TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/03 A12 308574-1/2008

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Veröffentlicht am 03.10.2008
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Spruch

A12 308.574-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde der O.I., geb. 00.002005, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2006.

Zahl: 05 02.389-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.6.2007 und am 11.4.2008 zu Recht erkannt:

 

1. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von O.I. nach Nigeria zulässig ist.

 

3. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird O.I. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Asylwerberin ist Staatsangehörige von Nigeria und ist am 00.00.2005 im Bundesgebiet als Tochter der O.S., geb. 00.00.1980, zur Welt gekommen. Am 21.2.2005 stellte ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin für die Asylwerberin einen Asylantrag und wurde sodann am 23.2.2005 und am 11.8.2005 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Im Rahmen ihrer Einvernahmen vor dem Bundesasylamt behauptete die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin zusammengefasst, dass sie fürchte, dass sie und ihr Kind in Nigeria von der Geheimgesellschaft, der ihr Vater und ihr Großvater angehört hätten, getötet würden. Weiters drohe ihrem Kind in Nigeria die Beschneidung. Sie persönlich sei gegen Beschneidung, jedoch fürchte sie umgekehrt, dass ihre Tochter Nachteile hätte, sofern sie nicht beschnitten würde und in Afrika leben müsste. Sie und ihre Tochter wären weiters im Falle einer Rückkehr nach Nigeria obdachlos.

 

Die Mutter und gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin hatte bereits am 18.6.2001 einen Asylantrag gestellt. Dieses erste Asylverfahren wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.6.2001, Zahl: 01 14.242-BAW, negativ entschieden und die seitens der gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin dagegen erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde genannt) letztlich mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz) vom 3.4.2002, Zahl: 223.193/0-V/13/01, abgewiesen und im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass die Angaben der Mutter der Asylwerberin zu ihren Fluchtgründen unglaubwürdig seien. Die gegen diesen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates seitens der gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin erhobene Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.9.2002, Zahl: 2002/01/0250-6, abgelehnt.

 

Am 20.4.2005 stellte die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin für sich einen auf das Asylverfahren ihrer Tochter bezogenen zweiten Asylantrag (vgl. Aktenseite 3 des Verwaltungsaktes betr. O.S., ho. Zahl: A12 223.193-9/2008) und wurde in der Folge am 22.6.2005 und am 11.8.2005 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 11.8.2005 gab die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin im Wesentlichen erneut an, dass sie fürchte, dass ihre Tochter in Nigeria beschnitten werden könnte und weiters, dass sie und ihr Kind im Falle ihrer Rückkehr nach Afrika obdachlos wären. Sie fürchte weiters, aufgrund der im ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geschilderten Probleme von ihrer Familie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria getötet zu werden, da sie den "Glauben beleidigt" habe, den ihr Vater und Großvater gelebt hätten.

 

Das Bundesasylamt hat den Antrag der Asylwerberin mit Bescheid vom 28.11.2006. Zahl: 05 02.389-BAW, abgewiesen und unter einem festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Weiters wurde die Asylwerberin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Begründend führte das Bundesasylamt - unter Darlegung näherer Erwägungen - aus, dass die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin nicht glaubhaft machen habe können, dass der Asylwerberin im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria asylrelevante Verfolgung drohen würde.

 

Gegen obigen Bescheid erhob Asylwerberin durch ihre gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde. In der sodann nachgereichten Beschwerdeergänzung vom 16.1.2007 machte die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin im Wesentlichen geltend, dass Frauen in Nigeria generell starken Benachteiligungen, Diskriminierungen und Verstümmelungen ausgesetzt seien. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie als alleinstehende Frau die Beschneidung ihrer Tochter verhindern könnte. Das Bundesasylamt habe es unterlassen, auf die Situation von Frauen in Nigeria näher einzugehen.

 

Am 14.6.2007 und 11.4.2008 fanden vor dem unabhängigen Bundesasylsenat mündliche Verhandlungen gem. § 67 d AVG statt, bei welcher die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin, deren Vertrauensperson sowie ein Dolmetscher für die englische Sprache teilnahmen.

 

Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlungen machte die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin zusammengefasst erneut geltend, einerseits aufgrund der bereits im ersten Verfahrensgang geschilderten Probleme den neuerlichen Asylantrag gestellt zu haben, daher im Falle ihrer Rückkehr dem Geheimkult beitreten zu müssen, welchem bereits ihr Vater und Großvater angehört hätten und andererseits, nicht nach Nigeria zurückkehren zu können, da ihrer Tochter dort deren Beschneidung drohe. Sie und ihre Tochter würden im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria getötet.

 

Mit Stellungnahme vom 25.4.2008 machte die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin geltend, dass sie im Falle ihrer Rückkehr eine Verfolgung durch ihre Familie zu fürchten hätte. Weiters würden sich ihre Chancen als alleinerziehende Mutter am nigerianischen Arbeitsmark als sehr schlecht darstellen.

 

Zu den Erwerbsmöglichkeiten wirtschaftlich und sozial schwacher Frauen, werden die, der gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesasylsenat am 11.04.2008 vorgehaltenen und mit dieser erörterten Feststellungen zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erklärt (Seite 4f des Protokolls).

 

Zusammengefasst ergibt sich aus diesen Länderfeststellungen, dass wirtschaftlich und sozial schwache Frauen in Nigeria jedenfalls die Möglichkeit haben, verschiedene "nigeria-typische" Berufe bzw. Erwerbsarbeiten auszuüben. Die meisten dieser Erwerbsarbeiten setzen keine besonderen Vorkenntnisse oder eine spezielle Ausbildung voraus. Verschiedentlich können sie aufgrund von den bestimmten Regionen typischerweise traditionell erworbenen Fähigkeiten bzw. nach einer kurzen Lehre ausgeübt werden. Im Bericht des Kleingewerbes und auch darüber hinaus werden in Nigeria kaum störende Abgabe erhoben bzw. werden einschlägig geltende Vorschriften nicht effektiv angewandt. Verschiedene unselbständige Arbeiten und einige Kleingewerbe können aufgrund der geringen Erfordernisse einer Ausbildung, Genehmigungen und wegen des geringen Kapitalbedarfs kurzfristig begonnen werden. Diese können entweder eine über Jahre ausgeübte Tätigkeit darstellen oder auch nur vorübergehend, etwa zur Bewältigung einer Notlage, ausgeübt werden. Das Beispiel Millionen armer oder sozial wirtschaftlich schwacher nigerianischer Frauen zeigt, dass es durchaus möglich ist, in Nigeria seine eigenen Grundbedürfnisse als auch die abhängiger Familienmitglieder zu befriedigen. Und auch auf dem landestypischen und schichtspezifischen niedrigen örtlichen Niveau können Frauen unter anderem in unselbständiger Tätigkeit als Erntehelfer oder bei der Verarbeitung von Landprodukten Erwerbstätigkeit aufnehmen oder kommissionsweise im ambulanten Verkauf verschiedener Güter bzw. besteht die Möglichkeit, in Internetcafes und ähnlichen Einrichtungen unterzukommen. Des Weiteren steht es Frauen jederzeit offen, Fabriksarbeit oder die Tätigkeit als Haushaltshilfe anzunehmen. An selbständige Tätigkeiten stehen nigerianischen Frauen die Berufe der Schneiderin, Friseurin, Gemischtwarenhändlerin, Verkäuferin auf Märkten, Betreiberin von Garküchen oder Kantinen oder auch der Verkauf von Snacks und Speisen, wie unter anderem auch die Tätigkeit der Handyverleiherin und Wertkartenverkäuferin offen.

 

Zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides werden weiters die Feststellungen des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 28.11.2006. Zahl: 05 02.389-BAW, zur allgemeinen Situation in Nigeria sowie zur weiblichen Genitalverstümmelung (Seite 8 bis 13 des angefochtenen Bescheides).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 75 Abs. 1, erster Satz, AsylG 2005 (Übergangsbestimmung) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Der gegenständliche Asylantrag ist weiters im Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 10 AsylG 1997 1997 idF BGBl. I Nr.

 

101/2003 zu behandeln. Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (in diesem Bescheid kurz:

 

AsylG) lauten wie folgt:

 

§ 10 AsylG 1997

 

(1) Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines

 

1. Asylberechtigten;

 

2. subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 in Verbindung mit 15)

 

oder

 

3. Asylwerbers

 

stellen einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid den gleichen Schutzumfang zu gewähren, es sei denn, dem Antragsteller ist gemäß § 3 Asyl zu gewähren, Abs. 2 gilt.

 

(4) Befindet sich der Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten im Ausland, kann der Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gemäß § 16 drei Jahre nach Schutzgewährung gestellt werden.

 

(5) Die Behörde hat Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gem. § 1 Z 6 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) des Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

Im Rahmen des vorliegenden Familienverfahrens wurde zum einen mit ho. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zahl: A12 223.193-1/2008/18E, der Asylantrag der gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin, O.S., rechtskräftig abgewiesen und die Zulässigkeit von deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria festgestellt. Unter einem wurde O.S. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

ad 1.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zu den von der gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin geltend gemachten Befürchtungen, wonach sie und ihre Tochter aufgrund der bereits im ersten Rechtsgang dargelegten Probleme asylrelevante Verfolgung in Nigeria fürchten müssten, ist auszuführen, dass sie mit dem bloßen Verweis auf ihr im ersten Verfahrensgang erstattetes - und als unglaubwürdig befundenes - Vorbringen keine neue Bedrohungssituation glaubhaft machen konnte, zumal sie weder erstinstanzlich noch im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens neu hervorgekommene Umstände, Ergänzungen oder Konkretisierungen des im ersten Verfahrensgang ins Treffen geführten Bedrohungsszenarios geltend gemacht hat. Soweit die gesetzliche Vertreterin der Asylwerberin behauptet, dass sie und ihre Tochter (die Asylwerberin) in Nigeria "sicher" getötet würden, erweisen sich diese bloß in den Raum gestellten Befürchtungen letztlich als viel zu unkonkret, um daraus eine ihr bzw. der Asylwerberin im Falle ihrer Ausweisung nach Nigeria drohende maßgebliche Gefährdung ableiten zu können. Auch ergibt sich aus den zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhobenen erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 28.11.2006, 05 02.389-BAW, dass die Beschneidung im Heimatstaat der Asylwerberin (Edo State) gesetzlich verboten ist, die Beschneidungsrate generell nur 40 % beträgt und überdies die Möglichkeit besteht, durch eine Wohnsitzänderung einer drohenden Beschneidung zu entgehen, sodass nicht erkannt werden kann, dass der Asylwerberin im Falle ihrer Ausweisung nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit deren Beschneidung drohen würde.

 

Rechtlich folgt daraus, dass die Flüchtlingseigenschaft der Asylwerberin nicht festgestellt und ihr kein Asyl gewährt werden konnte.

 

ad 2.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG 1997 verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs. 1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung der Asylwerberin in ihr Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele:

VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).

 

Obigen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass wirtschaftlich und sozial schwache Frauen Zugang zum nigerianischen Arbeitsmarkt haben und es real möglich ist, sowohl die eigenen Grundbedürfnisse als auch die abhängiger Familienmitglieder zu befriedigen. Ausgehend davon ist es der Mutter und gesetzlichen Vertreterin der Asylwerberin somit zumutbar, sich in Nigeria eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen, sodass nicht zu befürchten ist, dass die Asylwerberin bzw. ihre Mutter im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria in eine existentielle Notlage geraten müsste. Letztlich ergeben sich auch aus den zum Inhalt dieses Erkenntnisses erhobenen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, dass sich die Situation weiblicher alleinstehender Flüchtlinge mit Kleinkindern oder ohne Kleinkinder bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht anders darstellt als die allein erziehender, in Nigeria lebender Frauen generell (vgl. Seite 13 des angefochtenen Bescheides).

 

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in Nigeria landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre und besteht in Nigeria kein solcher internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, dass für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt verbunden wäre.

 

Letztlich konnte der Asylwerberin auch nicht im Rahmen des vorliegenden Familienverfahrens gem. § 10 AsylG subsidiärer Schutz gewährt werden, da auch ihrer Mutter kein subsidiärer Schutz gewährt worden war.

 

ad 3.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBL. I Nr. 101/2003 hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gem. § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für die Antragstellerin negativ entschieden worden; ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Asylwerberin vorliegt (Art. 8 Abs. 1 EMRK) - der Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Die Asylwerberin ist die Tochter der O.S., deren Asylantrag mit ho.

Erkenntnis vom heutigen Tag, Zahl: A12 223.193-9/2008/18E, rechtskräftig abgewiesen wurde. Es liegt somit kein vom Schutz des Art. 8 EMRK umfasster Familienbezug (Kernfamilie) zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person in Österreich vor. Die Ausweisung der Asylwerberin - die jedenfalls nur zusammen mit ihrer Mutter durchzuführen wäre - stellt daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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