TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/30 A5 225129-0/2008

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Veröffentlicht am 30.09.2008
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Spruch

A5 225.129-0/2008/18E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der VB Wilhelm über die Beschwerde des A.C., geb. 00.00.1984, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.11.2001, Zl. 01 02.891-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des A.C. wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 14.2.2001 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg.cit. für zulässig erklärt.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

I.4. Der Asylgerichtshof führte am 22.9.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der Beschwerdeangelegenheit durch, zu der der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und persönlich erschienen ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Sein Name und sein Geburtsdatum konnten nicht verifiziert werden. Er reiste am 14.2.2001 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

II.1.2. Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde am 26.4 .2001 niederschriftlich einvernommen. Er gab zu Protokoll, in Edo gelebt und gearbeitet zu haben und von dort am 5. 12.2000 weg gegangen zu sein. Er habe rund drei Jahre die Grundschule besucht. Im Dezember 2000 sei der Vater des nunmehrigen Beschwerdeführers verstorben. Der Genannte habe sich bei der Arbeit befunden und habe von seinem Onkel eine Botschaft bekommen, dass sein Vater im Dorf verstorben sei und er kommen solle. Aus diesem Grund sei er in sein Heimatdorf gegangen und habe dort alle Verwandten seines Vaters getroffen. Danach seien auch die Mitglieder der Ogboni- Gesellschaft gekommen, hätten ihm die Augen verbunden und ihn zu der Stelle geführt, an der sich sein verstorbener Vater vor dem Begräbnis befunden habe. Sie hätten ihm gesagt, er müsse alle notwendigen Dinge tun und auch ein Mitglied der Gesellschaft werden. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, einen Körperteil seines Vaters zu berühren. Er habe dessen Schulter angegriffen und die Ogboni- Mitglieder hätten sodann mit einem Messer einen Teil aus der Schulter herausgeschnitten. Sie hätten diesen Teil dann gekocht und den Beschwerdeführer gezwungen, dieses Stück zu essen sowie von dem Wasser zu trinken, in dem der Vater gebadet worden sei. Aus diesem Grund sei der nunmehrige Beschwerdeführer davon gelaufen und habe einen Pastor, der der "First African Church of God Mission" angehöre, aufgesucht. Er habe Angst, von den Ogboni getötet zu werden, wenn er sich weigere, den gekochten Körperteil zu essen. Zur Todesursache seines Vaters gab der nunmehrige Beschwerdeführer zu Protokoll, dieser sei im Schlaf eines natürlichen Todes gestorben. Er könne sich nicht an die Polizei wenden, da alle Polizisten und auch der Gouverneur von Edo Mitglieder bei der Ogboni- Gesellschaft seien. Über den Verbleib seiner Mutter wisse der nunmehrige Beschwerdeführer nichts.

 

Die belangte Behörde gab dem nunmehrigen Beschwerdeführer bekannt, dass ihren Informationen zufolge, die Regierung gegen die Sekten und Geheimgesellschaften vorginge und Verfolgung durch diese weder billige noch fördere. Zudem gehe die belangte Behörde davon aus, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen. Der Beschwerdeführer, vertreten durch das örtlich zuständige Jugendamt, erbat die Einräumung einer Frist für eine schriftliche Stellungnahme.

 

II.1.3. Mit Schriftsatz vom 8.5 .2001 äußerte sich der Beschwerdeführer, vertreten vom Amt für Jugend und Familie, dahingehend, dass aufgrund der Verwobenheit der Ogboni- Gesellschaft im politischen und wirtschaftlichen Zentrum Nigerias eine wirksame Bekämpfung des Sektenwesens zweifelhaft erscheine. Soweit die belangte Behörde vom Beschwerdeführer erwarte, dass sich dieser in einem anderen Landesteil Nigerias niederlassen könne, müsse auf die Minderjährigkeit des Genannten hingewiesen werden, die ihm eine solche verunmögliche.

 

II.1. 4. Die belangte Behörde wies den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und erklärte die Rückführung des Genannten nach Nigeria für zulässig. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass keine Asylrelevanz vorliege, da im Lichte der Länderfeststellungen von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit Nigerias auszugehen sei.

