TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/22 S10 401960-1/2008

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Veröffentlicht am 22.10.2008
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Spruch

S10 401960-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn G.Z., geb. 00.00.1940, StA. Armenien, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Alfred SCHNEIDER, Klosterrotte 4, 3180 Lilienfeld, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.09.2008, Zahl: 08 04.897 - EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist Staatsangehöriger von Armenien. Er hat am 04.06.2008 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Lilienfeld am 04.06.2008 gab er im Beisein des Rechtsanwaltes Mag. Alfred SCHNEIDER und seiner Tochter G.L. (an anderer Stelle: G.), die dolmetschte, im Wesentlichen Folgendes an:

 

Er sei legal mit armenischem Reisepass vom Flughafen P. in Armenien am 26.05.2008 direkt nach Wien geflogen. Dort hätte ihn seine Tochter L. abgeholt und sei mit ihm nach S. gefahren, wo seine Tochter wohnhaft sei. Er hätte ein italienisches Visum, ausgestellt von der italienischen Botschaft in Jerewan mit der Gültigkeitsdauer 00.00.2008 bis 00.00.2008 gehabt.

 

Als Fluchtgrund gab er gesundheitliche Probleme an, die Grundversorgung sei nicht sichergestellt. Weiters sei er für die Opposition tätig. Er kenne den vorigen Präsidenten seit 20 Jahren, er sei Mitarbeiter des Präsidenten XX gewesen. Seit kurzem gäbe es einen neuen Präsidenten, Serch Sarkisyan. Andere Mitarbeiter seien bereits verhaftet worden, er befürchte, dass er ebenfalls politisch verfolgt und verhaftet werde. Es gebe nicht die Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative. Weiters sei er von der Polizei bedroht worden, da die Tochter und der Schwiegersohn nach Österreich geflüchtet seien. Wegen dieses Umstandes seien seine Tochter, sein Schwiegersohn und sein Enkel als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des Asylgesetzes anerkannt und würden einen Aufenthaltstitel bis 25.01.2012 genießen. Für den Fall seiner Rückkehr befürchte er Gefängnis sowie Gefahr für Leib und Leben.

 

1.2. Da die Erstbehörde aufgrund des vorliegenden Reisepasses des BF und des darin vermerkten Visums für Italien beabsichtigte, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen, wurde dem BF mit Schriftstück vom 10.06.2008, vom BF übernommen am selben Tag, mitgeteilt, dass seit 09.06.2008 Konsultationen mit Italien gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (in der Folge Dublin II VO) geführt würden und somit die 20-Tages-Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG für Verfahrenszulassungen nicht mehr gelte.

 

1.3 Mit Schreiben vom 10.06.2008 gab der BF bekannt, dass er durch Herrn Rechtsanwalt Mag. Alfred SCHNEIDER vertreten werde. Weiters brachte er vor, dass nach Art. 7 Dublin II VO Österreich für seinen Asylantrag zuständig sei, diese Bestimmung gehe dem Art. 9 Abs. 2 leg. cit. vor.

 

1.4. Mit Erklärung vom 27.06.2008, eingelangt bei der Erstbehörde am 30.06.2008, stimmte Italien ausdrücklich dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 der Dublin II VO zu.

 

1.5. Am 22.07.2008 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme in der EAST Ost, in der der BF im Beisein eines Rechtsberaters und eines Dolmetsch für die armenische Sprache im Wesentlichen Folgendes vorbrachte:

 

Er habe am 01.03.2008 in Armenien im Zuge von Ausschreitungen einen Schlag bekommen und seither Gedächtnisprobleme. Diesbezüglich sei er in Armenien in ärztlicher Behandlung gewesen und auch röntgenisiert worden.

 

Nicht nur er, sondern ca. 200 Personen, die dieselben oppositionellen politischen Ansichten hätten wie er, hätten zum Teil flüchten, zum Teil untertauchen müssen. Seine Frau und sein Enkelsohn seien in K. untergetaucht. Sein Enkel könne aus Angst nicht einmal an der Universität inskribieren.

 

Der BF legte Befunde einer Computertomographie und Röntgenaufnahmen vor, die kopiert zum Akt genommen wurden. Er brauche seit dem Vorfall am 01.03.2008 in Armenien, dessentwegen er aus Armenien hätte flüchten müssen, ständige Pflege. Deswegen sei er auch nach Österreich zu seiner Tochter gereist und ersuche um eine ärztliche Untersuchung.

 

1.6. Am 11.08.2008 erfolgte eine ärztliche Untersuchung des BF durch die medizinische Sachverständige Fr. Dr. I. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin. Deren gutachtlichen Stellungnahme zufolge habe der BF nach seinen eigenen Angaben im März 2008 im Rahmen einer Demonstration einen Schlag auf den Hinterkopf erhalten. Er sei dann bewusstlos geworden und ins Krankenhaus gebracht worden. Von dort sei er jedoch geflüchtet, da er Angst um sein Leben gehabt hätte. Im Nackenbereich und im Hinterkopf hätte er Schmerzen. Die Sachverständige stellte keine Symptome für eine belastungsabhängige psychische Störung fest. Die Veränderungen an der Halswirbelsäule entsprächen laut Röntgenbefund einer altersbedingten Veränderung ("Abnützung"). Eine Pflegebedürftigkeit sei nicht ersichtlich.

 

1.7 Bei der Einvernahme am 16.09.2008 in der EAST Ost zur Wahrung des Parteiengehörs unter Beisein eines Rechtsberaters und eines Dolmetsch für die armenische Sprache sowie der Tochter des BF L. gab der BF auf Nachfrage an, er lebe in S. bei seiner Tochter und deren Familie. Die Tochter lebe in Österreich seit März 2001. Seit ungefähr 4 Jahren sei seine Tochter subsidiär schutzberechtigt. Mit seiner Tochter habe er im Herkunftsstatt in gemeinsamem Haushalt gelebt, bis diese geheiratet habe, das sei ca. 1990 gewesen.

 

Befragt zum italienischen Visum gab der BF an, dieses sei unabhängig von ihm beantragt worden. Er sei in ein Reisebüro gegangen und hätte dort gesagt, dass er nach Österreich zu seiner Tochter möchte. Ale er seinen Reisepass abholen gegangen sei, hätte er erst gesehen, dass es in seinem Reisepass ein italienisches Visum gibt. Das Reisebüro hätte dies so erklärt, dass sie ihm ein Flugticket besorgt hätten von Jerewan nach Wien und dann nach Mailand. Aber er hätte niemals nach Mailand gewollt, sondern nach Wien. Er sei dann in Österreich am Flughafen ausgestiegen.

 

Befragt, was einer Ausweisung seiner Person nach Italien entgegenstünde gab der BF an, was solle er in Italien machen. Seine Tochter lebe hier in Österreich und er sei aus gesundheitlichen Gründen auf ihre Hilfe angewiesen. Er sei niemals in Italien gewesen.

 

Auf den Vorhalt, "laut Untersuchung in der PSY III" stünden "einer Überstellung nach Polen" (gemeint offenbar: Italien) keine schweren psychischen Störungen entgegen, brachte der BF vor, dass die Ärztin, bei der er gewesen sei, eine Psychologin sei. Wenn er von einem Neurochirurgen untersucht werden könnte, dann wäre das Ergebnis des Gutachtens ganz anders ausgegangen

 

1.8. Das Bundesasylamt hat mit dem verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 27.09.2008, Zahl: 08 04.897 - EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person des BF, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes, zum Privat- und Familienleben des BF und zur Lage im Mitgliedsstaat Italien, insbesondere zum italienischen Asylverfahren im Allgemeinen, zum Refoulement-Schutz, zur Ausweisung und zur Versorgung.

 

Festgestellt wurde weiters, dass keine Umstände, die gegen eine Ausweisung und Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien sprechen, ermittelt werden konnten. Nach Ansicht der Erstbehörde war unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen aus dem Blickwinkel der Art. 3 und Art. 8 EMRK von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO kein Gebrauch zu machen.

 

Beweiswürdigend wurden im Wesentlichen die Angaben des BF, insbesondere zu seinem Vorbringen betreffend die Verletzung am Hinterkopf und das Zustandekommen seines italienischen Visums, hervorgehoben. Die Beweiswürdigung der Erstbehörde beschränkt sich auf kurze Aussagen, dass der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H. Glauben geschenkt werde (samt Wiederholung des Kalküls der gutachtlichen Stellungnahme) sowie dass der BF nicht genügend substantiiert vorgebracht und damit glaubhaft gemacht habe, dass für ihn im Falle der Überstellung nach Italien ein "real risk" im Sinne des Art. 3 EMRK bestehen würde.

 

1.9. Gegen diesen Bescheid hat der BF durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht mit Schriftsatz vom 06.10.2008 Beschwerde erhoben und beantragt, den bekämpften Bescheid aufzuheben sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

In der Begründung dazu machte der BF mangelhaftes Verfahren geltend und führte dazu im Wesentlichen aus, dass der Umfang der persönlichen Beziehungen zwischen seiner Tochter, seinem Schwiegersohn und seinem Enkel nicht hinterfragt worden sei. Diesbezügliche Erhebungen seine erforderlich, um ermitteln zu können, ob ein hinreichendes Naheverhältnis im Sinne der Art. 7 und 15 Dublin II VO vorliege. Eine Ausweisung würde eine Verletzung des Privat- und Familienlebens des BF und damit des Art. 8 EMRK darstellen. Weiters sei es erforderlich, dass die von ihm vorgelegten Befunde von einem Facharzt für Neurochirurgie untersucht würden, da gewisse körperliche Probleme nicht von gewissen Gutachtern zuverlässig beurteilt werden könnten.

 

1.10. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 16.10.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

2. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

2.1. Anzuwendendes Recht

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 2 der Dublin II VO eingeleitete Aufnahmeersuchen an Italien erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den BF (Art. 17 Abs. 1 Dublin II VO).

 

2.2. Rechtlich folgt daraus:

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich beim BF um einen 68-jährigen Mann, der politische Fluchtgründe und gesundheitliche Probleme angibt und zu seiner Tochter nach Österreich reist, die hier nach seinen Angaben bereits seit 4 Jahren subsidiären Schutz genießt. Mögen auch seine Angaben a priori mehrfach nicht glaubwürdig erscheinen, so bedürfen sie doch - auch im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen einer Trennung von seiner Tochter durch eine Überstellung nach Italien - eines gewissen Maßes der Überprüfung. Die von ihm angegebene Verletzung durch einen Schlag auf den Hinterkopf bei einer Demonstration wurde durch die Ausführungen in der gutächtlichen Stellungnahme der medizinischen Sachverständigen nicht bestätigt. Es wäre aber dennoch erforderlich, vom BF vorgelegte Befunde bzw. Berichte über medizinische Untersuchungen (Computertomographie, Röntgen, Befundberichte) zumindest übersetzen zu lassen, um dazu aus ärztlicher Sicht eine Beurteilung abgeben zu können.

 

Die vom BF angegebene Entstehungsgeschichte seines italienischen Visums wirkt ebenfalls nicht glaubwürdig.

 

Weiters wäre es erforderlich, die vom BF behauptete Beziehungsintensität zu seiner Tochter (und deren Familie) sowie die damit auch in Zusammenhang stehende Angabe, sie genieße seit 4 Jahren subsidiären Schutz, und zwar bis 25.01.2012, sowohl hinsichtlich der Frage des tatsächlichen Bestehens, als auch hinsichtlich der allfälligen Gewährungsgründe, zu überprüfen. Dies auch im Hinblick auf § 8 Abs. 4 AsylG, wonach die Aufenthaltsberechtigung eines Fremden, dem der Status des subsidär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, ein Jahr gilt. Zur Klärung dieser Fragen bedürfte es zeugenschaftlicher Einvernahmen bzw. sonstiger Überprüfungen.

 

Schließlich erweckt der angefochtene Bescheid in seiner Begründung den Eindruck, dass den Angaben des BF in seinen wesentlichen Punkten nicht Glauben geschenkt wird. Sollte es nach Durchführung ergänzender Erhebungen bei diesem Eindruck bleiben, so bedürfte es auch einer diesbezüglichen ausdrücklichen Beurteilung ("Beweiswürdigung"). Die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist - siehe auch oben Punkt 1.8 - äußerst karg.

 

2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist) ein ergänztes Beweisverfahren durchzuführen und diese Unrichtigkeiten unter Wahrung des Parteiengehörs zu korrigieren haben.

 

2.4. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.

 

Auch der Asylgerichtshof ist - wenn auch gemäß § 41 Abs. 3 AsylG nicht bei Beschwerden gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung (in diesem Fall ist statt dessen die fast gleichlautende Bestimmung des § 41 Abs. 3 3. Satz AsylG anzuwenden) - zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis der Ergebnisse des Verfahrens des Bundesasylamtes praktisch nicht mehr in der Lage, innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.

 

2.5. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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