TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/21 D10 313962-1/2008

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Veröffentlicht am 21.10.2008
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Spruch

D10 313962-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. SCHÄRF als Vorsitzenden und den Richter DDr. Markus GERHOLD als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Karin LECHNER über die Beschwerde der K.K., geb.00.00. 2007, StA. Ukraine, vertreten durch den Vater A.K. als gesetzlichen Vertreter, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Juli 2007, GZ. 07 06.248-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18. August 2008 und 06.Oktober 2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides, mit denen der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dieser der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wurde, wird als unbegründet abgewiesen.

 

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, mit dem die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen wurde, wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Vater der Beschwerdeführerin, ein ukrainischer Staatsangehöriger, gelangte gemeinsam mit seiner Ehefrau, einem gemeinsamen Sohn, seinen Eltern und einer Schwester unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 21. Juni 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl gem. § 7 AsylG 1997. Die Mutter der Beschwerdeführerin hingegen hatte lediglich einen auf den Asylantrag ihres Ehemannes bezogenen Asylerstreckungsantrag gestellt und gleichzeitig auf eine Umwandlung desselben gem. den Bestimmungen des § 11 Abs. 2 AsylG 1997 verzichtet.

 

Die am00.00. 2007 bereits in Österreich geborene Beschwerdeführerin stellte - durch ihre gesetzliche Vertretung - am 9. Juli 2007, einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005. Die Antragstellerin machte hiebei selbst ausdrücklich keine eigenen Asylgründe geltend.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. April 2003, GZ. 02 16.257- BAL, war zuvor der Asylantrag des Vaters der Beschwerdeführerin gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen und dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt und gegen diese Entscheidung fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingelegt worden.

 

Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte dieser gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 iVm § 34 Abs. 3 Z. 1 den Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zu.

 

Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen.

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Grund für die Asylantragstellung liege im Umstand, dass der Zusammenhalt ihrer Kernfamilie gewahrt bleiben solle. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie 6 und 13 ZPEMRK bedeuten würde oder für die Antragstellerin als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es bestehe auch kein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin über schützenswerte familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge. Die mit ihr in Österreich aufhältige Familie befände sich ebenso im Asylverfahren, wie diese selbst. Ihr Aufenthalt sei - so wie der der Antragstellerin - zeitlich begrenzt. Es bestehe kein Ausweisungshindernis.

 

Mit der gegenständlichen, gegen diesen Bescheid am 10. August 2008 (Datum der Postaufgabe) fristgerecht eingebrachten Berufung (nunmehr: Beschwerde) begehrt die Beschwerdeführerin dem Grunde nach die Gewährung von internationalem Schutz, in eventu die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten bzw. die Behebung ihrer Ausweisung in die Ukraine.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen, weshalb das durch die vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid fristgerecht eingebrachte, am 13. August 2007 eingelangte, Berufung beim Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) eingeleitete Berufungsverfahren, welches am 1. Juli 2008 als unerledigt aushaftete, vom Asylgerichtshof weiterzuführen war.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG), BGBl I 2008/4, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Daraus folgt, dass der am 9. Juli 2007 gestellte, gegenständliche Antrag auf Gewährung von Asyl bereits nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu führen ist..

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer im Falle des § 66 Abs. 2, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Nach der Bestimmung des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Gem. § 3 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der GFK iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Unter anderem folgt aus dieser Bestimmung, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 AsylG 2005 unterscheiden sich somit im Kern nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 2003/101 iVm § 57 Abs. 1 FrG 1997; sie gehen allenfalls darüber hinaus. Die zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 2003/101 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behält daher auch für Auslegung von § 8 Abs. 1 AsylG 2005 Gültigkeit.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative").

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - , der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK - oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnten - gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (Vgl. hiezu etwa E VwGH 21.6.2001, 99/20/0460; E VwGH 16.4.2002, 2000/20/0131).

 

Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von 1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, 2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist oder 3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gem. § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Die Behörde hat nach Abs. 2 leg. cit auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Die Behörde hat gem. § 34 Abs. 3 AsylG 2005 auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn, dass 1. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist oder 2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Die Behörde hat Anträge gem. Abs. 4 leg. cit. von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Die zuvor angeführten Bestimmungen hinsichtlich Familienverfahren im Inland gelten sinngemäß für das Verfahren beim Asylgerichtshof.

 

Gemäß § 2 Z. 22 AsylG 2005 ist unter anderem Familienangehöriger, wer (zum Zeitpunkt der Antragstellung) unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

 

Auf Grund der vorgelegten Geburtsurkunde des Einwohner- und Standesamtes der Landeshauptstadt Linz vom 5. Juli 2007, steht die Identität der Beschwerdeführerin als K.K., eheliche Tochter des A.K.und der T.K., geboren am 00.00. 2007 in Linz a.d. Donau, eindeutig fest.

 

Die Beschwerdeführerin ist aus diesem Grunde im Hinblick auf das Asylverfahren ihres Vaters auch als Familienangehörige iSd Bestimmung des § 2 Z. 22 AsylG 2005 zu qualifizieren.

 

Nun wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2008, GZ. D10 237897-0/2008/13E, der Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers im Instanzenzug gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen und dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt. Die Grundvoraussetzung für eine Asylgewährung bzw. die Gewährung von subsidiärem Schutz auf Grundlage der Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 3 - nämlich, dass einem Familienangehörigen im Sinne der vorzitierten Bestimmung Asyl bzw. subsidärer Schutz gewährt worden ist - liegt daher im gegenständlichen Falle der Beschwerdeführerin nicht vor, sodass auf die weiteren in den zitierten Bestimmungen genannten Voraussetzungen nicht weiter einzugehen war.

 

Wie im Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von internationalem Schutz vom 9. Juli 2007 ausdrücklich ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren "keine eigenen Asylgründe" geltend gemacht, sodass ihr Antrag mangels Geltendmachung (eigenständiger) Verfolgungsgründe auch in gesonderter Prüfung abzuweisen war.

 

Sodann ergeben sich im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin (allein für ihre Person) für den Fall ihrer Ausschaffung in ihren Heimatstaat dort mit maßgeblicher Wahrscheinlicheit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ausgesetzt sein würde. Es liegen keinerlei Anhaltpunkte dafür vor, dass in der Ukraine eine extreme Gefährdungslage der Art besteht, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Ein Vorbringen von auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen" Umständen hat die Beschwerdeführerin nicht erstattet, geschweige denn substantiiert. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin keine ernsthaften Erkrankungen bzw. medizinischen Gründe ins Treffen geführt, die sie im Falle einer Rückkehr in die Ukraine einer solchen Gefahr aussetzen würden. In diesem Zusammenhang sei im Sinne der zitierten Judikatur auch nochmals darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich den Antragstellern zukommt, geeigneten Beweis zu erbringen, dass substantiierte Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er/sie im Falle seiner/ihrer Abschiebung in den Herkunftsstaat konkret einer ernsthaften Gefahr von dem Art. 3 EMRK entgegenstehender Behandlung ausgesetzt wären.

 

Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie Art. 8 EMRK verletzen würde oder wenn dem Fremden ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Würde ihre Durchführung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen und die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, 2007/19/0154, festgestellt hat, lässt sich aus dem allgemeinen Teil der ErläutRV 120 BlgNR 22. GP 10,11 ablesen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Familienverfahrens durch die AsylG Novelle 2003 die Familieneinheit im Vergleich zur früheren Rechtslage (nach der etwa nur Asyl, nicht aber Refoulementschutz "erstreckt" werden konnte) in der Weise stärken wollte, dass allen Angehörigen einer "Kernfamilie" im Asylverfahren die gleiche Rechtsstellung zukommt. Damit sollte verhindert werden, dass es durch verschiedene rechtliche Behandlung einzelner Familienmitglieder entgegen dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK festgelegten Gebot der Achtung des Familienlebens zur Trennung von Familien kommen kann.

 

Im Sinne der Wahrung der Familieneinheit war durch den Novellengesetzgeber in § 44 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. Nr. I 2003/101 sichergestellt, dass das Bundesasylamt nach dem 30. April 2004 in Fällen, in denen Asylanträge von Mitgliedern einer Familie zum Teil vor und zum Teil nach dem Inkrafttreten der Novelle 2003 gestellt worden waren, auch im Hinblick auf die Ausweisung einheitlich entscheiden konnte.

 

Hatte das Bundesasylamt jedoch für einzelne Familienmitglieder (mangels Zuständigkeit nach der Rechtslage vor der Asylgesetznovelle 2003) keine Ausweisung verfügt, so war es dem Unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, für diese Angehörigen Ausweisungen "nachzutragen", um die Rechtsposition der Familie zu vereinheitlichen (vgl. zur Unzulässigkeit der Nachholung einer Ausweisung durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im allgemeinen das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2006/20/0500). In derartigen Fällen haben über die Ausweisung die Fremdbehörden zu entscheiden.

 

Für Fälle, in denen einzelne Mitglieder einer Kernfamilie nach Rechtslage des AsylG 1997 idF der Novelle BGBl. I Nr. 2003/101 von den Asylbehörden, andere nach der Rechtslage vor dieser Novelle aber von den Fremdenbehörden auszuweisen wären, hatte der Gesetzgeber weder Vorkehrungen für ein koordiniertes Vorgehen noch für eine einheitliche Ausweisungsentscheidung getroffen. Auch § 38 AVG bietet dafür keine Lösung und auch der Gesetzgeber des AsylG 2005 hat für diese "Lücke" keine Vorkehrungen getroffen.

 

Nach der für das für das Verfahren des Vaters sowie der leiblichen Mutter der Beschwerdeführerin geltenden Gesetzeslage des § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 kam dem Asylgerichtshof hinsichtlich der Frage der Ausweisung der Eltern im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2007, 2007/19/0154, keine Kognitionsbefugnis zu. Es wäre daher grundsätzlich möglich, dass die minderjährige Beschwerdeführerin aufgrund der durch § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. Nr. I 2003/101 gebotenen asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne ihre Eltern zu verlassen hat. Ein solches Ergebnis, das zu einer Trennung von der Kernfamilie führen würde, widerspräche aber den oben dargestellten Intentionen des Gesetzgebers bei Einführung des Familienverfahrens und wäre ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben, für den - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine Rechtfertigung zu erkennen ist.

 

Um das vom Gesetzgeber intendierte und verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis zu erzielen, hat eine Ausweisung daher in einem Fall wie dem vorliegenden zu unterbleiben.

 

Durch den so erreichten rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ist die Beschwerdeführerin keine Asylwerberin im Sinne des AsylG 2005 mehr, sondern fällt als "Fremde" (im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG) in die Zuständigkeit der Fremdenbehörden, welche damit in die Lage versetzt sind, über die Zulässigkeit der Ausweisung aller Familienmitglieder gemeinsam zu entscheiden.

 

Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargestellten Gründen hinsichtlich seines Spruchpunktes III ersatzlos zu beheben.

 

Hinsichtlich des bestehenden Privat- und Familienlebens der Familie des Beschwerdeführers erlaubt sich der Asylgerichtshof auf die im oben zitierten Erkenntnis D10 237897-0/2008/13E getätigten Ausführungen hinzuweisen.

Schlagworte
bestehendes Familienleben, EMRK, Familienverfahren, non refoulement, Spruchpunktbehebung
Zuletzt aktualisiert am
29.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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