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Nigeria ist eine föderale Republik in Westafrika, bestehend aus 36 Bundesstaaten und mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 140 Millionen Menschen. 1960 wurde in Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Die nachfolgenden Jahre waren von interkulturellen sowie politischen Unruhen und Gewaltausbrüchen geprägt, als schließlich das Militär (durch Igbo- Offiziere) 1966 die Macht übernahm und die erste Republik beendete. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen - abgesehen von 1979 bis 1983, als Shehu Shagari mit der Hilfe von General Obasanjo die zivile Regierungsmacht übertragen bekam - fanden erst wieder im Jahr 1999 statt, bei denen Olusegun Obasanjo als Sieger hervorging und anlässlich der Wahlen 2003 als solcher bestätigt wurde. (1+2)

 

Gemäß der nach amerikanischem Vorbild entworfenen Verfassung von 1999, die am 29. Mai 1999 in Kraft trat, verfügt Nigeria über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Darüber hinaus gewährleistet die Verfassung ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre stattfindende Wahlen. Der Präsident verfügt generell über weit reichende Vollmachten und ist sowohl Staatsoberhaupt, Regierungschef als auch Oberbefehlshaber der Armee. (3)

 

Am 14. und 21. April 2007 fanden die letzten Wahlen statt, bei denen die amtierende "People's Democratic Party (PDP) überlegen als Sieger hervorging, und Umaru Yar'Adua zum Präsidenten gewählt wurde. Damit erfolgte erstmals seit der Unabhängigkeit Nigerias die Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf die nächste. (4)

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2008 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

(3) IDMC, "Nigeria: Institutional mechanisms fail to address recurrent violence and displacement", S. 1-4, von 29.10.2007 (www.internal-displacement.org).

 

(4) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, tand September 2007, S. 5-7, von 06.11.2007

 

Generelle Menschenrechtslage

 

Die Menschen- und Bürgerrechte sind im Grundrechtskatalog der Verfassung gewährleistet. Die Realität sieht allerdings anders aus; schlechte Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit, Korruption sowie die größtenteils mangelnde Ausbildung, Ausrüstung und Bezahlung der staatlichen Organe führen zu regelmäßigen Verletzungen der verfassungsrechtlich garantierten Rechte. (1)

 

In der nigerianischen Gesellschaft ist Gewalt ein alltägliches Phänomen, welche zumeist auch von Politikern zur Zielerreichung bewusst eingesetzt wird. Willkürliche Verhaftungen und Folter, sowie politisch motivierte Auftragsmorde durch Polizei und Militär sind keine Seltenheit. Die harschen Haftbedingungen und die schlechten Zustände in den Gefängnissen können lebensbedrohende Ausmaße annehmen. Selbstjustiz stellt daher in verschiedenen Landesteilen ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Zweck wird hauptsächlich auf sog. "Vigilante Groups" (private Milizen, oft auch ethnisch motiviert) zurückgegriffen, welche durch die Regierungen einiger Bundesstaaten toleriert oder sogar aktiv unterstützt werden. (3)

 

Obwohl eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinsichtlich ziviler und politischer Rechte seit 1999 festzustellen ist, wird nach wie vor von willkürlichen Ausschreitungen und Gesetzesverletzungen ausgehend von den nigerianischen Sicherheitskräften berichtet. Die Beschneidung essentieller Grundrechte, häusliche Gewalt, Diskriminierung der Frauen, Kindesmissbrauch sowie ethnisch, regionale und religiöse Diskriminierungen stellen in Nigeria wohl die signifikantesten und bislang sanktionslosen Rechtsverletzungen dar. (2)

 

(1) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5., von 06.11.2007.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2007 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

Die Ogboni Gesellschaft

 

Die Ogboni gelten als Geheimgesellschaft, bezeichnen sich selbst aber als eine Art "sozialen Club", welcher seinen Mitgliedern in verschiedenen Lebensbereichen (Geschäfte, Heirat usw.) unterstützend zur Seite steht. Er bildet sich hauptsächlich aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht, da der Beitritt mit hohen Mitgliedsbeiträgen verbunden ist. Der Beitritt selbst erfolgt in der Regel durch eine Einladung an die jeweilige Person, welche zuvor von einem bestehenden Mitglied vorgeschlagen wurde. Familiäre Anknüpfungspunkte können zwar eine Rolle spielen, führen aber nicht generell zu einem automatischen (Zwangs-)Beitritt. Teilweise wird ein Eintritt von Kindern erwartet, zu diesem Zweck die Eltern oft enormen Druck auf die Betroffenen ausüben. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Person, die von den Eltern bereits vor der Geburt den Ogboni verschrieben wurde, von der Gesellschaft zum Beitritt gezwungen werden kann, um das Versprechen der Eltern einzulösen. In diesem Fall bekommen die Kinder oft bis zu deren 30. oder 40. Lebensjahr nichts von der Gesellschaft oder der Mitgliedschaft der Eltern mit.

 

Normalerweise wird aber nur besonders reifen und älteren Personen (Angehörigen) die Mitgliedschaft angeboten. Zuweilen werden auch besondere Eigenschaften der Kandidaten vorausgesetzt, z.B. verheiratet zu sein oder Kinder zu haben.

 

Gewaltvolle Übergriffe vergleichbar mit jenen der universitären Geheimbündnisse, sind nicht bekannt. Aufnahmeritualen werden "mystische" Elemente nachgesagt, weshalb "herkömmliche" Nigerianer die Ogboni auch fürchten.

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 141-150.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.3.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.3.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.3.7. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.8. Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden.

 

II.3.9. Gemäß § 124 Abs.2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

II.3.10. Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde am 14.2. 2001 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. Nr. 126/2002 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

II.3.11. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG hat die Behörde im Fall einer Abweisung des Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

II.3.12. § 8 AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen der innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs.3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs.1 oder Abs.2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs.1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

II.4. Beweiswürdigung

 

Der Asylgerichthof gelangt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im oben beschriebenen Sinne nicht vorliegen, zumal die Angaben des Genannten als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.

 

Der Asylgerichtshof übersieht im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit keineswegs, dass die geschilderten Ereignisse nunmehr schon mehrere Jahre zurückliegen und dem Beschwerdeführer daher zugestanden werden muss, sich nicht mehr an sämtliche Details erinnern zu können. Es ist allerdings in Beweis würdigender Hinsicht ein bedeutsamer Unterschied, ob sich der Antragsteller infolge Zeitablaufs an bestimmte Abläufe nicht mehr genau erinnern kann und dies auch angibt, oder aber, wie im Falle des Beschwerdeführers, zu ein und demselben Sachverhaltselement völlig unterschiedliche Versionen schildert und diese Diskrepanz erst über Vorhalt "bemerkt".

 

Die mündliche Verhandlung war gekennzeichnet von laufenden Widersprüchen, zu deren Aufklärung der Beschwerdeführer nicht ansatzweise in der Lage war.

 

Zunächst gab der Beschwerdeführer vor dem Asylgerichtshof an, er sei in U., einem Dorf in Edo State, geboren. Der Genannte wurde darauf hingewiesen, dass er demgegenüber vor der belangten Behörde angegeben hätte, in Benin City geboren worden zu sein. Über Vorhalt dieser unterschiedlichen Ausführungen vermeinte der Beschwerdeführer zunächst, die belangte Behörde habe wohl einen Fehler gemacht und ihn falsch verstanden. Dies ist alleine deshalb ausgeschlossen, da der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt mit seiner eigenen Handschrift Benin City als Geburtsort angegeben hatte.

 

Dass es dem Beschwerdeführer somit nicht einmal möglich war, in Bezug auf seinen Geburtsort einheitliche Angaben zu tätigen, kann nicht mit dem Umstand begründet werden, dass seine Asylantragstellung in Österreich nunmehr mehrere Jahre zurückliegt.

 

Für den Asylgerichtshof zeigt dieses Verhalten vielmehr die mangelnde Bereitschaft des Beschwerdeführers, zu seinen persönlichen Verhältnissen wahrheitsgemäße Antworten zu geben. Dies wird auch durch die im Folgenden darzustellenden Divergenzen augenscheinlich:

 

Der Beschwerdeführer hatte etwa vor der belangten Behörde angegeben, über den Verbleib seiner Mutter nichts zu wissen und weiters die Frage verneint, ob seine Eltern vor dem Tod des Vaters im Dezember 2000 getrennt gelebt hätten (was wohl so zu verstehen ist, dass seine Mutter zum Zeitpunkt der Ausreise noch am Leben, wenn möglicherweise auch unbekannten Aufenthaltes, war). Demgegenüber führte er vor dem Asylgerichtshof an, seine Mutter sei bei einem Unfall ums Leben gekommen, als er drei Jahre alt gewesen sei.

 

Ein weiterer Widerspruch ergab sich im Zusammenhang mit der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers. So hatte er vor der belangten Behörde noch behauptet, bereits als Baby durch seine Mutter zum christlichen Glauben gekommen zu sein. In der mündlichen Verhandlung meinte er allerdings, er sei während seiner Ausbildung zum Mechaniker zum christlichen Glauben konvertiert.

 

Abgesehen von diesen, den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffenden, Divergenzen war der Beschwerdeführer aber auch in Bezug auf die angeblichen Fluchtgründe nicht imstande, gleich lautende Angaben zu machen. Im Kern blieb er zwar bei der Darstellung, nach dem Tod seines Vaters gezwungen worden zu sein, ebenfalls der Ogboni- Geheimgesellschaft beizutreten, im Detail stimmten die in der mündlichen Verhandlung geschilderten Abläufe aber nicht einmal ansatzweise mit seinen früheren Ausführungen überein.

 

Hatte er vor der belangten Behörde noch behauptet, von der Mitgliedschaft seines Vaters bereits seit frühen Kindheitstagen gewusst zu haben, so betonte er gegenüber dem Asylgerichtshof, erst nach dem Tod seines Vaters von dessen Zugehörigkeit zu dieser Geheimgesellschaft erfahren zu haben. Während er beim Bundesasylamt vorgebracht hatte, während der Arbeit eine Botschaft von seinem Onkel über den Tod seines Vaters erhalten zu haben, gab er in der mündlichen Verhandlung demgegenüber zu Protokoll, ein Mitglied der Geheimgesellschaft sei zu ihm gekommen und habe ihn über den Todesfall unterrichtet. Wer dies aber gewesen sei, wisse er nicht.

 

Dass der Beschwerdeführer aber das Geschilderte tatsächlich nicht erlebt haben kann, zeigte sich besonders eindrucksvoll an den Abweichungen in den Darstellungen betreffend das am Leichnam des Vaters vollzogene Ritual. So hatte der Genannte ursprünglich angegeben, seinen Vater an der Schulter berührt zu haben, worauf die Mitglieder diesen Körperteil aufgeschnitten und einen Teil entnommen hätten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof meinte der Beschwerdeführer plötzlich, er habe seinen Vater am Beinansatz berührt. Über Vorhalt dieser eklatanten Abweichung meinte der Beschwerdeführer -in völlig aktenwidriger Annahme -, vom Bundesasylamt niemals danach gefragt worden zu sein, an welcher Stelle er den Vater berührt habe.

 

Insgesamt erweisen sich die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als völlig unglaubwürdig und können alleine deshalb keine Asylrelevanz entfalten. Selbst aber die rein hypothetische Annahme des Wahrheitsgehaltes der Ausführungen des Beschwerdeführers würde zu keinem anderen Ergebnis führen, zumal eine dem Staat zurechenbare Verfolgungshandlung im Sinne der GFK nicht festgestellt werden kann und dem Beschwerdeführer außerdem die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich allfälligen Bedrohungen durch Privatpersonen durch einen innerstaatlichen Ortswechsel zu entziehen.

 

Zur Frage des Refoulementschutzes wird auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen.

 

Die Sachlage hat sich nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes zwischenzeitlich nicht nachteilig verändert, vielmehr haben die politischen Entwicklungen seit dem Jahr 2001 weitgehend zu einer Stabilisierung der Verhältnisse geführt und wurden seitens der Regierung große Anstrengungen in Richtung eines Demokratisierungsprozesses und Schaffung eines Rechtsstaates unternommen.

 

Es sind somit während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die auf die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK oder darauf hindeuten würden, dass der Berufungswerber bei seiner Rückkehr in eine auswegslose und die Existenz bedrohende Lage geriete. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden.

 

Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung des Beschwerdeführers aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement, Sicherheitslage, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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