TE AsylGH Erkenntnis 2008/11/19 D9 252742-0/2008

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Veröffentlicht am 19.11.2008
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Spruch

D9 252742-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Stark als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Mag. Ölsböck über die Beschwerde der O. alias B. alias M., geb. 00.00.1967, StA. Kasachstan alias Russische Föderation, vertreten durch Mag. Quinz, Migrations- und Flüchtlingshilfe, Wiehnergasse 22, 6800 Feldkirch, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. August 2004, FZ. 03 38.372-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin, deren Identität nicht feststeht, gelangte am 21. Dezember 2003 gemeinsam mit ihrem Ehegatten (D9 252743) und ihren beiden Kindern (D9 252741 und D9 252794) aus der Slowakischen Republik kommend in das österreichische Bundesgebiet und brachte am selben Tag einen Erstreckungsantrag, bezogen auf den Asylantrag ihres Ehegatten, ein.

 

Als Grund seiner Reise nach Österreich gab der Ehegatte der Beschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme am 6. Februar 2004 an, dass er in A., Kasachstan, geboren, jedoch im Jahr 1993 mit seiner Familie und seiner Mutter nach Grosny übersiedelt sei. Dort habe er bis zu seiner Ausreise gelebt und sei vom Kriegsgeschehen mit seiner Familie weitgehend verschont geblieben. Es habe nur eine Kontrolle im Jahr 2000 durch russische Soldaten gegeben. Allerdings hätten russische Soldaten zwei seiner Neffen ermordet. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin gab weiters an, dass im Herbst 2002 drei tschetschenische Polizisten in der Nähe seines Hauses erschossen worden seien, worauf man ihn und ungefähr 20 weitere Personen mitgenommen und angehalten habe. Er wäre insgesamt sechs Tage festgenommen und auch gefoltert worden. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei zum Schein auf einen Handel mit den russischen Soldaten eingegangen, um frei zu kommen. Die Flucht konnte er in Folge dessen erst ein Jahr später antreten, da sein Sohn an einer Rückgratverkrümmung leide und eine Therapie durchführen musste. Er sorge sich auch um den Sohn, der schon im Alter von zwölf Jahren von Soldaten mit einem Gewehrkolben geschlagen worden sei, da er auf Grund seines Alters als potentieller Gegner der Russen angesehen werde. In Kasachstan könne der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit seiner Familie nicht leben, da der Staat keine Flüchtlinge aufnehme.

 

Die Beschwerdeführerin gab in der Einvernahme am 10. Februar 2004 im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass sie in Kasachstan geboren, aber tschetschenischer Abstammung sei. Ihre Muttersprache sei ebenfalls tschetschenisch. Ihr Ehegatte habe weder im ersten noch im zweiten Tschetschenenkrieg gekämpft, wurde aber im Jahr 2002 von Soldaten fast eine Woche lang festgehalten. Einige Male seien Soldaten zu ihnen nach Hause gekommen, um nach ihrem Ehegatten zu fragen. Deshalb hätte sie sich mit ihrer Familie zur Flucht entschlossen. Ihre Neffen seien von Soldaten erschossen worden. Sie habe auch keine Möglichkeit nach Kasachstan zurückzukehren, da der Staat sie und ihre Familie nicht aufnehme. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, und daher einen Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 Asylgesetz 1997 auf den Asylantrag ihres Ehegatten stelle.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 14. April 2004 wurde der Ehegatte der Beschwerdeführerin neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Er gab im Wesentlichen an, dass er nicht nach Kasachstan rückkehren könne, da er dort nicht aufgenommen werde. Er sei russischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen.

 

Die Beschwerdeführerin gab in der niederschriftlichen Einvernahme am 14. April 2004 befragt nach ihrer Staatsangehörigkeit an, dass sie nicht wisse, welche Staatsbürgerschaft sie besitze.

 

Dem Verwaltungsakt der belangten Behörde des Ehegatten der Beschwerdeführerin (D9 252743) liegt ein Sprachanalysegutachten vom 24. Mai 2004 bei, wonach der Ehegatte der Beschwerdeführerin "fließend tschetschenisch spricht und Wörter und Wendungen benutzt, die üblich für Tschetschenien sind. Die Variante des Tschetschenischen, die er spricht, ist offensichtlich Tschetschenien zuzuordnen"

 

Mit Bescheid vom 2. August 2004, 03 38.372-BAT, wies die belangte Behörde den Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 2003 gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG) idgF, ab.

 

Verfahrensgegenständlicher Bescheid wurde der rechtsfreundlichen Vertretung am 4. August 2004 durch Übernahme zugestellt.

 

Mit Telefax vom 18. August 2004 erhob die Beschwerdeführerin Berufung (nunmehr: Beschwerde).

 

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag wurde der Beschwerde des Ehegatten der Beschwerdeführerin gegen die abweisende Entscheidung seines Asylantrages durch die belangte Behörde stattgegeben und das Verfahren an das Bundesasylamt zur Durchführung einer neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat hinsichtlich der zulässigen Beschwerde erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

1.1. Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, ab 1. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über Anträge auf internationalen Schutz in Bescheidform. Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst ergehen in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Auf die Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind gemäß § 23 AsylGHG, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzten und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.

 

1. 2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 AsylG 2005 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002, geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der jeweils geltenden Fassung, geführt.

 

Der Asylantrag, auf welchen sich verfahrensgegenständlicher Erstreckungsantrag bezieht, wurde am 21. Dezember 2003 gestellt, weshalb auf das Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, anzuwenden sind.

 

1. 3. Gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76, begehren Fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen aufgrund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyls.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. können Asylerstreckungsanträge frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem/der Asylwerber/Asylwerberin die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Die Beschwerdeführerin (D9 252742) sowie deren beiden Kinder, die im Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig waren (D9 252741 und D9 252794), sind von den Bestimmungen der §§ 10 und 11 Asylgesetz 1997 umfasst.

 

Das Verfahren des in Österreich nachgeborenen Kindes (D9 260728) der Beschwerdeführerin, das seinen Asylantrag am 25. April 2005 gestellt hat ist - anders als jenes des Ehegatten der Beschwerdeführerin und der übrigen Familie - nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2003, zu führen. Stellen Mitglieder einer "Kernfamilie" ihre Asylanträge teils vor, teils ab dem 1. Mai 2004, so entsteht eine Situation, die in den Übergangsbestimmungen der AsylGNov. 2003 nicht ausdrücklich geregelt worden ist. Insbesondere ist auch nicht vorgesehen, dass § 10 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 etwa auf "alte Verfahren" anzuwenden sei, wie dies § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 für andere Bestimmungen anordnet. Auch die Gesetzesmaterialien (Erläut. zur RV, 120 BlgNR 22. GP, 15, 22; AB, 253 BlgNR 22. GP, 3) enthalten diesbezüglich keinen Hinweis.

 

Es entstünde eine "Kernfamilie" der Art, dass der Antrag des - bezogen auf den vorliegenden Fall - Kindes unter § 10 Abs. 5 AsylG fiele, ohne dass es eine Bezugsperson für dieses "Familienverfahren" gäbe, da die Regelung über das Familienverfahren auf den früher gestellten Asylantrag des Vaters nicht anzuwenden ist. Somit käme es zu einem "Familienverfahren" mit nur einem Familienangehörigen. Sohin müsste der Antrag eines Kindes, das keine eigenen Fluchtgründe hat, abgewiesen werden; es wäre somit schlechter gestellt als ein Kind, dessen Bezugsperson (im vorliegenden Fall: dessen Vater) seinen Antrag erst nach dem 30. April 2004 gestellt hat, ebenso aber auch schlechter als ein Kind, das seinen Antrag - als Erstreckungsantrag - schon vor dem 1. Mai 2004 gestellt hat. Das Familienverfahren soll die Asylerstreckung im Sinne des AsylG in der Stammfassung ersetzen (vgl. die Erläut. zur RV, 120 BlgNR 22. GP, 15). Nur in der geschilderten Übergangssituation käme es zu dieser nachteiligen Situation, die dem Gesetzgeber daher nicht als gewollt unterstellt werden kann. Dazu käme, dass diese Folgen nur die Angehörigen von Asylwerbern träfen, nicht aber jene von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten; deren Anträge könnten (gemäß § 10 Abs. 2 bis 4 AsylG) ohne weiteres an den bereits nach der alten Rechtslage gewährten Schutz anknüpfen.

 

Um dem Konzept des § 10 Abs. 5 Asylgesetz 1997 Rechnung zu tragen, ist im Verfahren über den späteren Antrag mithin das Ergebnis zu berücksichtigen, zu dem das Verfahren über den früheren Antrag gelangt ist. Auf Grund eines Antrages, der ab dem 1. Mai 2004 gestellt worden ist, muss daher zumindest derselbe Schutzumfang gewährt werden wie dem Familienangehörigen, der - auf Grund eines vor diesem Tag gestellten Antrags - den stärksten Schutz erhalten hat, nicht aber umgekehrt.

 

Bezogen auf das vorliegende Beschwerdeverfahren ergibt sich, dass dem nachgeborenen Kind zumindest derselbe Schutzumfang zu gewähren ist wie seinem Vater.

 

2. In der Sache:

 

Der seitens des Ehegatten der Beschwerdeführerin angefochtene Bescheid wies sowohl Mängel im Bereich der Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen als auch hinsichtlich der von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten Beweiswürdigung auf. Weiters war das Verfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet, weshalb der zur Entscheidung berufene Senat den Bescheid des Ehegatten der Beschwerdeführerin betreffend in Anwendung des § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, behob.

 

Bereits in den beiden Einvernahme vor der belangten Behörde wies der Ehegatte der Beschwerdeführerin darauf hin, dass er tschetschenischer Abstammung sei und im Jahr 1993 mit seiner Familie nach Grosny übersiedelte. Dort habe er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten. Nach der Unabhängigkeit von Kasachstan sei er sowjetischer Staatsbürger geblieben und habe nie um die Staatsangehörigkeit Kasachstans angesucht. Nach der Übersiedlung nach Grosny habe er sich russische Personalausweise ausstellen lassen. Auch in der Berufung (nunmehr Beschwerde) führt der Ehegatte der Beschwerdeführerin aus, dass er aus Tschetschenien, und nicht aus Kasachstan, stamme.

 

Die Beschwerdeführerin selbst hat zunächst angegeben, nicht zu wissen, welche Staatsbürgerschaft sie besitze. Sie führt später in der Berufung (nunmehr Beschwerde) an, Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein.

 

Die von der Behörde eingeholte Sprachanalyse vom 24. Mai 2004 ergab, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin vermutlich aus Tschetschenien stammt.

 

Die österreichischen Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin Angehöriger der Russischen Föderation ist.

 

Die belangte Behörde geht jedoch davon aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin Angehöriger Kasachstans sei, ohne die Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin näher zu überprüfen. Dessen unbeschadet wurden weder Flucht- noch Refoulementgründe in Bezug auf diesen Staat geprüft und dem Ehegatten der Beschwerdeführerin weder Länderfeststellungen zu Kasachstan vorgehalten, noch dem Bescheid zu Grunde gelegt.

 

Zusammengefasst ist die Staatsangehörigkeit des Ehegatten der Beschwerdeführerin und seiner Familie ungeklärt. Die belangte Behörde hat es darüber hinaus unterlassen, jegliche Ermittlungen in Bezug auf die Lage des "vermeintlichen" Herkunftsstaates zu erheben, dieses Ergebnis mit dem Ehegatten der Beschwerdeführerin zu erörtern und dahingehende Feststellungen zu treffen.

 

Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Vorrausetzungen der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung auf den Herkunftsstaat bezogen zu prüfen. Kommen nach den Parteienbehauptungen zwei mögliche Herkunftsstaaten in Betracht, so bedarf es nachvollziehbarer begründeter Feststellungen über die Voraussetzungen des § 1 Z 4 Asylgesetz 1997 (VwGH 17. 10. 2006, 2005/20/0012).

 

Dadurch verstößt die belangte Behörde gegen die ihr auferlegten Ermittlungspflichten, wonach sie nämlich unter Wahrung des Grundsatzes der Offizialmaxime von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, von sich aus den wahren Sachverhalt zu erheben.

 

Die Erstbehörde ist ihren in § 28 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl I Nr. 126/2002, nunmehr § 18 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, normierten Ermittlungspflichten nicht ausreichend nachgekommen. Gemäß dieser Bestimmung hätte die Erstbehörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen.

 

In Bezug auf vorliegendes Beschwerdeverfahren ist unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15. 12. 1998, Zl. 98/20/0311; VwGH 19. 4. 2001, Zl. 99/20/042; VwGH 22. 11. 2001, Zl 2000/20/0569) festzuhalten, dass über einen Asylerstreckungsantrag jedenfalls nicht vor rechtskräftiger Erledigung des Hauptantrages verfahrensbeendend entschieden werden darf.

 

Wie dem obigen Ausführungen zu entnehmen ist, ist über den Asylantrag des Ehegatten der Beschwerdeführerin noch nicht verfahrensbeendend entschieden worden, weshalb verfahrensgegenständlicher angefochtener Bescheid, mit welchem der Asylerstreckungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, bereits aus diesem Grund rechtswidrig ist.

 

Da der Bescheid vom 2. August 2004 somit ohne den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 10 und 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76, erlassen worden ist, muss der gegenständlichen Beschwerde insofern stattgegeben werden, als der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben ist.

 

Es war zusammenfassend spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Asylerstreckung, Behebung der Entscheidung (ab 08.09.2008), Familienverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Schutz des Familienlebens, Staatsbürgerschaft
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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