte jedenfalls von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch machen müssen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs 1 lit c Dublin II VO besteht. Aufgrund der plausiblen Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Reiseweg und eines EURODAC-Treffers, nahm das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Polen auf und erklärte sich Polen zur Wiederaufnahme der im Betreff Genannten gemäß Art. 16 Abs 1 lit c Dublin II VO bereit. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestrittenermaßen ist im Asylverfahren der Beschwerdeführer noch keine Sachentscheidung in Polen gefallen.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Familiäre Bezüge in Österreich sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig - schon aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer - schützenswerte Aspekte des Privatlebens wie beispielsweise eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11).

 

Nach den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin würde seit ca. 2 Jahren ihre Tante als anerkannter Flüchtling in Österreich leben, und hätten die beiden telefonischen Kontakt. Die Zweitbeschwerdeführerin habe seit dem achten Lebensjahr bis zu ihrer Heirat bei ihrer Tante gelebt (11 Jahre lang) und sei diese der Zweitbeschwerdeführerin eine "Ersatzmutter" gewesen. Finanzielle Abhängigkeit besteht keine.

 

Da sich der Kontakt zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Tante in den letzten Jahren auf Telefonate beschränkte und die Zweitbeschwerdeführerin nicht mit ihrer Tante gemeinsam sondern mit ihrer mittlerweile "eigenen" gegründeten Familie ihre Heimat verlassen hat, kann im vorliegenden Fall weder von einer intensiv sozialen oder finanziellen Bindung im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses ausgegangen werden. Folglich würden die Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Polen in ihren durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistetem Recht auf Achtung und Privat- und Familienlebens nicht verletzt werden.

 

Artikel 8 EMRK setzt das Bestehen einer Familie voraus und gelangt dann zur Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Eingriffs ein reales Familienleben existiert. Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK reicht über den Kreis der Kernfamilie hinaus, und kann auch die Großfamilie einschließen, sofern die Beteiligten durch die Führung eines gemeinsamen Haushaltes, durch spezifische Abhängigkeitsverhältnisse oder durch andere tatsächlich gelebte Bande miteinander verbunden sind (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458).

 

Auch zwischen Geschwistern, Onkeln/Tanten und Nichten/Neffen kann ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegen. In diesen Fällen muss allerdings auf das Bestehen eines tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens abgestellt werden. Ob das Familienleben tatsächlich besteht und hinreichend intensiv ist, wird vom EGMR anhand folgender Kriterien beurteilt:

 

Zusammenleben der betroffenen Personen,

 

und/oder Bestehen einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit.

 

Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in Österreich Angehörige haben, zu denen ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht.

 

Bezüglich des halbseitig gelähmten Bruders des Erstbeschwerdeführers ist anzumerken, dass auch hierbei keine intensiv soziale Bindung im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses aus der Aktenlage zu entnehmen war. Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Asylverfahren des Bruders des Erstbeschwerdeführers noch nicht abgeschlossen ist und er daher über keine dauernde Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügt. Eine solche wäre allerdings Voraussetzung um eine Verletzung des Art. 8 EMRK überhaupt erst in Erwägung ziehen zu können.

 

Kritik am polnischen Asylwesen

 

Hiezu ist einleitend festzuhalten, dass die seinerzeitige Judikatur zu § 4 AsylG 1997 und vor dem Beitritt zur Europäischen Union am 01.04.2006 nicht mehr unmittelbar relevant ist (zuletzt VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673). Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Polen in Hinblick auf tschetschenische AsylwerberInnen unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren negativ endet (wobei in Polen notorischerweise AntragstellerInnen aus Tschetschenien zumindest tolerierten Aufenthalt erhalten) ist mangels Bestehen eines allgemeinen Konsens über eine Gruppenverfolgung von Tschetschenen in Russland (auch in Österreich wird eine solche in der Regel nicht bejaht) und mangels verifizierbarer Angaben über ein Fehlverhalten polnischer Behörden im vorliegenden Fall kein ausreichendes Argument die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG erschüttern zu können.

 

Hervorzuheben ist insbesondere, dass bei tschetschenischen AntragstellerInnen aus Polen praktisch keine Abschiebungen in die Russische Föderation erfolgen. Die Einführung des "subsidiären Schutzstatus" neben Flüchtlingsstatus und "tolerated stay" lässt ebenso keine potentielle Gefährdung tschetschenischer Schutzsuchender erkennen, sodass es keinen Grund zur Annahme gibt, dass Polen nunmehr allgemein oder im Besonderen gegenüber tschetschenischen Schutzsuchenden bedenkliche Sonderpositionen verträte.

 

Bedrohung durch russische/tschetschenische Staatsangehörige in Polen

 

Bezüglich der vom Erstbeschwerdeführer in den Raum gestellten Sicherheitsbedenken in Polen (Angst vor islamischen Extremisten) schließt sich der Asylgerichtshof der diesbezüglich schlüssigen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes an. Dem wurde auch in der Berufungsschrift nichts Konkretes entgegengesetzt. Im Übrigen hat sich der Erstbeschwerdeführer nicht an die polnische Polizei gewandt. Jedenfalls wären die Beschwerdeführer allfällig befürchteten Angriffen nicht wehrlos ausgesetzt, sondern steht ihnen die Möglichkeit offen, allfällige gegen sie gerichtete kriminelle Handlungen in Polen bei der Polizei zur Anzeige zu bringen und dort staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Somit kann im konkreten Fall bei einer Rückkehr insgesamt kein reales Risiko für die Beschwerdeführer erblickt werden.

 

Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Polen

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde; dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Polen sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Der, der Beschwerde zu entnehmenden Behauptung, der Erstbeschwerdeführer leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung ist entgegenzuhalten, dass die gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. I.H. ergaben, dass weder beim Erstbeschwerdeführer noch bei der Zweitbeschwerdeführerin eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt.

 

Nach den Judikaturrichtlinien des EGMR würde eine Traumatisierung gemessen am hohen Eingriffsschwellenwert ("high threshold") von Art. 3 EMRK einer Überstellung nach Polen nicht einmal im Falle einer akuten Suizidalität der Beschwerdeführer entgegenstehen.

 

Wendet man die einschlägige Judikatur des EGMR auf den gegenständlichen Fall an, so kann der Asylgerichtshof weder in der Diagnose des Dr. K., noch in der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. H. einen Grund für einen zwingenden Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates erkennen. Ebenso wenig handelt es sich beim Erstbeschwerdeführer um eine Person, die regelmäßig und in einer intensiven Art und Weise medizinisch-psychiatrische Leistungen in Österreich in Anspruch genommen hat oder dessen Erkrankung einen Aufenthalt in einer geschlossenen Psychiatrie notwendig gemacht hätte.

 

Es ist aber zu betonen, dass im gegenständlichen Zusammenhang nicht relevant ist, ob PTSD oder eine andere psychische Krankheit beim Erstbeschwerdeführer vorliegt, sondern ob die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der EU unzumutbare, Art. 3 EMRK verletzende Auswirkungen hat.

 

Auf Basis der Aktenlage ist ferner festzuhalten, dass auch die Ausführungen in der Beschwerde, wonach Personen, die in Polen Asyl beantragen, durch mangelhafte Versorgung existentiell bedroht wären, das reale Bild grob überzeichnen (siehe insbesondere die im Erstbescheid wiedergegebene Anfragebeantwortung der ÖB Warschau vom 12.12.2006, der ebenso nicht substantiiert entgegnet wurde; siehe "C. Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat" in den Bescheiden vom 05.08.2008).

 

Jedenfalls war dieses pauschale unsubstantiierte Vorbringen ohne konkreten individuellen Bezug nicht geeignet eine mögliche Verletzung der EMRK durch Polen darzutun.

 

Es stellt daher eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art 3 Abs 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art 3 oder Art 8 EMRK zu verpflichten.

 

Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

Spruchpunkt II:

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung der Beschwerdeführer erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger" iSd AsylG ua. der Elternteil eines minderjährigen Kindes, der Ehegatte oder das zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratete minderjährige Kind eines Asylwerbers. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen (das Gesetz verweist auf § 2 Z 22 - gemeint ist § 2 Abs. 1 Z 22 - AsylG) eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

 

Die Beschwerdeführer sind Familienangehörige (iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG) des jeweils anderen, alle haben einen Asylantrag gestellt, keinem wurde bisher Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt, das Verfahren keines von ihnen wurde bisher zugelassen. Daher sind die Abs. 1 Z 3 und Abs. 4 des § 34 AsylG anzuwenden.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - insoweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0402). Sollte daher der Asylantrag eines Familienangehörigen der Beschwerdeführer zuzulassen sein, so würde dies auch für den Antrag der übrigen Beschwerdeführer gelten.

 

Die Beschwerdeverfahren, welche den Vater, die Mutter und ihre vier minderjährigen Kinder betreffen, haben nicht ergeben, dass ihre Verfahren zuzulassen wären. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren der einzelnen Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 4 AsylG zuzulassen wäre.

 

Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, bestehendes Familienleben, EMRK, familiäre Situation, Familienverfahren, Intensität, medizinische Versorgung, real risk, staatlicher Schutz, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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