TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/08 S4 401785-1/2008

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Veröffentlicht am 08.10.2008
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Spruch

S4 401.785-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des A. alias G. S. alias G., geb. 00.00.1983, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.9.2008, Zahl: 08 07.168-EASt Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 15.7.2008 nach Italien, wo er am selben Tag erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 21.7.2008 einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer Aktenseite 11). Er verließ Italien sodann eigenen Angaben zufolge zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt und reiste weiter ins Bundesgebiet, wo er am 13.8.2008 einen Asylantrag stellte (vgl. Aktenseite 19 u. 25).

 

Mit e-mail vom 19.8.2008 ersuchte Österreich Italien um Rückübernahme des Asylwerbers. Italien hat (durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort) gem. Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) die Wiederaufnahme des Asylwerbers akzeptiert. Letztlich hat sich Italien auch (nachträglich) mit Schreiben vom 13.9.2008 (Aktenseite 59) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zu übernehmen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22.9.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er im Falle seiner Überstellung nach Italien sicherlich in sein Heimatland abgeschoben und dort umgebracht würde (Aktenseite 71).

 

Mit Bescheid vom 22.9.2008, Zahl: 08 07.168-EASt Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Italien gemäß Art. 13 iVm 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass er fürchte, dass man ihn im Falle seiner Überstellung nach Italien umgehend nach Nigeria abschieben würde. Aus dem "Amnesty International Report 2008" zur weltweiten Lage der Menschrechte ergebe sich weiters, dass das Asylverfahren in Italien allgemein "nicht optimal" sei. Weiters würde auch in heimischen Medien die Situation um Flüchtlinge in Italien, die von einer harten Vorgangsweise der Regierung Berlusconis gegen illegale Einwanderer (Haftstrafen und erleichterte Abschiebungen für illegal Einreisende seien erst kürzlich im Parlament beschlossen worden) geprägt sei, als kritisch betrachtet. Er selbst habe in Italien auf der Straße leben müssen und keine der Grundversorgung vergleichbare Geld- oder Sachleistungen bzw. keine medizinische Behandlung oder Versorgungsleistungen anderer Art erhalten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Italien hat auf Grundlage des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) ausdrücklich akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum italienischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass das Bundesasylamt zu Recht die Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz verneint hat:

Der Asylwerber hat nachweislich am 21.7.2008 in Italien einen Asylantrag gestellt, sodass dem Bundesasylamt zuzustimmen ist, dass eine Verpflichtung Italiens zur Wiederaufnahme des Asylwerbers wegen ursprünglich erster Asylantragstellung gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) besteht. Italien hat bereits durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort seine Zuständigkeit zur Übernahme des Asylwerbers und Prüfung seines Asylantrages akzeptiert, sodass der Umstand, dass Italien in seinem (verfristeten) Antwortschreiben, worin es der Rückübernahme des Asylwerbers zugestimmt und hierbei seine Zuständigkeit auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) - und somit eine unzutreffende Rechtsgrundlage - gestützt hat, nichts an der Rechtmäßigkeit der seitens des Bundesasylamtes getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung zu ändern vermag.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Zu den in der Beschwerde erhobenen Einwänden im Hinblick auf eventuell mangelhaften Refoulementschutz in Italien ist zunächst auf die - nachstehend auszugsweise wiedergegebenen - Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 31.3.2005, Zl. 2002/20/0582, zu verweisen:

 

"4.2. Das Erfordernis einer grundrechtskonformen Auslegung des

 

§ 5 Abs. 1 AsylG im Sinne dieser Judikatur bezieht sich nach dem

 

Verständnis des Verwaltungsgerichtshofes aber auf die Erfüllung

 

der Verpflichtungen Österreichs und nicht anderer Staaten aus der -

 

in Österreich im Verfassungsrang stehenden - EMRK.

 

Bezugspunkt der Prüfung unter den im vorliegenden Fall

 

angesprochenen Aspekten des Art. 3 EMRK ist daher - wie bei den

 

gemäß § 8 AsylG zu treffenden Entscheidungen - die

 

Aufenthaltsbeendigung durch Österreich unter dem Gesichtspunkt der

 

Risiken, denen der Betroffene damit ausgesetzt wird (vgl. näher

 

das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2004, Zl. 99/20/0573; aus der

 

Vorjudikatur insbesondere die Erkenntnisse vom 21. August 2001,

 

Zl. 2000/01/0443, und vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059; aus der

 

Judikatur des EGMR zuletzt - im Zusammenhang mit Auslieferungen -

 

die Entscheidung vom 4. Februar 2005 im Fall Mamatkulov und

 

Askarov gegen Türkei; zur Anknüpfung an die

 

aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des

 

Art. 1 EMRK die Entscheidung vom 12. Dezember 2001,

 

Bankovic u.a. gegen Belgien u.a.)."

 

[...]

 

"4.4.1. Was zunächst Art. 3 EMRK anlangt, so trifft es

 

grundsätzlich zu, dass sich aus dieser Bestimmung - unbeschadet

 

internationaler Vereinbarungen über die Zuständigkeit zur Prüfung

 

von Asylanträgen - das Erfordernis der Bedachtnahme auf ein

 

allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung ergibt und dabei auch

 

Verfahrensgestaltungen im Drittstaat von Bedeutung sein können

 

(vgl. die Auseinandersetzung mit "effective procedural safeguards"

 

in Deutschland in der Entscheidung des EGMR vom 7. März 2000,

 

T.I. gegen Vereinigtes Königreich).

 

Der bisherigen Judikatur des EGMR ist aber nicht entnehmbar,

 

dass der Drittstaat - bei sonstiger Verletzung des Art. 3 EMRK

 

durch eine Verbringung des Betroffenen dorthin - stets den

 

Anforderungen des Art. 13 EMRK entsprechen müsse. Im Besonderen

 

hat der EGMR in der Entscheidung T.I. gegen Vereinigtes

 

Königreich zwar einerseits die Verfahrensgestaltung in

 

Großbritannien als dessen Unzuständigkeit nach dem Dubliner

 

Übereinkommen wahrnehmendem Vertragsstaat an Art. 13 EMRK gemessen

 

und andererseits bei der Prüfung einer Verletzung des Art. 3 EMRK

 

durch Großbritannien auch die Verfahrensgestaltung im Zielstaat

 

Deutschland erörtert. Letzteres erfolgte aber ohne Bezugnahme auf

 

Art. 13 EMRK und die entscheidende Schlussfolgerung lautete, es

 

fehle das "real risk" einer Verbringung des Betroffenen nach

 

Sri Lanka, wo er nach seinen Behauptungen - denen der EGMR einen

 

eigenen Abschnitt der Entscheidungsgründe widmete - bereits

 

gefoltert worden war.

 

Die Bedachtnahme auf das Ausmaß verfahrensrechtlicher

 

Garantien im Drittstaat ist nach Meinung des

 

Verwaltungsgerichtshofes daher nur Teil einer ganzheitlichen

 

Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit

 

aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des

 

Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk" (vgl. in

 

diesem Sinn zur Abschiebung in einen Drittstaat schon

 

Alleweldt, Schutz vor Abschiebung bei drohender Folter oder

 

unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (1996)

 

64; zu T.I. gegen Vereinigtes Königreich unter dem

 

Gesichtspunkt des "indirect risk" Noll, Formalism vs.

 

Empiricism: Some Reflections on the Dublin Convention on the

 

Occasion of Recent European Case Law, NJIL Vol. 70 No. 1

 

(2001) 161 ff; zur Maßgeblichkeit einer "Gesamtbetrachtung" bzw.

 

"Gesamtprognose" - außerhalb des Kontexts der Verbringung in einen

 

Drittstaat - etwa Alleweldt, a.a.O. 88 und in

 

NVwZ 1997, 1079). Die Gefahrenprognose hat sich auf die

 

persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen (vgl. zuletzt

 

etwa die Entscheidungen des EGMR vom 31. August 2004,

 

A.B. gegen Schweden, vom 12. Oktober 2004, Liton

 

gegen Schweden, und vom 26. Oktober 2004, B. gegen

 

Schweden, jeweils in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage

 

im Zielstaat).

 

Im vorliegenden Fall hatte der Mitbeteiligte zunächst

 

gemeint, es spreche "nichts gegen Italien". Die in der Berufung

 

erhobene Behauptung von Abschiebungen "ohne Durchführung eines

 

Asylverfahrens" blieb auch nach dem Versuch ihrer Präzisierung im

 

Schriftsatz vom 13. Februar 2001 vage und erwies sich im weiteren

 

Verfahren als nicht objektivierbar. In Bezug auf den

 

Mitbeteiligten lag die ausdrückliche Erklärung Italiens vor, ihn

 

im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Dubliner Übereinkommen zur

 

Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen, und er selbst hatte aus

 

eigener Wahrnehmung berichtet, er sei von italienischen

 

Sicherheitsorganen schon während seines vorangegangenen

 

Aufenthaltes aufgefordert worden, Asyl zu beantragen, wenn er in

 

Italien bleiben wolle. Auf Zweifel am Zugang des Mitbeteiligten zu

 

einem Verfahren, in dem er die behauptete Bedrohung würde geltend

 

machen können, konnte die belangte Behörde ihre Entscheidung daher

 

nicht stützen (vgl. demgegenüber die bei Alleweldt,

 

a. a.O. (1996) 67, im Zusammenhang mit dem Dubliner Übereinkommen

 

nur erörterten Fälle bereits abgelehnter Asylwerber).

 

Für eine fallbezogene Gefahrenprognose wäre unter diesen

 

Umständen zunächst maßgeblich gewesen, ob ein - über eine bloße

 

Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" bestand, dass der

 

Mitbeteiligte, wenn er das von ihm behauptete und vom

 

Sachverständigen beurteilte Bedrohungsbild glaubhaft geltend

 

machen würde, in Italien nicht schon in erster Instanz Asyl oder

 

zumindest eine humanitäre Aufenthaltsberechtigung oder

 

anderweitigen Schutz vor einer Abschiebung in die Türkei erhalten

 

würde. Erst nach Bejahung eines solchen Risikos - über das der

 

angefochtene Bescheid keine Feststellungen enthält - hätte es auf

 

die von der belangten Behörde behandelten Fragen des

 

Rechtsmittelverfahrens im Rahmen einer Gesamtprognose am Maßstab

 

des Art. 3 EMRK allenfalls ankommen können."

 

[...]

 

"War ein solches Risiko nicht feststellbar, so war die

 

Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG

 

nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - soweit es Art. 3 EMRK

 

betrifft - auch zulässig, wenn sich die Verneinung des Risikos

 

nicht damit begründen ließ, dass Italien ein allen Anforderungen

 

des Art. 13 EMRK entsprechendes Verfahren zur Verfügung stelle."

 

[...]

 

"4.5. Der Klarheit halber ist schließlich noch hervorzuheben,

 

dass die verfassungskonforme Interpretation des § 5 AsylG nicht an

 

Hand der Judikatur zu § 4 AsylG - einer ausdrückliche und

 

weitreichende Garantien in Bezug auf das Verfahren im Drittstaat

 

als solches enthaltenden Vorschrift - erfolgen kann."

 

In Bezug auf den Asylwerber hat Italien akzeptiert, ihn im Rahmen der Verpflichtungen aus dem Dubliner Übereinkommen wieder aufzunehmen, und war es ihm bereits am 21.7.2008 möglich, in Italien einen Asylantrag zu stellen. Zweifel am Zugang des Antragstellers zu einem Asylverfahren liegen daher nicht vor.

 

Gemäß der - mittlerweile ständigen - Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (VfGH vom 8.3.2001, G 117/00 u. a., VfSlG 16.122; VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2000/01/0498) ist auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, Bedacht zu nehmen.

 

Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Italien gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Antragstellers nicht behauptet und liegen auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür vor, da der Asylwerber keine Verwandtschaft in Österreich hat) verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde vorbringt, in Italien auf der Straße gelebt und weder eine Versorgung noch eine medizinische Behandlung erhalten zu haben, ist auf seine im Rahmen der Erstbefragung erstatteten Ausführungen zu verweisen, denen zufolge er in Italien "in einem Lager" geblieben wäre und sodann zu seinem Bruder nach Verona gereist sei (Aktenseite 25), sodass obigen Ausführungen in der Beschwerde schon aus diesem Grund keine Glaubwürdigkeit zukommen kann. Weiters fällt auf, dass der Asylwerber erstinstanzlich auf die mehrmalige Frage, was er über seinen Aufenthalt in Italien angeben könnte, keinerlei konkrete negative Erfahrungen angeführt, sondern lediglich behauptet hatte, dass er nicht nach Italien wolle, da er Österreich "sehr gern" habe bzw. ihm in Italien seine Kettenabschiebung in sein Heimatland drohe (Aktenseite 25 bzw. 71). Nach menschlichem Ermessen erscheint nun aber undenkbar, dass der Asylwerber, sofern dieser im Rahmen seines Aufenthaltes in Italien tatsächlich existentielle Schwierigkeiten gehabt hätte, von diesen Umständen bei der Aufforderung, konkrete Angaben über seinen Aufenthalt im betreffenden Mitgliedstaat zu erstatten, nicht umgehend berichtet hätte. Letztlich stehen seine Angaben hinsichtlich einer unzureichenden Versorgung in Italien auch in Widerspruch zu den erstinstanzlichen Länderberichten, denen zu entnehmen ist, dass jeder Asylwerber prinzipiell Zugang zu den vorhandenen Versorgungseinrichtungen (Nahrung, Kleider, Unterbringung, Gesundheitsvorsorge etc.) hat und auch der gewährleistete Zugang zum nationalen Gesundheitssystem für Asylwerber kostenlos ist (Seite 10 des angefochtenen Bescheides).

 

Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Italien selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Italien entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde. Hinsichtlich des vom Asylwerber in der Beschwerde zitierten Berichtes von Amnesty international, in welchem Missstände des italienischen Asylverfahrens kritisiert werden, ist anzumerken, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Italien gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen aus der Dublin-Verordnung qualifiziert verstoßen würde und vor diesem Hintergrund letztlich auch seine unkonkreten Einwendungen in der Beschwerde, denen zufolge auch heimische mediale Berichte die verschärfte Ausländer- und Flüchtlingspolitik unter der Regierung Berlusconis kritisieren würden, nicht geeignet erscheinen, um ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK darzutun.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, real risk
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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