TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/06 S2 402234-1/2008

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Veröffentlicht am 06.11.2008
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Spruch

S2 402.234-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer- Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde von G. alias I.R. alias Z., geb. 00.00.1970 alias 00.00.1978, StA: Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2008, Zahl 08 07.084-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm 10 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. 1. Die Beschwerdeführerin mit der Staatsangehörigkeit Eritrea, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 11.08.2008 im Wachlokal der AGM-Kontrollgruppe Kufstein den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Hinsichtlich der Beschwerdeführerin scheint ein EURODAC-Treffer für Italien vom 15.07.2008 auf (AS 61).

 

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.08.2008 gab sie an, sie sei Staatangehörige von Eritrea. Sie habe ihre Heimat vor etwa sechs Monaten zu Fuß in Richtung Sudan verlassen. Sechs Monate habe sie sich in K. aufgehalten bis sie einen Araber kennengelernt habe, welcher eine Ausreise aus dem Sudan organisiert habe. Sie sei in ein ihr unbekanntes Land geflogen, wobei ihre Cousine, welche sie in K. in einem Teehaus zufällig getroffen hätte, auch mitgeflogen sei. Von dem unbekannten Land aus seien sie zehn Stunden mit dem Zug gefahren. Sie seien sodann von der Polizei kontrolliert worden und hätten drei Tage im Gefängnis verbringen müssen. Anschließend habe sie die Polizei "hierher" gebracht (AS 67 ff).

 

Das Bundesasylamt leitete am 14.08.2008 ein auf Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO gestütztes dringliches Aufnahmeverfahren mit Italien ein (AS 93f), das diesbezügliche Aufnahmeersuchen blieb indes - jedenfalls bis 16.09.2008 - unbeantwortet.. Am 16.09.2008 wurde Italien von der Erstbehörde mitgeteilt, dass Italien wegen Verfristung gemäß Art. 18.7 und Art. 20.1.c der Dublin II-VO für gegenständliches Verfahren zuständig sei (AS 147).

 

Mit Schreiben vom 23.09.2008 stimmte Italien - verspätet - ausdrücklich dem Aufnahmeersuchen auf Grundlage des Art 10 Abs. 1 Dublin II-VO zu (AS 201).

 

Mit Schreiben vom 14.08.2008, übernommen von der Beschwerdeführerin am 18.08.2008, wurde ihr gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 14.08.2008 Konsultationen mit Italien geführt würden (AS 115/117).

 

Im Verlauf einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.09.2008 (AS 189 ff) bestätigte die Beschwerdeführerin zunächst die Angaben aus der Erstbefragung und machte ergänzend zusammengefasst folgende Angaben: Sie wisse nicht, ob sie in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Sie sei in so vielen Ländern gewesen. Zu dem Vorhalt, ihre Ausweisung nach Italien zu veranlassen, wollte die Beschwerdeführerin nichts angeben. Als Fluchtgrund gab sie an, sie sei Soldatin in Eritrea gewesen. Es sei dort sehr vieles vorgefallen in dieser Zeit. Sie sei auch im Gefängnis gewesen. Aus diesen Gründen habe sie dann Eritrea verlassen.

 

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: "Dublin II-VO"), Italien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen, und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Italien zulässig sei.

 

Begründend wurde hervorgehoben, dass in Italien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang, nicht eintreten werde. Auch aus Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen ließe sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Italien keinesfalls erkennen. Der Bescheid enthält eine ausführliche Darstellung zur Lage in Italien, zum Asylverfahren sowie zur Versorgung von Asylwerbern.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, die samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt am 30.10.2008 beim Asylgerichtshof einlangte. Darin wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführerin in Italien unmenschliche Behandlung drohe. Wie das Bundesasylamt selbst festgestellt habe, würden in den Aufnahmezentren unmenschliche Lebensumstände herrschen und würden gefährdete Gruppen wie unbegleitete Minderjährige, Frauen und insbesondere auch die große Anzahl psychisch Labiler nicht adäquat behandelt. Die Beschwerdeführerin sei in Begleitung ihrer Cousine nach Europa gekommen und sie seien beide auf Grund ihrer traumatischen Erlebnisse als Soldatinnen und auf Grund der Flucht psychisch schwer beeinträchtigt. Ferner sei ihnen nicht bekannt, dass sie in Italien gewesen wären. Nach ihrer Ankunft in Europa seien sie kurz in einer Einrichtung, offenbar einem Flüchtlingscamp, gewesen. Dort seien sie Zeuginnen von Kämpfen zwischen Äthiopiern und Eritreern gewesen. Die Leute hätten sich gegenseitig geschlagen und verletzt, sie hätten "Blut fließen" sehen. Dies hätte für sie bedeutet, dass sie noch nicht in Sicherheit gewesen wären und deshalb seien sie weiter geflohen.

 

Die Beschwerdeführerin brachte ferner vor, ein Gespräch mit einer psychiatrischen Ärztin gehabt zu haben, welches offenbar nicht protokolliert worden sei und somit nicht berücksichtigt worden sei. Die Ärztin habe ihr auch zugesagt, dass sie und ihre Cousine aufgrund der psychischen Probleme von Österreich akzeptiert würden.

 

Dem Schriftsatz ist ein Bericht von PRO ASYL, in dem auf die schlechte Behandlung von Flüchtlingen in Süditalien hingewiesen wird, angeschlossen

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Die Beschwerdeführerin reiste in die EU illegal über Italien mit ihrer Verwandten H.S. - wobei nicht festgestellt werden kann, ob es sich dabei um ihre Nichte oder Cousine handelt - ein und wurde dort am 15.07.2008 fremdenpolizeilich behandelt. Von dort reiste sie illegal in das österreichische Bundesgebiet weiter, wo sie am 11.08.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Verwandte der Beschwerdeführerin hält sich ebenfalls als Asylwerberin im österreichischen Bundesgebiet auf.

 

Das auf Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO gestützten Aufnahmeersuchen Österreichs an Italien vom 14.08.2008 blieb jedenfalls bis 16.09.2008 unbeantwortet (ihm wurde dann verspätet am 23.09.2008 auf Grundlage des Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zugestimmt).

 

2. Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführerin und ihren persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin iZm der Information der Polizeiinspektion Kufstein, dass die Beschwerdeführerin mit dem Zug aus Italien kommend eingereist sei und ferner aus der EURODAC Information, dass die Beschwerdeführerin in Italien fremdenpolizeilich behandelt wurde.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach diesem Zeitpunkt gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.

 

3.2. Zur Frage der Zuständigkeit eines anderen Staates (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

a) Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

 

Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

 

Art. 18 lautet (soweit entscheidungswesentlich):

 

"(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde.

 

......

 

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Art 17 Abs 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedsaat alle Anstrengungen, um sich an die vorgegebene Frist zu halten. [...] in jedem Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. [...]

 

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

 

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin aus einem Drittstaat kommend illegal die Grenze Italiens überschritten hat, wo sie am 15.07.2008 fremdenpolizeilich behandelt wurde, sie von dort weiter nach Österreich gereist ist, und sie auch keine "Familienangehörigen" (iSd Art 7 iVm Art 2 lit i Dublin II-VO) in Österreich hat, kommt nach der Rangfolge der Kriterien der Dublin II-VO deren Art 10 Abs. 1 als zuständigkeitsbegründende Norm in Betracht. Durch die Verfristung bei der Beantwortung des entsprechenden österreichischen dringlichen Aufnahmeersuchens durch Italien ist vom Eintritt der Zustimmungsfiktion durch Italien auszugehen.

 

Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist im Übrigen im Verfahren nicht bestritten worden.

 

b) Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II-VO).

 

aa) Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK: Es leben (mit Ausnahme der Verwandten H.S., deren Asylverfahren unter einem geführt wird) keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in Österreich. Sonst liegen keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11). Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.

 

bb) Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK: Die Beschwerdeführerin erstattete während des erstinstanzlichen Verfahrens kein Vorbringen in Bezug auf eine mögliche Unzulässigkeit ihrer Verbringung nach Italien. Erstmals in der Beschwerde führte sie aus, dass ihr unmenschliche Behandlung in Italien drohe. Ferner brachte sie nunmehr vor, "Kämpfe" zwischen Äthiopiern und Eritreern beobachtet zu haben, bei denen Blut geflossen sei.

 

Diesen sehr vagen Angaben ist zu entgegnen, dass - abgesehen davon, dass es sich um eine unzulässige Neuerung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof handelt (§ 40 AsylG) - nicht nachvollziehbar ist, inwiefern die Beschwerdeführerin von diesen Auseinandersetzungen selbst im Falle einer aktuellen Rückkehr bedroht sein sollte, dh inwiefern ihr persönlich ein "real risk" für den Fall der Überstellung nach Italien iSd Art. 3 EMRK drohe.

 

Zu den in der Beschwerde vorgebrachten psychischen Problemen ist anzumerken, dass sich aus dem erstinstanzlichen Verfahren kein Hinweis darauf ergibt, dass die Beschwerdeführerin an einer psychischen Krankheit leide, weswegen die Notwendigkeit der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens nicht erkennbar ist. Das Vorbringen, die Ärztin habe ihr mitgeteilt, Österreich würde sie und ihre Verwandte akzeptieren, ist für den Gerichtshof in keinster Weise nachvollziehbar, da eine solche Entscheidung nur von den Asylbehörden getroffen werden kann.

 

Zu dem Vorbringen, es würden in den Aufnahmezentren unmenschliche Lebensumstände herrschen und es würden gefährdete Gruppen wie unbegleitete Minderjährige, Frauen und insbesondere auch die große Anzahl psychisch Labiler nicht adäquat behandelt, sind die vorangehenden Feststellungen der Erstbehörde entgegenzuhalten, aus denen hervorgeht, dass Asylwerber in Italien vollen Zugang zum nationalen Gesundheitssystem haben, sowie dass in Aufnahmezentren spezielle Einrichtungen für Personen mit speziellen Bedürfnissen vorhanden sein müssen.

 

Auch der Hinweis darauf, dass Flüchtlinge in Italien nicht gut behandelt werden, reicht in dieser Allgemeinheit nicht aus, ein "real risk" der Beschwerdeführerin für den Fall ihrer Überstellung nach Italien aufzuzeigen.

 

Zusammengefasst stellt daher eine strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien kein Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.

 

3.3. Zur Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Italien (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Zu diesem Spruchpunkt sind im Beschwerdefall keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, zumal weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführerin über - das erwähnte Familienmitglied hinausgehende - Verwandte in Österreich verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG zu sehen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, medizinische Versorgung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
13.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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