TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/3 99/10/0054

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2001
beobachten
merken

Index

82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

AMG 1983 §10 Abs4;
AMG 1983 §11 Abs7;
AMG 1983 §22 Abs1 Z3;
AMG 1983 §22 Abs1 Z4;
AMG 1983 §22;
AMG 1983 §23 Abs1 Z1;
AMG 1983 §23 Abs1;
AMG 1983 §24 Abs3;
AMG 1983 §3;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2 Z3;
ÄrzteG 1998 §49 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. Karl Grigkar und Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwälte in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 1. März 1999, Zl. 21.420/24-VIII/A/3/99, betreffend Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 8. Februar 1974 wurde die pharmazeutische Zubereitung "Tebonin-Ampullen" zum Apothekenverkehr zugelassen.

Mit Bescheid des Bundeskanzleramtes vom 5. Juli 1989 wurde die als zugelassen geltende Arzneispezialität in ihrer geänderten Zusammensetzung (17,5 mg Extraktum Ginkgo bilobae) zugelassen.

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. September 1997 wurde die Änderung der Fachinformation, Abschnitt "Art der Anwendung" zugelassen; aus dieser geht unter anderem hervor, dass Tebonin 17,5 mg - Ampullen intramuskulär, intravenös oder parenteral verabreicht werden kann.

Mit Bescheid des Bundeskanzleramtes vom 28. März 1990 wurde die Arzneispezialität Tebonin 87,5 mg - Ampullen zur Abgabe im Inland zugelassen. Nach der Fachinformation kann die Arzneispezialität u. a. parenteral verabreicht werden.

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. September 1997 wurde eine Änderung der Fachinformation zugelassen; diese sieht u.a. die parenterale Verabreichung von Tebonin 87,5 mg - Ampullen vor.

Mit Schreiben vom 15. April 1998 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, es seien ihr in jüngster Zeit gehäuft Meldungen über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen im Zusammenhang mit der parenteralen Anwendung von Tebonin 17,5 mg - Ampullen und Tebonin 87,5 mg - Ampullen zur Kenntnis gebracht worden. Gemeldet worden seien Reaktionen wie Kollaps, Bradycardie, Krampfen, anaphylaktoide Reaktionen, massive allergische Reaktionen mit Bronchospasmus, Glottisödem, Schüttelfrost. Zum Teil sei auf Grund dieser Reaktionen eine Spitalseinweisung der betroffenen Patienten erforderlich gewesen. Der Wirkstoff der betroffenen Arzneispezialitäten sei ein standardisierter Trockenextrakt aus Ginkgo biloba-Blättern. Dieser Wirkstoff werde bei oraler Verabreichung gut resorbiert und sei ausreichend bioverfügbar. Im Zusammenhang mit der Anwendung von Ginkgo-Extrakt in oralen Darreichungsformen seien keine schwerwiegenden Überempfindlichkeitsreaktionen bekannt. Es sei somit nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und den praktischen Erfahrungen nicht gesichert, dass die Arzneispezialitäten Tebonin 17,5 mg - Ampullen und Tebonin 87,5 mg - Ampullen auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen hätten, die über das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß hinausgingen. Es liege daher ein Grund für die Aufhebung der Zulassung gemäß § 23 Abs. 1 AMG vor.

In der dazu erstatteten Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf die ihr bekannt gewordenen Meldungen von Anwendungszwischenfällen unter Darlegung näherer Gründe aus, bei Kollaps, Hypotension, Bradycardie, allergischen Hautreaktionen im Sinne eines Exanthems und Schüttelfrost handle es sich um in der Fachinformation angeführte bekannte Nebenwirkungen von Tebonin. In einigen beschriebenen Fällen seien diese nicht ausschließlich auf die Anwendung von Tebonin zurückzuführen; sie könnten auch durch die Gabe anderer Medikamente verstärkt oder ausgelöst worden sein. In einigen Fällen lägen Anwendungsfehler vor, weil Tebonin entgegen der Fachinformation in Mischinfusionen oder sonst in Kombination mit anderen Arzneimitteln verabreicht worden sei. Lediglich in einem Fall, wo es zu Bradycardie, Hypotension und Kollaps mit anschließender Spitalseinweisung gekommen sei, sei alleine Tebonin 87,5 mg verabreicht worden. Bei den geschilderten Gesundheitsstörungen handle es sich nach Meinung der Beschwerdeführerin aber nicht um Folgen der Verabreichung von Tebonin, sondern um einen situationsbedingten Schwächeanfall. In der Zeit von 1996 bis April 1998 seien 364.970 Ampullen Tebonin 17,5 mg und 254.075 Ampullen Tebonin 87,5 mg verkauft worden. Im gleichen Zeitraum seien der Beschwerdeführerin neun UAW-Meldungen zur Kenntnis gebracht worden. Bei vier Meldungen sei das Mischverbot missachtet worden. Bei einem Großteil der restlichen Meldungen könnten die beschriebenen Nebenwirkungssymptome den in der Fachinformation beschriebenen Arzneimittelrisken zugeordnet werden. Die Nebenwirkungsrate betrage somit für Tebonin 17,5 mg, 0,0000054 %, für Tebonin 87,5 mg, 0,0000236 %. Es sei somit weder das Ruhen noch die Aufhebung der Zulassung für die Arzneimittel gerechtfertigt.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme von Univ.Prof.DDr. W., Vorstand des pharmakologischen Institutes der Universität Innsbruck, ein.

Dieser legte Folgendes dar:

"Zur parenteralen Gabe von Pharmaka ist grundsätzlich festzustellen: Es ist allgemein akzeptiert, dass eine parenterale Therapie nur dann zweckmäßig und notwendig ist, wenn sie Vorteile gegenüber der oralen Therapie bietet. Eine chronisch parenterale Therapie ist nur zu vertreten, wenn eine orale Therapie nicht möglich ist.

Im Falle des hier diskutierten Ginkgoextraktes ist unbestritten, dass die Bivoverfügbarkeit zumindest was die Komponenten betrifft, auf denen die Extraktionsstandardisierung basiert, nahezu 100 % ist. Ginkgolid A: 98 - 100 %, Ginkgolid B:

79 - 93 %. Orale Präparate werden daher völlig ausreichend resorbiert und an den Wirkort gebracht. Die pharmakokinetischen Daten zeigen also, dass eine intravenöse Therapie von diesem Aspekt her keine Vorteile bringt, und es wurde im Zulassungsantrag keine Studie vorgelegt, in der ein Vergleich einer intravenösen Therapie mit einer oralen Therapie signifikante Unterschiede in der Wirksamkeit gezeigt hätte.

So erlaubt auch eine kürzlich erschienene Studie über Ginkgoextrakt-Infusionen bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit keinen Schluss in dieser Frage, da keine orale Vergleichsgruppe einbezogen war (Münchn.Med.WSchr.140,232,1998).

Auf Grund des bisher Angeführten ist festzustellen, dass es keine pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Gründe gibt, eine intravenöse Ginkgotherapie durchzuführen.

Im Folgenden sei zuerst auf den möglichen therapeutischen Nutzen von Ginkgopräparaten eingegangen und anschließend die Risiken einer Ginkgotherapie diskutiert.

Es ist nicht Aufgabe dieses Gutachtens, den Gesamtkomplex des therapeutischen Nutzens der Ginkgoextrakte zu diskutieren. Es sollen daher nur die Aspekte behandelt werden, die für die Risiko/Nutzenabwägung parenteraler Präparate wichtig sind. Die therapeutische Wirksamkeit der Ginkgopräparate ist umstritten. In einem Übersichtsartikel des Jahres 1992 (Lancet 3401136,1992) wurden die bis dahin vorliegenden Studien analysiert. Für Cerebralinsuffizienz wurden 8 Studien als von guter Qualität bewertet und der Schluss gezogen, dass für milde bis mittelstarke cerebrale Insuffizienz eine Indikation besteht, für Fälle von schwerer Demenz nicht. Für periphere arterielle Gefäßerkrankungen wurde geschlossen: 'So viele Fragen verbleiben ohne Antwort, sodass unserer Meinung nach weitere Studien zur Effizienz notwendig sind. Wir empfehlen Ginkgo nicht für diese Indikation, obwohl vorläufige Studien vielversprechend erscheinen'. Für diese letztere Indikation wurde bereits oben die Studie in der Münch.Med.Wschr. (14,232,1998) besprochen und festgestellt, dass sie mit einer ungeeigneten Vergleichssubstanz und ohne Placebo durchgeführt wurde und daher keine Schlüsse erlaubt. Publizierte Studien für diese Indikation, die einem heute notwendigen Standard entsprechen, liegen offensichtlich nicht vor. Interne Berichte, die im Zulassungsantrag zitiert werden, sind nicht zu bewerten. Es ist für den klinischen Bericht des Zulassungsantrages nicht uncharakteristisch, dass zwar der positive Schluss des oben zitierten Übersichtsartikels (Lancet 340,1136,1992) für die Wirkung von Ginkgo bei cerebraler Insuffizienz zitiert wird, der negative bezüglich peripherer Durchblutungsstörungen aber nicht.

So verbleibt nach dem derzeitigen Stande der Wissenschaft als mögliche Indikation cerebrale Insuffizienz. Hierzu seien 2 Doppelblindstudien kurz diskutiert. Die jüngste Studie (JAMA 278,1327,1997) hat vor allem bei Alzheimer-Patienten bezüglich eines kognitiven Tests und eines Sozialverhaltens-Tests signifikante Änderungen über 26 bis 52 Wochen gesehen. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass für die klinische Bewertung (Clin.Global Impression) keine signifikante Verbesserung gesehen wurde, und dass auch die für die Placebogruppe und Alzheimerpatienten enorm hohen und ungleichen Drop-out Raten besonders nach 26 Wochen problematisch sind. In einer zweiten Studie (Pharmacopsychiat. 29,476,1996) wurden Patienten mit Alzheimer- oder Multiinfarkt-Demenz untersucht. Signifikante Effekte wurden bei zwei psychometrischen Tests, aber nicht beim NAB, der das tägliche Verhalten misst und daher etwas über die klinische Relevanz aussagt, gefunden.

Auf Grund des oben Gesagten kann für Ginkgoextrakte eine Indikation bei vasculärer und Alzheimer-Demenz gesehen werden, obwohl dies, wenn man strenge Kriterien anlegt, noch weiter zu diskutieren wäre. Auch die Frage, ob die derzeit in Österreich angeführten Indikationen wie Innenohrschwerhörigkeit, Ohrensausen und Morbus Raynaud wissenschaftlich vertretbar sind, könnte weiter diskutiert werden, dies soll aber in diesem Gutachten nicht ausgeführt werden.

Wenn Ginkgo-Extrakte für die Indikation cerebrale Insuffizienz eingesetzt werden, dann handelt es sich hier zweifellos um eine chronische Therapie, wie sie auch in den Studien durchgeführt wurde. Für eine solche Therapie ist nur eine orale Gabe vertretbar. Es ist nicht belegt, dass eine intravenöse Therapie gegenüber einer oralen Therapie Vorteile bringt. Sie ist daher nicht notwendig und, da es sich um eine chronische Therapie bei den angegebenen Indikationen handelt, auch nicht vertretbar.

Wenden wir uns jetzt der Frage des Risikos zu. Orale Präparate von Ginkgoextrakten erscheinen im allgemeinen gut verträglich. Es werden in dem oben zitierten Artikel (Pharmacopsychiat. 29,47,1996) allergische Reaktionen, gastrointestinale Beschwerden und Kopfschmerzen mit der Gabe in Zusammenhang gebracht. In der letzten Zeit erschienen Einzelberichte über Blutungen siwe subdurale Hämatome und Blutungen von seiten der Iris ins Auge (Neurolgy 46, 1775, 1996; New Engl.J.Med. 336,1108,1997; Neurology 50,1933,1998). Ob diese ursächlich mit einer Ginkgotherapie zusammenhängen, ist aber noch abzuklären.

Die oben erwähnte Nebenwirkung 'allergische Reaktionen' bedarf besonderer Beachtung, wenn es sich um eine parenterale Therapieform handelt. Tatsächlich führten schwere Nebenwirkungen offensichtlich allergischer Art durch parenterales Tebonin zum Ruhen der Zulassung in der Bundesrepublik Deutschland. Neben einem anaphylaktischen Schock(!) wurden Reaktionen, die mit Schüttelfrost, Schwindel, Übelkeit und Schwächegefühl einhergingen, beobachtet. Ein Zusammenhang mit pyrogenen oder bakteriellen Verunreinigungen konnte ausgeschlossen werden. In Österreich wurden entsprechende Nebenwirkungen in den letzten Jahren mehrfach gemeldet. Wenn man die hohe Dunkelziffer bei solchen Meldungen bedenkt, stellt dies eine signifikante Zahl dar. Meldungen betreffen allergische Hautreaktionen, Kollapszustände, Bronchospasmus u.a. Die im Schreiben der Firma A. Arzneimittel durchgeführte Diskussion dieser Nebenwirkungen ist vom pharmakologischen Standpunkt her unzulässig. Die Tatsache, dass Tebonin mit anderen Arzneimitteln als Infusion 'unsachgemäß' gemischt wurde, ändert nicht ein allergisches Potential von Tebonin. Sicherlich kann, da meist mehrere Substanzen verabreicht wurden, nicht im Einzelfall Tebonin als das auslösende Agens mit Sicherheit angesprochen werden. Der gemeinsame Denominator aller gemeldeten Nebenwirkungen ist aber Tebonin.

Extrakte aus tierischem oder pflanzlichem Material können niemals von allergisierenden Komponenten völlig gereinigt werden, wobei allerdings nicht auszuschließen ist, dass die Wirkstoffe selbst diese Eigenschaft haben. Parenteral sollten nur Stoffe mit genau definierter chemischer Zusammensetzung verabreicht werden, bei denen jede Variation ausgeschlossen werden kann. Dies ist für Tebonin-Präparate derzeit nicht zu erreichen.

Zusammenfassung: Für orale Ginkgopräparate ist eine positive Wirkung am ehesten bei cerebraler Insuffizienz, insbesondere bei Alzheimerpatienten, belegt. Für andere Indikationen liegen keine wissenschaftlich ausreichend gesicherten Daten vor. Die Standardkomponenten der Ginkgopräparate haben eine hohe Bioverfügbarkeit. Es gibt keine Daten, die belegen, dass intravenöse Ginkgogabe anders, besser oder schlechter als orale Präparate oder überhaupt verlässlich wirkt. Eine intravenöse Gabe ist für eine chronische Indikation nicht vertretbar. Für einen pflanzlichen Extrakt, also ein schwer zu definierendes und zu reinigendes Produkt, wäre eine intravenöse Therapie nur vertretbar, wenn zwingende therapeutische Gründe dafür sprechen würden. Solche Extrakte, die variabel mit Spurenkomponenten verunreinigt sein können und daher allergisierend sind, haben ein variables potentielles Nebenwirkungsrisiko. Tatsächlich sind Nebenwirkungen bei intravenöser Injektion sowohl in Deutschland als auch in Österreich beobachtet worden. Die Risiko/Nutzenabwägung für intravenöse Präparate muss, da orale Präparate zur Verfügung stehen, eindeutig negativ ausfallen. Eine Indikation für Patienten, bei denen eine orale Gabe nicht möglich sein soll, ist bei dieser chronischen Therapie nicht gegeben."

In ihrer Stellungnahme verwies die Beschwerdeführerin zunächst auf ihr bisheriges Vorbringen. Weiters legte sie dar, eine Langzeittherapie mit EGb 761 werde nach der Fachinformation parenteral begonnen und oral weitergeführt. Eine chronisch parenterale Therapie werde vom Hersteller nicht empfohlen. Der vom Gutachter zitierte Übersichtsartikel aus Lancet 340, 1136, 1992, befasse sich ausschließlich mit "oralen Ginkgo-biloba-Studien". Für die Beurteilung der Wirksamkeit und Nebenwirkung nach parenteraler Gabe von EGb 761-Präparaten sei er nicht geeignet. Dieser Arbeit stünden eine Vielzahl von Studien mit der parenteralen Arzneiform gegenüber, die einen Nachweis der Wirksamkeit in den genehmigten Indikationen erbrächten. Die Vorteile der parenteralen Arzneiform gegenüber der oralen seien trotz der vom Gutachter besonders hervorgehobenen hohen Bioverfügbarkeit der oralen Arzneiform nicht außer acht zu lassen. Es seien dies eine schnellere Anflutung am Wirkort, damit verbunden ein rascherer Wirkeintritt, und eine vollständige Bioverfügbarkeit durch Vermeidung des first pass-Effektes. In verschiedenen, namentlich angeführten Arbeiten sei auf die pharmakologische Sofortwirkung von parenteral appliziertem EGb 761 hingewiesen und die Wirksamkeit zur Behandlung des Tinnitus und der Demenz belegt, wobei bei Patienten mit mittelschwerer Demenz durch die intravenöse Infusion nach einer Behandlungszeit von vier Wochen signifikante und klinisch relevante Besserungen zu erzielen seien. Die Entscheidung, ob eine Therapie oral oder parenteral durchgeführt werde, sei ausschließlich vom behandelnden Arzt zu treffen und nicht von einem Gutachter.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Zulassung der Arzneispezialitäten Tebonin 17,5 mg - Ampullen, ZNr. 13796 und Tebonin 87,5 mg - Ampullen, ZNr. 1-18936 gemäß § 23 Abs. 1 Z. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 3 und 9 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983 idF BGBl. I Nr. 78/1998 (AMG) auf. Begründend legte die belangte Behörde zunächst den oben wiedergegebenen Verfahrensgang dar. Weiters legte die belangte Behörde dar, schwerwiegende Nebenwirkungen von Arzneispezialitäten seien keinesfalls zu vertreten, wenn der Nutzen der Arzneispezialitäten nicht zweifelsfrei erwiesen sei. Auf Grund des Gutachtens sei davon auszugehen, dass keine Daten vorlägen, die einen Vorteil der parenteralen Anwendung gegenüber der oralen Anwendung von Ginkgo biloba Zubereitungen belegten. Soweit die Beschwerdeführerin behaupte, dass eine Langzeittherapie mit EGb 761 parenteral begonnen und oral weitergeführt werde, sei ihr entgegenzuhalten, dass ein derartiger Hinweis in den in Frage kommenden Fachinformationen nicht enthalten sei. Für die Zweckmäßigkeit eines solchen Vorgehens seien keine vergleichenden Daten vorgelegt worden. Bezüglich der Frage der Gleichwertigkeit bzw. eines Vorteils der parenteralen gegenüber der oralen Therapie werde von der Beschwerdeführerin auf sieben Studien verwiesen. Fünf dieser Studien seien nicht doppelblind durchgeführt und daher für eine Bewertung ungeeignet. Die beiden anderen Studien beschrieben Effekte von Ginkgoextrakt auf verschiedene Parameter; es erfolge aber kein Vergleich mit der oralen Anwendung. Aus diesen Arbeiten könne somit nicht der Schluss gezogen werden, dass die parenterale Verabreichung gegenüber der oralen Vorteile bringe. Im Übrigen berichte keine dieser Studien über einen klinisch relevanten Nutzen bei einer Krankheit, sondern lediglich über Messungen der Leitgeschwindigkeit und Durchblutung. Die angegebene Studie zum Tinnitus erfülle nicht die Kriterien einer Doppelblindstudie, es fehle eine Placebogruppe und eine Gruppe mit oraler Ginkgotherapie. Die weitere zitierte Studie bezüglich der Behandlung der Demenz habe ebenfalls keine Vergleichsgruppe mit der Anwendung oraler Ginkgopräparate untersucht. Ebenso sei in allen anderen angeführten Studien kein Hinweis zu finden, dass die parenterale Therapie gegenüber der oralen gleich wirksam sei oder gar irgendwelche klinisch relevanten Vorteile biete. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass eine Entscheidung, ob eine Therapie oral oder intravenös durchgeführt werden solle, nur vom Arzt zu treffen sei, entbehre im vorliegenden Zusammenhang einer Grundlage. Es sei Sache der Zulassungsbehörde, festzustellen, ob das Risiko/Nutzenverhalten der beiden Applikationsformen einer Zulassung entgegenstehe. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die gemeldeten Nebenwirkungen auf die unsachgemäße Mischung der betroffenen Arzneispezialitäten mit anderen Substanzen zurückzuführen sei, sei entgegenzuhalten, dass allen Meldungen gemeinsam sei, dass die in Rede stehenden Arzneispezialitäten angewendet worden seien. Dies spreche dafür, dass diese Arzneispezialitäten ursächlich an der Nebenwirkung beteiligt gewesen seien. Es sei etabliertes pharmakologisches Lehrbuchwissen, dass bei Herstellung von Substanzen aus pflanzlichem oder tierischem Ausgangsmaterial eine völlige Abtrennung von allergisierenden oder anderen toxischen Substanzen sehr schwer sei. Dies sei auch die Grundlage, dass bei Wirkkomponenten aus der Natur versucht werde, diese völlig zu reinigen, wie dies z.B. für Digitalisglykoside, Penicillin und andere Naturheilstoffe gelte. Bei Ginkgopräparaten sei immer noch nicht klar, welche Substanzen die entscheidenden Wirksubstanzen darstellten. Es würden daher nicht Monokomponenten gereinigt, sondern ein Reinigungsverfahren angewendet, in dem einzelne Komponenten standardisiert würden. Dies bedeute, dass nach wie vor in diesem Präparat Verunreinigungen ohne pharmakologische Wirksamkeit vorlägen und zu Nebenwirkungen beitragen könnten. Dies möge für eine orale Verabreichung noch vertretbar erscheinen, sei aber nach dem derzeitigen Wissensstand für eine parenterale Verabreichung nicht verantwortbar. Die Beschwerdeführerin habe somit keine Daten vorgelegt, die bewiesen, dass die parenterale Verabreichung gegenüber der oralen Verabreichung gleich wirksam sei oder gar klinisch relevante Vorteile biete. Die Bioverfügbarkeit der wesentlichen Substanzen des Ginkgoextraktes sei gut, daher bestehe auch unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit der parenteralen Verabreichung. Ein Pflanzenextrakt, bei dem im Gegensatz zu ebenfalls aus der Natur gewonnenen Monosubstanzen Verunreinigungen nie ausgeschlossen werden könnten, dürfe parenteral nur verwendet werden, wenn diese Verabreichung einen besseren klinischen Effekt habe. Dafür seien keine Unterlagen vorgelegt worden. Die aufgetretenen Nebenwirkungen zeigten, dass bei der parenteralen Ginkgoverabreichung ein Risiko vorliege. Es liege daher für die parenterale Verabreichungsform eine negative Risiko/Nutzenbewertung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 1 AMG ist die Zulassung einer Arzneispezialität aufzuheben, wenn bekannt wird, dass bei der Zulassung ein Versagungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 vorgelegen oder nachträglich eingetreten ist, und der Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier durch nachträgliche Vorschreibung von Auflagen im Sinne des § 22 Abs. 2 nicht gewährleistet erscheint.

Gemäß § 22 Abs. 1 AMG ist einem Antrag auf Zulassung einer Arzneispezialität dann nicht stattzugeben, wenn nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach den praktischen Erfahrungen nicht als gesichert erscheint, dass die Arzneispezialität auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädliche Wirkung hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgeht (Z. 3) oder die Arzneispezialität im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, Zusammensetzung, Stärke, Beschaffenheit, Arzneiform, Dosierung, Haltbarkeit, Anwendungsart oder ihr Anwendungsgebiet keine zweckmäßige Zubereitung darstellt (Z. 9).

Die Beschwerde verweist zunächst darauf, dass Tebonin 17,5 mg erstmals im Jahre 1974 und Tebonin 87,5 mg erstmals im Jahre 1990 zugelassen worden sei. Mit Bescheiden vom 16. September 1997 seien Änderungen der jeweiligen Fachinformationen zugelassen worden. Aus diesen Fachinformationen gehe hervor, dass Tebonin 17,5 mg und Tebonin 87,5 mg unter anderem parenteral zu verabreichen sei. In den Fachinformationen seien die Nebenwirkungen, die in sehr seltenen Fällen auftreten könnten, angeführt. Zum Zeitpunkt der Zulassung seien diese möglichen Nebenwirkungen nicht als so schwerwiegend und häufig angesehen worden, dass eine Zulassung von Tebonin abgelehnt worden wäre. Somit stehe zweifelsfrei fest, dass im September 1997 in Bezug auf die parenterale Anwendung von Tebonin kein Versagungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 AMG vorgelegen sei. Die UAW-Meldungen, die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides geführt hätten, stammten mit einer Ausnahme aus der Zeit "vor Bescheiderlassung" (gemeint offenbar: vor Erlassung der Bescheide vom 16. September 1997). Daher ließe sich der angefochtene Bescheid nur begründen, wenn die Versagungsgründe gemäß § 22 Abs. 1 Z. 3 und 9 AMG nachträglich eingetreten wären, sich also insofern nach der Bescheiderlassung neu ergeben hätten, als neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf bedenkliche Eigenschaften der Arzneispezialitäten hinwiesen. Solche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse lägen jedoch nicht vor. Das die Grundlage des angefochtenen Bescheides darstellende Gutachten enthalte keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Aussage, dass Extrakte aus pflanzlichem Material schwieriger als synthetisch hergestellte Stoffe zu reinigen seien, sei seit Jahrzehnten notorisch und somit nicht neu. Die Behauptung, oral anzuwendende Präparate seien parenteral anzuwendenden bei gleicher Nützlichkeit vorzuziehen, sei unwissenschaftlich und medizinisch nicht vertretbar. Es sei somit kein Versagungsgrund im Sinne des § 22 Abs. 1 AMG nachträglich eingetreten.

§ 23 Abs. 1 Z. 1 AMG knüpft unter anderem an das "bekannt werden" des Umstandes an, dass bei der Zulassung ein Versagungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 vorgelegen oder nachträglich eingetreten ist. Als maßgebender Zeitpunkt, der - nach ihrer Auffassung - dem "bekannt werden" vorangehen müsse, soll ein Aufhebungsgrund hergestellt werden, nimmt die Beschwerde den Tag der Erlassung jener Bescheide an, mit dem - ihrer Behauptung zufolge - Änderungen der jeweiligen Fachinformation (offenbar gemäß § 10 Abs. 4 iVm § 24 Abs. 3 AMG) zugelassen wurden.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Im vorliegenden Zusammenhang kann dahinstehen, ob § 23 Abs. 1 Z. 1 AMG die Behörde auch ermächtigt, die erteilte Zulassung im Hinblick auf Versagungsgründe aufzuheben, die bei der Zulassung zwar vorlagen und bekannt waren, aber nicht hinreichend beachtet wurden. Aus § 23 Abs. 1 Z. 1 ergibt sich nämlich zweifelsfrei, dass das "bekannt werden" an den Zeitpunkt der Zulassung der Arzneispezialität gemäß § 22 AMG anknüpft und nicht, wie die Beschwerde annimmt, an den Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides gemäß § 10 Abs. 4 iVm § 24 Abs. 3 AMG über eine Änderung der Fachinformation. Für das Verfahren über die Änderung der Fachinformation ordnet das Gesetz keine neuerliche Überprüfung auf die Voraussetzungen der Erteilung oder Aufhebung der Zulassung an. Es ist somit schon aus diesem Grund nicht maßgeblich, dass die in Rede stehenden Meldungen sich überwiegend auf Vorfälle vor der Erlassung der Bescheide vom 16. September 1997, mit denen Änderungen der Fachinformation gemäß § 10 Abs. 4 iVm § 24 Abs. 3 AMG zugelassen wurden, beziehen.

Dass - wie die Beschwerde hervorhebt - notorisch sei, dass Extrakte aus pflanzlichem Material schwieriger zu reinigen seien als synthetisch hergestellte Stoffe, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, weil dieser Umstand - dessen Bekanntheit weder vom Gutachter noch von der Behörde in Zweifel gezogen wurde - nicht den Aufhebungsgrund darstellt.

Nicht zielführend ist es im vorliegenden Zusammenhang auch, wenn die Beschwerde die Auffassung der belangten Behörde, die orale Anwendung der Präparate sei der parenteralen vorzuziehen, als "unwissenschaftlich und medizinisch nicht vertretbar" bezeichnet. Aus diesem (in anderem Zusammenhang wiederkehrenden und dort behandelten) Beschwerdeeinwand geht nicht hervor, dass der Behörde im Zeitpunkt der Zulassung bekannt gewesen wäre, dass die Arzneispezialitäten bei parenteraler Anwendung schädliche Wirkungen hervorrufen könnten, bei oraler hingegen nicht.

Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die Annahme der belangten Behörde, es sei nicht belegt, dass eine intravenöse Therapie gegenüber einer oralen Therapie Vorteile bringe. Damit werde dem aus dem Tatbestandsmerkmal "jeweiliger Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis" zu folgernden Gebot, den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes schädlicher Wirkungen und deren Vertretbarkeit festzustellen, nicht entsprochen. Bei 75 % der UAW-Meldungen könne nicht von "bestimmungsgemäßem Gebrauch" im Sinne des Gesetzes gesprochen werden, weil Tebonin entgegen der Fachinformation als "Infusionscocktail oder Co-Medikament" angewendet worden sei. Im angefochtenen Bescheid würden auch keine schädlichen Wirkungen von Tebonin festgestellt. Der Begriff der schädlichen Wirkung sei von jenem der Nebenwirkung zu unterscheiden. Eine schädliche Wirkung liege nur vor, wenn das Arzneimittel bestehende Krankheiten verschlechtere oder "normal funktionierende Organismen beschädigt". Der Bescheid führe als Wirkungen, die Tebonin verursachte haben solle, Schüttelfrost, Schwindel, Übelkeit und einen Schock an. Was letzteren betreffe, sei von einem situationsbedingten Schwächeanfall auszugehen und nicht von einer allergischen Reaktion auf Tebonin. Alle dem Bescheid zugrunde liegenden UAW-Meldungen zeigten somit keine schädlichen Wirkungen, sondern nur Unpässlichkeiten, höchstens Nebenwirkungen auf, die in der Fachinformation angeführt und somit bekannt gewesen seien, ohne einen Versagungsgrund darzustellen. Es fehlten Feststellungen, welche Nebenwirkungen durch die parenterale Anwendung von Ginkgo hervorgerufen würden, die das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß überschritten.

Soweit die Beschwerde im angefochtenen Bescheid Feststellungen über den "Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes schädlicher Wirkungen" vermisst und in der Verfahrensrüge darauf hinweist, dass es im Verhältnis zur Häufigkeit der parenteralen Anwendung von Tebonin nur in einer sehr geringen Anzahl von Fällen zu Zwischenfällen gekommen sei, ist darauf zu verweisen, dass das Gesetz (§ 23 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 3 AMG) die Aufhebung der Zulassung vorschreibt, wenn nicht (mehr) als gesichert erscheint, dass die Arzneispezialität auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine unvertretbaren schädlichen Wirkungen hat. Als Maßstab für die Feststellung des Aufhebungsgrundes wird der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die praktischen Erfahrungen genannt. Eine gleichlautende, dort auf Arzneimittel bezogene Formulierung findet sich in § 3 AMG. Zu dieser Vorschrift führen die Gesetzesmaterialien (1060 Blg. NR XV. GP aus:

"Diese Verbotsbestimmung trifft ausnahmslos alle Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes. Durch den Passus '... nicht gesichert erscheint' wird bereits auf den wissenschaftlich begründbaren substantiellen Verdacht und nicht erst auf eine wissenschaftlich erwiesene schädigende Wirkung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch abgestellt. Die Wendung 'die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgeht' berücksichtigt, dass bei Arzneimitteln schädliche Wirkungen (Risiko) dann in Kauf genommen werden, wenn die Summe der erwünschten Wirkungen bei einer bestimmten Indikation (Nutzen) des Arzneimittels überwiegt. Ein positives Nutzen/Risiko-Verhältnis ergibt die relative Unbedenklichkeit (nicht Unschädlichkeit) und gleichzeitig den relativen medizinischen Wert eines bestimmten Arzneimittels für bestimmte Anwendungsgebiete zu einem bestimmten Stand der Wissenschaften. Die Beweislast der Unbedenklichkeit trägt auf Grund der Formulierung des § 3 derjenige, der das Arzneimittel in Verkehr bringt."

Es ist der Beschwerde somit nicht in ihrer Auffassung zu folgen, dass im vorliegenden Zusammenhang konkrete Feststellungen über den "Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes schädlicher Wirkungen" zu fordern wären. Das Bedenklichkeitsurteil setzt keinen naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweis voraus; vielmehr ist ein Arzneimittel bzw. eine Arzneispezialität bereits dann als bedenklich einzuordnen, wenn ein Verdacht auf schädliche Wirkungen besteht, der nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begründet ist. Von einem "Verdacht" ist im vorliegenden Zusammenhang bereits dann zu sprechen, wenn die Annahme eines Wirkungszusammenhanges schlüssig ist und auch im Verfahren nicht falsifiziert wird. Dass ein begründeter Verdacht vorliege, bestreitet die Beschwerde mit den oben wiedergegebenen Darlegungen nicht konkret; ebenso wenig zeigt sie mit ihrem Hinweis, dass bei einem Teil der gemeldeten Zwischenfälle (entgegen den in der Fachinformation gegebenen Anwendungshinweisen) neben Tebonin auch andere Arzneispezialitäten (in einem Fall sogar in Form einer Mischinfusion) verabreicht worden seien, auf, dass die den angefochtenen Bescheid tragende Annahme eines Wirkungszusammenhanges zwischen den festgestellten, in der Frage ihrer Eigenschaft als "schädlich" noch näher zu erörternden Wirkungen und der parenteralen Verabreichung von Tebonin nicht auf schlüssiger Grundlage beruhte. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde wird lediglich darauf hingewiesen, dass der Gebrauch der Arzneispezialität nicht "bestimmungsgemäß" sei, wenn daneben andere Arzneimittel verwendet würden; dass die gemeldeten Zwischenfälle Folge der Anwendung anderer Arzneimittel oder einer Wechselwirkung eines dieser Arzneimittel mit Tebonin wären, ist nicht ersichtlich. Auch in der Verfahrensrüge der Beschwerde wird lediglich darauf hingewiesen, dass Medikamente, die nach einigen UAW-Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit der parenteralen Anwendung von Tebonin verabreicht worden seien, nach den jeweiligen Fachinformationen "idente Nebenwirkungen" auslösen könnten. Der Aussage des Sachverständigengutachtens, das von einem Wirkungszusammenhang zwischen der parenteralen Verabreichung von Tebonin und den gemeldeten Wirkungen ausgeht, ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; die oben wiedergegebenen Darlegungen zeigen auch keine Unschlüssigkeit des Gutachtens auf. Es erübrigt sich daher die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine im Rahmen der Bedenklichkeitsprüfung zu vernachlässigende Fehlanwendung schon deshalb vorliegt, weil eine Arzneispezialität an Menschen angewendet wurde, denen in zeitlicher Nähe auch andere Arzneimittel zugeführt wurden.

Soweit die Beschwerde Feststellungsmängel im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal "schädliche Wirkungen" geltend macht und die Auffassung vertritt, es handle sich lediglich um "Unpässlichkeiten, allenfalls Nebenwirkungen", ist auf Folgendes hinzuweisen:

Nicht jede Nebenwirkung eines Arzneimittels im Sinne einer therapeutisch nicht beabsichtigten Wirkung ist ohne weiteres als "schädliche Wirkung" im Sinne des Verbotstatbestandes einzustufen. Folgen der Anwendung eines Arzneimittels, die die Gesundheit nachteilig beeinflussen, sind aber jedenfalls als "schädliche Wirkungen" in Betracht zu ziehen. Es kann daher in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob die von der belangten Behörde angenommenen Zwischenfälle nach parenteraler Verabreichung von Tebonin (Kollaps, Bradycardie, Krampfen, anaphylaktoide Reaktionen, massive allergische Reaktionen mit Bronchospasmus, Glottisödem, Schüttelfrost) wie die Beschwerde meint, bloße "Unpässlichkeiten" (Befindlichkeitsstörungen) seien. Auch bloße Befindlichkeitsstörungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind nachteilige Beeinflussungen der Gesundheit und im vorliegenden Zusammenhang als "schädliche Wirkungen" in Betracht zu ziehen. Ob sie im Einzelfall zur Anwendbarkeit des Verbotstatbestandes (§ 3 AMG) bzw. zur Versagung (§ 22 Abs. 1 Z. 3 AMG) oder Aufhebung (§ 23 Abs. 1 Z. 1 AMG) der Zulassung einer Arzneispezialität führen, hängt davon ab, ob sie "über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus gehen". Ob dies der Fall ist, ist anhand einer Nutzen/Risiko-Abwägung zu beurteilen.

In den Gesetzesmaterialien wird zu § 22 Abs. 1 Z. 3 und 4 AMG Folgendes dargelegt:

"Diese Regelungen entsprechen der Bestimmung des § 3 über allgemeine Anforderungen an Arzneimittel. Es handelt sich hier um die Beurteilung der Unbedenklichkeit einer Arzneispezialität bzw. der Frage, ob die für ein bestimmtes Anwendungsgebiet erwünschten Wirkungen (Nutzen) gegenüber der Summe der unerwünschten Wirkungen (Risiko) in einem entsprechend der Stand der medizinischen Wissenschaft ausreichenden Ausmaß überwiegen. Anhand dieser Nutzen/Risiko-Relation ist der therapeutische, diagnostische oder prophylaktische Wert einer Arzneispezialität zu beurteilen."

Davon ausgehend hängt die "Vertretbarkeit" schädlicher Wirkungen von der Beziehung zwischen dem Gewicht der Indikationsstellung, der Wirksamkeit der Arzneispezialität und der mit der Anwendung der Arzneispezialität möglicherweise einhergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit oder des Wohlbefindens ab. Es kann somit nicht gesagt werden, dass den Grad einer Beeinträchtigung der Gesundheit oder des Wohlbefindens erreichende unerwünschte Wirkungen einer bestimmten Art und Intensität jedenfalls vertretbar oder jedenfalls unvertretbar wären; die Frage nach der Vertretbarkeit ist vielmehr anhand der Nutzen/Risiko-Abwägung zu lösen. Davon ausgehend kann sich eine negative Nutzen/Risiko-Bilanz auch zu Lasten einer Arzneispezialität ergeben, die bei bestimmungsgemäßer Art ihrer Anwendung mit einem höheren Schadensrisiko belastet ist als das Vergleichspräparat, das - bei gleicher Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile, gleichem Anwendungsgebiet und gleicher Wirksamkeit- auf eine andere Art anzuwenden ist.

Daher entsprach die Vorgangsweise der belangten Behörde, Wirksamkeit und Risiko der in Rede stehenden, für die parenterale Anwendung bestimmten Arzneispezialitäten mit den entsprechenden Parametern der denselben pflanzlichen Wirkstoff enthaltenden, aber für die orale Verabreichung bestimmten Arzneispezialität zu vergleichen, dem Gesetz. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, dass der belangten Behörde bei der Durchführung dieses Vergleiches ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre.

Insbesondere rügt die Beschwerde zu Unrecht, dass Feststellungen über das Risiko schädlicher, über das vertretbare Maß hinausgehender Wirkungen fehlten, die mit der parenteralen Anwendung von Tebonin verbunden seien. Die Beschwerdeführerin, die das in einem Fall gemeldete Schockgeschehen unter Hinweis auf die Meldung des behandelnden Arztes einem situationsbedingten Schwächeanfall zuordnet und auf die mehrfach angeführten unerwünschten Wirkungen Bradycardie, Krampfen, Bronchospasmus und Glottisödem nicht eingeht, geht in ihrer Beschwerde davon aus, dass Schüttelfrost, Schwindel und Übelkeit bloße Unpässlichkeiten darstellten. Diese Darlegungen sind zum einen wegen der Vernachlässigung eines Teiles der angeführten unerwünschten Wirkungen, zum anderen aber deshalb nicht zielführend, weil damit das Wesen des Nutzen/Risiko-Vergleiches verkannt wird. Es ist denkbar, dass unerwünschte Wirkungen der beschriebenen Art - unter Umständen auch bei großer Intensität - als Nebenwirkungen in Kauf genommen werden müssen und somit als vertretbar anzusehen sind; dies aber nur dann, wenn das Gewicht der Indikation und der therapeutische Nutzen bei der Nutzen/Risiko-Abwägung im Verhältnis zum Gewicht der schädlichen Wirkungen überwiegen und die in Rechnung zu stellenden schädlichen Wirkungen auch nicht durch den Einsatz einer bei der entsprechenden Indikation gleich wirksamen Arzneispezialität bzw. durch eine andere Art der Anwendung der Arzneispezialität vermieden werden können. Im vorliegenden Fall zeigt die Beschwerde mit ihrer Feststellungsrüge schon deshalb keinen Mangel des von der belangten Behörde angestellten Nutzen/Risiko-Vergleiches auf, weil nach dem Gesagten ihre Annahme nicht zutrifft, dass die nicht bestrittenen unerwünschten Wirkungen als bloße "Unpässlichkeiten" - unbeschadet des Gewichts der Indikation, der therapeutischen Wirkungen und der Frage einer Behandlungsalternative - als schädliche Wirkungen, die über das vertretbare Maß hinausgingen, nicht in Betracht zu ziehen wären.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, sie habe bereits im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass die parenterale Anwendung von Tebonin gegenüber der oralen mit rascherem Wirkungseintritt und vollständiger Bioverfügbarkeit verbunden und somit vorteilhaft sei. Es sei eine "Binsenweisheit", dass ein parenteral verabreichter Stoff über die Blutbahn schneller und in höherer Dosierung an seinen Wirkort gelange als ein oral verabreichter Stoff. Auch damit wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die parenterale Verabreichung von Tebonin bei den vorliegenden Indikationen gegenüber der oralen Verabreichung - auch unter den von der Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkten -

nicht mit therapeutischen Vorteilen verbunden sei. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen es bei den in Frage kommenden Indikationen auf rascheren Wirkungseintritt und vollständige Bioverfügbarkeit ankäme und mit den solcherart hervorgehobenen Auswirkungen parenteraler Verabreichung somit ein therapeutischer Nutzen verbunden wäre. Dass ein allgemeiner Grundsatz bestünde, wonach der parenteralen Verabreichung von Arzneimitteln unabhängig vom konkreten Anwendungsgebiet und unbeschadet damit verbundener (vermeidbarer) Risken gegenüber der oralen der Vorzug zu geben wäre, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin ist dem auf fachkundiger Basis gewonnenen Beweisergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Es liegt daher kein Verfahrensmangel darin, dass die belangte Behörde auch insoweit ihre Feststellungen auf das Sachverständigengutachten gründete.

Bei der Beurteilung, ob auf Grund der gemeldeten Zwischenfälle bei und nach der Verabreichung der Arzneispezialitäten die Annahme eines begründeten Verdachtes in Richtung schädlicher Wirkungen gerechtfertigt ist, handelt es sich um eine auf Grund sachverständigen Wissens zu lösende Tatfrage. Diese Frage hat die belangte Behörde auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens bejaht. Mit dem Hinweis, dass "die Nebenwirkungsrate im Millionstelprozentbereich weder signifikant ist noch auf allgemein schädliche Wirkungen von Tebonin hindeutet", zeigt die Beschwerde keinen bei der Bewertung des Risikos unterlaufenen Verfahrensmangel auf.

Die Beschwerde macht weiters geltend, im angefochtenen Bescheid werde nicht begründet, warum die belangte Behörde die Aufhebung der Zulassung und nicht deren Ruhen verfügt habe. Auf der Grundlage des Gutachtens hätte die belangte Behörde entscheiden müssen, es sei in die Fachinformation ein Hinweis aufzunehmen, wonach Tebonin "im Hinblick auf eine chronische Indikation nicht parenteral verabreicht werden darf bzw. nicht als Dauertherapie geeignet ist".

Die Beschwerde bezieht sich damit offenbar auf § 23 Abs. 2 AMG. Danach kann das Ruhen der Zulassung verfügt werden, wenn ein Aufhebungsgrund gemäß Abs. 1 Z. 1 oder 2 vorliegt, dieser jedoch möglicherweise innerhalb angemessener Zeit durch den Zulassungsinhaber beseitigt werden kann.

Mit den oben wiedergegebenen Darlegungen meint die Beschwerde offenbar, der Aufhebungsgrund wäre beseitigt, wenn die von ihr angeführte Formulierung in die Fachinformation eingefügt werde. Die Beschwerde behauptet aber selbst nicht, dass der im angefochtenen Bescheid angenommene Verdacht schädlicher Wirkungen nur begründet wäre, soweit es um die parenterale Anwendung von Tebonin "im Hinblick auf eine chronische Indikation bzw. als Dauertherapie" geht. Es kann daher nicht gesagt werden, dass durch die Aufnahme des von der Beschwerde angeführten Hinweises in die Fachinformation der Aufhebungsgrund beseitigt wäre.

Die Beschwerde macht weiters geltend, es sei Sache des Arztes und nicht der Zulassungsbehörde, zu entscheiden, "in welcher Form eine Therapie durchgeführt werden muss". Zur Begründung dieser - erkennbar auf die Frage, ob im Rahmen der Nutzen/ Risiko-Abwägung ein Vergleich zwischen oral und parenteral anzuwendenden Darreichungsformen einer Arzneispezialität vorzunehmen ist, bezogenen - Aussage beruft sich die Beschwerde auf "§ 1 Ärztegesetz, wonach ein Arzt zur Behandlung von körperlichen Krankheiten berufen ist", und auf § 11 Abs. 7 AMG, wonach Arzneimittel, die in einer Apotheke auf Grund der Herstellungsanweisung eines zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigten Arztes oder Tierarztes hergestellt und dort wegen eines vorhersehbar wiederkehrenden Bedarfes bereitgehalten werden, um über besondere Anordnung dieses Arztes oder Tierarztes an Anwender und Verbraucher abgegeben zu werden, nicht als Arzneispezialitäten gelten, die gemäß Abs. 1 der Zulassung unterliegen.

Auf welche Vorschrift des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden Ärztegesetzes 1998 (BGBl. I Nr. 169/1998) sich die Beschwerde mit dem oben wiedergegebenen Zitat bezieht, ist nicht ersichtlich (§ 1 enthält im vorliegenden Zusammenhang nicht aussagekräftige Begriffsbestimmungen). Möglicherweise meint die Beschwerde § 2 Abs. 2 Z. 3 Ärztegesetz, wonach die Ausübung des ärztlichen Berufes unter anderem die Behandlung von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, umfasst. Regelungen betreffend die Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden finden sich ferner in § 49 Abs. 1 ÄrzteG. Weder aus den erwähnten Regelungen des Ärztegesetzes noch aus der auf magistrale Zubereitungen bezogenen Regelung des § 11 Abs. 7 AMG ist abzuleiten, dass die Pflicht der Zulassungsbehörde, Versagungs- oder Widerrufsgründe im Sinne des § 23 Abs. 1 Z. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 3 AMG wahrzunehmen, im Hinblick auf die "Therapiefreiheit" des Arztes allgemein oder in bestimmten Fällen suspendiert wäre.

Einen Verfahrensmangel sieht die Beschwerde schließlich darin, dass die belangte Behörde mit Schreiben vom 15. Oktober 1998 lediglich eine Frist von einem Monat zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten eingeräumt habe. Deshalb sei es nicht möglich gewesen, dem von der Behörde eingeholten Gutachten mit Hilfe eines von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebenen Privatgutachtens entgegenzutreten. Der Beschwerde ist ein Privatgutachten vom 28. März 1999 beigelegt; sein Ergebnis wird in der Beschwerde dahin zusammengefasst, dass ein bei einem Sample von 100 Personen durchgeführter Test ergeben habe, dass Tebonin sogar bei Allergikern keine klinisch relevanten Wirkungen verursache.

Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht darlegt, aus welchen Gründen die mit Schreiben vom 15. Oktober 1998 eingeräumte Frist von einem Monat unangemessen kurz gewesen wäre, hat sie es auch unterlassen, innerhalb der gesetzten Frist deren Verlängerung zu beantragen; es wird auch nicht dargelegt, dass bzw. aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin daran gehindert gewesen wäre, ein Privatgutachten innerhalb der bis zur Bescheiderlassung am 3. März 1999 tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeitspanne von mehr als vier Monaten der Behörde vorzulegen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher ebenfalls nicht vor.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999100054.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten