TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 99/08/0030

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2001
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1152;
ASVG §111;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33 Abs2;
ASVG §33;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):99/08/0076 E 27. Juli 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. September 1998, Zl. UVS-06/20/00797/97, betreffend Übertretung des § 111 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der J GmbH, welche in Wien 2 einen Gastgewerbebetrieb führt. Am 17. Juli 1997 nahm die Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, in diesem Gastbetrieb eine fremdenpolizeiliche Streife vor. Hiebei wurde eine bulgarische Staatsangehörige angetroffen, als sie "gerade hinter der Theke eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank nahm und sie einem Gast servierte". Da diese Beschäftigte kein Reisedokument vorweisen konnte, wurde sie im Zuge der Amtshandlung gemäß § 85 Abs. 2 FrG festgenommen und dem fremdenpolizeilichen Büro überstellt.

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk vom 21. November 1997 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der genannten GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin ihrer Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen nicht nachgekommen sei, indem am 17. Juli 1997 um 18.45 Uhr im Gastgewerbebetrieb in Wien 2 eine bulgarische Staatsangehörige als Kellnerin beschäftigt worden sei, ohne die in der Krankenversicherung Pflichtversicherte binnen drei Tage nach Beginn der Pflichtversicherung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung anzumelden und binnen drei Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung bei diesem abzumelden, weil laut Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse vom 13. August 1997 bei der Kasse keine Versicherung vorgemerkt sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 111 i.V.m. § 33 ASVG verletzt; gemäß § 111 ASVG werde über sie eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.

In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, der im Spruch näher ausgeführte und der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Sachverhalt sei auf Grund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. Juli 1997 sowie der Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse als erwiesen anzusehen. Bei der angelasteten Tat hätte der Täter glaubhaft zu machen gehabt, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Diese Glaubhaftmachung sei nicht erreicht worden, weil die nicht Gemeldete anlässlich der Revision betreten worden sei, wie sie aus dem Kühlschrank hinter der Theke eine Flasche Bier genommen und einem Gast serviert habe. Es sei deshalb sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, sie bekämpfe das Straferkenntnis vollinhaltlich und bestreite das ihr zur Last gelegte Delikt, weil sie das strafbare Verhalten nicht gesetzt habe. Außerdem sei die verhängte Strafe nicht schuldangemessen. Der ihr zur Last gelegte Sachverhalt sei keineswegs bescheinigt oder erwiesen. Die angeführte nicht gemeldete Person sei von ihr nicht beschäftigt worden, sondern sei nur auf Besuch und als Gast anwesend gewesen. Das in der Anzeige angeführte Bier sei von ihr selbst dem Gast serviert worden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit Richtigstellung des Geburtsdatums der bulgarischen Staatsangehörigen bestätigt.

In der Begründung wurde das Verwaltungsgeschehen dargestellt sowie die in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde erfolgten Aussagen der einvernommenen Personen wiedergegeben. Nach Gesetzeszitaten führte die belangte Behörde aus, dass sie ihrer Entscheidung die Anzeige, die zeugenschaftliche Aussage des Anzeigers vor der belangten Behörde und die Zeugenaussage der B.K. ihrer Entscheidung zu Grunde lege. Den Aussagen dieser Zeugen könne entnommen werden, dass die bulgarische Staatsangehörige beim Servieren im Lokal angetroffen worden sei, diese eine Kellnerbrieftasche getragen habe und sie ebenso wie die Familienangehörigen der Beschwerdeführerin serviert und kassiert habe. Diese Zeugen hätten einen durchaus glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck vermittelt und hätten sich auch bei ihrer Befragung in keinerlei Widersprüche verwickelt. Dem gegenüber habe die Rechtfertigung der Beschwerdeführerin konstruiert, verworren und in sich nicht geschlossen gewirkt. Letztlich sei auch noch zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin mit Berufungsbescheid der belangten Behörde wegen Beschäftigung der in Rede stehenden Ausländerin rechtskräftig wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bestraft worden sei. Es sei daher von dem von der Behörde erster Instanz bereits festgestellten Sachverhalt auszugehen gewesen. Damit erweise sich der objektive Tatbestand als gegeben. Da es sich bei der gegenständlichen Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, wäre die Beschwerdeführerin gehalten gewesen, initiativ alles vorzubringen, was für ein mangelndes Verschulden spreche. Ein derartiges Vorbringen sei nicht erstattet worden. Es sei daher auch von der Erfüllung der subjektiven Tatseite auszugehen gewesen. Es folgen Ausführungen hinsichtlich der Strafbemessung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der ihr zur Last gelegten Übertretung schuldig erkannt und deswegen bestraft zu werden, als verletzt. In Ausführung des so umschriebenen Beschwerdepunktes führt sie sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aus, die belangte Behörde habe nicht angegeben, welches Delikt sie überhaupt im Konkreten verfolge. Es werde lediglich § 33 ASVG zitiert und dabei aber übersehen, dass die Bestimmung zwei Absätze mit jeweils unterschiedlichen Tatbeständen enthalte. Ebenso wenig seien Feststellungen zur Entgeltlichkeit als solcher bzw. zur Höhe eines allfälligen Entgeltes der angeblich Beschäftigten dem Bescheid zu entnehmen. Sie sei auch deswegen zu Unrecht bestraft worden, weil sie laut Spruch des Erkenntnisses die Abmeldung der Beschäftigten nicht rechtzeitig veranlasst habe, obwohl dieses Delikt gar nicht zur Rede gestanden sei. Nach dem fehlerhaften Bescheidspruch lägen zwei Delikte vor, die extra und unterschiedlich mit Strafe hätten belegt werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 111 ASVG begehen Dienstgeber und sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen), im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten, die der ihnen auf Grund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung (u.a.) zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen - wenn die Handlung nicht nach anderer Bestimmung einer strengeren Strafe unterliegt - eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde in einer näher genannten Weise bestraft.

Der von der belangten Behörde zitierte § 33 ASVG lautet in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung wie folgt:

"§ 33. (1) Die Dienstgeber (Auftraggeber) haben jeden von ihnen Beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im Allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden.

(2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z. 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

(3) Für die gemäß § 4 Abs. 4 oder 5 beschäftigten Personen hat der Dienstgeber (Auftraggeber) die für diese Versicherung bedeutsamen Angaben und deren Änderungen, insbesondere

1. die gemäß § 43 Abs. 2 Z. 1 bis 5 vom Auftragnehmer gemeldeten Auskünfte,

2. den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und den Erfüllungszeitpunkt oder die Vertragsdauer und

3. die Art der Tätigkeit und die Höhe des vereinbarten Entgelts, zu melden. Die § 34 und 41 sind anzuwenden.

(4) Die Anmeldung für die gemäß § 4 Abs. 4 und/oder 5 beschäftigten Personen kann unterbleiben, wenn auf Grund aller zum Zeitpunkt des Beginnes der Tätigkeit (Leistungserbringung) bekannten Umstände anzunehmen ist, dass der Betrag gemäß § 5a Abs. 1 im Durchschnitt der Kalendermonate der Pflichtversicherung auf Grund der Tätigkeit (Leistungserbringung) bzw. der Tätigkeiten (Leistungserbringungen) für ein und den selben Auftraggeber nicht überschritten wird und kein Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 zum selben Auftraggeber (Dienstgeber) vorliegt. Bei Vorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 zum selben Auftraggeber (Dienstgeber) ist an Stelle des Betrages gemäß § 5a Abs. 1 der Betrag gemäß § 5 Abs. 2 lit. c zu berücksichtigen. Bei einer Änderung der Umstände hat die Anmeldung unverzüglich auf Beginn des Monats, in welchem abzusehen ist, dass der Betrag gemäß § 5a Abs. 1 im Durchschnitt der Kalendermonate des jeweiligen Kalenderjahres überschritten wird, zu erfolgen."

Ob die Beschwerdeführerin gegen § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen und damit eine Verwaltungsübertretung nach § 111 ASVG begangen hat, hängt ausgehend von der im übernommenen Spruch des Straferkenntnisses umschriebenen Tat davon ab, ob die bulgarische Staatsangehörige eine von der GmbH Beschäftigte, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherte, und zwar entweder Vollversicherte oder Teilversicherte war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, 97/08/0423).

Dem Beschwerdevorbringen, die Behörde habe Feststellungen zur Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses unterlassen, ist entgegenzuhalten, dass die Behörde die genannte bulgarische Staatsangehörige an der Theke arbeitend angetroffen hat, wie in der Beschwerde nicht mehr bestritten wird. Ebenso wenig werden die Feststellungen der belangten Behörde bestritten, dass die Genannte auch kassiert hat. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei der Tätigkeit einer Kellnerin in einem Gastwirtschaftsbetrieb der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Durfte die belangte Behörde daher im vorliegenden Fall von einem solchen Dienstverhältnis ausgehen, wogegen die Beschwerde keinen Einwand erhebt, dann ergibt sich der Entgeltanspruch - sofern dieser nicht ohnehin in Kollektivverträgen oder Mindestlohntarifen geregelt ist - im Zweifel aus § 1152 ABGB.

Die Beschwerdeführerin ist aber im Ergebnis insoweit im Recht, als § 33 zwischen der Meldung krankenversicherter Personen im Abs. 1 und der Meldung bloß geringfügig Beschäftigter in § 33 Abs. 2 ASVG unterscheidet. Bestraft die Behörde daher wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG (Nichtmeldung krankenversicherter Personen) so hat sie in der Begründung die Krankenversicherungspflicht der Beschäftigung, d.h. einen Entgeltanspruch, der die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, darzutun. Nach diesen Grundsätzen bedeutet dies zumindest die Feststellung eines solchen Umfanges der Arbeitsverpflichtung, dass daraus (oder aus den lohnrelevanten Vorschriften des Kollektivvertrages vgl. z.B. das zur Teilzeitbeschäftigung nach Punkt 5 des Kollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe ergangene Erkenntnis vom 27. Jänner 1990, Zl. 89/08/0031, mit Hinweisen auf Vorjudikatur) verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden darf. Gelingt ihr dies nicht, dann käme nur ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG in Betracht (zur Notwendigkeit dieser Unterscheidung vgl. das Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0423).

Da die belangte Behörde weder dazu noch zu der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Abmeldung der Beschäftigten nach dem Ende der Pflichtversicherung ausreichende Feststellungen traf, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren an Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit nach § 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG abzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999080030.X00

Im RIS seit

28.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten