TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/24 97/21/0620

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2001
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 2. September 1964 geborenen W, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 26. Mai 1997, Zl. Fr 1289/3- 1996, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge am 23. August 1996 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. In der Folge habe er um Asyl angesucht.

Dieser Antrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, vom 28. August 1996 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Oktober 1996, rechtswirksam erlassen am 28. Oktober 1996, gemäß § 66 Abs. 4 AVG ebenfalls abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer würde sich bereits seit seiner illegalen Einreise vom 23. August 1996 unberechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, da er über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl-, Fremden- oder Aufenthaltsgesetz verfüge. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, die Ausweisung sei demnach zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Wenngleich die Behörde auch Verständnis für den Wunsch des Beschwerdeführers, sich in Österreich aufhalten zu dürfen, habe, müsse doch auf die ausdrückliche, zwingende Regelung des § 17 Abs. 1 FrG verwiesen werden, wonach Fremde, welche sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, auszuweisen seien. Die Angaben der "angeblichen Gattin" des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Flucht wichen im Detail von jenen des Beschwerdeführers ab.

Aus dem Fehlen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 AsylG ergebe sich, dass im gegenständlichen Verfahren zufolge des § 9 Abs. 1 AsylG der Anwendung des § 17 FrG kein rechtliches Hindernis entgegengestanden sei. Im Gegensatz zu einem Aufenthaltsverbot nach § 18 FrG sei die Ausweisung nicht mit dem Verbot verbunden, das Bundesgebiet - unter Einhaltung der entsprechenden Vorschriften - wieder zu betreten. Es bestehe lediglich die Verpflichtung, es zu verlassen. Dass der Beschwerdeführer bei einer Abschiebung nach Nigeria iSd § 37 Abs. 1 FrG bedroht sei, stehe der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen, die Behörde brauche auch nicht den Ausgang des Verfahrens nach § 54 FrG abzuwarten. Die rechtliche Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 FrG sei unabhängig davon, ob der Fremde für die Einreise in ein anderes Land eines Sichtvermerks bedürfe oder nicht.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 EMRK ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies habe zur Folge, dass jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt des Fremden in Österreich, dem, wie im Fall des Beschwerdeführers, niemals ein rechtmäßiger vorausgegangen sei, eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen von solchem Gewicht darstelle, dass das Dringendgebotensein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme iSd § 19 FrG zu bejahen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wobei auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen ist. Nach letzterer Bestimmung ist eine Ausweisung, durch welche in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Der Beschwerdeführer tritt der Auffassung der belangten Behörde entgegen, dass sein Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig sei. Dabei lässt er allerdings die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung unbekämpft, er sei im August 1996 illegal ins Inland eingereist. Er stützt sich auch nicht auf eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz oder einen ihm von einer Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerk, sondern macht lediglich geltend, dass ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz zukomme. Das Asylverfahren sei noch in Schwebe, da gegen den letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Er verfüge deshalb weiterhin über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfüge.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Seiner gegen die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers gerichteten Beschwerde wurde nämlich erst mit Beschluss vom 29. Juli 1997 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 2. Juni 1997 konnte dieser Beschluss den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine ex nunc Wirkung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 97/21/0389, m.w.N.) noch nicht in die Rechtsstellung eines Asylwerbers zurück versetzen.

Ein Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer im Asylverfahren im Hinblick auf eine direkte Einreise i.S.d. § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 oder im Hinblick darauf, dass ihm die Einreise i.S.d. § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu gestatten gewesen wäre, im Asylverfahren ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zugekommen wäre, ist den Verwaltungsakten zu entnehmen, die vorliegend bekämpfte Ausweisung ist dadurch auch nicht gegenstandslos geworden.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil er in Österreich mit seiner Ehegattin, mit der er gemeinsam eingereist sei, zusammenlebe, hier sei ein gemeinsames Kind geboren, er führe in Österreich ein Familienleben, das von der belangten Behörde überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Die belangte Behörde habe die nach § 19 FrG gebotene Abwägung unterlassen.

Damit zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. In der Tat werden im angefochtenen Bescheid diese vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren gegen seine Ausweisung geltend gemachten familiären Beziehungen im Bundesgebiet nicht dargestellt, es findet sich darin bloß die Erwähnung einer "angeblichen Gattin". Gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 iVm § 67 AVG haben aber Berufungsbescheide eine Begründung zu enthalten, in der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. In der Bescheidbegründung ist daher in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1999, Zl. 97/21/0478).

Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid hinsichtlich des § 19 FrG nicht. Die darin getroffenen Feststellungen reichen nämlich nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde nach dieser Gesetzesstelle vorgenommenen Interessenabwägung prüfen zu können. Die belangte Behörde wäre, um eine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung vornehmen zu können, verpflichtet gewesen, die privaten und familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin näher festzustellen. In Ermangelung ausreichender Feststellungen kann nicht geprüft werden, welchen Sachverhalt die belangte Behörde der nach § 19 FrG vorgenommenen Interessenabwägung zu Grunde gelegt hat und ob diese Beurteilung in rechtmäßiger Weise erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Juli 2001

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997210620.X00

Im RIS seit

27.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten