TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 B2 259026-0/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Spruch

B2 259.026-0/2008/1E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 iVm § 66 Abs. 4 AVG 1991 durch die Richterin Mag. Barbara Magele als Vorsitzende und den Richter Dr. Karl Ruso als

Beisitzer über die Beschwerde des J.I., geb. 00.00.2005, StA.:

Mazedonien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.03.2005,

FZ. 05 02.624-BAS, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von J.I. vom 24.03.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.03.2005, FZ. 05 02.624-BAS, wird gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. Nr. 76/1997 AsylG idF BG BGBl. I Nr. 101/2003, abgewiesen

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG BGBl. I Nr. 100/2005, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von J.I. nach Mazedonien zulässig ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides vom 15.03.2005, FZ. 05 02.624-BAS, ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Gang des Verfahrens

 

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Mazedonien und Angehörige der türkischen Volksgruppe, wurde am 00.00.2005 als Tochter der Asylwerber K.F. und J.J. in Österreich geboren. Mit Schreiben vom 25.02.2005 brachte die Mutter als gesetzliche Vertreterin für sie einen Antrag im Familienverfahren gemäß § 10 AsylG ein. Eigene Fluchtgründe wurden für die minderjährige Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

 

2. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 15.03.2005, Zahl: 05 02.624-BAS, den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Mazedonien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist. Unter Spruchpunkt III wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

 

3. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin durch ihre gesetzliche Vertreterin mit Schreiben vom 24.03.2005 fristgerecht Berufung erhoben und ausgeführt, sie verweise hinsichtlich ihrer asyl- und refoulementrelevanten Lage auf das Vorbringen ihrer Mutter (der gesetzlichen Vertreterin), über deren Berufung noch nicht entschieden worden sei.

 

4. Der Vater der Beschwerdeführerin, der seine Berufung im Asylverfahren zurückzog, weshalb sein ("negativer") erstinstanzlicher Bescheid mit 18.03.2005 in Rechtskraft erwuchs, ist seit 10.08.2007 nicht mehr in Österreich gemeldet, die Beschwerdeführerin sowie ihre Mutter und ihr Bruder seit 28.05.2008.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellt wird folgender Sachverhalt:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin der Republik Mazedonien und gehört der türkischen Volksgruppe an. Ihre Mutter verließ Mazedonien im Wesentlichen, um wieder mit ihrem seit 2002 in Österreich aufhältigen Ex-Gatten zusammenzuleben. Die Beschwerdeführerin ist die gemeinsame Tochter der K.F., geb. 00.00.1976, und des J.J., geb. 00.00.1978, und wurde am 00.00.2005 in Österreich geboren.

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin hat keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern beruft sich auf die Fluchtgründe ihrer Mutter.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt der minderjährigen Beschwerdeführerin und ihrer Mutter.

 

3. In rechtlicher Hinsicht ist dazu folgendes auszuführen:

 

3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen. Nach § 44 Abs. 3 AsylG sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a idF BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag nach dem 30. April 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 101/2003 zu führen.

 

3.2. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen. Das vorliegende Verfahren war seit 29.03.2005 (Einlangen der Berufungsvorlage) beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und es hat vor dem 1. Juli 2008 keine mündliche Verhandlung stattgefunden.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamts.

 

3.3. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren gemäß § 10 AsylG vor.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines

1. Asylberechtigten; 2. subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 iVm 15) oder 3. Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

 

(2) Die Behörde hat aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

(3) Die Behörde hat aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß § 3 Asyl zu gewähren. Abs. 2 gilt.

 

(4) Befindet sich der Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten im Ausland, kann der Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gemäß § 16 drei Jahre nach Schutzgewährung gestellt werden.

 

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 1 Z 6 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

Die Beschwerdeführerin ist die unverheiratete minderjährige Tochter der K.F., 00.00.1976 geb., deren Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.10.2008, Zl. 247.783-0/2008/1E, gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde.

 

3.5. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht) und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0034). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241 sowie VwGH vom 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0273 sowie VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 sowie VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Für die minderjährige Beschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Sie ist lediglich Familienangehörige von einer Asylwerberin, deren Asylantrag sowie Beschwerde gegen die abweisende erstinstanzliche Entscheidung abgewiesen wurde.

 

3.6. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde im Falle einer Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder

 

Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG 1997 verweist auf § 57 Fremdengesetz, jetzt § 50 FPG 2005 (gemäß der Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG 2005, wobei § 57 FrG 1997 durch § 50 FPG ersetzt wurde), wonach die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Überdies ist nach § 50 Abs. 2 FPG 2005 (vormals § 57 Abs. 2 FrG 1997, Verweisungsnorm gemäß § 124 Abs. 2 FPG 2005) die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die

 

Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974). Der im § 50 Abs. 2 FPG 2005 enthaltene Verweis auf § 11 AsylG 2005 gilt gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 für die bis zum 31. Dezember 2005 bereits anhängigen Verfahren nicht.

 

Der Prüfungsrahmen des § 8 AsylG wird auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 50 Abs. 2 FPG (vormals § 57 Abs. 2 FrG 1997) wurde bereits hinsichtlich § 7 AsylG geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung der Asylwerberin in ihr Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

 

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und

 

dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer Gefahr iSd § 50 Abs. 1 FPG ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm

 

drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert, und dass diese Gründe objektivierbar sind.

 

Wie bereits erwähnt, wurden für die minderjährigen Beschwerdeführer durch ihre gesetzliche Vertreterin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht und sind dem Vorbringen auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihre Heimat der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde; sie hat auch nicht vorgebracht, dass sie von der Todesstrafe bedroht wäre.

 

Es gibt somit keinen schlüssigen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre. Auf die entsprechenden Ausführungen im Erkenntnis bezüglich des Asylverfahrens der Mutter wird verwiesen.

 

3.7. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und die Überprüfung gemäß Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR vom 07.12.1981, B 9071/80, X Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR vom 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR vom 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR vom 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin führt in Österreich ein Familienleben, in dem sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im gemeinsamen Haushalt lebt. Da der Asylantrag der Mutter der Berufungswerberin sowie der Asylerstreckungsantrag des Bruders der Beschwerdeführerin nach der Rechtslage des Asylgesetzes 1997 zu beurteilen waren, konnte in den diesbezüglichen Bescheiden des Bundesasylamtes nicht über ihre Ausweisung entschieden werden. Über die Zulässigkeit der Ausweisung der Mutter bzw. des Bruders der minderjährigen Berufungswerberin hat die Fremdenpolizeibehörde zu entscheiden. Es erscheint daher möglich, dass die minderjährige Berufungswerberin aufgrund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne ihre Mutter und ihren Bruder zu verlassen hat. Ein solches Ergebnis, das zur Trennung von der Kernfamilie führen würde, wäre ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist. Durch den so erreichten rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens wäre die minderjährige Berufungswerberin keine Asylwerberin mehr, sondern fiele als Fremde in die Zuständigkeit der Fremdenbehörden, welche damit in die Lage versetzt würden, über die Zulässigkeit der Ausweisung aller Familienmitglieder gemeinsam zu entscheiden (vgl. VwGH vom 12.12.2007, Zahl: 2007/19/1054; 16.01.2008, Zahl:

2007/19/0851; 31.01.2008, Zahlen: 2007/01/1060 bis 1062).

 

Da der Asylgerichtshof die Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde betreffend die Ausweisung der Mutter und des Bruders der Beschwerdeführerin nicht vorwegnehmen kann, musste die Entscheidung über die Ausweisung der Berufungswerberin unterbleiben, weshalb die im angefochtenen Bescheid verfügte Ausweisung ersatzlos zu beheben war.

 

Die Entscheidung über die Ausweisung der Berufungswerberin wird von der Fremdenpolizeibehörde für alle Mitglieder der Kernfamilie einheitlich zu treffen sein.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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