TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/26 99/20/0360

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Veröffentlicht am 26.07.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs5;
FrG 1997 §57 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth, Dr. Strohmayer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Mai 1999, Zl. 209.377/3-VIII/23/99, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einem Asylverfahren (mitbeteiligte Partei: M, geboren am 1. Juli 1968, letzte bekannte Adresse: L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen des Irak, ihm Asyl zu gewähren, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. März 1999 gemäß § 4 AsylG zurückgewiesen, weil der Asylwerber über die Slowakei in das Bundesgebiet eingereist und dort vor Verfolgung sicher gewesen sei. Der Mitbeteiligte erhob Berufung.

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See richtete ein mit 22. April 1999 datiertes Schreiben folgenden Inhaltes an die belangte Behörde:

"Bezüglich der do. Anfrage betreffend Zurückschiebung in die Slowakei wird mitgeteilt, dass grundsätzlich alle illegalen Grenzgänger unverzüglich den slowakischen Grenzbeamten über die SID Niederösterreich zur Rückübernahme angeboten werden, wobei ersucht wird, den Zurückschiebetermin zu einem späteren Zeitpunkt zu vereinbaren.

Eine Zurückschiebung wäre daher jederzeit möglich.

Die Durchführung der Zurückschiebung ist äußerst mühsam, zumal die slowakischen Behörden den illegalen Grenzgänger bei der beabsichtigten Rückstellung niederschriftlich befragen. Eine Übernahme durch die slowakischen Beamten erfolgt in der Regel nur, wenn der Genannte genau sagen kann, wann, wo, und wie er auf österr. Gebiet gelangt ist. Da für den slowakischen Grenzbeamten die Angaben des illegalen Grenzgängers immer unglaubwürdig erscheinen, wird der Fremde nicht übernommen.

Die Tatsache, dass der i.G. bei der illegalen Einreise beobachtet wurde, zählt für die slowakischen Behörden nicht als Beweis.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Zurückschiebung in die Slowakei aus bisheriger Erfahrung aussichtslos erscheint."

Auf Grund dieser Mitteilung stellte die belangte Behörde am 26. April 1999 das Berufungsverfahren gemäß § 4 Abs. 5 AsylG 1997 mittels Aktenvermerkes ein. Die Einstellung wurde damit begründet, dass die genannte Mitteilung im Zusammenhalt mit der vorangegangenen Anfrage der belangten Behörde, welche sich ausdrücklich auf § 57 Abs. 7 des Fremdengesetzes 1997 bezogen habe, als eine Mitteilung im Sinn des § 4 Abs. 5 AsylG zu verstehen sei. Nach dieser Bestimmung würden Bescheide gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. ex lege außer Kraft treten, wenn eine solche Mitteilung vorliege. Ein Berufungsverfahren sei als gegenstandslos einzustellen.

Eine Ablichtung dieses Aktenvermerkes wurde (u.a.) an das Bundesasylamt übermittelt.

Am 18. Mai 1999 langte bei der belangten Behörde ein Antrag des Bundesasylamtes ein, dessen entscheidungswesentliche Passagen lauten:

"Bezugnehmend auf o.a. Betreff und die im Berufungsverfahren erfolgte Einstellung gemäß § 4 Abs. 5 AsylG, geht das Bundesasylamt davon aus, dass es im besagten Verfahren zu einer falschen Tatsachenauslegung gekommen ist. In diesem Zusammenhang wird auch auf das, diesem Schreiben beigelegte Telefax der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 12. Mai 1999 verwiesen.

Das Bundesasylamt stellt daher den Antrag auf Fortsetzung des im o.a. Betreff genannten Asylverfahrens.

Sollte dies jedoch vom entscheidenden Mitglied des UBAS nicht beabsichtigt sein, wird in eventu der Antrag auf einen bescheidmäßigen Abspruch darüber gestellt."

Nach dem Inhalt des diesem Antrag beigelegten Telefaxes der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland sei das von der belangten Behörde zitierte Antwortschreiben der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See fälschlicherweise als Mitteilung im Sinne des § 57 Abs. 7 FrG gewertet worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Bundesasylamtes vom 18. Mai 1999 auf Fortsetzung des Asylverfahrens als unzulässig zurück. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Wortlautes des § 4 Abs. 5 AsylG begründete die belangte Behörde dies damit, dass auf Grund der eindeutigen und durch Unterstreichung der antragstellenden Erstbehörde hervorgehobenen Formulierung die Eingabe vom 18. Mai 1999 unzweifelhaft so zu verstehen sei, dass die Erstbehörde die Fortsetzung des mit oben genannten Aktenvermerk vom 26. April 1999 eingestellten Berufungsverfahrens begehrte. Es sei daher nicht mehr möglich, diese Eingabe lediglich als Anregung, über die sich ein bescheidmäßiger Abspruch erübrigt hätte, zu verstehen.

