TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/27 89/08/0031

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.1990
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMFG §27 Abs1 litd;
AMFG §29;
AMFG §30;
KollV Arbeiter Hotelgewerbe Gastgewerbe Pkt5 lita;
KollV Arbeiter Hotelgewerbe Gastgewerbe Pkt5 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des K gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Dezember 1988, Zl. VII/2-3461/12-1988, betreffend Beitragsnachentrichtung (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnises des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1988, Zl. 87/08/0309, verwiesen.

Demnach hängt die strittige Beitragspflicht des Beschwerdeführers für Zeiträume in den Kalenderjahren 1984 bis 1986 ausschließlich davon ab, ob seine Dienstnehmerinnen M und Z, die in diesen Zeiträumen von ihm als Serviererinnen mit Inkasso mit einer variablen Wochenarbeitszeit vom 28 bis 36 Stunden (M) bzw. von 32 bis 38 Stunden (Z) beschäftigt wurden, und die Dienstnehmerin S, die in den genannten Zeiträumen vom Beschwerdeführer als Küchengehilfin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit vom 31 bis 37 Stunden bzw. ab 1. Jänner 1985 von 26 Stunden beschäftigt wurde, dem im Punkt 5 lit. a des Kollektivvertrages für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe (im folgenden Kollektivvertrag genannt) umschriebenen Personenkreis zuzuzählen waren und ihnen daher nach Punkt 5 lit. b des Kollektivvertrages (nach den §§ 44 Abs. 1. 1 Z. 1, 49 Abs. 1 ASVG beitragspflichtige) Zuschläge gebührten.

Die lit. a und b des mit "Kurzarbeit und Teilzeitbeschäftigung" überschriebenen Punktes 5 des Kollektivvertrages lauten:

"a) 1. Ständige Kurzarbeiter dürfen nicht unter 24 Stunden in der Woche entlohnt werden.

2. Regelmäßig aushilfsweise Beschäftigte (Teilzeitbeschäftigte) dürfen nicht unter 4 Stunden am Tag entlohnt werden.

3. Fallweise aushilfsweise Beschäftigte (Teilzeitbeschäftigte) dürfen nicht unter 4 Stunden am Tag entlohnt werden, jedoch in Saisonzeiten (15. Mai bis 15. September, 20. Dezember bis Ostermontag) dürfen diese nicht unter 2 Stunden am Tag entlohnt werden.

4. Bedienerinnen, Abwäscherinnen und nicht für gastgewerbliche Arbeiten verwendete Hilfskräfte können auch stundenweise beschäftigt und entlohnt werden.

b) In jedem Fall gebührt für die ersten 4 Stunden der täglichen Kurzarbeit oder Teilzeitbeschäftigung ein Zuschlag von 25 % zum Normalstundenlohn."

Mit dem Vorerkenntnis wurde der diese Frage und damit die Beitragspflicht des Beschwerdeführers bejahende Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 1987 mit nachstehender Begründung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben: Zwar sei der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 8. Oktober 1987, Zl. 87/08/0175, in dem er sich mit der Auslegung des Punktes 5 lit. a des Kollektivvertrages zu befassen gehabt habe, zum Ergebnis gelangt, daß Punkt 5 lit. a Z. 1 des Kollektivvertrages keine Definition des Begriffes "ständiger Kurzarbeiter" enthalte; ihr normativer Gehalt erschöpfe sich in einer Lohngarantie für "ständige Kurzarbeiter" des Inhaltes, daß diese nicht unter 24 Stunden in der Woche entlohnt werden dürften; daß jemand, der zumindest 24 Stunden in der Woche arbeite, kein "ständiger Kurzarbeiter" sei und daher nicht in den Anwendungsbereich der Zuschlagsregelung der lit. b falle, finde im insofern klaren Wortlaut dieser Normen keine Deckung. Die Frage jedoch, ob ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 5 lit. b des Kollektivvertrages auch bei einer Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden (bejahendenfalls: ob er bei jeder Überschreitung) zustehe, hänge von der Auslegung der Ausdrücke "Kurzarbeit" bzw. "Teilzeitbeschäftigung" ab. Für die zur abschließenden Beurteilung dieser beiden Fragen erforderliche Auslegung des Kollektivvertrages genüge es aber nicht, lediglich die im vollen Wortlaut festgestellten Punkte 5 lit. a und b des Kollektivvertrages heranzuziehen und überdies auf die Punkte 2 lit. a und b sowie 4 lit. a des Kollektivvertrages Bedacht zu nehmen. Es sei vielmehr erforderlich, auch die übrigen lohn- und arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages im vollen Wortlaut zu berücksichtigen, um - entsprechend den in den Entscheidungsgründen dargelegten Auslegungsregeln für Kollektivverträge - allenfalls aus dem gesamten systematischen Regelungszusammenhang Rückschlüsse ziehen zu können. Darüber gäben aber weder die Bescheide der Verwaltungsbehörden hinreichend Aufschluß noch fände sich in den Verwaltungsakten eine Ausgabe des gegenständlichen Kollektivvertrages.

Im fortgesetzten Verfahren legte die mitbeteiligte Partei über Ersuchen der belangten Behörde eine Ausfertigung des maßgeblichen Kollektivvertrages vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 25. März 1987 neuerlich nicht statt und bestätigte den bekämpften Bescheid. Nach der Bescheidbegründung seien die obgenannten Dienstnehmerinnen den im Punkt 5 lit. a des Kollektivvertrages aufgezählten Arbeitnehmerkategorien zuzuordnen gewesen. Als "Kurzarbeit" sei nämlich - in Ableitung von § 3 Abs. 1 AZG bzw. des Punktes 2 lit. a des Kollektivvertrages (wonach die Normalarbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen wöchentlich 40 Stunden nicht übersteigen dürfe) - "jede erbrachte Wochenstundenanzahl, die unter 40 liegt" anzusehen. Aus der Formulierung "... nicht unter 24 Stunden in der Woche entlohnt ..." in Punkt 5 lit. a Z. 1 des Kollektivvertrages könne nicht darauf geschlossen werden, daß ein Arbeitnehmer, der 24 Stunden in der Woche arbeite, nicht mehr zu den Kurzarbeitern zähle. Vielmehr inkludiere diese Bestimmung den 24 Wochenstunden tätigen Dienstnehmer. Diese 24-Wochenstundengrenze beziehe sich im übrigen nur auf Z. 1 des Punktes 5 lit.a des Kollektivvertrages, für die nach Z. 2 bis 4 Beschäftigten fände sich eine solche Einschränkung nicht. Daß Arbeitnehmer, die mehr als 24 Stunden in der Woche arbeiteten, als Kurzarbeiter anzusehen seien, sei auch aus den Erläuterungen zum Punkt 5 lit. a des Kollektivvertrages ersichtlich. Darin heiße es nämlich: "1. Ständige Kurzarbeit. Ständige Kurzarbeiter im Sinn dieser Bestimmung sind jene Arbeitnehmer, die ihre Arbeit täglich in einem Betrieb verrichten, jedoch nicht mit voller Arbeitszeit, sondern z.B. jeweils 4 Stunden an sechs Tagen oder jeweils 5 Stunden an fünf Tagen in der Woche." Wenn eingewendet werde, daß es sich bei den "Erläuterungen" zum Kollektivvertrag nicht um dessen authentische Interpretation handle, so sei dies zwar zutreffend, ändere jedoch nichts daran, daß auch derartige Rechtsmeinungen sehr wohl zur Auslegung mitherangezogen werden könnten. Auch ein Vergleich mit den übrigen lohn- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages führe zu keinem anderen Ergebnis. Die mitbeteiligte Partei habe daher mit Recht die Zuschläge nach Punkt 5 lit. b des Kollektivvertrages der Beitragsberechnung zugrunde gelegt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer seine Rechtsauffassung aufrecht erhält, daß die im Punkt 5 lit. a des Kollektivvertrages umschriebenen Arbeitnehmerkategorien nur dann dieser Kollektivvertragsbestimmung unterlägen, wenn sie weniger als 24 Stunden pro Woche beschäftigt würden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie schon in dem im Vorerkenntnis zitierten Erkenntnis vom 8. Oktober 1987, Zl. 87/08/0175, ausgeführt wurde, enthält Punkt 5 lit. a Z. 1 des Kollektivvertrages keine Definition des Begriffes "ständiger Kurzarbeiter". Auch in den übrigen "Kurzarbeit" behandelnden Bestimmungen des (nunmehr im vollen Wortlaut vorliegenden) Kollektivvertrages (Punkt 4 lit. a und Punkt 5 lit. d) findet sich keine Definition der Begriffe "ständiger Kurzarbeiter" oder "Kurzarbeit". Da Punkt 5 des Kollektivvertrages Regelungen über "Kurzarbeit und Teilzeitbeschäftigung" enthält, in der Aufzählung der lit. a der Ausdruck "Kurzarbeit" jedoch nur in Verbindung mit "ständige Kurzarbeiter" vorkommt, kann unter "Kurzarbeit" im Sinne des Kollektivvertrages nur die Arbeit der "ständigen Kurzarbeiter" verstanden werden. Schon die Verwendung des Wortes "ständige" im Punkt 5 Z. 1 lit. a des Kollektivvertrages verbietet es aber, darunter Arbeitnehmer zu verstehen, die Kurzarbeit im Sinne der üblichen arbeitsrechtlichen, dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (§§ 27 Abs. 1 lit. d, 29, 30) zugrunde liegenden Terminologie verrichten, nämlich Arbeitnehmer, die in einer auf Grund wirtschaftlicher bzw. betrieblicher Notwendigkeiten vorübergehend reduzierten Arbeitszeit mit entsprechender Entgeltkürzung beschäftigt werden, für deren Entschädigung dem Dienstgeber unter bestimmten Voraussetzungen nach den zitierten Bestimmungen des AMFG Beihilfen gewährt werden (vgl. unter anderem Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 308). Unter den "ständigen Kurzarbeitern" im Sinne des Punktes 5 lit. a Z. 1 des Kollektivvertrages müssen vielmehr - in Abgrenzung zu den in den Ziffern 2 und 3 genannten aushilfsweise Beschäftigten - solche Teilzeitbeschäftigte verstanden werden, die regelmäßig und nicht nur aushilfsweise beschäftigt werden.

Da Punkt 5 des Kollektivvertrages nur für "Kurzarbeit und Teilzeitbeschäftigung" gilt, fallen auch unter Z. 4 des Punktes 5 lit. a des Kollektivvertrages nur teilzeit- und nicht vollbeschäftigte Arbeitnehmer der in dieser Ziffer genannten Art. Bei der Beurteilung der Streitfrage, ob Teilzeitbeschäftigte im eben genannten Sinn der lit. a des Punktes 5 des Kollektivvertrages - entsprechend der Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei - alle Personen sind, die unter der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit beschäftigt werden, oder - entsprechend der Meinung des Beschwerdeführer - nur solche, die unter 24 Stunden pro Woche beschäftigt werden, ist vorerst daran zu erinnern, daß der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis jedenfalls hinsichtlich der ständigen Kurzarbeiter ausgesprochen hat, daß darunter auch solche fallen, die 24 Stunden in der Woche arbeiten. Offen ist somit, ob auch Personen, die mehr als 24, aber weniger als 40 Stunden pro Woche beschäftigt werden, Teilzeitbeschäftigte im Sinne des Punktes 5 lit. a des Kollektivvertrages sind. Die beiden ersten Sätze des Punktes 4 lit. a des Kollektivvertrages, in dem, wie erwähnt, von "Kurzarbeit" die Rede ist ("Als Überstundenarbeit gilt jede über die im Punkt 2 lit. a festgesetzte Normalarbeitszeit hinausgehende angeordnete Arbeitsleistung. Auch bei Kurzarbeit sind als Überstunden nur die Arbeitsstunden zu entlohnen, die über 40 Stunden in der Woche geleistet werden."), tragen zur Lösung dieser Frage nichts bei, weil der maßgebliche zweite Satz eben offen läßt, was unter "Kurzarbeit" in zeitlicher Hinsicht gemeint ist. Es handelt sich hiebei nur um eine verkürzte, auf Kurzarbeit bezogene Fassung der Regelung des Punktes 5 lit. c des Kollektivvertrages, der nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes für die Beurteilung der maßgeblichen Streitfrage entscheidend ist; diese Bestimmung lautet:

"Bei einer vom Arbeitgeber beanspruchten Mehrarbeit gilt von der 25. bis 40. Wochenstunde der Normalstundenlohn und erst ab der 41. Arbeitsstunde der Überstundenlohn."

Aus dieser für alle Teilzeitbeschäftigten im Sinne des Punktes 5 lit. a des Kollektivvertrages geltenden Regelung der Entlohnung der "Mehrarbeit" muß abgeleitet werden, daß Teilzeitbeschäftigte im Sinne der lit. a nur solche Personen sind, die maximal 24 Stunden pro Woche beschäftigt werden; andernfalls müßte es in dieser Bestimmung "... Mehrarbeit gilt bis zur 40. Wochenstunde ..." heißen. Diese vom Wortlaut der eben genannten Bestimmung des Punkt 5 des Kollektivvertrages abgeleitete Interpretation wird durch die Überlegung erhärtet, daß dadurch das - im Falle der Richtigkeit der Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei - sich ergebende Problem, daß nämlich unter bestimmten Umständen ein nicht während der vollen Normalarbeitszeit tätiger Dienstnehmer ein höheres Entgelt erhielte als ein die volle Normalarbeitszeit ableistender Dienstnehmer, von vornherein nicht auftreten kann. Daß die zitierten "Erläuterungen" zum Kollektivvertrag nicht maßgeblich sind, hat die belangte Behörde selbst erkannt.

Nach dieser Auslegung des Punktes 5 lit. a des Kollektivvertrages gebührten den obgenannten Dienstnehmerinnen des Beschwerdeführers, die in den maßgeblichen Zeiträumen unbestritten zwischen 26 und 38 Stunden pro Woche beschäftigt wurden, keine Zuschläge nach Punkt 5 lit. b des Kollektivvertrages.

Der angefochtene Bescheid, dem eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, da einerseits als Ersatz für den Schriftsatzaufwand nach den §§ 48 Abs. 1 Z. 2, 49 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989 nur der in der Verordnung genannte Pauschbetrag gebührt und andererseits im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) ein Stempelgebührenersatz nach § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht zusteht.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ständiger Kurzarbeiter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080031.X00

Im RIS seit

22.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten