TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/23 D3 265535-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2008
beobachten
merken
Spruch

D3 265535-0/2008/26E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike Scherz als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Eva Pfleger über die Beschwerde des A.I., geb. 00.00.1972, StA. Russische Föderation (Tschetschenien), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2005, GZ. 05 10.506-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und A.I. gemäß § 7 AsylG idF BGBI I 2003/101 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg.cit. wird festgestellt, dass A.I. damit Kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte am 16.07.2005 mit seiner Familie unter Umgehung der Grenzkontrolle von der Slowakei aus nach Österreich und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Am 20.07.2005 erfolgte in der Erstaufnahmestelle

Ost in Traiskirchen die erste Einvernahme des Asylwerbers:

 

Frage: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen bzw. wie kamen Sie nach Österreich?

 

A: Ich habe mit meiner Familie Grosny Anfang Februar 2005 verlassen. Ich bin mit meiner Familie und meinem Bruder nach Nazran in Inguschetien gereist. Wir blieben bis Anfang Juli. Wir sind illegal bis Uschgorod/Ukraine gereist. Am 07.07.05 reisten wir illegal in der Slowakei ein. Nach der Anhaltung wurden uns die Fingerabdrücke abgenommen und wir fotografiert. Wir mussten dort vier Stunden im Regen warten. Dann wurden wir ins Lager G. gebracht. Wir wollten nicht in der Slowakei bleiben. Sie gaben uns Papiere zum unterschreiben. Da wir uns weigerten, drohten sie uns mit Abschiebung nach Russland. Wir wurden angeschrieen, deswegen beschlossen wir, nach Österreich weiterzureisen. Wir sind am 16.07.05 illegal in Österreich eingereist.

 

Frage: Sind Sie legal mit eigenem Reisepass ausgereist?

 

Antwort: Nein. Ich habe keine Dokumente.

 

Frage: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

Antwort: Nein. Die Schwester meiner Gattin ist in Österreich anerkannter Flüchtling.

 

Frage: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Sind Sie vorbestraft?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Waren Sie jemals im Gefängnis?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer politischen Partei an?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Nennen Sie uns bitte alle Gründe warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben. Sie werden nochmals darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle Beweismittel wie z.B. schriftliche Dokumente, Fotografien und Ähnliches vorzulegen.

 

Antwort: Ich wurde in der Heimat ständig verfolgt. Ich wurde mehrere Male angehalten. Die genaue Anzahl weiß ich nicht mehr. Meine letzte Anhaltung war im Jänner 2005. Wie wurden mit meinem Bruder im Wald abgesetzt. Man hat uns Säcke über den Kopf gezogen. Sie haben mit Gummigeschoßen auf uns geschossen. Sie dachten, wir sind tot und haben uns dort zurückgelassen. Ein alter Mann hat uns dort gefunden. Wir waren an Händen und Füßen gefesselt. Er hat uns befreit. Zu diesem Zeitpunkt, zwei oder drei Tage später ist auch unser Haus abgebrannt.

 

Frage: Wollen Sie weitere Fluchtgründe angeben oder Ihr Vorbringen ergänzen?

 

Antwort: Nein.

 

Im Zuge der gutachterlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren stellte Dr. H. am 27.07.2005 keine psychische Störung fest, da der Asylwerber wohl mögliche Folterspuren aufweise, aber über die geeigneten Ressourcen zu einer positiven Verarbeitung des Erlebten verfüge.

 

Am 27.07.2005 erfolgte eine weitere Einvernahme auf der Erstaufnahmestelle Ost, welche allerdings nur die damals beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages und die Feststellung der Zuständigkeit der Slowakei zur Führung des Asylverfahrens zum Gegenstand hatte.

 

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Antragsteller am 28.09.2005 durch das Bundesasylamt, Außenstelle Graz, wie folgt einvernommen:

 

F: Befinden Sie sich dzt. in ärztlicher Behandlung/Therapie oder nehmen Sie Medikamente?

 

A: Ich nehme Medikamente gegen meinen Bluthochdruck. Ansonsten fühle ich mich gesund.

 

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung Ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der Österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

 

A: Ja.

 

Anmerkung: Zur Überprüfung der Sprachkenntnisse des AW werden dem AW Sätze in tschetschenischer Sprache zur Übersetzung ins Russische vorgelegt.

 

Die Sätze konnten vom Asylwerber übersetzt werden.

 

F: Halten Sie die vor dem Bundesasylamt am 20. und 27.07.2005 gemachten Angaben aufrecht?

 

A: Ich kann mich erinnern und halte diese aufrecht.

 

F: Wo haben Sie bis zu Ihrer Flucht im Heimatland gelebt?

 

A: Ich habe bis zu meiner Ausreise ständig an meiner Wohnadresse in Grosny gelebt.

 

F: Wann haben Sie Ihren Wohnsitz endgültig verlassen und wie kamen Sie nach Österreich?

 

A: Ich habe meine Wohnadresse Anfang Februar verlassen und bin nach Inguschetien gereist. Ungefähr am 4. Juli haben wir Inguschetien verlassen.

 

F: Wurden Sie bei Ihrer Ausreise an der Grenze kontrolliert?

 

A: Nein

 

F: Können Sie Dokumente als Beweis für Ihre Identität vorweisen?

 

A: Ich habe meinen Pass Ende Jänner, Anfang Februar verloren und habe dafür einen Ersatzpass erhalten. Dieser liegt noch in der Slowakei.

 

F: Haben Sie jemals einen Auslandsreisepass besessen oder beantragt?

 

A: Nein

 

Mir wird zur Kenntnis gebracht, dass ich das Dokument im Falle der Wiedererlangung unverzüglich dem Asylamt vorzulegen habe.

 

F: Haben Sie Ihr Heimatland früher schon einmal verlassen?

 

A: Ich war schon ein paar Monate in Russland. Das war vor ca. 5 oder 6 Jahren. Ich habe dort gearbeitet.

 

F: Haben Sie in ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?

 

A: Nein

 

F: Was genau und wie lange haben Sie zuletzt gearbeitet?

 

A: Ich hatte keine feste Arbeit. Ich habe alles Mögliche gemacht. Zum Leben hat es gereicht.

 

Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

 

A: Die Russen bezeichnen die Tschetschenen immer als Terroristen. Und ein Mann, wie mein Bruder und ich sind besonders gefährdet. Es kam immer wieder zu Säuberungsaktionen. Man wird sehr oft kontrolliert. Wir wurden auch 3 - 4 Tage festgehalten. Dort ist ein kleiner Sumpf. Wir wussten nicht, wo sie uns hinbrachten. Wir wurden geschlagen.

 

F: Was wollten diese maskierten Männer von Ihnen? Wer war noch mit Ihnen? Bitte schildern Sie das genauer.

 

A: Sie bezichtigten uns Terroristen zu sein und haben sich über uns lustig gemacht. Es waren nur mein Bruder und ich dort, es wurde auch auf uns geschossen. Sie verwendeten eine Pistole, wir bluteten.

 

F: Wurde für Sie Lösegeld verlangt?

 

A: Ja, solche Fälle gibt es, aber für uns wurde es nicht verlangt.

 

F: Bitte fahren Sie fort.

 

A: Uns hat ein älterer kräftiger Mann gefunden. Er hat uns geholfen und Hilfe geleistet. Daraufhin haben wir beschlossen weg zu gehen.

 

F: Wollen Sie noch etwas ergänzen?

 

A: Das einzige, was ich noch dazufügen kann ist, dass die Strasse nach Russland mir verwehrt ist. Ich meine damit, wenn ich einen negativen Bescheid erhalte, würde ich überall auf der ganzen Welt hingehen nur nicht nach Russland.

 

V: Ihr Bruder gab in der Erstbefragung an: "Sie haben uns einen Sack über den Kopf gezogen, dann hat man mich in ein Fahrzeug gesetzt. Später habe ich gesehen, dass wir in einem Wald sind." Ihre Angaben waren: Wir wurden im Wald abgesetzt. Man hat uns Säcke über den Kopf gezogen. Was sagen Sie dazu?

 

A: Uns wurde natürlich sofort ein Sack über den Kopf gezogen. Kann sein, dass ich dieses Detail ausgelassen habe.

 

V: Wie konnten Sie wissen, dass es sich um Gummigeschosse handelte, wenn Sie angeblich nichts sehen konnten? Und warum Gummigeschosse? Ihr Bruder gab an ein Loch im Kopf davongetragen zu haben - und das durch ein Gummigeschoss? Heute gaben Sie an, man wollte ihnen vermutlich Angst einjagen.

 

A: Das ist eine Information, die alle haben. Auch Security-Firmen verwenden diese Pistolen. Ich gebe heute an, es waren keine reinen Gummigeschosse, sondern Gummimetallgeschosse.

 

V: Ihr Bruder gab der Ersteinvernahme an, Ihr Haus wäre verkauft worden, um die Reise zu finanzieren. Sie führten am selben Tag (20.07.2005) in der Ersteinvernahme an, Ihr Haus wäre im Jänner 2005 abgebrannt! Was sagen Sie dazu?

 

A: Wir haben auch ein Grundstück gehabt, das haben wir verkauft. Wahrscheinlich hat er sich das nicht durchgedacht.

 

F: Was machte Ihren weiteren Verbleib letztlich unmöglich?

 

A: Es gibt nichts mehr Gutes dort. Die Allgemeinsituation ist nicht sehr gut.

 

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

 

A: Ja

 

F: Gingen Sie jemals zur Polizei und zeigten den Vorfall an?

 

A: Es wäre nicht besser geworden für mich.

 

F: Leben Angehörige von Ihnen noch in Tschetschenien?

 

A: Nahe Verwandte nicht.

 

F: Leben Angehörige von Ihnen in anderen Teilen der Russischen Föderation?

 

A: Nein, nur Bekannte.

 

F: Hätten Sie in einem anderen Teil des Heimatlandes leben können?

 

A: Nein. In Ingutschetien ist es auch nicht anders.

 

Anmerkung: Dem AW wird die Lage ethnischer Tschetschenen in der Russischen Föderation von der Dolmetscherin zu Kenntnis gebracht.

Der AW gibt dazu an:

 

A: Ich verstehe diese Angaben und nehme sie zur Kenntnis. Ich glaube aber, dass man in ganz Russland nirgends unbehelligt leben kann.

 

V: Sie gaben zuvor an, selbst einige Zeit in Russland gearbeitet zu haben. Vor ca. 5 oder 6 Jahren.

 

A: Ja, das stimmt.

 

F: Welche Gründe hat Ihre Gattin?

 

A: Sie hat keine eigenen Gründe.

 

F: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

 

A: Wenn ich nicht umgebracht werde, könnte meine Gesundheit gefährdet sein.

 

F: Können Sie Beweismittel für Ihr Vorbringen vorlegen?

 

A: Nein

 

Vorhalt! Nach ihren Schilderungen sind Sie ein Betroffener der allgemeinen Situation in Ihrer Heimat. Sie sind wegen des Krieges/Bürgerkrieges geflüchtet. Eine individuelle Verfolgung Ihrer Person ist nicht ersichtlich.

 

A: Das nehme ich zur Kenntnis.

 

F: Können Sie Gründe vorbringen, die gegen eine Ausweisung aus Österreich sprechen?

 

A: In Österreich fühle ich mich sicher und werde hier auch medizinisch versorgt.

 

F: Haben Sie Verwandte in Österreich?

 

A: Die Schwester von meiner Frau lebt in Wien. Ihr Name ist H.F..

 

F: Haben Sie Angehörige in einem EU Staat?

 

A: Nein

 

F: Wie sieht Ihre Versorgung aus?

 

A: Ich habe keine Barmittel. Ich habe keine Verwandten oder Freunde in Österreich oder einem anderen EU-Staat die für mich sorgen können.

 

F: Hat es während der Einvernahme Verständigungsprobleme mit dem Dolmetsch gegeben?

 

A: Nein

 

F: Wollen Sie Ihren Angaben noch etwas hinzufügen, was noch nicht zur Sprache gekommen ist?

 

A: Ich habe meinen Angaben nichts hinzuzufügen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 12.10.2005, ZI 05 10.506-BAG, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 16.07.2005 gemäß § 7 AsylG abgewiesen, unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers nach Russland gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ausgesprochen und unter Spruchteil III. gemäß § 8 Abs. 2 AsylG der Antragsteller aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland ausgewiesen.

 

In der Begründung des Bescheides wurden zunächst die beiden bereits vollinhaltlich wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und anschließend Feststellungen zu Tschetschenien und der Lage von Tschetschenen in anderen Landesteilen der Russischen Föderation getroffen und auch die Quellen hiefür angeführt. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass es zwischen den Aussagen des Antragstellers und seines Bruder zu Divergenzen gekommen sei. So habe dieser ausgeführt, dass zur Finanzierung der Flucht das Haus verkauft worden sei, während der Antragsteller angegeben habe, dass Haus sei abgebrannt. Auf Vorhalt des Widerspruches habe er nur geantwortet, dass er auch das Grundstück dazu besessen habe. Auch hinsichtlich der Vorkommnisse bei ihrer Entführung gäbe es Widersprüche. So habe der Antragsteller angegeben, dass sie zunächst in den Wald geführt worden seien und ihnen dann Säcke über den Kopf gezogen worden seien, während der Bruder angegeben habe, dass ihm zunächst ein Sack übergestülpt worden sei und er dann in einem Fahrzeug transportiert worden sei. Auch hinsichtlich der Intentionen der maskierten Männer hätte es abweichende Angaben gegeben. Schließlich sei zu bemerken, dass der Antragsteller angegeben habe, erst Anfang Jänner 2005 nach Inguschetien geflohen zu sein, während seine Schwägerin, die Schwester seiner Gattin, angegeben habe, mit ihren Kindern im Jänner 2003 zu ihrer Schwester, der Gattin des Antragstellers, nach Nazran, Inguschetien, geflohen zu sein.

 

Rechtlich begründend wurde zunächst festgehalten, dass vom Vorliegen eines Familienverfahrens im Hinblick auf die Gattin und die Kinder des Antragstellers auszugehen sei. Zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass der bewaffnete Konflikt in Tschetschenien - abgesehen von vereinzelten terroristischen Anschlägen - regional auf das Gebiet der Republik Tschetschenien begrenzt sei und dass die GFK nicht dazu diene, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, welche aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgingen. Eine aktuelle individuelle Verfolgung der Person des Antragstellers bzw. die Gefahr einer solchen bei Rückkehr habe nicht festgestellt werden können. Selbst wenn man bei Bewertung des Vorbringens zu dem Schluß kommen würde, dass dies asylrelevant sei, sei festzustellen, dass ihm die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Russland aus der Republik Tschetschenien offen gestanden wäre.

 

Zu Spruchpunkt II. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei und dass der Antragsteller während des gesamten aslyrechtlichen Verfahrens keinerlei glaubhaft Indizien oder Anhaltspunkte aufgezeigt habe, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, für den Fall einer Rückkehr in seine Heimat, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Außerdem vertrete das Bundesasylamt die Auffassung, dass sich für den Antragsteller gegenwärtig kein Abschiebungshindernis in die Russische Föderation ergäbe, weil eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage, in der der Antragsteller im Falle seiner Abschiebung dem sicheren Tod ausgeliefert wäre, nicht gegeben sei.

 

Zu Spruchteil III. wurde - ebenfalls nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur - ausgeführt, dass kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vorliege, zumal auch seine Gattin, seine Kinder und sein Bruder in einem Asylverfahren stünden und daher der Aufenthalt der Angehörigen sowie jener des Antragstellers nur ein vorübergehender sei und die Ausweisung daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Berufung, und zwar gegen alle drei Spruchteile. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass er mehrmals von russischen Soldaten mitgenommen und über mehrere Tage festgehalten worden sei, wobei er im Zuge dieser Anhaltungen auch geschlagen und misshandelt worden sei. Zu dem Vorwurf der divergierenden Aussagen bezüglich des Hauses brachte er vor, dass es eine Tatsache sei, dass das Haus abgebrannt sei. Zur Finanzierung der Reise sei dann der Rest des Hauses bzw. der Grund, auf dem sich dieses befunden habe, verkauft worden. Hinsichtlich der Flucht und seiner Aufenthalte in Inguschetien führte er aus, dass er gemeinsam mit seiner Gattin öfters deren Schwester für einige Wochen bzw Monate besucht habe. Es sei hier wohl zu einem Missverständnis bei der Einsichtnahme in die Akten seiner Schwägerin gekommen. Für ihn ergebe sich ein Abschiebungshindernis in der Russischen Föderation, weil auf Grund der gegenwärtigen Lage in Tschetschenien davon auszugehen sei, dass er im Falle einer Rückkehr zumindest einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Inanspruchnahme einer inländischen Fluchtalternative und die Rückkehr in die Russische Föderation (außerhalb von Tschetschenien) sei derzeit nicht möglich, wobei er auch auf eine Dokumentation zur Situation in Tschetschenien, zusammengestellt vom Mitglied des UBAS Mag. Nowak, verwies. Die russische Regierung übe in allen Landesteilen die uneingeschränkte Staatsgewalt aus und die Einschränkungen beim Erwerb einer gültigen Zuzugsgenehmigung gelten landesweit. Außerdem fehle es ihm an einer realistischen Existenzgrundlage in anderen Teilen der Russischen Föderation. Auch werde entgegen der Ansicht der erkennenden Behörde mit einer Ausweisung massiv in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf sein Privat- und Familienleben eingegriffen.

 

Die (damalige) Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat, führte am 18.05.2006 einen "selbständigen Augenschein" durch. Dabei wurde durch Beiziehung einer selbst aus Tschetschenien stammenden Dolmetscherin sowie der länderkundlichen Sachverständigen Dr. L.L. erhoben, dass nach der genannten Sachverständigen keinerlei Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm angegeben, aus der Stadt Grozny in Tschetschenien stamme.

 

Weiters wurde ein (generelles) Gutachten der genannten Sachverständigen gemeinsam mit Herrn Univ. Prof. Dr. H.G. H. zur Situation von tschetschenischen Vertriebenen in Russland "in das Verfahren eingeführt".

 

Die bereits erwähnten länderkundlichen Sachverständigen erstatteten ein zweites Gutachten zur innerstaatlichen Fluchtalternative in Tschetschenien, worauf das Bundesasylamt replizierte und die Sachverständigen eine schriftliche Stellungnahme abgaben und die Berufungsbehörde eine "einseitige Anhörung" mit Vertretern des Bundesasylamtes am 07.09., 08.09, 11.09. und 12.09.2006 durchführte.

 

Mit "Erkenntnis" des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 4.10.2006, ZI 265.535/16-II/04/06, wurde der "Beschwerde" des A.I. vom 25.10.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2005, ZI 05 10.506-BAG, stattgegeben und A.I. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt sowie gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass ihm Kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Dieser Bescheid setzt sich vor allem mit den Einwendungen des Bundesasylamtes auseinander und gibt zusammenfassend einige Punkte des Sachverständigengutachtens wieder und kommt zu dem Schluss, dass eine zumutbare Zuflucht in einem anderen Teil Russlands dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung steht.

 

Gegen diesen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Bundesminister für Inneres Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 26.06.2008, ZI 2006/20/0685, wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof dazu aus, dass die bereits im Erkenntnis vom 19.12.2007, ZI 2006/20/0771, dargstellten gutachterlichen Äußerungen von einer asylrelevanten Verfolgung grundsätzlich alle Bewohner Tschetscheniens tschetschenischer Ethnie ausgehen, auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte individuelle Verfolgungsbehauptung jedoch nicht eingingen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zitierten Erkenntnis dargelegt habe, seien die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen nicht nachvollziehbar, widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen.

 

Der Asylgerichtshof hat wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Er wurde am 00.00.1972 in Grozny, tschetschenische Republik, russische Föderation, geboren und gehört der tschetschenischen Volksgruppe sowie der islamischen Religion an. Nach Besuch der zehnjährigen Grundschule und anschließendem Studium auf der Universität von 1990-1994, arbeitete er als Gelegenheitsarbeiter am Bau. Er wurde mehrfach unter dem Verdacht die tschetschenischen Widerstandskämpfer zu unterstützen von russischen Kräften festgenommen und gefoltert. Im Zuge einer Säuberungsaktion 2003 wurde er festgenommen und durch Stiche mit einer Nadel in den Nerv im Mittelfinger der linken Hand gefoltert. Der Finger entzündete sich, wodurch der Antragsteller den Finger fast verloren hätte. Seit diesem Vorfall hat er kein Gefühl mehr in dem Finger. Auch wurde ihm im Zuge der Anhaltungen mehrmals die Nase gebrochen. Zuletzt wurde er im Jänner 2005 mitgenommen und gefoltert (zB. durch das Ausdämpfen von glühenden Zigaretten auf dem rechten Handrücken, wovon er noch Narben besitzt, und durch Gummigeschosse, die zur Bewusstlosigkeit führten). Kurz nach seiner letzten Freilassung brannte das Haus der Familie ab.

 

Anschließend verließ der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Gattin, dem gemeinsamen Sohn und seinem Bruder I. Tschetschenien, reiste über Inguschetien und die Slowakei - unter Umgehung der Grenzkontrolle - am 16.07.2005 nach Österreich ein, wo er sogleich einen Asylantrag stellte.

 

Beweis wurde erhoben durch Einvernahme des Asylwerbers durch die Behörde erster Instanz am 20.07.2005, am 28.07.2005 und am 28.09.2005, durch Abhaltung eines "selbständigen Augenscheines" sowie mehrerer "einseitiger Anhörungen" des Bundesasylamtes nach Einholung von Sachverständigengutachten durch die Berufungsbehörde.

 

Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:

 

Die Herkunft des Beschwerdeführers aus Tschetschenien und die Zugehörigkeit zur tschetschenischen Volksgruppe, an der auch die Behörde erster Instanz (nachdem der Antragsteller einige Sätze aus dem Tschetschenischen vorgelesen hatte) keine Zweifel hegte, ergibt sich aus dem "selbständigen Augenschein" der länderkundlichen Sachverständigen und insbesondere den Ausführungen der selbst aus Tschetschenien stammenden Tschetschenisch - Dolmetscherin, die nach den eigenen Erfahrungen des nunmehr zuständigen Richters als sehr kompetent und seriös zu bezeichnen ist.

 

Die Ausführungen des Antragstellers in der erstinstanzlichen Einvernahme sind hinreichend klar und konkret. Insofern die erste Instanz einen Widerspruch in den Aussagen des Antragstellers über das Schicksal des Hauses der Familie, sowie in den Angaben seiner Schwägerin über ihren Aufenthalt in Inguschetien gesehen hat, wurde dieser in der Berufung aufgeklärt. Im Übrigen muss zu den Differenzen hinsichtlich der Aussagen seines Bruders festgehalten werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung, gleiche Ereignisse von unterschiedlichen Personen oft unterschiedlich wahrgenommen und wiedergegeben werden (vgl. zB. UBAS vom 30.01.2008, 306.799-C1/12E-VIII/22/06). Es ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer immer durchgehend den gleichen Namen und die gleichen Personaldaten angegeben hat. Weiters stimmen die Ausführungen durchaus mit den Länderfeststellungen, aber insbesondere auch mit den Erfahrungen des zuständigen Richters der nunmehrigen Beschwerdeinstanz aus zahlreichen Berufungsverfahren betreffend Asylwerber tschetschenischer Ethnie überein.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Asylgerichtshof von den Ausführungen des Antragstellers ausgeht und sie den personenbezogenen Sachverhaltsfeststellungen und damit der vorliegenden Entscheidung zu Grunde liegt.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 idgF sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiter zu führen

 

Z 3. Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Durch die Behebung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 4.10.2006, ZI 265.535/16-II/04/06, mit Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, ZI 2006/20/0685, ist dieses Verfahren wiederum in das Stadium vor Erlassung des behobenen Berufungsbescheides zurückgetreten. Da das seinerzeit verfahrensführende Senatsmitglied nicht zum Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde und es sich um ein Verfahren gegen einen abweisenden Bescheid handelt, ist dieses nunmehr nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung vom zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiter zu führen.

 

Da der gegenständliche Asylantrag am 16.07.2005 gestellt wurde, ist er nach der Rechtslage des Asylgesetzes 1997 idF BGBI I 2003/101 unter Beachtung der bezughabenden Übergangsbestimmungen zu führen.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

 

Trotz der äußerst problematischen Situation von Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe, insbesondere in Tschetschenien, kann aus der Sicht des zuständigen Mitgliedes der Berufungsinstanz nicht von einer ganz pauschalen, generellen Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie ("Gruppenverfolgung") gesprochen werden, sondern ist weiterhin jeder konkrete Einzelfall umfassend an Hand der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe zu prüfen (zum Beispiel UBAS vom 24.01.20007, Zahl: 254.119/0-VIII/22/04, UBAS vom 27.01.2007, Zahl:

256.753/5E-VIII/22/05 u.a., siehe auch das im Gegenstand ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2008, ZI 2006/20/0685 und das diesem zu Grunde liegende Erkenntnis vom 19.12.2007, ZI 2006/20/0771).

 

Es ist daher im Sinne des oben zitierten in dem vorliegenden Fall ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes die vorgebrachte individuelle Verfolgungsbehauptung zu prüfen und einer Beurteilung zu unterziehen:

 

Der Beschwerdeführer hat glaubwürdig vorgebracht, dass ihm mehrfach von russischen Behörden die Unterstützung tschetschenischer Rebellen vorgeworfen bzw. unterstellt wurde und er deswegen mehrfach angehalten und gravierend misshandelt wurde. Wenn auch dem Bundesasylamt insofern zuzustimmen ist, dass kurzfristige Anhaltungen und Befragungen (zum Beispiel um Namen von aktiven Widerstandskämpfern zu erfahren), nicht für sich allein als asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen angesehen werden können, so ist doch festzuhalten, dass diese in Tschetschenien häufig von intensiven Misshandlungen, die von der Intensität her die Schwelle einer asylrelevanten Verfolgungshandlung ohne weiteres erreichen, begleitet werden und diese Eingriffe auch aus in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründen, nämlich wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Volksgruppe (und allenfalls auch einer zumindest unterstellten "russlandfeindlichen politischen Gesinnung"), erfolgen. Während von tschetschenischer Seite die Unterstützung von bewaffneten tschetschenischen Kämpfern quasi als "patriotische Pflicht" angesehen wird, wird ein derartiges Verhalten von russischer Seite häufig schon als Unterstützung von Terroristen gewertet (siehe auch UBAS vom 16.01.2007, 256.724/0-VIII/22/05, UBAS vom 24.01.2007, ZI 254.119/0-VIII/22/04 ua.).

 

Die dem Berufungswerber drohende Verfolgung steht durchaus mit den taxativ in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründen in Bezug, nämlich dem Tatbestand der - im vorliegenden Fall, wenn auch nur unterstellten - staats- bzw. russlandfeindlichen politischen Gesinnung, wobei nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine unterstellte politische Gesinnung für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales ausreichend ist (zum Beispiel VwGH vom 18. Juli 2002, 200/20/108, VwGH vom 31. Jänner 2002, 9/20/0531, VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0087 und viele andere mehr).

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, ZI. 98/01/0318). Derartige Eingriffe in die zu schützende persönliche Sphäre von durchaus asylrelevanter Intensität sind bei dem Beschwerdeführer vor seiner Ausreise bereits erfolgt.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass - im Sinne des oben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes - individuelle Gründe vorliegen, welche in Summe dafür sprechen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Tschetschenien von Eingriffen von hoher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) bedroht wäre, und zwar aus in seiner Person gelegenen Gründen, welche in Zusammenhang mit den in der GFK genannten Verfolgungsgründen (Nationalität, insbesondere aber auch politische Gesinnung) stehen.

 

Bei dem Beschwerdeführer sind keine Umstände dafür im Verfahren hervorgekommen, dass er über ein Netz von Verwandten und Freunden außerhalb der tschetschenischen Republik verfügen würde oder auch selbst dort länger gelebt hat ausgegangen. Er selbst führte an, dort wohl gearbeitet zu haben, aber jetzt als Tschetschene keine Arbeit mehr zu bekommen. Es liegen somit aus der Sicht der Berufungsinstanz keine hinreichenden Indizien für das Vorliegen einer inländischen Schutzalternative vor, wie dies im Übrigen von UNHCR bei Tschetschenien generell verneint wird (Joe Hegenauer, Tschetschenien Workshop von ACCORD am 18.10.2007).

 

Der Beschwerde war daher unter besonderer Berücksichtigung der individuellen Gründe Folge zu geben und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren.

Schlagworte
ethnische Verfolgung, Folter, gesamte Staatsgebiet, Haft, Misshandlung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
20.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten