TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/23 E11 311473-1/2008

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Veröffentlicht am 23.10.2008
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Spruch

E11 311.473-1/2008-5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KINZLBAUER als Vorsitzenden und der Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Frau BIRNGRUBER über die Beschwerde des A. V., geb., 00.00.2001, StA. Armenien, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 06.04.2007, FZ. 06 12.153-BAE in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes. Der (Erst-)Beschwerdeführer, A.

A. (nachfolgend: BF1) sowie die (Zweit-)Beschwerdeführerin B. R., (nachfolgend: BF2) stellten am 11.11.2006 für sich und die beiden minderjährigen Kinder (BF3 und BF4) als gesetzliche Vertreter einen Asylantrag und wurden in der Folge asylbehördlich zu ihrem Antrag niederschriftlich einvernommen.

 

2. Mit Bescheiden vom 6.4.2007, FZ. 06 12.150-BAE (BF1), FZ. 06 12.151-BAE (BF2) und FZ. 06 12.152-BAE (BF3) und FZ. 06 12.153-BAE (BF4), wies das Bundesasylamt - ohne weitere Verfahrensschritte - die Asylanträge der Beschwerdeführerinnen gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005 ab.

 

3. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 19.4.2007 fristgerecht Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) eingebracht.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Im vorliegenden Fall waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (kraft oben zitierter Bestimmung auch der AsylGH, es bestehen diesbezüglich keine materiellrechtlichen Sondernormen), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Die Erstbehörde führt in ihren Feststellungen zu BF1 aus, dass dieser in Armenien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war bzw. solche zu befürchten hatte (AS 215) Beweiswürdigend führte die Erstbehörde dazu aus, dass der generelle Grund warum der BF das Heimatland verlassen hätte, in den Problemen mit den Nachbarn gelegen hätte; eine asylrelevante Verfolgung wurde hier vom Bundesasylamt mangels staatlicher oder quasi-staatlicher Verfolgung ausgeschlossen. Die Erstbehörde übersieht bei dieser Schlussfolgerung jedoch, dass es für die Gewährung von Asyl nicht relevant ist, ob asylrelevante Verfolgung von staatlichen oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht, sofern der Staat nicht ausreichend schutzwillig oder schutzfähig ist. Es finden sich in der Sachverhaltsfeststellung der Erstbehörde keinerlei Auseinandersetzungen mit dieser Thematik; weder in den Einvernahmen des BF1 noch in den Länderfeststellungen. Der simple Hinweis auf die Untätigkeit der Polizei mangels konkreter Hinweise auf die Täter nach dem Überfall auf den BF1 genügt nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht, um eine ausreichende Schutzfähigkeit und -willigkeit des armenischen Staates aufgrund Diskriminierungen und Misshandlungen durch Privatpersonen wegen der Ethnie und Religion des BF1 anzunehmen. Der BF1 hat mehrmals in seinen Einvernahmen angegeben, dass er bereits jahrelang Probleme mit den Nachbarn habe und es dabei nicht nur psychische sondern auch physische Übergriffe gegeben habe; auch habe der BF schon mehrfach erfolglos bei der Polizei interveniert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass derartige ethnisch/religiös motivierte Übergriffe durch Private unter Umständen durchaus Asylrelevanz erreichen können. Die Erstbehörde wird sich eingehend mit den Übergriffen durch diese Privatpersonen auseinanderzusetzen haben und die BF gegebenenfalls darüber einzuvernehmen haben. In diesem Zuge wird sich die Erstbehörde auch mit der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des armenischen Staates auseinanderzusetzen haben und den BF die Ergebnisse dieser Ermittlungen in Form von Einräumung von Parteiengehör zu Kenntnis zu bringen haben. Auch wird sich das Bundesasylamt mit dem Status von ethnisch/religiösen Minderheiten in Armenien auseinanderzusetzen haben und die Ermittlungsergebnisse in Zusammenhang mit den Angaben des BF zu bringen und die entsprechenden Rückschlüsse daraus zu ziehen haben.

 

Der BF hat in seinen Einvernahmen angegeben, dass er mit seiner Familie von Mai 2006 bis zur Ausreise im November 2006 in Y. bei einer Tante mütterlicherseits gelebt habe und während dieser Zeit keine Übergriffe auf die BF stattgefunden hätten. Die Erstbehörde wird sich diesbezüglich auch mit einer eventuellen innerstaatlichen Fluchtalternative zu befassen haben und festzustellen haben, ob eine solche IFA unter den gegebenen Umständen gegeben ist und für die BF auch zumutbar wäre.

 

Bezüglich der Refoulement-Entscheidung führte die Erstbehörde aus, dass der BF während des gesamten Verfahrens keinerlei glaubhafte Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermochte, welche die Annahme rechtfertigen hätten können, dass der BF mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würde, für den Fall der Rückkehr nach Armenien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Die Erstbehörde hat es jedoch unterlassen bezüglich einer Existenzgrundlage für den BF1 und dessen Familie konkrete Ausführungen zu machen. Der Hinweis darauf, dass es sich bei dem BF1 um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, reicht nach Auffassung des Asylgerichtshofes nicht aus, zumal die BF in ihren Einvernahmen angegeben haben, dass sie ihre Wohnung gleichsam als Schlepperlohn überschrieben haben und auch die meisten Verwandten bereits das Land verlassen haben. Die Erstbehörde hat auch keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob die BF bei ihrer Heimkehr auf eventuell verbliebene Verwandte oder auch auf die Unterstützung von NGO¿s oder karitativen Hilfsorganisationen zählen können. Die Erstbehörde wird sich daher umfassend mit dem Vorliegen einer eventuell vorliegenden Existenzgrundlage für die BF zu beschäftigen haben und Ermittlungen und Erhebungen in Form von Einvernahmen und Länderfeststellungen zu treffen haben.

 

Die BF2 hat in ihrer Einvernahme angegeben, dass ihr Sohn (BF3) vermutlich aufgrund der Diskriminierungen unter psychischen Problemen leide und deswegen wiederholt in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Die Erstbehörde wird im Zuge der Einvernahmen auch den aktuellen Gesundheitszustand des BF3 zu eruieren haben und bei Hinweisen auf Vorliegen von aktuellen psychischen Störungen ein eventuelles ärztliches Gutachten einzuholen haben bzw. bei Nichtvorliegen einer solchen psychischen Erkrankung ein Abschiebungshindernis dezidiert ausschließen zu können.

 

Bei der Entscheidung über die Ausweisung der BF hat die Erstbehörde zwar - unter Zitierung von EGMR-Judikatur- richtigerweise keinen Eingriff in das Familieleben der BF angenommen, da die gesamte Familie von der aufenthaltsbeendenen Maßnahme betroffen sei und so lediglich in das Privatleben der einzelnen Familienmitglieder eingegriffen werden. Die Erstbehörde kam letztlich zu dem Ergebnis, dass auch sonst nicht in unzulässiger Weise in das Privatleben der BF eingegriffen werde. Die Erstbehörde lässt jedoch eine Auseinandersetzung mit diesem Eingriff in das Privatleben der BF völlig vermissen und für den Asylgerichtshof ist nicht nachvollziehbar, wie das Bundesasylamt zu diesem Ergebnis gelangen konnte. Bei einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dem Eingriff in das Privatleben der BF wird die Erstbehörde klar darzulegen haben, von welchen Überlegungen sie ausgeht und welche Schlüsse daraus nachvollziehbarer Weise gezogen werden, um einen Eingriff in das Privatleben der BF zu rechtfertigen.

 

Diese lapidare Beweiswürdigung ist in Anbetracht des umfangreichen Vorbringens der Berufungswerber keinesfalls ausreichend. Das Bundesasylamt hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob das Vorbringen des Berufungswerbers - welches er im Rahmen von vier Einvernahmen erstattete - in sich schlüssig (auch in Bezug auf vorliegendes Ländermaterial) ist oder welche Widersprüche (zwischen bzw. innerhalb der einzelnen Einvernahmen) konkret bestehen. Zur Frage, ob die vom Berufungswerber geschilderten Erlebnisse stattgefunden haben oder nicht und auf welche Grundlagen die Erstbehörde ihre Entscheidung stützt, finden sich keinerlei Feststellungen, was jedoch eine unabdingbare Voraussetzung für die Prüfung einer allfälligen Verfolgungsgefahr ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner jüngsten Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl.: 2003/20/0389). Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens der Erstbehörde - fehlende Feststellungen, qualifiziert mangelhafte Beweiswürdigung zur persönlichen Unglaubwürdigkeit, mangelnde Würdigung von Beweismitteln - hat die Erstbehörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da das Bundesasylamt dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

 

Aus Sicht der Berufungsbehörde verstößt das Prozedere der Erstbehörde somit gegen die von § 28 AsylG 1997 determinierten Ermittlungspflichten. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

 

Es bedarf jedenfalls im Sinne des § 45 Abs 3 AVG auch einer Konfrontation der Partei mit dem (wie oben aufgezeigt) amtswegig zu ermittelnden Sachverhalt und den diesbezüglichen Beweismitteln. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten die Berufungsbehörde das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062). Durch die oben dargestellte mangelhafte Bescheidbegründung ist dieses Erfordernis aber mit Sicherheit nicht erfüllt.

 

4. Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der Erstbehörde mit den unter Punkt 3 oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, wären demnach durch den Asylgerichtshof zu tätigen, sohin verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten eine Heranziehung des § 66 Abs 3 AVG.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes wird sich das Bundesasylamt beweiswürdigend mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinanderzusetzen haben und es wird klar darzulegen sein, von welchem Sachverhalt aufgrund welcher Erwägungen ausgegangen wird.

 

5. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten mangelhaften Verfahrensschritte zu verbessern und insbesondere eine schlüssige Beurteilung des Sachverhaltes auf Basis einer ergänzenden Einvernahme sowie Beischaffung der angeregten Beweismittel vorzunehmen haben.

 

Auch wird die Erstbehörde im neuerlichen Verfahrensgang die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zu berücksichtigen und würdigen zu haben.

 

6. Da der Bescheid des BF1 gemäß § 66 Abs. 2 AVG zu beheben war, können auch die die Familienangehörigen des BF1 (Ehegattin BF2, 2 Kinder BF3 und BF4) betreffenden angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 erhalten nämlich alle Familienangehörigen denselben Schutzumfang, weshalb die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren inhaltlich von den Entscheidungen im Verfahren des BF1 zu seinen Familienangehörigen abhängig ist und umgekehrt. Um die von § 34 Abs. 4 AsylG 2005 geforderte einheitliche Entscheidung hinsichtlich sämtlicher Familienangehörigen sicherzustellen, waren auch diese Bescheide der Familienangehörigen des BF1 gemäß § 66 Abs. 2 AVG (iVm § 34 Abs. 4 AsylG 2005) zu beheben.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
07.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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