TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/27 S13 402096-1/2008

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Veröffentlicht am 27.10.2008
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Spruch

S13 402.096-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kirschbaum als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.J., geb. 00.00.1983, StA. Afghanistan, p.A. European Homecare, Betreuungsstelle Traiskirchen, Otto-Glöckel-Str. 24, 2514 Traiskirchen, gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 03.10.2008, FZ.08 03.722-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verwaltungsverfahren und Sachverhalt

 

Verfahren vor dem Bundesasylamt

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste zusammen mit seinen Eltern und seinem minderjährige Bruder am 26.04.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Es erfolgte eine Eurodac-Anfrage, welche ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 14.02.2008 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (AS 9). Des Weiteren wurde eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi durchgeführt, im Zuge derer der Beschwerdeführer auch mit dem Ergebnis der Eurodac-Abfrage konfrontiert wurde.

 

Am 29.04.2008 stellte das Bundesasylamt eine Standard-Anfrage gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an die griechischen Behörden (AS 29). Die griechischen Behörden beantworteten die Anfrage nicht.

 

Am 05.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen und dass zu diesem Zwecke seit dem 29.04.2008 Konsultationen mit Griechenland gemäß der Dublin II-VO geführt werden.

 

Am 10.06.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit seiner Rechtsberaterin sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Farsi einvernommen. Im Zuge der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass Griechenland sich durch Untätigkeit (in Bezug auf die Anfrage) für zuständig erklärt habe (AS 73).

 

Mit Bescheid vom 03.10.2008, FZ. 0803.723-EAST-Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück (in der Folge: angefochtener Bescheid).

 

Im angefochtenen Bescheid weist das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) der Dublin II-VO Griechenland für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (I.). Der Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und demzufolge festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist (II.).

 

Beschwerde

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 17.10.2008 Beschwerde beim Bundesasylamt erhoben. Die Beschwerde langte am 22.10.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

In der Beschwerdeschrift bringt der Beschwerdeführer vor, dass der angefochtene Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts rechtswidrig sei.

 

Er wendet sich dabei insbesondere dagegen, dass das Bundesasylamt verkannt habe, dass eine nach Griechenland eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK berge, da er dort einer unmenschlichen Behandlung, v.a. in Bezug auf die Grundversorgung und den Zugang zu einem fairen Asylverfahren, erfahren würde.

 

Beweismittel

 

Als Beweismittel hat der Asylgerichtshof das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung am 26.04.2008 und in der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 10.06.2008 und weitere Beweismittel verwendet.

 

Parteivorbringen des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer hat in Bezug auf den entscheidungsrelevanten

Sachverhalt folgendes vorgetragen:

 

1. In der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen

Folgendes vorgebracht:

 

Der Beschwerdeführer er habe sein Heimatland am 07.11.2008 verlassen und sei über den Iran in die Türkei eingereist.

 

Von dort sei er nach einigen Monaten mit einem kleinen Boot ca. 3 Stunden nach Griechenland gerudert. Das Boot habe ein Leck gehabt, aber der Beschwerdeführer und seine Familie seien ca. 25 Minuten von der griechischen Küste entfernt von der griechischen Polizei gerettet worden.

 

Die griechische Polizei habe die Familie in ein Flüchtlingslager gebracht, wo man ihnen Fingerabdrücke abgenommen habe. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt. Nach einem Tag habe die Polizei ihnen ein Ticket nach Athen gegeben uns sie seien ca. 12 Stunden später per Schiff dort angekommen. Von den Behörden dort hätten sie keinerlei Unterstützung mehr bekommen und von den nach den Kosten der Flucht übriggebliebenen Ersparnissen gelebt.

 

Am 23.04.2008 reisten der Beschwerdeführer und seine Familie nach Patras, die Fahrt dorthin habe 18 Std. gedauert. Von dort aus seien sie mit einem Schlepper per Lkw nach Rom gekommen. Nach zwei Tagen habe man sich ein Ticket nach Österreich gekauft, wo sie am nächsten Morgen angekommen seien.

 

Zu Gründen befragt, die einer Rückführung nach Griechenland widersprechen könnten, hat der Beschwerdeführer ausgesagt, dass er dort nicht um Asyl angesucht habe. Die Fingerabdrücke seien ihm mit Zwang abgenommen worden und es sei ihnen verständlich gemacht worden, dass sie das Land zu verlassen haben. Er habe dort nicht bleiben wollen, sondern eigentlich immer schon nach Österreich gewollt. Er möchte jedenfalls nicht mehr "dorthin" (Griechenland).

 

2. In der ersten Einvernahme hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

Auf die Frage nach persönlichen Gründen, die einer Ausweisung nach Griechenland entgegenstehen, antwortete der Beschwerdeführer, dass es dort "für Flüchtlinge keine Möglichkeiten" gebe. Alle würden von dort weggehen. Die Familie habe kein Geld mehr gehabt, um in Griechenland zu bleiben. Sie seien gezwungen gewesen, in einer Kirche um Essen zu bitten. Mit seiner kranken Mutter sei er eine Woche lang versucht, einen Arzt aufzusuchen, aber entweder sei der Arzt nicht da gewesen oder es habe keinen Dolmetscher gegeben.

 

Einen Asylantrag in Griechenland habe er nicht gestellt, da die Leute, die einen Asylantrag gestellt hätten, weder eine Arbeit hatten noch versichert waren. Es werde einem nur ein Dokument ausgestellt, aber sonst werde man allein gelassen.

 

Die ersten zwei Nächte habe man im Freien übernachtet und unter einer Brück geschlafen. Als die Familie von dort von der griechischen Polizei weggewiesen wurde, habe man in einem halb zerstörten Haus geschlafen.

 

Auf Vorhalt, die Mutter habe angegeben, sie hätten die ersten sieben Nächte in einer teuren Unterkunft gelebt, hat der Beschwerdeführer diesen Sachverhalt bestätigt. Er habe insofern nicht gelogen, aber könne "nicht sagen, was das ist."

 

Nach Vorlage kritischer Berichte über die Situation von Asylwerbern in Griechenland (Petition von "Pro Asy" an den deutschen Bundestag, Empfehlung des UNHCR, keine Flüchtlinge nach Griechenland abzuschieben sowie ein Urteil des deutschen Verwaltungsgerichts Gießen, das die Überstellung nach Griechenland für unzulässig erklärt) durch seinen Rechtsberater, beantragt der Beschwerdeführer die Zulassung zum Verfahren in Österreich aufgrund dieser Berichte.

 

3. In der Beschwerdeschrift hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen wie folgt ergänzt bzw. geändert:

 

Im Flüchtlingslager, in das sie nach ihrer Landung in Griechenland gebracht worden seien, habe man ihnen gleich am nächsten Tag zusammen mit dem Ticket nach Athen eine Ausweisung überreicht, welche die Verpflichtung enthielt, innerhalb von 30 Tagen das Land zu verlassen.

 

In Athen habe man zunächst für eine Woche in einer Pension gewohnt. Danach habe man keine Geldmittel mehr gehabt, weswegen man zunächst auf der Straße und später in einem verfallenen Haus gewohnt habe.

 

Zum Nachweis der Situation von Asylwerbern in Griechenland legt der Beschwerdeführer verschiedene kritische Berichte vor bzw. verweist auf deren Fundstellen (u.a. Antifolter-Komitee des Europarates, Jahresbericht von Amnesty International, Bericht des Norwegischen Helsinki Komitees, UNHCR-Positionspapier, Informationen einer Rechtsanwältin des "griechischen Anwaltsvereins für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten", Interview mit dem griechischen Vertreter des UNHCR, European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Norwegische Berufungsinstanz für Immigration, Urteile mehrerer deutscher Verwaltungsgerichte, Gemeinsamer Bericht der Organisationen Pro Asyl - Group of Lawyers fort he Rights of Refugees and Migrants ua. und schließlich einem Radiobericht von Ö1 sowie einem Artikel aus der "Presse").

 

Der Beschwerdeführer verweist weiters darauf, dass Griechenland vom EuGH wegen Missachtung der Dublin II-VO eingeleitet habe.

 

Weitere Beweismittel

 

1. Die Eurodac-Abfrage vom 26.04.2008 ergab, dass der Beschwerdeführer am 14.02.2008 in Mytilini (Griechenland) einen Antrag auf Asyl gestellt hatte.

 

2. Dem Bericht des Antifolterkommitees des Europarates vom 08.02.2008, der sich auf eine Untersuchung im Zeitraum von 20. bis 27.02.2007 bezieht, und dem Jahresbericht von Amnesty International vom 28.05.2008 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass nach Ansicht dieser Organisationen keine Besserungen in Bezug auf das Risiko in griechischem Gefängnissen misshandelt zu werden , eingetreten sind.

 

3. Dem Bericht des Norwegischen Helsinki Komitees vom 09.04.2008, dem UNHCR-Positionspapier vom 15.04.2008, dem Petitions-Ansuchen von Pro Asyl an den deutschen Bundestag und den darin zitierten zahlreichen sonstigen Quellen sowie dem Bericht des ECRE sind zu entnehmen, dass nach Ansicht dieser Organisationen die griechischen Asylbehörden mit der jüngsten Flut von Asylwerbern aufgrund der Randlage innerhalb der Dublin II-VO-Staaten mit der Behandlung von Asylanträgen und der Grundversorgung (Wohnen, Nahrung, medizinische Versorgung) von Asylwerbern überfordert sind.

 

4. Dem UNHCR-Pressespiegel vom August 2008 ist zu entnehmen, dass seiner Auskunft nach die Norwegische Berufungsinstanz für Immigration, anders als die norwegischen Immigrationsbehörden, weiterhin an der Nicht-Ausweisung nach Griechenland festhalten.

 

5. Verschiedenen Urteilen deutscher Verwaltungsgerichte vom 23.09.2008 (Anbach), vom 20.08.2008 (Hamburg), vom 24.07.2008 (Weimar), vom 23.07.2008 (Oldenburg), vom 08.07.2008 (Karlruhe) ist zu entnehmen, dass diese Gerichte der Rechtsansicht sind, dass eine Rückführung von Asylwerbern nach Griechenland rechtswidrig wäre.

 

6. Einem Bericht der "Presse" vom 02.10.2008 ist zu entnehmen, dass nach Informationen dieser Zeitung, die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" ihren humanitären Einsatz für Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos wegen der ihrer Ansicht nach menschenunwürdigen Bedingungen abgebrochen hat.

 

7. Einem Bericht der Presse-Agentur "reuters" vom 10.10.2008 ist zu entnehmen, dass der örtliche Repräsentant des UNHCR in Griechenland die Meinung vertritt, dass das Asylverfahren in Griechenland aufgrund der Überforderung der Behörden nicht dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht. Seiner Ansicht nach sei u. a. aus der extrem niedrigen Anerkennungsquote zu schließen, dass die Asylanträge "automatisch zurückgewiesen werden".

 

Sachverhalt nach Beweiswürdigung

 

Nach Würdigung des Beschwerdeführervorbringens und der sonstigen Beweismittel stellt sich dem Asylgerichtshof folgender Sachverhalt dar:

 

Der Beschwerdeführer ist vor seiner Einreise nach Österreich aus einem Drittland kommend zunächst nach Griechenland eingereist, wo er nach der Landung erkennungsdienstliche behandelt wurde und einen Asylantrag gestellt hat. Die griechischen Behörden haben ihm einen Ausweisungsverfügung ausgefolgt und ihm angeraten, nach Athen zu reisen. Dort hat er sich auf eigene Kosten zunächst in einer Pension aufgehalten und später auf der Straße gelebt. Nahrungsmittel hat er von einer wohltätigen Organisation (Kirche) erhalten. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus der Eurodac-Abfrage und aus dem insoweit glaubwürdigen und als solchen im angefochtenen Bescheid auch nicht in Frage gestellten Vorbringen des Beschwerdeführers.

 

Es bestehen mehrere Hinweise darauf, dass in Griechenland für Asylwerber möglicherweise keine ausreichende Grundversorgung und kein ungehinderter Zugang zu einem fairen Asylverfahren bestehen. Die unter 3.2. zu 2. bis 7. genannten weiteren Beweismittel bieten derartige Hinweise.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Rechtlicher Rahmen

 

Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 (im Folgenden: AsylG), ist die geltende Fassung mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten. Es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren ist seit 29.07.2008 anhängig; es ist daher nach der geltenden Fassung zu beurteilen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 01.10.2007, G 179, 180/07 klargestellt, dass die Durchführung einer Ausweisung, wenn sie aus in der Person des Asylwerbers liegenden Gründen, die nicht von Dauer sind, Art. 3 EMRK verletzen würde, für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Er hat weiters festgestellt, dass derartige Hinderungsgründe jedenfalls dann nicht mehr als "vorübergehend" im Sinne des § 10 Abs. 3 AsylG anzusehen sind, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Asylbehörde bereits absehbar ist, dass diese Gründe innerhalb der Überstellungsfrist nach Art. 19 bzw. 20 der Verordnung Nr. 343/2003 Dublin II-VO (sechs Monate) nicht wegfallen werden. In einem solchen Fall sei daher von der Zurückweisung nach § 5 AsylG Abstand zu nehmen und - nach Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO - das Asylverfahren zuzulassen.

 

Gemäß § 41 Abs. 3 AsylG ist in einem Verfahren über eine Berufung gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung § 66 Abs. 2 AVG nicht anzuwenden. Ist der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamts im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Berufung gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Zulässigkeit der Beschwerde und Verfahren vor dem Asylgerichtshof

 

Der Beschwerde fristgerecht beim Asylgerichtshof eingebracht worden und es bestehen keine Bedenken gegen ihre Zulässigkeit.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte im Verfahren vor dem Asylgerichtshof von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückweisung an das Bundesasylamt

 

Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 41 Abs 3 AsylG zu beheben und an das Bundesasylamt zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurückzuweisen.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt nämlich keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen im Hinblick auf die Situation von Asylwerbern, insbesondere was die Grundversorgung und den Zugang zu einem fairen Asylverfahren betrifft und insofern die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK und die daraus möglicherweise resultierende Pflicht zum Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht ausreichend würdigen können.

 

Das Bundesasylamt hat sich nämlich im angefochtenen Bescheid zwar auf zahlreiche allgemein zugängliche Quellen gestützt, um nachzuweisen, dass sowohl die Grundversorgung der Asylwerber also auch der Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Griechenland gegeben ist.

 

Das Bundesasylamt hat nach Ansicht des Asylgerichtshofes bei der Würdigung der Quellen jedoch nicht auf sämtliche ihm zugängliche Quellen, und insbesondere solche, die der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, gestützt und damit den Sachverhalt nicht ausreichend erhoben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in maßgeblichen Punkten mit Informationen aus den vom Bundesasylamt nicht berücksichtigten Quellen übereinstimmt (zB. Verschickung nach Athen ohne weitere Hilfestellung in Bezug auf die Grundversorgung und das weitere Asylverfahren)

 

Ausdrücklich nur beispielhaft weist der Asylgerichtshof darauf in, dass sich das Bundesasylamt zB. in weitem Maße darauf gestützt, dass Griechenland seinen Pflichten zur Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien im Flüchtlingsbereich nachgekommen sei, ohne hinreichend zu prüfen, ob die praktische Anwendung seiner Gesetze ebenfalls gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang wäre zB. zu beachten gewesen, dass die Kommission beim EuGH zZt gegen Griechenland vor dem EuGH eine Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoß gegen die Dublin II-VO (Rs C-130/08) führt, indem es im Wesentlichen darum geht, dass Griechenland es in bestimmten Situationen Flüchtlingen, die das Land nach einer Antragstellung verlassen schwer bis praktisch unmöglich machen, ihr Asylverfahren nach der Rückführung weiter zu betreiben.

 

Das Bundesasylamt hat sicher weiters zB schwerpunktmäßig auf einen Bericht der schwedischen Migrationsbehörde vom 07.05.2008 gestützt, der sich auf eine Studie von 26 aus Schweden nach Griechenland rückgeführten Asylwerber-Fällen stützt. Diesem Bericht stehen jedoch möglicherweise andere, zB die im Petitionsgesuch von Pro Asyl erwähnten Fallstudien, entgegen.

 

Schließlich hat das Bundesasylamt es zB auch unterlassen, neueste Presseberichten oder der jüngeren Judikatur von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Dublin II-VO einer ausreichenden Würdigung zu unterziehen.

Schlagworte
gesundheitliche Beeinträchtigung, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Rechtsschutzstandard
Zuletzt aktualisiert am
06.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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