TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/10 B3 248624-0/2008

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Veröffentlicht am 10.11.2008
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Spruch

B3 248624-0/2008/15E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von K.M., geboren am 00.00.1960, iranische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. März 2003, Zahl: 03 23.135-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20. April 2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und K.M. gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BG BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wird festgestellt, dass K.M. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 1. August 2003 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchteil I.) und erklärte gemäß § 8 AsylG ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Islamische Republik Iran für zulässig (Spruchteil II.).

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, die nunmehr als Beschwerde zu werten ist (vgl. dazu weiter unten). Am 20. April 2008 führte die Rechtsmittelbehörde in der Sache der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde die Beschwerdeführerin ergänzend einvernommen. Weiters wurden die Berichte des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 22. Dezember 2004 und vom 18. März 2008, die ACCORD - Anfragebeantwortung vom 15. Februar 2007 "Iran:

Studentendemonstrationen in Teheran am 7. Juli 2003; gewaltsamer Aufstand der Bevölkerung in Fardis-Karadj am 26. Juni 2003; Name des Arbeitsministers und seines Stellvertreters im Jahr 2003", Zahl:

a-5305, der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Iran Update" vom 2. August 2006 und eine Anfragebeantwortung von amnesty international an das Verwaltungsgericht Köln vom 29. Mai 2007 "Verwaltungsstreitsache einer iranischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit", Zahl: MDE 13-06.022, verlesen und erörtert.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur hier relevanten Situation in der Islamischen Republik Iran (Auszug aus dem Bericht des [dt.] Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 18. März 2008, S 11f, 15, 17, 22f, 29):

 

"Eine nach außen wirksame aktive politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird strafrechtlich strikt verfolgt. Als Begründung werden dabei herangezogen die Artikel 183 bis 196 des iranischen Strafgesetzbuchs (iStGB) betreffend die Bestrafung wegen "Feindschaft gegen Gott" ("Mohareb") und "Korruption (Verderben schaffen) auf Erden" ("Mofzed bil Arz").

 

Gemäß Art. 183 iStGB ist ein "Feind Gottes" (Mohareb) jeder, der bewaffnet und in öffentlichkeitswirksamer Weise Angst und Schrecken bei den Menschen verbreitet und sie ihrer Freiheit und Sicherheit beraubt.

 

Gemäß Art. 186 iStGB sind Mitglieder und Unterstützer einer Organisation, die bewaffnet

 

gegen die iranische Regierung kämpft, "Feinde Gottes", selbst wenn sie nicht im militärischen

 

Zweig der Gruppe mitarbeiten.

 

Gemäß Art. 190 iStGB werden "Feinde Gottes" oder Personen, die sich der "Korruption auf Erden" schuldig gemacht haben, mit Körperstrafe oder dem Tod bestraft.

 

Auch einige zu den "Staatsschutzdelikten" zählende Straftatbestände (insbesondere Artikel 498 bis 515 iStGB) sehen z.T. harte Strafen für gegen das Regime gerichtete Aktivitäten vor, die bei Vorliegen der genannten Erschwerungsgründe ("Mofzed bil Arz" oder "Mohareb") bis zur Todesstrafe reichen. Hervorzuheben sind dabei Art. 513 und 514 iStGB, die die Beleidigung des Islam, des Propheten bzw. der Revolutionsführer Khomeini und Khamenei unter Haftstrafe und - falls der Tatbestand der Blasphemie ("Sab-on-Nabi") vorliegt - unter Todesstrafe stellen.

 

Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches - insbesondere das Prinzip der "Herrschaft des Rechtsgelehrten" - richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können wegen Spionage belangt werden. Grundlage für eine Strafverfolgung sind die Artikel 502, 503 und 505 iStGB in der Fassung vom 09.07.1996. Die Strafen liegen zwischen einem und zehn Jahren Freiheitsentzug, es sei denn, der Beschuldigte ist "mohareb" (Kämpfer gegen Gott); in einem solchen Fall ist auch die Todesstrafe möglich.

 

Laut Meldung der Agentur ISNA hat Informationsminister Gholam Hossein Ejeie am 10. April 2007 öffentlich die Frauen- und die Studentenbewegung als Teil dieser Auslandsverschwörung bezeichnet. Es besteht derzeit die Tendenz, jegliche Tätigkeit für die Zivilgesellschaft zu kriminalisieren; allein der Kontakt mit dem Ausland kann im Einzelfall zu Repressionen führen. Auch wurden das iranische Jahr März 2007 bis März 2008 zum "Jahr der nationalen Einheit und islamischen Solidarität" erklärt und vor diesem Hintergrund divergierende Strömungen vor allem publizistisch marginalisiert.

 

Im Zuge verschiedener Kundgebungen zum internationalen Frauentag am 08.03.2007 sowie der Kampagne "One Million Signatures Demanding Changes to Discriminatory Laws" wurden Journalistinnen und Frauenrechtsaktivistinnen verhaftet und vom Teheraner Revolutionsgericht wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

 

Die Situation für Menschenrechtsaktivisten hat sich zusehends verschlechtert. Seit dem Amtsantritt Ahmadinejads und insbesondere seit Frühjahr 2007 häufen und verschärfen sich staatliche Interventionen, beginnend bei Einschüchterungen bis hin zu Verhaftungen und Haftstrafen. Aktivisten und Journalisten werden zunehmend daran gehindert, zu Seminaren und Konferenzen ins Ausland zu reisen. In der ersten Jahreshälfte 2007 wurden mindestens drei Büros von Nichtregierungsorganisationen von den iranischen Behörden geschlossen. Der seit geraumer Zeit verfolgte und bereits 2006 schon einmal inhaftierte Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Saleh Kamrani ist im August 2007 erneut verhaftet worden.

 

Die Mitgliedschaft in offiziell verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen, die sich auf die Artikel 498 und 499 iStGB gründen, führen. Zu diesen verbotenen Organisationen zählen vor allem links orientierte - z.B. Mudjahedin-e-Khalq (MEK oder MKO, Volksmudschaheddin), frühere Tudeh-Partei, Fedayin-e-Khalq - und Kurdenparteien (z.B. DPIK, Komalah).

 

[...]

 

Die nach der iranischen Verfassung garantierte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird nur eingeschränkt verwirklicht.

 

Zwei Frauendemonstrationen wurden seit dem Frühjahr 2006 von der Polizei gewaltsam aufgelöst (am Internationalen Frauentag 2006 und am 12. Juni 2006). Als am 04. März 2007 einige der Frauen vor Gericht standen, kam es zu erneuten Demonstrationen, die von Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurden. Zumindest vier Frauen wurden zu Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren verurteilt. Am 14. September 2007 wurden 25 Teilnehmer eines in einem privaten Haus in der Stadt Khoram Abad in der Provinz Lorestan abgehaltenen Workshops über Frauenrechte unter Einsatz von Gewalt festgenommen; drei der Organisatorinnen wurden in Untersuchungshaft überführt.

 

[...]

 

Einzelne [kurdische] Gruppierungen, denen die Regierung separatistische Tendenzen unterstellt, stehen unverändert im Zentrum der Aufmerksamkeit der iranischen Sicherheitskräfte. Hierzu zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). Diese wird von der iranischen Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die vom Irak aus das Regime bekämpft. Es gibt Hinweise, dass die Regierung wieder verschärft gegen diese Organisationen vorgeht. Festnahmen und Verurteilungen mit hohen Gefängnisstrafen (einschließlich der Todesstrafe) gegen angeblich radikale Mitglieder kommen weiterhin vor.

 

[...]

 

Die Strafverfolgungspraxis ist insbesondere in Bezug auf politische Überzeugungen diskriminierend. Dabei werden Beschuldigten bzw. Angeklagten nach westlichem Rechtsverständnis grundlegende Rechte vorenthalten, die teils auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge dürfen beim Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten werden. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, teils weil ihnen das Recht dazu verwehrt wird, teils weil ihnen die finanziellen Mittel hierzu fehlen.

 

Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten, z. B. Spionage für das Ausland, Sexualdelikte, Korruption. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat oft unverhältnismäßig. In mehreren dem Auswärtigen Amt bekannt gewordenen Fällen - insbesondere bei politischen Hintergründen - wurde den Angeklagten der Zugang zu ihren Anwälten über längere Zeit unmöglich gemacht oder erschwert. Mehrere Anwälte, die die Verteidigung regimekritischer Personen übernommen hatten, wurden anschließend selbst mit konstruierten Anklagen konfrontiert und zu Haftstrafen verurteilt.

 

Die derzeit prominentesten Beispiele für die Behinderung von Strafverteidigern sind die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi und der Mitgründer des Zentrums für Menschenrechte Abdolfattah Soltani. Dieser hatte prominente Angeklagte wie den Journalisten Akbar Ganji und die unter ungeklärten Umständen in Haft verstorbene Fotojournalistin Zahra Kazemi vertreten. Sieben der Anwälte, die die Ahwazi-Araber in Zusammenhang mit Bombenanschlägen 2005 verteidigt hatten, wurden vor dem Revolutionsgericht wegen "Handlungen gegen die staatliche Sicherheit" angeklagt, nachdem sie in einem offenen Brief Defizite bei den Verfahren gegen ihre Mandanten geäußert hatten.

 

Daneben kommt es zu zahlreichen weiteren Verstößen gegen Verfahrensrechte. Anwälte werden in einigen Fällen durch Überreichen unvollständiger Gerichtsakten oder durch verspätete bzw. sehr kurze Überlassung der Akten an einer effektiven Verteidigung gehindert. Politische Prozesse finden oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, obwohl die Verhandlungen nach iranischem Recht frei zugänglich sein müssten. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Die Unschuldsvermutung gilt nicht immer. Berufungen werden dadurch erschwert, dass der Angeklagte bzw. sein Anwalt das Protokoll der Hauptverhandlung nicht einsehen können. Teils wird das Recht zur Berufung nicht gewährt.

 

[...]

 

Die meisten Exilgruppen haben ihre Basis in Westeuropa und den USA. Es ist davon auszugehen, dass iranische Stellen die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen genau beobachten. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Iran setzen sich daher solche führenden Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder leitender Funktionsträger) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter im Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückführung mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen.

 

[...]

 

Soweit staatliche Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit und unterschiedslos."

 

1.2. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

 

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und ist eine iranische Staatsbürgerin kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit. Ihre beiden Kinder leben bei ihrem geschiedenen Ehemann in der Islamischen Republik Iran. Sie war eine Sympathisantin der DPIK und übte von 1981 bis 1984 im kurdischen Gebiet eine militärische Funktion bei den Pishmarga (auch Peschmerga) aus. Krankheitsbedingt musste sie sich aus dem kurdischen Gebiet zurückziehen. In den darauffolgenden Jahren wurde sie wegen ihrer Kontakte zur DPIK mehrmals von iranischen Sicherheitsbehörden verhört. Nach ihrer Eheschließung und der Geburten ihrer Kinder war die Beschwerdeführerin politisch zunächst nicht mehr aktiv. Im Jahre 1999 schloss sie sich der Internationalen Organisation zur Verteidigung der Frauenrechte im Iran, die später in "Women¿s Liberation - Iran" umbenannt wurde, an und nahm an Protestsitzungen und Demonstrationen oppositioneller Aktivisten teil. Über ihre beruflichen Tätigkeiten als Modedesignerin bzw. Friseurin konnte sie viele Frauen für diese Bewegung gewinnen. Am 00.00.2003 wurden die Beschwerdeführerin und andere bei der Verteilung von Flugzetteln anlässlich der Studentendemonstrationen gefilmt. Als sie erfuhr, dass deswegen zwei Freundinnen von ihr verhaftet wurden und auch die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin verraten wurden bzw. bereits nach der Beschwerdeführerin behördlich gesucht wurde, wechselte sie zunächst ständig ihren Wohnsitz in Teheran, bis ihr schließlich am 00.00.2003 die Flucht aus der Islamischen Republik Iran gelang.

 

Kurz nach ihrer Einreise in Österreich setzte sie ihre regimekritischen Aktivitäten fort. Sie verfasst Artikel, die von der "Woman¿s Liberation - Iran" veröffentlicht werden und nimmt an zahlreichen Demonstrationen teil, ua. an einer Protestversammlung oppositioneller Aktivisten vor der iranischen Botschaft in Wien bzw. an einer Demonstration am Stephansplatz anlässlich des iranischen Revolutionstages und stellte am internationaler Frauentag einen Informationsstand in einer Wiener Fußgängerzone auf. Ihre Cousine ist in Schweden und zwei Cousins von ihr sind in Deutschland (oppositionell)politisch aktiv. Diese sind jeweils anerkannte Flüchtlinge.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen zur Situation in der Islamischen Republik Iran stützen sich auf die zitierte Quelle, die in der Verhandlung erörtert wurde. Angesichts der Seriosität dieser Quelle und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Überdies stimmen sie mit den Inhalten der anderen, in der Verhandlung erörterten Berichte überein.

 

2.2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihrem glaubwürdigen Vorbringen und ihrer vorgelegten iranischen Geburtsurkunde (AS 11ff).

 

2.2.2. Die Feststellungen zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin basieren auf folgenden Überlegungen: Bei Einbeziehung des persönlichen Eindrucks von der Beschwerdeführerin, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte, ist deren Angaben zu den Geschehnissen in der Islamischen Republik Iran Glaubwürdigkeit zuzubilligen; die diesbezüglichen Angaben erweisen sich als detailreich und stellen sich - vor dem Hintergrund iranischer Verhältnisse - auch als plausibel dar. Zusätzlich werden sie durch die vorgelegte Bestätigung des Komitee der DPIK (OZ 2), den vorgelegten Mitgliedsausweis der "Women¿s Liberation - Iran" (OZ 3) und die vorgelegten Fotos über die exilpolitischen Tätigkeiten (OZ 5, 6 und 8) der Beschwerdeführerin untermauert.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008), ist grundsätzlich das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieses Gericht gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

3.2.2. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

3.3.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

3.3.2. Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag vor dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

3.4.1. Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

3.4.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

3.4.3.1. Schon aufgrund der Ereignisse vor ihrer Ausreise aus der Islamischen Republik Iran hat der Beschwerdeführerin asylrelevante Verfolgung gedroht und droht diese ihr weiterhin, weil sie aufgrund ihrer regimekritischen Aktivitäten ins Blickfeld der iranischen Behörden geraten ist. Durch ihre Ausreise hat sie sich deren Zugriff entzogen. Zusätzlich ist die Beschwerdeführerin wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten, wo sie sich insbesondere führend für die Rechte der Frauen in der Islamischen Republik Iran öffentlichkeitswirksam einsetzt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet, nach einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat staatlicher Verfolgung von hinreichender Intensität ausgesetzt zu sein. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion in der Islamischen Republik Iran das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung besteht (vgl. VwGH 17.9.2003, 99/20/0126, mwN.).

 

3.5. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich die Beschwerdeführerin aus wohlbegründeter Furcht, wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb der Islamischen Republik Iran aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Demonstration, exilpolitische Aktivität, politische Delikte
Zuletzt aktualisiert am
09.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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