TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/27 95/08/0145

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2001
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1380;
ABGB §1381;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §11 Abs2;
ASVG §49 Abs3;
VwRallg;
ZPO §204;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der H in U, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Kaigasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. April 1995, Zl. 3/01-13.039/3-1995, betreffend Beitragsgrundlage (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, Faberstraße 19-23, 5024 Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte am 27. September 1991 im Zuge eines laufenden Scheidungsverfahrens beim Arbeitsgericht Salzburg eine Klage gegen ihren Ehegatten (Dienstgeber) auf Zahlung des vereinbarten Gehaltes und der Sonderzahlungen ein.

Sie führte in ihrer Klage (welche aktenkundig ist) im Wesentlichen aus, seit 1973 im Betrieb des Ehegatten beschäftigt zu sein. Seit Jänner 1991 habe sie nicht mehr das vereinbarte Gehalt von monatlich S 15.000,-- brutto und auch die Sonderzahlungen nicht erhalten. Der Beschwerdeführerin stünden daher von Jänner 1991 bis August 1991 S 120.000,-- an Gehalt sowie die Sonderzahlung (13. Gehalt) in Höhe von S 15.000,-- (brutto) zu.

Mit Versäumungsurteil vom 9. Oktober 1991 wurde der Dienstgeber zu einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt S 135.000,--

brutto verurteilt.

Mit Schreiben vom 9. März 1992 ersuchte der Dienstgeber daraufhin die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um Berichtigung des für die Beschwerdeführerin gemeldeten Entgelts. Auf Grund des laufenden Scheidungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin im Jahre 1991 in seinem Betrieb keine Arbeitsleistungen mehr erbracht, weshalb von ihm auch kein Gehalt ausbezahlt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe ein Bruttogehalt von monatlich S 15.000,-- eingeklagt. Die ursprüngliche Meldung an die Gebietskrankenkasse habe jedoch auf S 22.000,-- (brutto) gelautet. Er ersuche daher für den Zeitraum Jänner bis August 1991 um Berichtigung der Meldung. Für den Zeitraum September bis November 1991 ersuche er um Richtigstellung der Beitragsgrundlage auf S 3.000,--. Die Beschwerdeführerin werde mit Ende November 1991 abgemeldet.

Am 24. August 1992 brachte die Beschwerdeführerin beim Arbeits- und Sozialgerichtgericht eine neuerliche Klage gegen ihren (nunmehr geschiedenen) Ehegatten ein. Nach deren Begründung habe ihr Gehalt S 22.000,-- brutto betragen. In ihrer ersten Klage habe sie irrtümlich das Nettogehalt von S 15.000,-- als Bruttobetrag bezeichnet. Sie habe daher bei ihrem (ursprünglich) eingeklagten Gehalt pro Monat um S 7.000,-- zu wenig eingeklagt. Ferner begehrte die Beschwerdeführerin für die Monate September bis Dezember 1991 (neben den Sonderzahlungen) ein monatliches Bruttogehalt von S 22.000,--.

Am 4. Dezember 1992 erfolgte ein (gerichtlicher) Vergleich der Streitparteien. Dabei wurde im Wesentlichen Folgendes vereinbart:

1. Auflösung des Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin mit 30. November 1991.

2. Zahlung eines Betrages von S 150.000,-- als gesetzliche Abfertigung an die Beschwerdeführerin.

3. Verpflichtung der Beschwerdeführerin, den Exekutionsantrag aus dem Versäumungsurteil vom 9. Oktober 1991 zurückzuziehen.

4. Sämtliche arbeitsrechtlichen Ansprüche der Streitparteien aus dem Dienstverhältnis wurden als bereinigt und verglichen angesehen.

Mit Schreiben vom 16. Mai und 17. Juni 1994 beantragte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Durchführung der Nachversicherung hinsichtlich ihres Gehalts für die Zeit vom 1. Jänner 1991 bis 30. November 1991 auf S 22.000,-- brutto monatlich. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 4. Dezember 1992 sei ihr noch nicht bekannt gewesen, dass ihr geschiedener Ehegatte Änderungsmeldungen bezüglich ihrer Gehaltshöhe erstattet habe. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren seien arbeitsrechtliche Ansprüche und nicht die gemeldete Höhe des Gehaltes strittig gewesen.

Mit Bescheid vom 24. August 1994 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass die Beitragsgrundlage (§ 44 ASVG) zur Bemessung der allgemeinen Beiträge für die Beschwerdeführerin auf Grund der vom Dienstgeber eingesandten Änderungsmeldungen ab 1. Jänner 1991 monatlich S 15.000,-- brutto und ab 1. September 1991 monatlich S 3.000,-- brutto betrage.

Begründend wurde ausgeführt, nach § 34 Abs. 1 ASVG habe der Dienstgeber während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage, Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruches, innerhalb der im § 33 Abs. 1 ASVG festgesetzten Frist dem zuständigen Träger der Krankenversicherung zu melden. Der Dienstgeber sei dieser Vorschrift nachgekommen und habe der Kasse die Herabsetzung des Entgelts für die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1991 bzw. ab 1. September 1991 mit Änderungsmeldungen bekannt gegeben. Die Kasse habe diese Änderungsmeldungen (zunächst) mit Vorbehalt entgegengenommen, da bekannt gewesen sei, dass die Eheleute (Dienstgeber und Beschwerdeführerin) in Scheidung lebten und hinsichtlich der Entlohnung der Beschwerdeführerin ein Arbeitsgerichtsverfahren anhängig sei. Dieses Verfahren sei mit Vergleich vom 4. Dezember 1992 beendet worden. In diesem Vergleich sei u.a. vereinbart worden, dass der Dienstgeber an seine geschiedene Ehegattin (Beschwerdeführerin) eine Abfertigung in der Höhe von S 150.000,-- zu bezahlen habe. Auf alle Ansprüche und Forderungen aus dem Dienstverhältnis sei von der Beschwerdeführerin verzichtet worden. Aus diesem Grund hätten die Entgeltmeldungen des Dienstgebers zur Kenntnis genommen werden müssen. Eine Berichtigung der Beitragsgrundlage sei daher nicht möglich.

Dem dagegen erhobenen Einspruch der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens aus, die Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörden seien gemäß § 49 Abs. 6 ASVG an rechtskräftige Entscheidungen (auch Versäumungsurteile der Gerichte), in denen Entgeltansprüche des Dienstnehmers festgestellt würden, gebunden. Im Beschwerdefall habe der Dienstgeber unter Hinweis auf das Versäumungsurteil vom 9. Oktober 1991 ersucht, die monatliche Bemessungsgrundlage der Beschwerdeführerin von S 22.000,-- auf S 15.000,-- (brutto) herabzusetzen. Gleichzeitig habe er eine Änderungsmeldung der wöchentlichen Arbeitszeit der Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1991 auf 25 Stunden und ab 1. September 1991 auf wöchentlich 5 Stunden bekannt gegeben. Mit dieser Änderungsmeldung sei auch eine Herabsetzung des monatlichen Gehaltes ab 1. September 1991 auf S 3.000,-- brutto verbunden gewesen. Ferner habe der Dienstgeber ausdrücklich angegeben, dass die Beschwerdeführerin ab dem Jahre 1991 keine Arbeitsleistung mehr in seinem Betrieb erbracht habe. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe von dem neuerlichen Arbeitsgerichtsverfahren eine endgültige Klärung der Sachlage erwartet. Das Arbeitsgerichtsverfahren sei jedoch am 4. Dezember 1992 mit einem Vergleich beendet worden, der nur die Zahlung einer Abfertigung beinhalte. Eine rückwirkende Berichtigung der Bemessungsgrundlage auf monatlich S 22.000,-- brutto sowie die Vorschreibung der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge wäre nur dann möglich, wenn der Nachweis erbracht werden könne, dass ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf dieses Gehalt bestehe. In diesem Fall könnte die Kasse von einem rechtsunwirksamen Verzicht des Arbeitnehmers auf arbeitsrechtliche Ansprüche ausgehen und gemäß § 49 Abs. 1 und 44 Abs. 1 ASVG die Nachversicherung der Sozialversicherungsbeiträge vornehmen. Da jedoch keine Unterlagen vorhanden seien, die eine tatsächliche Arbeitsleistung der Beschwerdeführerin ab dem Jänner 1991 bewiesen oder belegten und die Behauptung des Dienstgebers, dass die Beschwerdeführerin nicht gearbeitet habe, nach wie vor aufrechterhalten werde, könne keine rückwirkende Erhöhung der monatlichen Bemessungsgrundlage auf S 22.000,-- brutto vorgenommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat einen als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz übermittelt, in dem in Wesentlichen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird - zusammengefasst - vorgebracht, das vereinbarte Monatsgehalt der Beschwerdeführerin habe S 22.000,-- brutto betragen. Eine Änderung dieses Gehaltes sei arbeitsvertraglich nicht vereinbart worden. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 4. Dezember 1992 habe die Beschwerdeführerin keine Kenntnis von den Änderungsmeldungen ihres Dienstgebers gehabt. Es habe daher für sie keine Veranlassung bestanden, im Arbeitsgerichtsverfahren die Beitragsgrundlage zu sichern. Die in der (zweiten) Klage angeführte Gehaltshöhe sei vom Dienstgeber zu keiner Zeit bestritten worden. Aus diesem Grund stelle der Vergleich keinen Verzicht auf die Beitragsgrundlage von S 22.000,-- brutto monatlich dar. Dass auch der Dienstgeber von dieser Gehaltshöhe ausgegangen sei, zeige sich daran, dass er gegen die Berechnungen in der Klage keinerlei Einwendungen erhoben habe. Wäre es tatsächlich im Jahre 1991 zu arbeitsvertraglichen Vereinbarungen über die Reduzierung des Gehaltes gekommen, wäre es wohl nahe liegend gewesen, dass der Arbeitgeber dies im Arbeitsgerichtsverfahren vorgebracht hätte. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass die Reduzierung der Beitragsgrundlage durch den Dienstgeber zu Recht erfolgt sei, da eine tatsächliche Arbeitsleistung der Beschwerdeführerin im Jahre 1991 nicht bewiesen oder belegt worden sei. Der Umstand, ob im aufrechten Arbeitsverhältnis Arbeitsleistungen erbracht würden oder nicht, habe allerdings nur dann Auswirkungen auf die Beitragsgrundlage, wenn entsprechende Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien vorlägen. Einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, wie z.B. eine Dienstfreistellung, führten zu keiner Änderung der Beitragsgrundlage. Die Beschwerdeführerin sei im Jahre 1991 arbeitsbereit gewesen, sei jedoch vom Dienstgeber auf Grund der angespannten persönlichen Situation wegen des laufenden Scheidungsverfahrens nur mehr fallweise zu Dienstleistungen zugelassen worden. Diese einseitige Maßnahme des Arbeitgebers könne zu keiner Änderung der Beitragsgrundlage führen.

Gemäß § 34 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage, Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruches, innerhalb der im § 33 Abs. 1 festgesetzten Frist dem zuständigen Träger der Krankenversicherung zu melden.

Gemäß § 49 Abs. 6 ASVG sind die Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörden an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen Entgeltansprüche des Dienstnehmers (Lehrlings) festgestellt werden, gebunden. Dieser Bindung steht die Rechtskraft der Beitragsvorschreibung nicht entgegen.

Nach § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.

Wird ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den dem Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührenden Arbeitslohn oder Gehalt abgeschlossen, so verlängert sich gemäß § 11 Abs. 2 ASVG die Pflichtversicherung um den Zeitraum, der durch den Vergleichsbetrag (Pauschbetrag) nach Ausscheidung allfälliger, gemäß § 49 nicht zum Entgelt im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörender Bezüge, gemessen an den vor dem Austritt aus der Beschäftigung gebührenden Bezügen, gedeckt ist.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 27. September 1991 für Jänner bis August 1991 ein vereinbartes Gehalt von monatlich S 15.000,-- brutto eingeklagt hat. An das darüber ergangene Versäumnisurteil vom 9. Oktober 1991 bestand zunächst gemäß dem oben wieder gegebenen § 49 Abs. 6 ASVG eine Bindung der Gebietskrankenkasse und der Verwaltungsbehörde (Landeshauptmann).

Mit Schriftsatz vom 24. August 1992 hat die Beschwerdeführerin beim Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht für Jänner bis August 1991 hinsichtlich ihres Gehaltes den jeweiligen Differenzbetrag von S 7.000,-- brutto und für September bis Dezember 1991 (neben den Sonderzahlungen) ein monatliches Gehalt von S 22.000,-- brutto eingeklagt. Dieses Verfahren endete mit Vergleich vom 4. Dezember 1992, wonach zunächst die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit 30. November 1991 vereinbart worden ist. Die Beschwerdeführerin verpflichtete sich weiters, den Exekutionsantrag aus dem Versäumungsurteil vom 9. Oktober 1991 zurückzuziehen. Der Dienstgeber verpflichtete sich, der Beschwerdeführerin als gesetzliche Abfertigung einen Betrag von S 150.000,-- netto zu bezahlen. Sämtliche arbeitsrechtliche Ansprüche der Streitteile aus dem Dienstverhältnis wurden mit diesem Vergleich als bereinigt und verglichen angesehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Parteien kraft Privatautonomie jedenfalls das Recht, sich während eines gerichtlichen Verfahrens durch gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich, das heißt vertraglich, zu einigen. Im Falle der Einigung über tatsächlich strittige Ansprüche unterliegt ein (teilweises) Nachgeben des Dienstnehmers nach herrschender Auffassung auch keiner unter dem Aspekt des Verzichtes anzustellenden Wirksamkeitskontrolle (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0058, mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen).

Nach den im Wesentlichen unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin nach dem 31. Dezember 1990 von ihren Ehegatten im Betrieb nicht mehr beschäftigt. In der Beschwerde selbst wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nach diesem Zeitpunkt nur mehr "sporadisch" gearbeitet habe. Da der Wille der Parteien, Leistungen zu erbringen oder in Empfang zu nehmen, mit 31. Dezember 1990 geendet hat, kam dem auf Grund des Vergleiches vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses mit 30. November 1991 keine Bedeutung zu (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, VwSlg. 12.848/A). Die belangte Behörde hat daher bei der Umsetzung des gerichtlichen Vergleiches § 11 ASVG zu beachten.

Nach der Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 94/08/0122) werden zwar das Ende des Beschäftigungsverhältnisses und das Erlöschen der Pflichtversicherung - im Regelfall - zusammenfallen, dies muss aber nicht so sein (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1984, VwSlg. 11.600/A). Nach § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung entweder bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses dem Grunde nach schon mit dem (früheren) Ende des Entgeltanspruches (Variante eins) oder trotz früherer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erst mit dem (späteren) Ende des Entgeltanspruches (Variante zwei). Die Abs. 3, 4 und 5 des § 11 ASVG sind Sonderformen der Variante eins, Abs. 2 ist eine Sonderform der Variante zwei. Hiebei ist (abgesehen von Fällen, in denen das arbeitsrechtliche Verhältnis von den Beteiligten ohne Willensübereinkommen, entgeltliche Dienste zu leisten bzw. entgegenzunehmen, aufrecht erhalten wird: vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, Zl. 87/08/0274) die Frage der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nach den zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Kriterien zu beurteilen (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 1961, VwSlg. 5692/A).

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist durch § 11 Abs. 2 ASVG die Parteiendisposition nicht in der Weise beschnitten, dass es den Parteien nicht (weiterhin) frei stünde, von verschiedenen strittigen arbeitsrechtlichen Ansprüchen auf jene zu verzichten, die beitragspflichtig sind und jene in Anspruch zu nehmen, die nicht Entgelt im Sinne des § 49 ASVG sind, sofern die Grenze der höchstens zustehenden beitragsfreien Bezüge dabei nicht überschritten wird und insoweit eine bloße Fehldeklaration vorliege (vgl. dazu etwa die Erkenntnisses vom 19. Februar 1991, VwSlg. 13.383/A, vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0094, vom 2. Juli 1996, Zl. 94/08/0122, vom 16. September 1997, Zl. 93/08/0272, u.v.a.).

Bezieht man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall, so hat die Beschwerdeführerin in ihrer dem gerichtlichen Vergleich vorausgegangenen Klage insgesamt S 481.000,-- brutto an arbeitsrechtlichen Ansprüchen eingeklagt, nämlich - unter Berücksichtigung des bereits über S 135.000,-- ergangenen Versäumungsurteils - laufendes Entgelt für den Zeitraum von Jänner bis November 1991, anteilige Sonderzahlungen und eine Abfertigung im Ausmaß des sechsfachen Monatsentgelts, die mit S 154.000,-- beziffert worden ist. Der Vergleich lautete sodann auf einen Abfertigungsbetrag von S 150.000,-- netto, dem Verzicht auf eine weitere Exekution des Versäumungsurteils und der Erklärung, dass damit alle arbeitsrechtlichen Ansprüche der Streitteile aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen sind.

Daraus ergibt sich für die belangte Behörde zweierlei: Sie hätte zunächst die Abfertigung insoweit in das beitragspflichtige (und damit die Beitragsgrundlage bestimmende) Entgelt einzubeziehen gehabt, als der verglichene Nettobetrag die eingeklagte Abfertigung (umgerechnet auf Netto) überstiegen hat. Im Übrigen hätte die Beschwerdeführerin (durch die Verpflichtung zur Zurückziehung des Exekutionsantrages und die Abgabe der Entfertigungserklärung) auf weitergehende, beitragspflichtige Entgelte verzichtet, sodass sie insoweit eine höhere Beitragsgrundlage, als die ihr ohnehin zuerkannte nicht zu Recht geltend machen kann.

Es kommt allerdings nicht nur auf jenes Entgelt an, auf welches die Beschwerdeführerin unmittelbar aus dem Vergleich Anspruch hatte; zu berücksichtigen ist auch jenes Entgelt, das sie auf Grund des Versäumungsurteils tatsächlich erhalten hat und - nach Verzicht auf die Ansprüche aus dem Versäumungsurteil - auf Grund des Vergleiches weiterhin behalten durfte. Die belangte Behörde hätte somit jene Geldbeträge, welche die Beschwerdeführerin auf Grund des seinerzeitigen Versäumungsurteils im Exekutionswege tatsächlich hereingebracht hat als Teil jener Ansprüche anzusehen gehabt, die der Beschwerdeführerin nach der einvernehmlichen Außerkraftsetzung des Versäumungsurteils auf Grund des Generalvergleichs (weiterhin) zustanden und hinsichtlich dieser Beträge (unter Einbeziehung einer allfälligen Differenzsumme aus der Abfertigung) nach § 11 Abs. 2 ASVG vorzugehen gehabt. Die belangte Behörde hätte daher Beitragsgrundlagen in der Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin nur insoweit festzusetzen gehabt, als die Pflichtversicherung nach § 11 Abs. 2 ASVG über den 31. Dezember 1990 hinaus andauerte und als Bemessungsmaßstab hiefür die letzte Beitragsgrundlage der Beschwerdeführerin vor dem 1. Jänner 1991 heranzuziehen gehabt. Sollte diese tatsächlich S 22.000,-- betragen haben, dann wäre die Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin nur um so viele Monate zu verlängern gewesen, als der Betrag von S 22.000,-- brutto in dem auf brutto umgerechneten beitragspflichtigen Zahlungen an die Beschwerdeführerin enthalten gewesen ist. Die Beitragsgrundlagen nach dem 1. Jänner 1991 dürften daher als Ergebnis dieser, vom Verwaltungsgerichtshof als richtig erachteten Vorgangsweise nur im letzten Monat der Pflichtversicherung den Betrag von S 22.000,-- unterschreiten, wenngleich sich die Pflichtversicherung als Ergebnis dieser Berechnung nicht mehr auf einen Zeitraum bis Ende November 1991 erstrecken, sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt enden dürfte.

Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§110 ASVG) nicht zuzuerkennen.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass im fortzusetzenden Verfahren der Dienstgeber der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde dem Verwaltungsverfahren als Partei beizuziehen sein wird.

Wien, am 27. Juli 2001

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1995080145.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten