TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/08 D4 264108-0/2008

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Veröffentlicht am 08.09.2008
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Spruch

D4 264108-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und den Richter Dr. Kuzminski als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Pfleger über die Beschwerde der S.L., geb. 00.00.1981, StA. Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.8.2005, FZ. 05 11.851-EAST West, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.07.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG BGBl I 101/2003 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 AsylG BGBl I 101/2003 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von S.L. nach Kirgisistan nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 iVm § 15 AsylG I 101/2003 wird S.L. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.09.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kirgisische Staatsangehörige, gehört der russischen Volksgruppe an, ist russisch-orthodoxen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in B., reiste am 05.08.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.08.2005 einen Asylantrag.

 

Vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, am 09.08.2005 und am 18.08.2005 wohl im Beisein eines Dolmetschers der russischen Sprache, der aber angesichts der ausgezeichneten Deutschkenntnisse der Asylwerberin nur für Rücksprachen benötigt wurde, einvernommen, gab sie an, dass sie schon von Juni 2002 bis Ende Juni 2003 in Deutschland gelebt und gearbeitet habe. Im August 2004 sei sie nach Österreich gekommen und habe hier legal als Au-Pair-Mädchen gearbeitet. Nach Ablauf ihres Visums sei sie nach Kirgisistan zurückgekehrt und sodann neuerlich nach Österreich eingereist, da sie geglaubt habe, dass ein Asylantrag eine illegale Einreise voraussetze. Über Befragung des Rechtsberaters führte sie in der zweiten Einvernahme jedoch aus, dass sie einen Mann kennengelernt habe, der ihr angeboten habe, sie mit dem Auto nach Kirgisistan zu befördern und der ihr erzählt habe, dass er ihre Eltern kennen würde. In Moskau angelangt habe sie diesem Mann ihr gesamtes Geld gegeben, da eine Mitreisende erkrankt sei und er ihr versprochen habe, dass sie das Geld zurückerhalten werde. In weitere Folge sei der Mann mit ihr und anderen Personen dann jedoch zurück nach Europa gefahren, wo sie in Österreich ausgestiegen sei und Asyl beantragt habe. Ihr Reisepass sei bei diesem Mann verblieben. Als Fluchtgrund wurde im Wesentlichen angegeben, dass es im März 2005 in Kirgisistan zum Sturz des ehemaligen Präsidenten Akajew gekommen sei, unter dessen Folgen die russische Minderheit besonders gelitten hätte. Sie sei mehrmals von der Polizei aufgesucht worden, wobei sie gefragt worden sei, "warum sie hier sei" und sie zur Ausreise nach Russland aufgefordert worden sei. In ihrer zweiten Einvernahme führte sie aus, dass sie davon nicht persönlich betroffen gewesen sei - sie sei zu diesem Zeitpunkt in Deutschland gewesen -, sondern durch ihre Familie davon erfahren habe. Bei der Arbeitssuche sei sie ebenfalls diskriminiert worden, da sie keine Muslimin sei. Kontakt zu ihrer Familie bestehe derzeit nicht, sodass ihr eine Rückkehr nicht möglich sei.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.08.2005 wurde der Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass nicht festgestellt werden könne, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Kirgisistan als glaubhaft bezeichnet werden könne. Eine gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Bedrohung im des § 50 Abs. 1 und 2 FPG 2005 würde nicht vorliegen. Die Ausweisung aus Österreich und Abschiebung sei somit zulässig.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid verwiesen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Aussagen der Beschwerdeführerin nicht geeignet gewesen seien um die Flüchtlingseigenschaft glaubhaft zu machen, da sie blass und wenig detailreich gewesen seien. Die seit August 2004 nicht mehr in Kirgisistan aufhältige Antragstellerin habe sich im Hinblick auf die Unruhen auf Angaben aus dem Internet und Medienberichten gestützt. Die von der Asylwerberin angeführten allgemeinen Probleme in wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht seien für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nicht ausreichend, wobei auch bemerkt wurde, dass die Antragstellerin selbst eingestanden habe, dass sie in Kirgisistan Arbeit hätte finden können.

 

Dagegen wurde innerhalb offener Frist im Wesentlichen mit der Begründung berufen, dass der Bescheid in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig sei. Die Antragstellerin habe als Angehörige der ethnischen Minderheit der Russen mit massiven Repressionen durch die Behörden Kirgisistans zu rechnen. Weiters sei zu bemerken, dass Kirgisistan anhaltend von Clans beherrscht werde und auch eine daraus resultierende Verfolgung nach der dargelegten Rechtsprechung des VwGH asylrelevant sein könne. Das Bundesasylamt habe es auch verabsäumt aktuelle Länderbereichte einzuholen, wozu auf einen Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte vom August 2005 verwiesen wurde, aus dem hervorgeht, dass Korruption und organisiertes Verbrechen und Drogenhandel problematisch seien.

 

Mit Schreiben vom 08.03.2006 legte die Beschwerdeführerin durch ihre Vertreter mehrere Zeitungsausschnitte vor, die die Verfolgung der russischen Minderheit durch die Behörden und die Polizei Kirgisistans belegen sollen.

 

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am Asylgerichtshof am 28.07.2008, zu der sich ein Vertreter der Erstbehörde entschuldigen ließ, führte die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin folgendermaßen aus:

 

Durch die Einsetzung des Kirgisischen als Staatssprache unter Präsident Akajew hätten die Probleme zwischen den Volksgruppen begonnen und sich die Beziehungen seitdem verschlechtert. Sie sei nach fast einjähriger Tätigkeit als Grundschullehrerin entlassen worden, da der neue Direktor ein ethnischer Kirgise gewesen sei und vermehrt Unterricht in kirgisischer Sprache durchführen wollte. Dienstältere russische Lehrkräfte seien jedoch nicht entlassen worden. Der russischen Minderheit sei gezeigt worden, dass sie nicht willkommen sei. Sie selbst würde daher nur noch in der Begleitung ihres Vaters auf die Straße gehen. Sie sei auf der Straße angerempelt und angespuckt worden. Die Polizei würde dahingehende Anzeigen nicht entgegennehmen. Überdies sei ihr Vater von Polizisten misshandelt worden und danach fünf Stunden im Winter bewusstlos auf der Straße gelegen. Sämtliche Dokumente seien ihm bei diesem Vorfall abgenommen worden sowie das für geleistete Überstunden ausbezahlte Geld gestohlen worden. Erst nachdem er einen Ausweis des Vereins der Opfer von Tschernobyl erhalten habe, sei er im Krankenhaus unentgeltlich versorgt worden. Es gäbe viele Vorfälle ähnlicher Art, doch sei dies der bisher einzige, der ihre Familie direkt betroffen habe.

 

Sie habe in der Folge auch keine andere Arbeit finden können, da kirgisische Lehrer bevorzugt worden seien. Sie habe in Deutschland eine Stelle als Au-pair-Mädchen angenommen. Zwischen Juni 2003 und August 2004 sei sie nach Kirgisistan zurückgekehrt, wo sie wiederum keine Anstellung finden hätte können. Bei ihrer Rückkehr aus Deutschland sei sie am Flughafen durch Beamte befragt worden. Erst im August 2004 hätte sie eine Stelle als Au-pair in Österreich erhalten. Nach Ablauf ihres Visums sei sie nicht nach Kirgisistan zurückgekehrt. Sie sei mit einem russischsprachigen Mann mitgefahren, der ihr angeboten habe sie nach Hause zu bringen. In Moskau habe eines der mitreisenden Mädchen eine Behandlung in einem Krankenhaus benötigt, für die sie dem Mann ihr gesamtes Geld (¿ 1500) übergeben habe. Dort seien sie zwei Wochen in einem Ferienhaus untergebracht gewesen. Von dort sei sie mit einem zweiten Mann weggefahren. Nach einiger Zeit seien auch andere Personen in den Bus eingestiegen. Sie sei noch davon ausgegangen nach Kirgisistan zu reisen, doch habe sie schließlich bemerkt, dass sie nach Europa zurückkehren würden. Sie sei nervös geworden und habe gefragt wohin die Fahrt gehe, jedoch keine Antwort erhalten. Schließlich sei sie in Österreich ausgestiegen und habe hier Asyl beantragt.

 

Sie habe nunmehr wieder Kontakt zu ihren Eltern. Diese würden in B. wohnen, wollten aber in eine außerhalb der Stadt liegende Wohnung ziehen. Beide seien arbeitslos und würden aus Vorsicht nur gemeinsam auf die Straße gehen. Ihre Eltern seien zweimal von der Polizei hinsichtlich des Aufenthaltsortes der Beschwerdeführerin befragt worden. Es könne auch sein, dass sie aus verwaltungsrechtlichen Gründen wegen ihres abgelaufenen Reisepasses gesucht werde, da es strafbar sei keinen gültigen Pass zu haben. Nach Auskunft ihres Vaters würde sich die Situation der russischen Minderheit immer weiter verschlechtern. Einer ihrer Brüder befinde sich in einem Dorf bei ihrer Großmutter. Den Aufenthaltsort ihres größeren Bruders würde sie nicht kennen, sie vermute aber, dass dieser in Russland sei.

 

In Österreich habe sie viele Bekannte, aber sei mit niemandem eng befreundet. Sie lebe auch mit niemandem in Lebensgemeinschaft.

 

Mit Schriftsatz vom 21.08.2008 nahm der Vertreter der Berufungswerberin zu den in der Verhandlung vorgehaltenen Länderdokumentation Stellung und führte aus, dass darin die Instabilität der Lage in Kirgisistan erkennbar sei. Die Probleme zwischen den kirgisischen und russischen Bevölkerungsgruppen seien nach wie vor ungelöst und würde die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ständig diskriminiert und schikaniert werden. So habe sie auch deswegen ihren Arbeitsplatz verloren und keine andere Beschäftigung mehr gefunden. Der Abschluss ihres Studiums sei ihr nur durch die Zahlung von Bestechungsgeldern möglich gewesen, da sie eine Prüfung in Kirgisisch, dies obwohl das Russische Amtssprache sei, ablegen hätte müssen. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Übergriffe auf ihre Familie seien ein Anzeichen für die angespannte Lage und den Hass, der der russisch-stämmigen Bevölkerung in Kirgisistan entgegengebracht werde. Der Staat sei angesichts der weitverbreiteten Korruption auch nicht willens oder fähig seinen russischen Bürgern Schutz zu gewähren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe angesichts der überall zu erwartenden Übergriffe nicht. Abschließend wurde auch auf die Integration der Beschwerdeführerin - ausgezeichnete Deutschkenntnisse und durchgehende legale Beschäftigung unter Vorlage ihrer Beschäftigungsbewilligung (Branchenkontingent) und ihres Arbeitsvertrags - verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt als erwiesen fest:

 

1. Zur Person:

 

Die beschwerdeführende Partei ist nach eigenen Angaben kirgisische Staatsangehörige, gehört der russischen Volksgruppe an, ist russisch-orthodoxen Bekenntnisses, war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft in B., reiste am 05.08.2005 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 05.08.2005 einen Asylantrag. Sie wurde am 00.00.1981 in B. geboren. Nach Abschluss ihrer Schulbildung besuchte sie die Universität, an der sie das Studium als Volksschullehrerin abschloss sowie im Fernstudium einen Abschluss in Deutsch und Psychologie erlangte.

 

Nach ihrer Entlassung als Lehrkraft in Kirgisistan hat sie nach erfolgloser Arbeitssuche eine Au-pair-Stelle in Deutschland angenommen, wo sie sich von 2002 bis Juni 2003 aufhielt. In Kirgisistan war sie danach Anfeindungen auf Grund ihrer russischen Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt. Zu einem Übergriff gegenüber der Beschwerdeführerin ist es jedoch nie gekommen. Nach ihrer Rückkehr nach Kirgisistan konnte sie keine Arbeit finden und nahm im August 2004 eine Stelle als Au-pair in Österreich an. Seit diesem Zeitpunkt war sie in Österreich bis 30.07.2005 legal aufhältig und beschäftigt. Nach Ablauf ihres Visums wollte sie aus Angst um ihre Eltern nach Kirgisistan zurückkehren und reiste im (naiven) Vertrauen auf einen Bekannten mit diesem bis Moskau. Von dort aus kehrte sie jedoch zunächst ungeplant - sie beabsichtigte nach Kirgisistan zurückzukehren und übergab dafür eine Summe von 1.500 ¿ demjenigen Mann, mit welchem sie nach Kirgisistan fahren wollte; dieser wiederum übergab die Summe einem Schlepper, mit dem die Beschwerdeführerin wieder zurück nach Österreich fuhr - immer noch in der Annahme nach Kirgisistan unterwegs zu sein - und suchte schließlich in Österreich um Asyl an.

 

2. Zur Lage in Kirgisistan wird Folgendes festgestellt:

 

Situation der russischen Minderheit:

 

Ethnische Russen machen 10,3 % und ethnische Kirgisen 67,4 % der Bevölkerung Kirgisistans aus. Nichtkirgisische Bürger werden diskriminiert, insbesondere von den Behörden. Betroffen sind die Bereiche Arbeitsmarkt, Wohnungsvergaben und Beförderungen. Seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 hat sich die Lage der Russen in Kirgisistan verschlechtert. Die meisten Russen haben ihre privilegierte Stellung verloren, auch ihr politischer Einfluss ist geschwunden. Seit März 2005 (Sturz der Regierung Akajew) haben ethnische Minderheiten - besonders die Russen - Befürchtungen über gesteigerten kirgisischen Nationalismus geäußert. Russen und Usbeken sind in der Regierung unterrepräsentiert. Während der Plünderungen nach der Stürmung des Gebäudes der Präsidentenverwaltung im März 2005 haben Geschäfte, die Angehörigen ethnischer Minderheiten gehörte, überproportionale Verluste erlitten. Seither verlassen immer mehr Russen auf Grund der instabilen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Situation, der unsicheren Zukunft des Landes und der Angst vor einem Bürgerkrieg sowie inter-ethnischer Spannungen Kirgisistan. Der Anteil der Russen an der Gesamtbevölkerung ist seit 1991 von 22% auf 10,3 % gefallen.

 

Das US Department of State (USDOS) schreibt in seinem im März 2006 veröffentlichten Menschenrechtsbericht 2005, dass OSZE und IOM berichten würden, dass Personen, die von kommerzieller Tätigkeit zurückkehren, in vielen Fällen Bestechungsgelder zahlen müssten, da ihnen sonst Gefängnisstrafen wegen gefälschter Reisedokumente drohen würden. Die Grenzbehörden würden hingegen angeben, dass geständige Personen nicht bestraft würden.

 

Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität stark zu. Korruption, Amtsmissbrauch, Übergriffe durch Staatsorgane, Fehlverhalten und Polizeigewalt sind ein weit verbreitetes Problem. Insbesondere auch aufgrund der herrschenden Unterbezahlung stellt Bestechung und Korruption ein großes Problem in Kirgisistan dar. Seitens der Regierung werden aber auch Schritte zur Bekämpfung der Korruption im privaten wie auch im öffentlichen Sektor gesetzt, trotzdem stellt Korruption auf allen Ebenen der Gesellschaft weiterhin ein Problem dar.

 

Beweis wurde erhoben durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die Behörde erster Instanz am 09.08.20005 und am 18.08.2005, sowie durch die Befragung der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung des Asylgerichtshofes vom 28.07.2008, weiters durch Einsicht in den Human Rights Watch Bericht, amnesty international Jahresbericht 2007, ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 13.06.2008 und 15.02.2008, Länderfeststellungen, Mitteilung über die kirgisische Republik des EU-Parlaments vom 09.07.2007

 

III. Beweiswürdigung:

 

Die Beschwerdeführerin erweckte in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof einen persönlich glaubhaften Eindruck. Sie vermochte ihr bisheriges Leben in der Verhandlung detailreich, engagiert und anschaulich zu schildern. Es konnten keine Ungereimtheiten in den Angaben während der Verhandlung erkannt werden.

 

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin - sowohl vor der Erstbehörde wie auch in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof - sind klar, konkret und hinreichend detailliert und stehen auch im Einklang mit den getroffenen Länderfeststellungen. Durchaus ehrlich gab sie an, nicht nach Kirgisistan zurückgekehrt zu sein, sondern bloß nach Moskau gereist zu sein. Die Beschwerdeführerin hat auch ihr Vorbringen im Laufe des Verfahrens nicht in wesentlichen Punkten ausgewechselt und zeigte ein Interesse am Verfahrensablauf, auch wurde sie durch einen frei gewählten und engagierten Rechtsanwalt vertreten. Das Vorbringen ist sowohl im erstinstanzlichen als auch im zweitinstanzlichen Verfahren gleichlautend und es sind, abgesehen von durch die Antragstellerin schon in der zweiten Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren aufgeklärten abweichenden Angaben zum Reiseweg, keine Abweichungen zu erkennen.

 

Zu der Beweiswürdigung durch das Bundesasylamt ist anzumerken, dass diese sich mit der rechtlichen Würdigung des Vorbringens der Antragsstellerin teilweise vermischte. Ob dieses glaubwürdige Vorbringen die Glaubhaftmachung einer Verfolgungsgefahr iSd GFK zu stützen mag, ist jedoch erst später zu prüfen.

 

Die Feststellungen zur Lage in Kirgisistan ergeben sich aus den zuvor zitierten Unterlagen.

 

Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Auch seitens der Parteien wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben.

 

IV. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG sind beim Unabhängigen Bundesasylsenat am 01.07.2008 anhängige Verfahren in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, vom dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen. § 44 Asylgesetz 1997 gilt.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 05.08.2005 gestellt wurde, ist er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 101/2003, unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, zu beurteilen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt.

 

§ 124 Abs. 2 FPG 2005 besagt, dass soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetztes 1997 verwiesen wird, die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes and deren Stelle treten.

 

Zu Spruchpunkt I.

 

Flüchtling ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in

 

dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen.

 

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

 

Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Wenn auch das Vorbringen der Antragstellerin glaubhaft war, konnte sie damit keine Verfolgungsgefahr iSd GFK glaubhaft machen, zumal ihr weder von staatlicher noch privater Seite aktuell gravierende Übergriffe oder Gefahr für ihr Leib und Leben droht. Die zu erwartenden Diskriminierungen erreichen daher nicht jenes Ausmaß um von einer Verfolgung iSd GFK sprechen zu können.

 

Zu Spruchpunkt II.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (vormals § 57 FrG 1997, nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 1997 ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG 2005 ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH E vom 27.02.1997, Zl. 98/21/0427).

 

Der Fremde hat das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG 1997 glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH E vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461; VwGH E vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Bei einer allfälligen Rückkehr wäre es der Beschwerdeführerin kaum möglich sich eine Existenzgrundlage zu schaffen, zumal sie als Russin bei der Arbeitssuche benachteiligt wäre. Nach ihrer Entlassung als Volksschullehrerin konnte sie auch auf Grund ihrer mangelnden Kirgisisch Kenntnisse keinen adäquaten Job mehr finden. Zwar verfügt die Beschwerdeführerin über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer Eltern, doch sind diese schon älter und könnten ihre Tochter kaum unterstützten. Hinzu kommt, dass auch ein Aufbau einer Existenz auf Grund des in Österreich durch ihre durchgehend legale Beschäftigung verdienten Geldes aller Wahrscheinlichkeit nach nicht möglich sein würde, zumal die Beschwerdeführerin bei ihrer Einreise mit einer Kontrolle durch die Zollbeamten zu rechnen hat. Dabei wäre sie gezwungen die Beamten zu bestechen, um nicht aufgrund falscher Anschuldigungen inhaftiert zu werden. Die Beschwerdeführerin ist hervorragend integriert - spricht beinahe fließend Deutsch und geht in Österreich legal einer Beschäftigung nach. Überdies ist die Antragstellerin durch ihren langen Aufenthalt in Österreich in Kirgisistan als entwurzelt zu bezeichnen und hat ihren Lebensmittelpunkt in Österreich.

 

Die beschwerdeführende Partei vermochte sohin darzutun, dass sie bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG 2005 ausgesetzt sein würde. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei in den Herkunftsstaat ist sohin nicht zulässig

 

Zu Spruchpunkt III.

 

Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) abgewiesen wurde, ist gemäß § 8 Abs. 3 AsylG von jener Asylbehörde mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, von der erstmals festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG ist eine solche befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der ersten Verlängerung für höchstens fünf Jahre zu bewilligen, wobei jedoch zu beachten ist, dass die nunmehrige Verlängerung nach dem AsylG 2005 für maximal ein Jahr zulässig ist. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Diskriminierung, Integration, Intensität, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, Minderheiten-Zugehörigkeit, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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