TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/05 A2 305619-3/2008

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Veröffentlicht am 05.09.2008
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Spruch

A2 305.619-3/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Filzwieser als Einzelrichter über die Beschwerde des G.C., geb. 00.00.1985, StA. Russland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2007, Zl. 06 07.694-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und G.C. gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass G.C. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor dem Bundesasylamt ergibt sich aus der Aktenlage.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 20.11.2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des (nunmehrigen) Beschwerdeführers abgewiesen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf den Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland angeordnet. Die Identität und Nationalität des Antragstellers, als Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe aus Tschetschenien wurde festgestellt. Den Angaben des Beschwerdeführers zur geschilderten Bedrohungssituation wurde die Glaubwürdigkeit abgesprochen (aufgrund von näher dargestellten Widersprüchen und mangelnder Plausibilität, Seite 31-32 des Bescheides). Es ergebe sich gegenwärtig kein Abschiebungshindernis aufgrund einer landesweiten allgemeinen extremen Gefährdungslage. Ebenso wenig hätten sich in der Person des Antragstellers gelegene Gründe ergeben (keine lebensbedrohende Erkrankung). Es würde keine persönliche und familiäre Situation vorliegen, die bei einer Ausweisung des Beschwerdeführers einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen würde.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Berufung (nunmehr als Beschwerde anzusehen) erhoben, in welcher das bisherige Vorbringen bekräftigt und den vom Bundesasylamt festgestellten Widersprüchen entgegen getreten wird. Weiters wurde mit der Beschwerde ein Nervenärztlicher Befund von Dr. A.K., FA für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt.

 

4. Der (seinerzeit zuständige) Unabhängige Bundesasylsenat führte am 22.04.2008 eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Das Bundesasylamt hatte seine Nicht-Teilnahme entschuldigt und den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger, aus Tschetschenien und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an.

 

Der Beschwerdeführer kam im Jahr 2004 mit einem Mann ins Gespräch, welchem er auf dessen Bitte eine Übernachtungsmöglichkeit anbot. Ihm wurde in weiterer Folge bewusst, dass es sich bei diesem Mann um einen Widerstandskämpfer handelte. Der Beschwerdeführer erklärte sich bereit, sich weiterhin mit dem Mann und einem weiteren Kämpfer einmal die Woche zu treffen und für sie Einkäufe (Lebensmittel und Medikamente) zu tätigen. Der Beschwerdeführer wurde im Winter 2005/2006 durch eine Gruppe uniformierter Männer Kadyrovs aufgesucht und mitgenommen. Er wurde in einem Kellerraum festgehalten und zu den von ihm unterstützten Widerstandskämpfern befragt. Der Beschwerdeführer wurde anlässlich der Verhöre bedroht und geschlagen. Nach etwa einem Monat wurde er freigelassen. Im April 2006 wurde er von den Kadyrovzi ein zweites Mal festgenommen und wiederum zu den Kämpfern gefragt. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer durch Todesdrohungen unter Druck gesetzt mit seinen Verfolgern zusammenzuarbeiten. Um seine Chancen freizukommen zu erhöhen, musste der Beschwerdeführer sich mit einer Zusammenarbeit einverstanden zeigen. Der Beschwerdeführer hatte jedoch niemals die Absicht tatsächlich mit den Kadyrov-Leuten zusammen zu arbeiten. Er wurde etwa ein Monat nach seiner Festnahme aufgrund einer Geldzahlung durch seine Verwandten freigelassen. Danach tauchte der Beschwerdeführer bei Verwandten unter. Er bekam eine Ladung für den 10.05.2006 bei der Abteilung für Inneres. Daraufhin verließ der Beschwerdeführer aus Angst zu einer Zusammenarbeit gezwungen zu werden die Russische Föderation.

 

Die Eltern, die Geschwister und die Ehefrau des Beschwerdeführers leben weiterhin in Tschetschenien. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Familienangehörigen im telefonischen Kontakt. Diese berichtete ihm, dass nach ihm gefragt und eine weitere Ladung zugestellt worden sei. Zwei Cousins leben als anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Der Beschwerdeführer steht mit diesen in losem Kontakt.

 

Beim Beschwerdeführer bestehen Teilaspekte einer posttraumatischen Belastungsstörung (hohes Maß an Somatisierung und Merkmale einer Angststörung).

 

1.2. Zur Lage in der Russischen Föderation werden aufgrund der in der Folge genannten in der Verhandlung vom 22.04.2008 erörterten Quellen nachfolgende Feststellungen getroffen:

 

UK Home Office, Operational Guidance Note, Russian Federation, 14.11.2006, UKHO, dem Internet entnehmbar.

 

Dt. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, einschließlich Tschetschenien vom 13.01.2008, AA.

 

US State Department, Russia, Country Reports on Human Rights Practices 2007 vom 11.03.2008, USDOS, dem Internet entnehmbar.

 

Centre for Eastern Studies, Chechnya, between a Caucasian "Jihad" and "hidden" separatism (Macej Falkovski), Jänner 2007, CES 1, dem Internet entnehmbar

 

BFM, Russische Kläger beim EGMR in Strassburg, 13.12.2007, BFM

 

NZZ, "Beschwerliche Rückkehr zur Normalität in Grozny", 06.01.2007, NZZ 1.

 

NZZ: "Russland ist mittlerweile das zweitgrößte Immigrationsland der Welt", 03.02.2007, NZZ 2.

 

Berichte von reliefweb über humanitäre Situation im Nordkaukasus, RELIEFWEB, dem Internet entnehmbar

 

Auskunft des Vertrauensanwaltes der ÖB Moskau vom 16.11.2006, Fragen 8-11. ÖB1

 

Auskunft der ÖB Moskau vom 20.07.2006, ÖB 2

 

UBAS, Bericht Dr. Filzwieser über EURASIL Workshop Russland, Dezember 2007, EURASIL

 

Centre for Eastern Studies, Demographic Situation in Russia (Leszek Szerepka), Juli 2006, CES 2, dem Internet entnehmbar

 

ACCORD, Auskunft vom 13.09.2005 zur Situation von Tschetschenen außerhalb des Nordkaukasus, ACCORD

 

Schweizer Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus, Klaus Ammann, Jänner 2007,

SFH

 

Folgerungen:

 

Im Jahr 2007 kam es in Russland zu einer Reihe von, auch schwerwiegenden, Menschenrechtsproblemen, die auch staatliche (Sicherheits-)organe betrafen. Die demokratische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk wurde weiter schwächer. Medien- und Meinungsfreiheit wurden in einigen Bereichen beschränkt. An positiven Entwicklungen waren Reformen der Strafgerichtsbarkeit und die verstärkte staatliche Verfolgung von rassischen und ethnischen Diskriminierungen zu verzeichnen (USDOS)

 

In Tschetschenien kam es weiterhin zu einigen straflosen Menschenrechtsverletzungen durch russische Organe und tschetschenische Regierungskräfte, wobei sich die allgemeine Sicherheitslage insbesondere in Städten und anderen Talregionen stabilisiert hat (USDOS, SFH, NZZ 1). Staatliche Sicherheitsaufgaben wurden zunehmend an die "pro-russischen" Kräfte um den nunmehrigen Präsidenten Ramzan Kadyrov übergeben, die mit zum Teil rechtswidrigen Methoden gegen (vermeintliche) Gegner vorgehen. Die Zahl der Morde und Verschleppungen ist nach Zählung der Menschenrechtsorganisation "Memorial" aber erheblich zurückgegangen, was auf einen Befehl von Präsident Kadyrov zurückgehen soll. Die "Kadyrovzi" sind nun eine mehrere Tausend Mann starke Truppe, die zum großen Teil aus ehemaligen Widerstandskämpfern besteht. Rebellen wurden von Kadyrov mit Geld oder durch Entführung von Angehörigen zum Überlaufen gebracht. Offene Kämpfe gibt es derzeit weniger. "Tschetschenische Rebellen", obwohl stark geschwächt, begingen weiterhin einige (schwere) Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, die auch zivile Opfer forderten. Es gibt auch staatliche Institutionen zur Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen, diese sind aber oft noch zu schwach ausgeprägt. (CES1, SFH, USDOS, AA, EURASIL, NZZ 1).

 

Die meisten Binnenvertriebenen Tschetschenen sind nach Tschetschenien zurückgekehrt, einige leben aber weiterhin in Nachbarrepubliken und anderen Teilen Russlands (z.B. 200.000 in Moskau, 50.000 in der Wolgaregion). Die tschetschenische Volksgruppe ist insgesamt in vielen Teilen der Russischen Föderation vertreten. Es existieren dort vielfach auch Netzwerke der Tschetschenen, beziehungsweise Hilfsorganisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen (ACCORD, CES 2).

 

Ob eine Ansiedlung in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist, ist bei Fehlen staatlicher Verfolgung im Einzelfall zu prüfen, dabei spielen angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten und die Möglichkeit der Kontaktierung von NGO's eine Rolle. Nichtregistrierte Tschetschenen können gegebenenfalls in der tschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands überleben, wobei wiederum Faktoren wie Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse relevant sein können. Für arbeitsfähige Menschen hat sich die Möglichkeit der Teilnahme am Arbeitsmarkt in anderen Teilen Russlands jedoch erhöht. Das Risiko zum Opfer von Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen zu werden, kann bei Tschetschenen höher als bei anderen Ethnien sein. Die Schwere solcher Risken ist im Einzelfall zu prüfen. Die Registrierung ist in Südrussland leichter, die Sicherheitslage in den benachbarten Kaukasusrepubliken, insbesondere Dagestan und Inguschetien, ist aber kritisch und muss im Einzelfall geprüft werden. Direkte staatliche Repression nur in Folge einer Asylantragstellung konnte bei Tschetschenen bisher nicht nachgewiesen werden (AA, ACCORD, CES 2, USDOS, UKHO, ÖB 1, NZZ 2).

 

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und eine medizinische Grundversorgung sind in Russland, einschließlich der Kaukasus-Region im allgemeinen gegeben, die Bevölkerung Tschetscheniens lebt trotz erster Erfolge von entsprechenden Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen und einer grundsätzlich positiven Tendenz oft aber schwierig (AA, RELIEFWEB). Die Wirtschaftslage im Nordkaukasus und Tschetschenien hat sich auch durch das weiter bestehende Engagement von Hilfsorganisationen verbessert. (AA, CES 1, NZZ 1, RELIEFWEB, SFH).

 

Gefälschte Dokumente oder unwahre Zeitungsmeldungen, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen, werden regelmäßig bei Asylsuchenden aus der Russischen Föderation im allgemeinen und der Kaukasusregion im besonderen festgestellt. Von staatlichen Behörden ausgestellte Dokumente sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt oder gefälscht;

Personenstandsurkunden und andere Dokumente (z.B. Haftbefehle) können gekauft werden. Häufig werden falsche Namen und Adressen in Asylverfahren angegeben. Aussagekräftig sind insbesondere echte Inlandspässe (AA).

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch Bestechung möglich ist, echte Auslandspässe zu erhalten und russische Kontrollen, z.B. beim Verlassen der Kaukasus-Region zu passieren, obwohl eine Suche durch föderale russische Organe erfolgt. Bei der Ausreise nach Weißrussland gibt es in der Regel keine Kontrollen (ÖB 2).

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der Beschwerdeführer erweckte in der mündlichen Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter des Asylgerichtshofes einen persönlich glaubhaften Eindruck. Der Beschwerdeführer erstattete nachvollziehbare, schlüssige und insgesamt glaubwürdig erscheinende Angaben, allfällige Implausibilitäten, respektive Ungereimtheiten konnten in der Verhandlung aufgeklärt werden.

 

2.2. Die vom Bundesasylamt angenommene Beweiswürdigung erwies sich für sich genommen als nicht überzeugend. Das Bundesasylamt sprach der geschilderten Verfolgung durch die Kadyrov-Leute unter anderem deswegen die Glaubwürdigkeit ab, da der Beschwerdeführer das erste Zusammentreffen mit dem Widerstandskämpfer widersprüchlich und unplausibel geschildert habe. So habe der Beschwerdeführer erst auf Nachfrage seine Angaben dahingehend geändert, dass er den Mann nicht nachts sondern am Nachmittag getroffen habe. Weiters sah dass Bundesasylamt in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht einmal das Monat nennen habe können, in dem er erstmals festgenommen worden sei, als Indiz für dessen Unglaubwürdigkeit. Diesen Ausführungen des Bundesasylamtes ist zunächst der schlechte psychische Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entgegen zu halten. Dass der Beschwerdeführer psychisch belastet ist, ergibt sich aus dem psychiatrischen Sachverständigengutachten von Primar Dr. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vom 26.06.2007. Unabhängig davon in welchem Ausmaß eine posttraumatische Belastungsstörung beim Beschwerdeführer vorliegt, ist bereits der Umstand jeder psychischen Erkrankung im Verfahren, gerade bei der Wertung von einzelnen widersprüchlichen Angaben oder unkooperativ erscheinenden Verhaltensweisen in geeigneter

 

Form zu berücksichtigen, was das Bundesasylamt unterlassen hat. Das Bundesasylamt wäre somit bei Annahme der völligen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gehalten gewesen, auf den Umstand des Vorliegens der medizinisch belegbaren psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers beweiswürdigend einzugehen. Unter diesem Aspekt und in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den Kern seines Fluchtvorbringens stets konsistent und in der Verhandlung vom 22.04.2008 anschaulich und nachvollziehbar dargestellt hatte, brauchten daher keine weiteren Erwägungen zum Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers in einer Gesamtschau getätigt werden. Dass in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt die Zeitangaben zum Zusammentreffen mit dem Mann unterschiedlich gemacht wurden, kann diesbezüglich, da als Erklärung auch ein unbeabsichtigtes Missverständnis plausibel wäre, zu keinem anderen Verfahrensergebnis führen. Unsicherheiten bei einer Befragung bezüglich Datumsangaben (diesfalls zum Zeitpunkt der ersten Festnahme) können ebenso - unter dem Hintergrund der dargelegten schlüssigen und nachvollziehbaren Erzählung - nicht derartiges Gewicht haben, wie vom Bundesasylamt aber angenommen, da vielmehr sogar davon auszugehen war, dass ein Antragsteller im Falle der Konstruktion einer Fluchtgeschichte irgendein Datum nennen würde.

 

Dem Argument des Bundesasylamtes, wonach es nicht plausibel wäre, dass jemand zunächst von Kadyrov-Kräften festgenommen und befragt und dann von einer anderen russischen Behörde wieder vorgeladen wird, kann gerade in Staaten mit nicht aufeinander abgestimmten staatlichen Strukturen/Akteuren (im europäischen Sinn) nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht ohne weiteres gefolgt werden. Da die Schilderungen des Beschwerdeführers auch mit den festgestellten aktuellen Verhältnissen in Einklang stehen, erfüllt die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes somit nicht die Anforderungen, um von der Unglaubwürdigkeit des Antragstellers ausgehen zu können

 

Angesichts des im Asylverfahren gültigen Maßstabs für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit, vgl nur EGMR 10.07.2007, Rs 34081/05 ACHMADOV, Natalia BAGUROVA : "The Court acknowledges that, due to the special situation in which asylum seekers often find themselves, it is frequently necessary to give them the benefit of the doubt when it comes to assessing the credibility of their statements and the documents submitted in support thereof. However, when information is presented which gives strong reasons to question the veracity of an asylum seeker's submissions, the individual must provide a satisfactory explanation for the alleged inaccuracies in those submissions (see, among others, Collins and Akasiebie v. Sweden (dec.), application no. 23944/05, 8 March 2007 and Matsiukhina and Matsiukhin v. Sweden (dec.), no. 31260/04, 21 June 2005)" ist zusammenfassend festzuhalten, dass Informationen, welche die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv in Zweifel ziehen könnten, nicht aufgetreten sind.

 

Das Bundesasylamt verkennt auch die festgestellte aktuelle komplexe Lage in der russischen Kaukasus-Region, in welcher sich Verfolgungsmuster weniger als direkte, zielgerichtete Verfolgung durch ein Verfolgersubjekt darstellen, sondern als eine diffuse Situation, in welcher missliebige, "verdächtige" Personen wie der Beschwerdeführer jederzeit damit rechnen müssen, von verschiedenen Verfolgern in willkürlicher und unvorsehbarer Weise, quasi zufällig, belangt zu werden, während sich die Lage für andere nicht so eingeschätzte Personen, jedenfalls in Tschetschenien, nunmehr eindeutig verbessert hat.

 

2.3. Die Feststellungen zur Lage in Russland (Tschetschenien) ergeben sich aus einer Gesamtschau der zitierten angeführten aktuellen Quellen. Für den Asylgerichtshof zeichnet sich ein differenziertes Bild, welches sich jeder Verallgemeinerung, etwa hinsichtlich der Notwendigkeit einer Schutzgewährung für alle Tschetschenen oder einer pauschalen Verbesserung der Lage für alle entzieht. Wiewohl sich die Lage in Tschetschenien im Allgemeinen als besser darstellt als vor einigen Jahren (dem Bundesasylamt ist zuzustimmen, dass eine Grundversorgung in den tschetschenischen Städten nun in der Regel besteht), gibt es noch immer rechtsfreie Räume und asylrelevante Übergriffe verschiedener Akteure. Eine innerstaatliche Schutzalternative kann zweifellos in vielen Fällen abhängig von verschiedenen Faktoren bestehen, jedoch nicht im vorliegenden Fall, in welchem eine Form der Verfolgung durch dem russischen (Gesamt-)Staat zurechenbare Organe in Tschetschenien vorliegt und bei Aufgriff des Beschwerdeführers durch diese Organe - vor allem angesichts der ihm zuletzt widerfahrenen Geschehnisse - nicht mit hinreichender Sicherheit von einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden kann. Eine Zusammenarbeit, respektive ein Informationsaustausch, zwischen verfolgenden lokalen (Kadyrov-)Kräften und föderalen russischen Staatsorganen kann auf Basis der vorhandenen Erkenntnisquellen pro futuro weiterhin nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, weshalb sich auch die Frage einer innerstaatlichen Schutzalternative nicht stellt. Darüber hinaus fehlt es aber auch an eindeutigen individuellen Anknüpfungspunkten (die für eine Bejahung einer innerstaatlichen Schutzalternative im Sinne der Anforderungen der höchstgerichtlichen Judikatur notwendig wären) im vorliegenden Fall.

 

3. Rechtliche Würdigung:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz nach diesem Datum gestellt hat, kommt im gegenständlichen Verfahren das Asylgesetz 2005 zur Anwendung.

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, ua.).

 

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Aktenlage entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes, bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers, das Vorliegen einer aktuellen politischen Verfolgungsgefahr verbunden mit ethnischen Motiven wegen unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung, dies unter Berücksichtigung aller zu II.2. getroffenen Ausführungen. Es liegt genau ein Fall vor, in welchem wegen individueller Verfolgung gezielte Menschenrechtsverletzungen (pro-) russischer Organe im weiteren Sinn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohen können. Die hinreichende Schwere dieser möglichen Menschenrechtsverletzungen ist durch die vergangenen Übergriffe eindeutig indiziert. Bei dieser Sachlage liegt Entscheidungsreife vor. Hinweise auf das Vorliegen von Asylausschlussgründen sind vom Bundesasylamt nicht dargelegt worden und auch in der Verhandlung am 22.04.2008 nicht hervorgekommen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
gesamte Staatsgebiet, politische Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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