TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 C11 314027-2/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

C11 314.027-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des K.R., geb. 00.00.1979, StA. Indien, vertreten durch Dr. VALLENDER, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2008, Zl. 08 06.570 - EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde von K.R. vom 05.09.2008 wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist am 12.11.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 14.11.2005 seinen (ersten) Antrat auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.

 

Der Beschwerdeführer wurde hierzu am 22.11.2005 vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, niederschriftlich im Beisein eines geeigneten Dolmetschs für Punjabi einvernommen.

 

Er brachte im Wesentlichen vor, seine Eltern hätten im Jahr 2001 eine Wohnung von einem Herrn S.A. gemietet. Zwei Monate später habe Herr A. gesagt, dass sie aus der Wohnung ausziehen müssten. Bis sie eine neue Wohnung gefunden hätte, sei ein Jahr vergangen. Im Jahr 2002 seien sie aus der Wohnung ausgezogen; wenn sie Herrn A. auf der Straße getroffen hätten, habe er sich böse angeschaut. Im Sommer 2003 habe es Wahlen gegeben. Seine ganze Familie habe die Bharatiya Janata Party (kurz: BJP) unterstützt; Herr A. unterstütze hingegen die Congress Partei. Während der Wahlen sei es zu einem Streit zwischen seiner Familie und Herrn A. sowie dessen Sohn, der ihn beschimpft habe, gekommen. Im Februar 2004, als er in einem Bus unterwegs gewesen sei, habe er den Sohn von Herrn A. mit drei seiner Freunde getroffen. Sie seien gemeinsam mit ihm ausgestiegen und hätten eine Schlägerei begonnen. Danach sei er mit seinem Vater zur Polizei gegangen und habe gegen den Sohn namens S.A. Anzeige erstattet; man habe ihm gesagt, man werde der Sache nachgehen. Sechs Tage danach seien sechs Personen zu seinem Arbeitsplatz gekommen. Sie hätten eine Decke bei sich gehabt, hätten ihm die Decke über den Kopf geworfen und ihn dann geschlagen. Danach seien sie mit einem Auto weggefahren. Er habe wiederum eine Anzeige erstattet. Die Polizisten hätten ihn mehrmals angerufen und nach den Umständen befragt. Er sei drei- oder viermal von den Leuten der Congress Partei geschlagen worden; einmal hätten sie ihn auch von der Polizei schlagen lassen. Freunde aus der Partei hätten ihm dann vorgeschlagen, es den Leuten der Congress Partei heimzuzahlen. Er habe dies seinem Vater erzählt, doch dieser habe ihm verboten bei der Schlägerei teilzunehmen. Im April oder Mai 2004 sei S.A. verprügelt und schwer verletzt worden. Er habe Anzeige erstattet und es sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen und hätte ihn inhaftiert. Die Polizisten hätten ihn geschlagen und am nächsten Tag wieder frei gelassen. Zwei Tage später seien die Polizei wieder zu ihm gekommen und habe ihn mitgenommen; man habe ihm mitgeteilt, dass es eine Anzeige wegen des Verdachts des Mordes gegen ihn gäbe. Aufgrund der mehrfachen Inhaftierungen und Bedrohungen habe er seine Arbeitsstelle verloren. Auch seine eigenen Freunde hätten sich gegen ihn gewandt. Sein Vater habe dann gemeint, dass es für ihn besser sei, Indien zu verlassen.

 

1.2. Am 31.07.2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetsch für Punjabi statt.

 

Der Beschwerdeführer brachte vor, seine Familie habe eine Wohnung von Herrn A. angemietet. Nach zwei oder drei Monaten habe er gemeint, dass sie innerhalb von einer Woche die Wohnung verlassen müssten. A. sei ein sehr mächtiger Mann und Mitglied der Congress Partei. Er habe immer wieder Leute zu ihnen geschickt, die sie bedroht hätten. Sie hätten auch bei der Polizei Anzeige erstattet; man habe allerdings die Anzeige nicht protokolliert, sondern nur gesagt, dass man was unternehmen werde. A. sei sehr böse gewesen und habe Leute geschickt, die ihre Sachen beschädigt hätten. 2002 hätten sie eine neue Wohnung gefunden. Etwa sechs Monate nach dem Auszug hätten sie keine Probleme mehr mit A. gehabt.

 

Er habe einen Freundeskreis, der sich sehr für die BJP engagiere; er selbst sei kein Mitglied der BJP gewesen, sei aber bei Versammlungen anwesend gewesen. Im Jahr 2003 habe eine Wahl stattgefunden und im Zuge dessen hätten Kundgebungen stattgefunden. Er sei auch dabei gewesen. Der Sohn von A., Sh., sei Mitglied einer anderen Gruppierung und habe auch an der Kundgebung teilgenommen. Er habe ihn gesehen und ihn beschimpft. Es sei zu einer Schlägerei gekommen; die Polizei sei gekommen. Sie seien allerdings alle geflüchtet. S. habe herausgefunden, wo er arbeite. S. habe mit vier Freunden bei der Bushaltestelle gewartet und habe ihn geschlagen. Er sei zur Polizei gegangen und habe gegen S. eine Anzeige erstattet. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass er und S. gleichzeitig vorladen werde. Sie hätten allerdings nicht alles in das Protokoll aufgenommen. Die Polizei habe nichts gegen A. und seinen Sohn unternommen; sie habe mit A. einen Kompromiss geschlossen. Eines Tages, er sei auf dem Weg in die Arbeit gewesen, seien ein paar Leute gekommen, hätten ihm eine Decke über den Kopf geworfen und ihn geschlagen. An der Stimme habe er erkannt, dass S. auch an der Schlägerei beteiligt gewesen sei. Danach sei er gemeinsam mit seinem Vater zu einer anderen Polizeistation gegangen; es sei alles ins Protokoll aufgenommen worden. Er habe eine Woche nicht arbeiten können. Seine Freunde der BJP seien ihm zu Hause besuchen gekommen und hätten ihm gesagt, dass er die Anzeige vergessen solle und den Leuten dasselbe antun solle, was S. ihm angetan habe. Sein Vater sei allerdings dagegen gewesen. Doch seine Freunde seien zu S. gegangen und hätten ihn geschlagen, worauf dieser ins Krankenhaus eingeliefert hätte werden müssen. Die Polizei sei zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn verhaftet. A. sei im Polizeirevier anwesend gewesen; er sei sowohl von den Polizisten als auch von A. geschlagen worden. A. sei der Meinung gewesen, dass er die Leute geschickt hätte und habe ihn gezwungen, alle Namen zu nennen. Er habe ihm gesagt, dass er mit der Sache nichts zu tun habe. Am nächsten Tag sei er freigelassen worden. Ein paar Tage später sei die Polizei wieder zu ihm gekommen und habe ihn auf die Polizeistation mitgenommen, um einen Aussage zu machen. Zwei Wochen nach der Schlägerei sei es S. wieder besser gegangen, doch seien immer wieder Polizisten gekommen und hätten ihn mitgenommen. Auf dem Polizeirevier seien auch S. und A. gewesen; sie hätten ihn gemeinsam geschlagen. Die Polizisten hätten seinem Vater mitgeteilt, dass er wegen des versuchten Mordes angezeigt werde. Seine Freunde der BJP seien ebenfalls verhaftet worden. A. habe verbreitete, dass er die Namen der an der Schlägerei Beteiligten genannt habe. Deshalb habe er auch Probleme mit den Mitgliedern der BJP.

 

Sie hätten ihn mit dem Umbringen bedroht. Er sei von beiden Gruppen bedroht worden. Sie hätten ihm auch immer wieder vorgeworfen, dass er einen versuchten Mord begangen habe. Er sei öfter bei der Polizei vorgeladen worden. Er habe nicht mehr arbeiten können und habe zu Hause bleiben müssen. Er habe auch psychische Probleme. Seine Familie habe sich große Sorgen gemacht und beschlossen, dass es besser sei, Indien zu verlassen.

 

Dem Beschwerdeführer wurden seitens des Bundesasylamtes seine Widersprüche umfassend vorgehalten.

 

Der Beschwerdeführer legte eine von einem indischen Notar bestätigte Aussage des Vaters des Beschwerdeführers vor. Mit dieser werden Teile der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers wiedergegeben.

 

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.08.2007, FZ: 05 19.448-BAS, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und unter einem festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde er gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Die Erstbehörde stützte seine Entscheidung auf umfangreich länderkundliche Feststellungen zu Indien. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass dem Antragsteller aufgrund seiner zahlreichen Widersprüche die Glaubwürdigkeit zu versagen sei.

 

1.4. Gegen den genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 14.08.2007 Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat.

 

1.5. Das mit Aktenvermerk vom 05.12.2007 gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 AsylG 1997 eingestellte Verfahren wurde mit Aktenvermerk vom 15.01.2008 fortgesetzt.

 

1.6. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.04.2008, GZ: 314.027-1/16E-XIV/39/07, wurde die Berufung nach mündlicher Verhandlung gemäß § 7, § 8 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 AsylG 1997 abgewiesen.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat stützte seine Entscheidung auf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Indien. Beweiswürdigend hielt der Unabhängige Bundesasylsenat fest, dass unbeschadet der Glaubwürdigkeit des Berufungswerbers dem Begehren deshalb kein Erfolg beschieden sei, weil es ihm offen gestanden wäre, den örtlichen Bedrohungen durch Umzug in einen anderen Landesteil Indiens zu entgehen.

 

2.1. Der Beschwerdeführer stellte sodann am 28.07.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) und wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen niederschriftlich erstbefragt.

 

Dabei gab er an, er habe sein Land verlassen, weil er durch die regierende Partei (Congress Party) wegen eines Mordes, den er nicht begangen habe, angezeigt worden sei. Er habe immer wieder Probleme gehabt. Er gehöre der Oppositionspartei BJP an. Einen anderen Fluchtgrund habe er nicht.

 

2.2. Am 01.08.2008 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines geeigneten Dolmetsch für Punjabi statt und gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe damals alles gesagt, jedoch habe er jetzt von seiner Familie erfahren, dass sein Gegner (Mitglied der Congress Party) fälschlicherweise mehrere Anzeigen gegen seine Person erstattet habe. Sein Vater habe sich jedoch bei der Polizei erkundigt; es lag jedoch nichts vor. Die Polizei sei öfters bei ihm zu Hause gewesen und habe nach ihm gefragt. Dies seien eine Nachwirkungen seines Fluchtgrundes. Es seien auch einige Mitglieder seiner Partei inhaftiert worden. Er stelle deshalb neuerlich einen Asylantrag, weil er nun von diesen Anzeigen erfahren habe.

 

2.3. Am 07.08.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, zur Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters und in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetsch für Punjabi statt. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst vor, er habe in Österreich keine Familie oder Verwandte. Er lebe bei einer indischen Familie. Er habe dort in der Wohnung ein Zimmer. Die Familie habe er vor circa eineinhalb Jahren in Österreich kennengelernt. Er sei mit der Familie befreundet und zahle nichts für das Zimmer.

 

2.4. Mit dem beim Asylgerichtshof verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2008, FZ: 08 06.570-EAST Ost, wurde der Asylantrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und gleichzeitig der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen werde (Spruchpunkt II.).

 

Das Bundesasylamt hielt fest, dass sich die allgemeine maßgebliche Lage in Indien seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens nicht geändert habe. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass dem zusätzlichen Vorbringen des Antragstellers kein Glauben geschenkt werde. Hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit wurde auch auf den Bescheid des Bundesasylamtes und des Unabhängigen Bundesasylsenates verwiesen.

 

2.5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. In dieser führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der erstinstanzliche Bescheid mangelhaft sei, da die Rechtsmittelbelehrung unrichtig sei. Durch die Einführung des Asylgerichtshofes würden die Bestimmungen des VwGG zur Anwendungen gelangen, weshalb von einer sechswöchigen Rechtsmittelfrist auszugehen sei.

 

Weiters sei der erstinstanzliche Bescheid mit Rechtswidrigkeit und Verfahrensfehlern behaftet. Die Erstbehörde habe eine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen und sohin den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Bei der zweiten Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er "jetzt" Angst vor der Verfolgung habe und dies eine "Nachwirkung" seines Fluchtgrundes sei; diese Angabe habe sich auf den Einvernahmezeitpunkt bezogen.

 

Weiters habe sich das Bundesasylamt nicht mit den Kriterien einer zulässigen Ausweisung auseinander gesetzt. Der Beschwerdeführer habe in Österreich Beziehungen, aus denen sich eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte ergäbe. Es wird auf - nicht näher bezeichnete - Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom Herbst 2007 verwiesen, wo auf der Basis von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Kriterien für eine Einzelfallprüfung aufgezeigt werden. Der Beschwerdeführer habe bei seinen Einvernahmen auch aufgezeigt, dass er zu seinen Verwandten in Indien seit 2005 keine Beziehung mehr habe. Die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Indien führe zu einem massiven Eingriff in die nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.

 

2.6. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 18.09.2008, Zl. C11 314.027-2/2008/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 noch nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2.1. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. beispielsweise VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

 

"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Asylgerichtshof darf demnach nur darüber entscheiden, ob die belangte Behörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Er hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Dies hat die Konsequenz, dass die belangte Behörde, an die Auffassung des Asylgerichtshofes gebunden ist und den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Der Asylgerichtshof darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. mutatis mutandis VwGH 30.05.1995, 93/08/0207). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.1.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162;

10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58;

03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300; VwGH vom 13.11.2007, Zl. 2006/18/0494).

 

3.1. Im zweiten - dem vor dem Asylgerichtshof verfahrensgegenständlichen - Asylverfahren wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bisherigen Fluchtgründe und ergänzt diese damit, dass er von seiner Familie erfahren habe, dass er "jetzt" wegen mehrerer Anzeigen von der Polizei gesucht werde. Er solle auch als Zeuge fungieren. Dies sei eine Nachwirkung seines Fluchtgrundes. Diese Schilderung des Beschwerdeführers stellt allerdings eine allgemein gehaltene, unsubstaniierte Fortsetzung des bereits im Vorverfahren als unglaubwürdig beurteilten Fluchtvorbringens dar. Dieses Vorbringen ist daher nicht als entscheidungsrelevantes "novum productum" zu qualifizieren.

 

Weiters wurde keine Sachverhaltsänderung behauptet, welche einen glaubhaften Kern aufweist. Eine andere Beurteilung des bereits im rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren erstatteten Vorbringens erscheint somit nicht möglich.

 

Das Bundesasylamt hat somit in Ermangelung zusätzlicher Elemente des Vorbringens des Beschwerdeführers, die für die Glaubwürdigkeit sprechen könnten, im Ergebnis zu Recht, das diesbezügliche im neuerlichen Asylverfahren erbrachte Vorbringen nicht als neuen entscheidungsrelevanten Sacherverhalt gewertet. Der neuerliche Asylantrag dient demzufolge der Überprüfung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung.

 

Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer im Zuge des nunmehrigen Verfahrens keine neu entstandenen Beweismittel vorgelegt hat, die geeignet wären, sein Fluchtvorbringen zu belegen.

 

3.2. Auch die Beschwerdebehauptung, wonach die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides unrichtig sei, weil die Beschwerdefrist gegen Bescheide des Bundesasylamtes nicht zwei, sondern sechs Wochen "entsprechend den in erster Linie geltenden Vorschriften des Verwaltungsgerichtshofgesetzes" betrage, ist im Verfahren des Beschwerdeführers nicht relevant, da die Beschwerde innerhalb der offenen zweiwöchigen Frist nach § 63 Abs. 5 AVG eingebracht wurde.

 

3.3. Insoweit die neuerliche Asylantragstellung des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auszuführen, dass bereits dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.08.2007, Zl. 05 19.448-BAS, umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage Indiens zugrunde gelegt wurden und dies auch weiterhin dem Amtswissen des Asylgerichtshof entspricht. Auch im gegenständlichen Verfahren wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2008, Zl. 08 06.570-EAST Ost, festgehalten, dass sich die allgemeine maßgebliche Lage nicht geändert habe. Es sind keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden.

 

3.4. Da somit auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, sich auch die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat - wie sich die Beschwerdebehörde durch Einsichtnahme in den aktuellen Bericht des USDOS, Country Report on Human Rights Practice 2007 vom 11.03.2008 zu Indien überzeugt hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

 

4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Nach Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

4.1. Die Erstbehörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass angesichts der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegt, das einer Ausweisung entgegenstehen könnte; dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, während solche weiterhin in Indien leben. Die zirka zweijährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich ist zu kurz, um allein deswegen die Ausweisung für unzulässig zu erklären. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang zentral auf VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) noch keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet.

 

Besondere Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestehende dauernde Integration in Österreich (etwa: Beschäftigung, Familienverhältnis) sind auch im Verfahren vor dem Asylgerichtshof nicht hervorgekommen, weshalb die fremdenrechtlichen öffentlichen Interessen an der Effektuierung der negativen Entscheidung im Asylverfahren zum Entscheidungszeitpunkt weiterhin überwiegen.

 

4.2. Auch die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Kriterien eines "weiteren Verbleib" in Österreich ist für den Fall des Beschwerdeführers nicht zutreffend. So gab der Beschwerdeführer bei seiner Befragung am 07.08.2008 an, dass er in Österreich keine Familie oder Verwandte habe; er lebe bei einer indischen Familie. Somit sind die vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigten Kriterien (vgl. die Erkenntnisse B 328/07 und B 1150/07) nicht annähernd erfüllt.

 

5. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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