RS UVS Oberösterreich 1995/11/22 VwSen-440002/22/Kl/Rd

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Veröffentlicht am 22.11.1995
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Rechtssatz

Die vorliegende Beschwerde wurde ausdrücklich auf das Sicherheitspolizeigesetz gestützt.

Gemäß § 88 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist (§ 88 Abs.2 SPG).

Schon aufgrund des Wortlautes der zitierten Gesetzesstellen ergibt sich, daß die darin vorgesehenen Beschwerdemöglichkeiten sich lediglich auf den Anwendungsbereich des SPG, nämlich die Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung erstrecken (§ 1 und § 88 Abs.2 SPG).

Eine über den Bereich der Sicherheitspolizei hinausgehende Kompetenz zur Entscheidung über Maßnahmen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kommt den unabhängigen Verwaltungssenaten schon gemäß dem Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG zu, weshalb § 88 Abs.1 SPG nur deklaratorischen Charakter hat.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes war die Freiwilligkeit nachgewiesen, und zwar sowohl hinsichtlich des Mitkommens auf das WZ als auch hinsichtlich des weiteren Aufenthaltes am WZ Hauptbahnhof in L. Es wurde weder eine Androhung der Festnahme noch eine Festnahme an sich ausgesprochen und war ein solches auch nicht erforderlich im Grunde des Verhaltens des Beschwerdeführers. Zulässiger Anfechtungsgegenstand ist aber nur ein solcher Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, der eine Amtshandlung im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, dem also eine rechtsfeststellende oder -erzeugende Wirkung beigemessen werden kann, indem sie sich gegen eine individuell bestimmte Person richtet und sohin einen individuellen normativen Inhalt hat. Es ist daher nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts erforderlich, daß physischer Zwang unmittelbar angewendet wurde oder ein verwaltungsbehördlicher Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt wurde, der erforderlichenfalls mit sofortigem Zwang durch unmittelbare Gewaltanwendung durchgesetzt worden wäre (vgl. zB VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VSlg 11935/1988, 10319/1985; 9931/1984 u. 9813/1983). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist grundsätzlich ein positives Tun erforderlich. Ein solches wurde nicht behauptet. Auch konnte der behauptete Befehl, nämlich mitzukommen, mit sofort folgendem Zwang nicht nachgewiesen werden. Aus dem Sachverhalt ist vielmehr erwiesen, daß ein solcher Befehl nicht ergangen ist bzw. eine Gewaltanwendung nicht angedroht wurde. Da es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand im Hinblick auf den Beschwerdeantrag gemäß § 88 Abs.1 SPG ermangelt, war die Beschwerde unzulässig. Die Maßnahmenbeschwerde ist nämlich nur als subsidiäres Rechtsmittel zur Abdeckung eines sonst nicht anders gewährleisteten Rechtsschutzes in der Rechtsordnung vorgesehen und konzipiert. Es war daher auch eine außerhalb des SPG mögliche Maßnahmenbeschwerde nach Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG zurückzuweisen.

Soweit sich die Beschwerde aber gegen eine Rechtsverletzung auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung (§ 88 Abs.2 SPG) richtet, ist dieses Beschwerdeinstrument nur im Rahmen der Sicherheitsverwaltung anwendbar und zulässig.

Sicherheitsverwaltung besteht nach § 2 Abs.2 SPG aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus diesem, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten. Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 3 SPG). Wenn der VfGH in langjähriger Judikatur auch die Angelegenheiten der Strafjustiz zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" zählt, hat aber nunmehr das SPG eine Klärung und Einschränkung dahingehend getroffen, daß das Tätigwerden der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe im Dienste der Strafjustiz nicht der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen ist (vgl. Hauer-Kepplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, S 418, Anm. 15). Diese Interpretation ergibt sich auch anhand der Bestimmungen der §§ 20 ff SPG, wonach die Aufgaben im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit die Gefahrenabwehr, den vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern, die Fahndung, die kriminalpolizeiliche Beratung und die Streitschlichtung umfassen. Ist ein gefährlicher Angriff bereits beendet, und ist ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig, so gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO (§ 21 Abs.2 iVm § 22 Abs.3 zweiter Satz SPG). Bezogen auf den gegenständlichen Sachverhalt ist, weil nach dem gefährlichen Angriff (hier Tatbegehung gemäß § 223 oder § 224 StGB) mit weiteren Angriffen nicht zu rechnen ist, die Klärung der Straftat allein nach der Maßgabe der StPO durchzuführen. Es endet daher die Anwendbarkeit des SPG sowohl hinsichtlich der Regelungen über die Befugnisse, als auch den anschließenden Rechtsschutz (vgl. auch Hauer-Kepplinger, S 122).

Außerhalb der Sicherheitsverwaltung ist aber eine Beschwerdemöglichkeit gegen "schlichtes Hoheitshandeln" - wie sie in § 88 Abs.2 SPG eröffnet wird - in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen.

Aber auch bei Beurteilung des Sachverhaltes nach dem kraftfahrrechtlichen Aspekt, wäre eine diesbezügliche Beschwerde nach § 88 Abs.2 SPG unzulässig, weil Angelegenheiten der "Verwaltungspolizei" - nämlich ein Einschreiten im Rahmen einzelner Verwaltungsrechtsgebiete, wie dem Kraftfahrgesetz - nicht vom SPG und daher auch nicht von der obzitierten Beschwerdemöglichkeit erfaßt sind.

Die Abnahme der Kennzeichentafel als Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt wurde nicht angefochten und war ausdrücklich von der Beschwerde nicht erfaßt. Eine diesbezügliche Sachentscheidung war daher nicht zu treffen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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