TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/31 2000/20/0006

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Veröffentlicht am 31.05.2001
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Index

25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §126 Abs2 Z4;
StVG §144;
StVG §147 Abs1;
StVG §93 Abs2;
StVG §99 Abs1;
StVG §99a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des HC in Wien, vertreten durch Lansky & Prochaska, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 29. November 1999, Zl. 432.118/118- V.6/1999, betreffend Ansuchen eines Strafgefangenen um Gewährung eines Ausganges, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßt - nach seiner Überstellung aus der Justizanstalt S, wo er bis zum 6. Juli 1998 angehalten wurde - in der Justizanstalt W eine zwölfjährige Freiheitsstrafe. Das urteilsmäßige Strafende ist der 7. Mai 2002.

Am 7. April 1999 stellte der Beschwerdeführer auf dem dafür

vorgesehenen Formblatt folgendes

"Ansuchen:

Um Ermöglichung eines Ausganges in ausreichender Dauer - im Hinblick auf meine bisherigen 9 Haftjahre - zwecks Regelung dringender wirtschaftlicher und rechtlicher, sowie zur Ordnung meiner persönlichen Angelegenheiten."

Auf der Rückseite des Formblattes wurde festgehalten, dass dem Ansuchen "nicht stattgegeben" und dies dem Beschwerdeführer am 12. Mai 1999 verkündet worden sei.

Am 25. Mai 1999 richtete der Beschwerdeführer folgendes

Schreiben an die belangte Behörde:

"Betrifft: Beschwerde

Mein begründetes Ansuchen um Ausgang wurde am 11.5.1999 von der Anstaltsleitung abgelehnt, und mir am 12.5.1999 zur Kenntnis gebracht.

Die Verkündung dieser Entscheidung ist gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des § 121 Abs. 4 StVG durchzuführen samt Zustellung einer schriftlichen Entscheidung in Urschrift."

Zu dieser Beschwerde (deren zweiter Satz auf die angestrebte Entscheidung der belangten Behörde zu beziehen ist) berichtete der Leiter der Justizanstalt W der belangten Behörde in einem Schreiben vom 18. Oktober 1999, es sei am 28. Juni 1999 auf Ersuchen des Beschwerdeführers zu einer Vorsprache beim Leiter der Außenstelle der Justizanstalt (in der der Beschwerdeführer untergebracht ist) gekommen. Thema der Vorsprache sei die Ablehnung des Ausgangsansuchens gewesen. Der Leiter der Außenstelle habe den Beschwerdeführer dabei "gründlich über den Grund der Ablehnung" aufgeklärt "(Hinweis auf das Strafende am 7.5.2002, Entlassungsvollzug ab 7.5.2001, Berichtspflicht gemäß Punkt 2.3.4 der VZO, etc.)".

Der Leiter der Außenstelle berichtete der belangten Behörde mit Schreiben vom 28. Oktober 1999 im Wesentlichen, Vollzugslockerungen würden in zeitlichem Zusammenhang mit der voraussichtlichen bedingten Entlassung bzw. mit dem Strafende gewährt. "Zudem" habe die Begründung des OLG Wien in der ablehnenden Entscheidung vom 29. Juni 1998 zur Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Abs. 2 StGB "keinen Raum für Interpretationen über eine evtl. bedingte Entlassung vor Strafende" offen gelassen. Das Ansuchen sei daher abzulehnen gewesen. Der Leiter der Außenstelle habe dem Beschwerdeführer in einer persönlichen Aussprache erklärt, dass der Gewährung eines Ausganges nach Kenntnisnahme der geplanten Vollzugslockerungsmaßnahmen durch die belangte Behörde ein oder mehrere begleitete Ausgänge (soziale Trainings) je nach Ausprägung der sozialen Fertigkeiten des Insassen vorgelagert würden, um "neben den Stellungnahmen der Fachdienste noch Informationen, die bei der Exposition des Insassen in Situationen außerhalb der Anstalt gewonnen worden sind, für die Entscheidung über die Genehmigung eines Ausganges zur Verfügung zu haben". Bei den im Fall des Beschwerdeführers in Auftrag gegebenen "Stellungnahmen zur Überprüfung der Voraussetzungen für einen Ausgang gem. § 99a StVG" hätten sich sowohl der psychiatrische wie auch der psychologische Dienst gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen ausgesprochen. Der im Ansuchen des Beschwerdeführers nicht näher nach den gesetzlichen Voraussetzungen definierte Ausgang sei aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhanges mit dem erwarteten Entlassungsdatum abzulehnen gewesen. Abgesehen von den erwähnten beiden Stellungnahmen sei "auch dzt. ein Ausgang gem. § 99a StVG hinsichtlich der in § 99 Abs. 1 genannten Gründen nicht zu bewilligen".

Die diesem Bericht angeschlossenen Stellungnahmen stammten vom 30. September 1999 ("Psychologische Stellungnahme zu Vollzugslockerungen") und 21. Oktober 1999 ("Psychiatrische Stellungnahme bzgl. Vollzugslockerungen").

In der psychologischen Stellungnahme wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei weder in einen Arbeits- noch in einen therapeutischen Prozess eingegliedert und halte zum sozialen Dienst nur im Falle konkreter Anliegen Kontakt. In dem Gespräch, das anlässlich der Stellungnahme geführt worden sei, habe er über subjektive Beschwerden, besonders psychischer bzw. psychosomatischer Natur berichtet. Den Strafvollzug erlebe er "grundsätzlich als gezielte Aktionen seitens des Justizsystems zur Einschränkung seiner Rechte bzw. zu seiner (psychischen) Vernichtung". Beim Verfasser der Stellungnahme sei der Eindruck einer eingeschränkten Realitätsverarbeitung entstanden, weil vom Beschwerdeführer z.B. eigene Anteile im Zuge eines konflikthaften Beziehungsprozesses nicht erkannt und somit auch nicht reflektiert werden könnten. Folglich seien auch keine Strategien erkennbar, um zur Normalisierung einer belasteten Beziehungssituation beizutragen. Die vom Beschwerdeführer geäußerten Wertvorstellungen ließen eine spätere Legalbewährung als fraglich erscheinen. So vertrete er die Ansicht, dass das Vorgehen gegen Objekte (einen Panzerwagen) als Gewaltakt mehr wiege als das Vorgehen gegen Menschen (einen Geldboten). Was die Beziehung zu seinem Sohn anbelange, so fühle der Beschwerdeführer sich auch berechtigt - aufgrund der subjektiv erlebten Vorgangsweise der Justiz - rechtsgültige Anweisungen und Verordnungen als für ihn nicht unbedingt bindend zu betrachten, was er mit den "Rechten des Kindes auf einen Vater" begründe. Weiters enthielt die Stellungnahme Ausführungen zu den Ergebnissen verschiedener mit dem Beschwerdeführer durchgeführter psychologischer Tests und abschließend die Einschätzung, dass aufgrund des im Zuge des psychologischen Gespräches gewonnenen Eindruckes und der Testergebnisse Vollzugslockerungen nicht zu befürworten seien. Da der Beschwerdeführer auch vom Therapieangebot keinen Gebrauch mache, spreche sich der Psychologe für einen Vollzugsortwechsel aus.

Auch aus der psychiatrischen Stellungnahme ging hervor, dass sich der Beschwerdeführer in keiner therapeutischen Betreuung befinde. Er suche von sich aus bisweilen den Kontakt zum Psychiater, aber nicht deshalb, weil er an sich eine Problematik sehe oder bearbeiten wolle, sondern um Unterstützung bei der Umsetzung von Wünschen zu erfahren. Sehr wichtig sei für den Beschwerdeführer das Thema "Sohn", wobei er sich von verschiedener Seite hinsichtlich der Kontaktmöglichkeiten zu seinem Sohn benachteiligt bzw. sogar aktiv gehindert sehe. So unterstelle er z. B. dem Anstaltsleiter, dass dieser eine falsche Aussage bezüglich seines derzeitigen Vollzugsstatus an das entsprechende Gericht abgegeben habe, was dazu geführt habe, dass dieses den Kontakt zu seinem Sohn kaum zulasse. Bringe man die Denkmöglichkeit ein, dass sein Sohn möglicherweise an einem ständigen Kontakt mit ihm gar nicht so interessiert sein könnte, so werde der Beschwerdeführer abwertend und in seiner Haltung drohend. Das Thema sei für den Beschwerdeführer emotional derart wichtig, dass offenbar jede andere Wahrnehmung als seine eigene für ihn eine massive Bedrohung auslöse, in der es zu einer fast wahnhaften Einengung komme, die alle Zeichen der subjektiven Gewissheit aufweise, und in der anders lautende Interpretationen und Wahrnehmungen mit den Mitteln der Abwertung, Entwertung und Aggression abgewehrt werden müssten. Hier komme es zu einer - wenn man von den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten ausgehe, die sich aufgrund der Einengung ergeben - nicht ungefährlichen Zuspitzung subjektiver Überzeugungen (näher ausgeführt). Was den Wunsch nach Vollzugslockerungen betreffe, so sei zum derzeitigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer wichtige Voraussetzungen zur positiven Absolvierung solcher Lockerungen fehlten. Da er allerdings auch über keinen Therapiewunsch verfüge, sei die Frage zu stellen, ob die Voraussetzungen eines positiv absolvierbaren Außenaufenthalts an der Anstalt, in der er sich befinde, geschaffen werden könnten.

Ergänzend zu den Berichten vom 18. Oktober 1999 und 28. Oktober 1999 nahm die belangte Behörde Kopien der Beschlüsse des Landesgerichtes Krems vom 24. April 1998 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Juni 1998 über die Ablehnung der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Abs. 2 StGB zum Akt.

Schließlich ließ sich die belangte Behörde vom Leiter der Außenstelle noch fernmündlich berichten, dass die ablehnenden Stellungnahmen des psychologischen und des psychiatrischen Fachdienstes mit dem Beschwerdeführer erörtert worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Administrativbeschwerde vom 25. Mai 1999 nicht Folge. Zur Begründung dieser Entscheidung traf die belangte Behörde zunächst folgende Feststellungen:

"Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit in der Justizanstalt W eine vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 2. Fall StGB, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB, des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 und 2 WaffG verhängten Freiheitsstrafe von 12 Jahren.

Das urteilsmäßige Strafende ist der 7.5.2002. Stichtag für die bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs. 2 StGB war der 7.5.1998. Der Beschwerdeführer befindet sich nicht im Entlassungsvollzug. Die in der Justizanstalt W bestehenden Therapieangebote hat er bislang nicht in Anspruch genommen.

Der Anlassverurteilung lag ein gemeinsam mit seinem Bruder minutiös geplanter Raubüberfall auf einen Geldtransport zugrunde, wobei der Fahrer durch Ansetzen einer großkalibrigen geladenen Pistole an seinen Hals bedroht wurde und der Strafgefangene schließlich mittels einer Vielzahl gezielter auf die verfolgenden Polizeibeamten abgegebenen Schüsse seine Festnahme verhindern wollte und diese dabei zumindest absichtlich schwer zu verletzen versuchte.

Zudem weist der Strafgefangene wegen schwerer Vermögensdelikte eine Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe aus dem Jahre 1974 auf, aus der er bedingt entlassen wurde, sowie eine einjährige als Zusatzstrafe bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe wegen Hehlerei, versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie Vergehen gegen das Waffengesetz.

Die bedingte Entlassung nach § 46 Abs. 2 StVG wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Krems/Donau vom 24.4.1998, 19 BE 59/98 mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem Strafgefangenen um einen 'kaltblütigen schwer kriminellen Raubtäter' handelt, den auch seine Vorverurteilungen nicht davon abhalten haben können, massivst rückfällig zu werden, und auch massiv generalpräventive Erwägungen gegen eine vorzeitige bedingte Entlassung sprechen. Dieser Beschluss wurde vom Oberlandesgericht Wien am 29.6.1998, 21 Bs 190/98 bestätigt und insbesondere darauf hingewiesen, dass 'angesichts der von 1970 bis 1990 trotz eines empfindlichen Freiheitsentzuges nicht nur anhaltenden, sondern sich noch steigernden negativen Einstellung des Strafgefangenen und seines nach exakt kalkuliertem Plan kaltblütig vorgenommenen Rückfalles in schwerste Verbrechen' weiterhin jene besonderen Gründe des § 46 Abs. 2 StGB indiziert sind, die strafbare Handlungen in Freiheit massiv befürchten lassen."

Davon ausgehend legte die belangte Behörde - im Anschluss an eine Darstellung des Inhaltes des Ansuchens vom 7. April 1999 und der darüber getroffenen Entscheidung des Anstaltsleiters sowie einen Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer die Administrativbeschwerde nicht inhaltlich ausgeführt habe - zunächst dar, dass die Voraussetzungen für einen Ausgang gemäß § 147 Abs. 1 StVG beim Beschwerdeführer, der noch nicht im Entlassungsvollzug angehalten werde, nicht erfüllt seien. Dass dem Beschwerdeführer auch nach § 99a StVG kein Ausgang zu bewilligen sei, begründete die belangte Behörde wie folgt:

"Angesichts des urteilsmäßigen Strafendes (7.5.2002) erfüllt der Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die für die Gewährung eines Ausganges gemäß § 99a StVG erforderlichen zeitlichen Voraussetzungen.

Abgesehen davon ist gemäß § 99 Abs. 1 StVG die besondere Gefährlichkeit eines Strafgefangenen für die Sicherheit des Staates, für die der Person oder des Eigentums, nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt ist, sowie nach seinem Lebenswandel vor der Anhaltung und Aufführung während dieser zu beurteilen.

Als besonders gefährlich ist ein Strafgefangener dann anzusehen, wenn es wahrscheinlich ist, dass er in Freiheit Straftaten nicht bloß leichter Art zum Schaden dieser Rechtsgüter wiederholen oder ausführen wird.

Bereits in den beiden zitierten Entscheidungen des Landesgerichtes Krems/Donau bzw. des Oberlandesgerichtes Wien über die Ablehnung der bedingten Entlassung nach § 46 Abs. 2 StGB wurde auf die besondere Gefährlichkeit des Strafgefangenen ausführlich hingewiesen. Auch den vom Psychologischen sowie vom Psychiatrischen Dienst der Justizanstalt W vorliegenden Stellungnahmen zufolge, fehlen dem Beschwerdeführer wichtige Voraussetzungen zur positiven Absolvierung von Freiheitsmaßnahmen, da seine Wertvorstellungen eine Legalbewährung als fraglich erscheinen lassen.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Strafgefangene von dem ihm angebotenen Therapieangebot keinerlei Gebrauch macht, sowie der Erfolglosigkeit seiner bedingten Entlassung insbesondere auch im Hinblick auf den besonderen Grad der massive Anlasstat ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer besonderen Gefährlichkeit des Strafgefangenen im Sinne von § 99 Abs. 1 StVG auszugehen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die §§ 93, 99 und 99a des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der hier maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 799/1993 lauten:

"Besuche

§ 93. (1) Strafgefangene dürfen Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann. Es darf ihnen nicht verwehrt werden, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens einmal innerhalb von sechs Wochen ist die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Erhält ein Strafgefangener selten Besuch oder hat ein Besucher einen langen Anreiseweg, so ist die Besuchsdauer jedenfalls angemessen zu verlängern.

(2) Zur Regelung wichtiger, persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen ist den Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen in hiefür angemessener Häufigkeit und Dauer, erforderlichenfalls auch außerhalb der Besuchszeiten, zu geben. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit keine Bedenken bestehen, verzichtet werden.

(3) Besucher, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind nur in Begleitung Erwachsener zum Besuch zuzulassen. Mehr als drei Besucher sollen nicht gleichzeitig zum Besuch eines Strafgefangenen zugelassen werden.

Unterbrechung der Freiheitsstrafe

§ 99. (1) Ist ein Strafgefangener nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt worden ist, sowie nach seinem Lebenswandel vor der Anhaltung und seiner Aufführung während dieser weder für die Sicherheit des Staates, noch für die der Person oder des Eigentums besonders gefährlich, so ist ihm auf seinen Antrag eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe in der Dauer von höchstens acht Tagen zu gewähren,

1. wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene die Unterbrechung benötigt, um im Inland

a) einen Angehörigen oder einen anderen ihm besonders nahe stehenden Menschen, der lebensgefährlich erkrankt oder verletzt ist, aufzusuchen,

b)

an dem Begräbnis einer dieser Personen teilzunehmen oder

c)

wichtige Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit einem der in den lit.  a und b angeführten Anlässe oder mit der Ehescheidung eines Angehörigen oder unaufschiebbare persönliche Angelegenheiten zu ordnen;

              2.              wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt und die Unterbrechung für den Wirtschaftsbetrieb, in dem der Strafgefangene tätig war, notwendig erscheint.

Die Unterbrechung darf nur gewährt werden, wenn eine Unterkunft und der Unterhalt des Strafgefangenen für die Zeit der Unterbrechung gesichert sind. Von der Bewilligung einer Unterbrechung ist die Sicherheitsbehörde des für die Zeit der Unterbrechung in Aussicht genommenen Aufenthaltsortes des Strafgefangenen zu verständigen.

(2) Die Unterbrechung ist zu widerrufen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem weiteren Strafvollzug zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, dass er dies versuchen werde, oder wenn der dringende Verdacht besteht, dass er aufs neue eine gerichtlich strafbare Handlung begangen habe oder begehen werde.

(3) Der Verurteilte hat die Strafe spätestens mit Ablauf des Zeitraumes, für den die Unterbrechung bewilligt worden ist, wieder anzutreten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Anstaltsleiter die Vorführung zu veranlassen.

(4) Die Zeit der Unterbrechung ist in die Strafzeit einzurechnen. Wird jedoch die Unterbrechung widerrufen oder tritt der Verurteilte die Strafe nicht rechtzeitig wieder an, so ist die außerhalb der Strafhaft verbrachte Zeit in die Strafzeit nicht einzurechnen.

(5) Die Entscheidung über die Unterbrechung einer Freiheitsstrafe, über den Widerruf und über die Nichteinrechnung der außerhalb der Strafhaft verbrachten Zeit in die Strafzeit steht dem Vollzugsgerichte zu (§ 16 Abs. 2 Z. 3). Wird die Unterbrechung widerrufen, so hat das Gericht zugleich die sofortige Vorführung zu veranlassen.

Ausgang

§ 99a. (1) Einem im Sinne des § 99 Abs. 1 nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen ist auf sein Ansuchen höchstens zweimal im Vierteljahr zu gestatten, die Anstalt in der Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag zu verlassen, wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene den Ausgang zu einem der im § 93 Abs. 2 genannten Zwecke benötigt. Soweit es nach dem Zweck des Ausganges unter Bedachtnahme auf allfällige Reisebewegungen notwendig erscheint, darf die Dauer der Abwesenheit bis zu 48 Stunden betragen.

(2) § 99 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sowie Abs. 2 bis 4 gilt dem Sinne nach.

(3) Die Entscheidung über den Ausgang und über den Widerruf steht dem Anstaltsleiter zu.

(4) Die Entscheidung über die Nichteinrechung der Zeit des Ausganges oder der außerhalb der Strafe verbrachten Zeit in die Strafzeit (§ 99 Abs. 4) steht dem Vollzugsgericht zu (§ 16 Abs. 2 Z. 3a)."

Ausgänge nach § 99a StVG zu den im § 93 Abs. 2 StVG genannten Zwecken sollen nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Strafvollzugsnovelle 1993 "nicht in erster Linie als dem Strafgefangenen gewährte Vergünstigung, sondern als 'soziales Training' anzusehen" sein und zusammen mit § 93 Abs. 2 StVG sowie "allenfalls auch" § 126 Abs. 2 Z 4 StVG (Vollzugslockerung in der Form zusätzlicher Ausgänge) und § 147 Abs. 1 StVG (Ausgänge im Entlassungsvollzug) "als eine Art bewegliches System von einander ergänzenden Möglichkeiten zur Hintanhaltung der negativen Begleiterscheinungen der Haft verstanden werden" (946 BlgNR XVIII. GP 31). Zu den in § 93 Abs. 2 StVG genannten Zwecken wurde in denselben Erläuterungen ausgeführt, es gehe um "zwei Anlässe", nämlich einerseits die Erörterung und Regelung der in der Vorschrift genannten "Angelegenheiten" und andererseits die Aufrechterhaltung näher bezeichneter "Bindungen" (a.a.O., 29).

Geht man von diesen Gesetzeszwecken sowie weiters davon aus, dass konkrete "Angelegenheiten" im Sinne des § 93 Abs. 2 StVG weder im Ansuchen des Beschwerdeführers noch in seiner Administrativbeschwerde bezeichnet wurden und auch in der Beschwerde nicht genannt werden, so kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie bei der Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer angesichts fehlender Aussichten auf eine bedingte Entlassung und des dadurch fehlenden Erfordernisses einer gezielten Entlassungsvorbereitung im Sinne der §§ 144 ff StVG zu einem Ausgang nach § 99a StVG zuzulassen sei, auf ein allgemein gehaltenes Urteil über seine Persönlichkeit abstellte. Die belangte Behörde hatte zu diesem Zweck unter dem gemäß § 99 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 99a Abs. 1 StVG u. a. maßgeblichen Gesichtspunkt der besonderen Gefährlichkeit des Strafgefangenen sowohl auf in der Vergangenheit gelegene Umstände, nämlich die Art und den Beweggrund der der Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlung und den Lebenswandel vor der Anhaltung, als auch auf die Aufführung während der Anhaltung und somit bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den beantragten Ausgang Bedacht zu nehmen. Gegen das im Falle des Beschwerdeführers klare Ergebnis der vergangenheitsbezogenen Betrachtung vermag auch die Beschwerde nichts ins Treffen zu führen. Die Beschwerde macht eine Überbewertung dieser vergangenheitsbezogenen Gesichtspunkte durch die belangte Behörde geltend, zeigt ihrerseits aber keine die "Aufführung" des Beschwerdeführers während der Anhaltung betreffenden Umstände auf, aus deren Berücksichtigung sich ein Wegfall der besonderen Gefährlichkeit ergeben hätte. Die belangte Behörde hat sich in dieser Hinsicht - abgesehen von der von ihr geteilten, wenngleich im Zeitpunkt ihrer Entscheidung schon mehr als ein Jahr zurück liegenden Einschätzung der Vollzugsgerichte - auf aktuelle Stellungnahmen sowohl des psychologischen als auch des psychiatrischen Dienstes in der Vollzugsanstalt bezogen, die sich zwar mit den Voraussetzungen für "Vollzugslockerungen" und in diesem Zusammenhang zumindest nicht explizit mit der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers befassen, in Verbindung mit dessen Vorleben aber auch nicht geeignet sind, die aus diesem zu ziehenden Schlüsse zu entkräften oder abzuschwächen. Ein Versuch, diese Stellungnahmen inhaltlich zu kritisieren, wird in der Beschwerde nicht unternommen, weshalb auch auf den - der Aktenlage nach nicht berechtigten - Vorwurf, sie seien dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden, mangels Darlegung der Relevanz des darin gegebenenfalls zu sehenden Verfahrensfehlers nicht einzugehen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200006.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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