Dem Antrag komme keine Berechtigung zu. Keiner der für das Verfahren vor der belangten Behörde einschlägigen Gesetzesstellen sei zu entnehmen, dass der Erstbehörde nach erfolgter Einstellung eines Berufungsverfahrens gemäß § 4 Abs. 5 AsylG ein Recht, welches mittels eines Antrages geltend gemacht werden könnte, auf Fortsetzung dieses eingestellten und gegenstandslos gewordenen Berufungsverfahrens zukomme.

Weil es sich beim gegenständlichen Asylverfahren auch nicht um ein durch Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates endgültig abgeschlossenes Verfahren handle, sei auch nicht zu erwägen, ob der gegenständliche Antrag eine Wiederaufnahme im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des AVG zum Ziel haben sollte. Dies ungeachtet dessen, dass auch hier der Erstbehörde kein Antragsrecht zukomme.

Spätestens mit Übermittlung des Aktenvermerkes, mit dem die Einstellung des Berufungsverfahrens gemäß § 4 AsylG aktenkundig geworden sei, an die Erstbehörde sei das Erfordernis des § 57 Abs. 7 FrG - nämlich das Einlangen der Mitteilung der zuständigen Fremdenpolizeibehörde an die Asylbehörde - erfüllt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt seien die Rechtswirkungen des § 4 Abs. 5 AsylG eingetreten und der damals angefochtene Bescheid der Erstbehörde gemäß § 4 leg. cit. außer Kraft getreten. Die Einstellung des anhängigen Berufungsverfahrens wegen Gegenstandslosigkeit sei nur noch eine Folge der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung. Da somit beim unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Sache kein Verfahren mehr anhängig sei, gebe es auch - ungeachtet des oben genannten fehlenden Antragsrechtes der Erstbehörde - nichts fortzusetzen. Der darauf abzielende Antrag sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

Ergänzend führte die belangte Behörde aus, es komme bei einer Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde gemäß § 57 Abs. 7 FrG nicht auf die ausdrückliche Bezeichnung dieser Mitteilung an, sondern darauf, ob sich diese Mitteilung durch ihren Inhalt als eine solche gemäß § 57 Abs. 7 FrG darstelle. Eine solche Mitteilung ziehe ex lege die im § 4 Abs. 5 AsylG genannten Wirkungen nach sich. Seien diese Wirkungen eingetreten, ändere eine spätere, wie auch immer erwirkte Änderung in Form einer Erleichterung oder Ermöglichung des Rückstellungsvollzuges des Asylwerbers nichts daran, dass der vollzogene Bescheid gemäß § 4 leg. cit. nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre. Es sei im Asylgesetz nicht vorgesehen, dass dieser Bescheid gemäß § 4 leg. cit. während der tatsächlichen Unmöglichkeit der Rückstellung des Asylwerbers nur suspendiert wäre und nach Eintreten dieser Möglichkeit wieder in Kraft trete.

Bei der vorliegenden Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See handle es sich unzweifelhaft um eine Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG. Es handle sich nicht um eine undifferenzierte Prognose, welche ohne konkreten Einzelfallbezug wäre, sondern um eine - wenn auch kurz - begründete Prognose unter Bezugnahme auf das gegenständliche Asylverfahren, welche nachvollziehbar den Schluss zulasse, dass die Bewertung, die Rückstellung des Asylwerbers in die Slowakei sei tatsächlich aussichtslos, zutreffe. In diesem Zusammenhang könne die von der Sicherheitsdirektion für das Burgenland geforderte definitive Entscheidung der slowakischen Behörden über die Rückübernahme des Asylwerbers nicht verlangt werden, wenn nämlich von vornherein klar sei, dass eine solche Entscheidung im konkreten Einzelfall ablehnend ausfallen würde. Es wäre sicherlich unökonomisch, wenn eine Behörde Verfahrensschritte setzen müsste, von denen sie von vornherein schon wüsste, dass sie nicht zum gewünschten Ziel führen könnten.

Durch die Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See sei der Bescheid der Erstbehörde gemäß § 4 AsylG dem Rechtsbestand entzogen worden. Es bestehe somit auch für die Berufungsbehörde keinerlei Kompetenz mehr, über die darauf bezogene Berufung noch zu entscheiden, zumal Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung das Berufungsverfahren als gegenstandslos einzustellen gewesen sei. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG habe von Neuem zu laufen begonnen. Weil aber die frühere Entscheidung der Erstbehörde gemäß § 4 AsylG nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre, komme der Grundsatz des "ne bis in idem" nicht zum Tragen. Sollte sich daher nachträglich und innerhalb der Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG ergeben, dass eine Rückstellung des Asylwerbers in die Slowakei möglich würde, bliebe es der Erstbehörde unbenommen - beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gemäß § 4 AsylG - neuerlich einen Bescheid gemäß § 4 AsylG zu erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres, in der er Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 5 AsylG tritt der Bescheid, mit dem der Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen wurde, mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG außer Kraft, wenn der oder die Fremde nicht in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden kann. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von Neuem zu laufen; ein anhängiges Berufungsverfahren ist als gegenstandslos einzustellen.

§ 57 Abs. 7 FrG lautet:

"(7) Erweist sich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder, deren Asylantrag gemäß § 4 des Asylgesetzes 1997 zurückgewiesen worden ist, in den Drittstaat als nicht möglich, so ist hievon das Bundesasylamt unverzüglich in Kenntnis zu setzen."

Dem beschwerdeführenden Bundesminister ist insoweit zuzustimmen, als er in der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 22. April 1999 keine Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG über die Unmöglichkeit der Abschiebung des Mitbeteiligten erblickte. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu einer inhaltlich gleich lautenden Mitteilung dieser Bezirkshauptmannschaft vom 30. April 1999 ausführte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0353), ist die der belangten Behörde gegenüber erstattete Erklärung nämlich in sich widersprüchlich, weil einerseits nur davon gesprochen wird, die Durchführung der Zurückschiebung sei "äußerst mühsam", eine "Übernahme durch die slowakischen Beamten erfolgt in der Regel nur, wenn der Genannte genau sagen kann, wann, wo und wie er auf österr. Gebiet gelangt ist", womit zwar Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Übernahmeabkommens mit der Slowakei mitgeteilt werden, nicht aber eine Unmöglichkeit der Ab- bzw. Rückschiebung des Mitbeteiligten, andererseits "zusammenfassend" ausgeführt wird, "dass eine Zurückschiebung in die Slowakei aus bisheriger Erfahrung als aussichtslos erscheint". Eine Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG liegt aber nur dann vor, wenn darin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass sich die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des konkreten Fremden, dessen Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen wurde, in den in Aussicht genommenen Drittstaat als nicht möglich erweist.

Es ist daher davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall keine Mitteilung nach § 57 Abs. 7 FrG erstattet wurde. Dies hat aber zur Folge, dass die Wirkungen des § 4 Abs. 5 AsylG nicht eingetreten sind. Das im vorliegenden Fall anhängige Berufungsverfahren wäre daher nicht als gegenstandslos einzustellen gewesen, die belangte Behörde hätte es vielmehr fortführen und eine Entscheidung über die Berufung treffen müssen. Eine (neuerliche) Zuständigkeit des Bundesasylamtes ist nicht entstanden, unverändert ist von der Zuständigkeit der belangten Behörde (zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid nach § 4 AsylG) auszugehen.

Nun hat die belangte Behörde aber das Berufungsverfahren mittels Aktenvermerkes eingestellt (zur Richtigkeit der Wahl eines Aktenvermerkes an Stelle eines Bescheides vergleiche das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000).

Gegenstand des Fortsetzungsantrages sollte und konnte - wegen der Unbeachtlichkeit allfälliger später eintretender Veränderungen wie z.B. eines Widerrufs der Erklärung nach § 57 Abs. 7 FrG, die nicht zum Wiederaufleben eines außer Kraft getretenen Bescheides und nicht zum Wiederaufrollen des Berufungsverfahren führen würden und im vorliegenden Fall vom Bundesasylamt auch nicht behauptet wurden - (nur) die Überprüfung der ursprünglichen Richtigkeit der Einstellung des Verfahrens in einer Form sein, die eine weitere Rechtskontrolle (durch den Verwaltungsgerichtshof) ermöglicht hätte. Auch wenn in der Beschwerde dahingehend argumentiert wird, dass der Fortsetzungsantrag als Antrag auf Sachentscheidung über die Berufung zu verstehen sei, wird mit ihm doch für den Fall, dass die belangte Behörde die Voraussetzungen dafür als nicht gegeben ansehen sollte, das Ziel verfolgt, in Form einer Abweisung dieses Fortsetzungsantrages von der belangten Behörde eine bescheidmäßige Feststellung des Inhaltes zu erhalten, dass der Bescheid erster Instanz außer Kraft getreten sei. Damit soll im Ergebnis aber nichts anderes als eine bescheidmäßige (und damit vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfbare) Einstellung des Berufungsverfahrens erreicht werden. Diese Form der Einstellung entspräche aber aus den im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000 näher dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, nicht dem Gesetz.

Es kann mit Rücksicht auf dieses - erst nach Erhebung der vorliegenden Amtsbeschwerde ergangene - Erkenntnis daher keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall mit einer Zurückweisung des Antrages des Bundesasylamtes auf Fortsetzung des Verfahrens vorgegangen ist.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200360.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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