TE AsylGH Beschluss 2008/11/11 D5 257324-0/2008

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Veröffentlicht am 11.11.2008
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Spruch

D5 257324-0/2008/8E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde des D. A., geb. 00. 00.1991, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.1.2005, FZ. 04 21.182-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG :

 

I. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger und tschetschenischer Volksgruppenzugehöriger, reiste am 14.10.2004 zusammen seiner "Mutter" (AIS Zl. 04 21.181) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte seine "Mutter" als seine gesetzliche Vertreterin am selben Tag einen Asylantrag. Am 21.10.2004, am 25.10.2004 und am 3.12.2004 fanden die niederschriftlichen Einvernahmen der gesetzlichen Vertreterin vor dem Bundesasylamt statt. Mit Bescheid vom 18.1.2005, Zahl: 04 21.182-BAE, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des minderjährigen Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab (= Spruchteil I.) und erklärte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des minderjährigen Beschwerdeführers in die Russische Föderation für nicht zulässig (= Spruchteil II.); weiters erteilte das Bundesasylamt dem minderjährigen Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3 iVm 15 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 bis zum 31.12.2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (= Spruchteil III.). Gegen Spruchteil I. des o.a. Bescheides erhob der gewillkürte Vertreter der gesetzlichen Vertreterin (der "Mutter") des minderjährigen Beschwerdeführers im Familienverfahren am 2.2.2005 fristgerecht eine (als Berufung eingebrachte) Beschwerde.

 

Am 8.1.2008 reiste Fr. L. (AIS Zl. 08 00.309) in Österreich ein und gab im Zuge ihres eigenen Asylverfahrens an, die leibliche Mutter des minderjährigen Beschwerdeführers zu sein, bei Fr. P. (AIS Zl. 04 21.181) handle es sich hingegen in Wirklichkeit um die Schwester des minderjährigen Beschwerdeführers.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Der (damals unbegleitete) minderjährige Beschwerdeführer hatte zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bzw. der Bescheidzustellung am 19.1.2005 und zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 2.2.2005 seinen Hauptwohnsitz in der GVS Burgenland, in welche er - nach Zulassung seines Asylverfahrens am 4.11.2004 - am selben Tag zugewiesen wurde (siehe Schreiben des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, AS 43 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Da sich nach Zulassung des Verfahrens die örtliche Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers nach dem Bundesland richtet, in dessen Betreuungsstelle der Minderjährige zuerst zugewiesen wird (hier: Burgenland), war der Jugendwohlfahrtsträger der Bezirkhauptmannschaft Neusiedl am See der gesetzliche Vertreter des (damals unbegleiteten) minderjährigen Beschwerdeführers.

 

Als maßgebender Sachverhalt ist festzustellen, dass der Bescheid vom 18.1.2005, Zahl: 04 21.182-BAE, am 19.1.2005 nicht rechtswirksam zugestellt worden ist, zumal die Zustellung nicht an den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger (hier: der Bezirkhauptmannschaft Neusiedl am See) erfolgt ist. Weiters ist festzustellen, dass die Beschwerdeerhebung am 2.2.2005 nicht durch den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger (hier: der Bezirkhauptmannschaft Neusiedl am See) erfolgt ist.

 

Als maßgebender Sachverhalt ist weiters festzuhalten, dass der minderjährige Beschwerdeführer der Sohn der L. (AIS Zl. 08 00.309) ist.

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren des minderjährigen Beschwerdeführers von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge, die ab dem 1.5.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

2.3 Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Berufung ist unzulässig, wenn ein rechtswirksam zugestellter Bescheid nicht vorliegt. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist das Rechtsmittel der Berufung von der Partei einzubringen.

 

Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 obliegt die gesetzliche Vertretung von mündigen minderjährigen Asylwerbern, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, nach Zulassung des Verfahrens dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, dessen Betreuungsstelle der Minderjährige zuerst zugewiesen wird.

 

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist nach Zulassung des Asylverfahrens und nach Zuweisung in eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger iSd § 25 Abs. 2 AsylG der gesetzliche Vertreter des mündigen minderjährigen Asylwerbers. In den erläuternden Bemerkungen zu dieser Gesetzesbestimmung heißt es ausdrücklich: "Die Änderungen im § 25 nehmen darauf Bedacht, dass unbegleitete Minderjährige eine besonders schutzbedürftige Gruppe von Asylwerbern darstellen. Der Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle wird für die Dauer des Zulassungsverfahrens ihr gesetzlicher Vertreter. Nach Zulassung des Verfahrens geht die Zuständigkeit der gesetzlichen Vertretung auf den Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes über, in dessen Vollzugsbereich der Asylwerber erstmals einer Betreuungseinrichtung zugewiesen wird. Es kommt somit - zum Wohle des unbegleiteten Minderjährigen - zu einer Versteinerung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers während der Gesamtdauer des Asylverfahrens." (Hervorhebungen durch die zuständige Richterin)

 

Zur Klarstellung des Gesetzestextes des § 25 Abs. 2 AsylG hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen je vom 9.3.2005, B 1290/04 und B 1477/04, ausgeführt:

 

"Der gesetzliche Vertreter eines mündigen Minderjährigen, dessen Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können (unbegleitete Minderjährige), ist ab Einleitung des Zulassungsverfahrens der Rechtsberater. Seine Vertretungsbefugnis endet, wie der zweite Halbsatz des zweiten Satzes des § 25 Abs. 2 AsylG zeigt, sobald zwei Kriterien erfüllt sind, nämlich dass erstens das Zulassungsverfahren zu Ende ist und dass zweitens der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. So lange eines der beiden Kriterien nicht erfüllt ist, ist der Rechtsberater weiterhin der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen."

 

Wie der Verfassungsgerichtshof in oben genannten Erkenntnissen vom 9.3.2005 ausdrücklich festgehalten hat, müssen beide Kriterien - nämlich die Beendigung des Zulassungsverfahrens sowie die Zuweisung an eine Betreuungseinrichtung eines Bundeslandes - gleichermaßen erfüllt sein, wenn der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger zum gesetzlichen Vertreter des jeweiligen Minderjährigen wird (vgl. auch VwGH v. 12.4.2005, Zl. 2004/01/0460).

 

Im gegenständlichen Fall steht eindeutig fest, dass das Verfahren des (damals unbegleiteten) minderjährigen Berufungswerbers am 4.11.2004 zugelassen und am selben Tag der Betreuungsstelle des Bundeslandes Burgenland zugewiesen worden war. Seit diesem Zeitpunkt war gemäß § 25 Abs. 2 AsylG der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger (hier: der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See) der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Beschwerdeführers bzw. "Partei" des Verfahrens.

 

Die Erhebung einer Berufung setzt zwingend die rechtsgültige Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides an die "Partei" des Verfahrens voraus (vgl. z.B. VwGH vom 30.9.1999, Zl: 99/02/0102). Mangels rechtswirksamer Zustellung am 19.1.2005 an den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger erweist sich die dagegen erhobene Beschwerde vom 2.2.2005 daher als unzulässig. Darüber hinaus hat es dem gewillkürten Vertreter der "Mutter" als fälschlich angegebene gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Beschwerdeführers an der Berufungs- bzw. Beschwerdelegitimation gefehlt, zumal nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung in eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger (hier: der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See) der gesetzliche Vertreter des (damals unbegleiteten minderjährigen Berufungswerbers gewesen ist.

 

2.4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 67d Abs. 2 Z 1 AVG entfallen, weil die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

2.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Bescheidqualität, Vertretungsverhältnis, Zustellmangel, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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