RS UVS Oberösterreich 2004/04/30 VwSen-520541/3/Br/Gam

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Veröffentlicht am 30.04.2004
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Rechtssatz

Nach § 7 des Führerscheingesetzes als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3 leg.cit.) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch

Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird,

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit. hat insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat (§ 7 Abs.3 Z1 FSG).

Für die Wertung der in § 7 Abs.3 FSG beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verwerflichkeit eines Verweigerungsdeliktes einer erwiesenen Alkoholbeeinträchtigung gleichzuhalten (VwGH 22.1.2002, 201/11/0401 mit Hinweis auf VwGH 20.3.2001, 2001/11/0078).

§ 7 Abs.5 u. 6 FSG lauten: Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.

Abs.6 leg.cit: Für die Beurteilung, ob eine strafbare Handlung gemäß Abs. 3 Z7 lit. b, 8, 10 letzter Fall oder 14 wiederholt begangen wurde, sind vorher begangene Handlungen der gleichen Art selbst dann heranzuziehen, wenn sie bereits einmal zur Begründung des Mangels der Verkehrszuverlässigkeit herangezogen worden sind, es sei denn, die zuletzt begangene Tat liegt länger als zehn Jahre zurück."

Da nach den Alkofahrten im Jahr 1993 weitere Alkofahrten begangen wurden, fallen selbst die nun mehr als zehn Jahre zurückliegenden Fälle aus der Wertungsbestimmung des § 7 Abs. 5 FSG nicht heraus.

Wenngleich die Wertung der "Verkehrsgeschichte" des Berufungswerbers hier in sorgfältiger Würdigung zum Ergebnis eines bislang nachhaltig ausgeprägten Defizits an verkehrsgerechter Verhaltenseignung führen muss, scheint es angesichts der Überprüfbarkeit der zur Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit führenden Änderung in der Sinneshaltung nicht sachgerecht, den Berufungswerber für ganze drei Jahre - gleichsam auf Verdacht - auch von einer substanziellen Überprüfung der Änderung seiner Sinneshaltung auszuschließen. Der Entzug der Lenkberechtigung bzw. ein Ausspruch, für eine bestimmte Dauer einer Lenkberechtigung nicht erteilt bekommen zu dürfen, darf vor dem gesetzlichen Hintergrund des Führerscheingesetzes nicht zum Gegenstand einer zusätzlichen Bestrafung werden. Damit würde gegen den Grundsatz des "ne bis in idem" verstoßen. Es ist daher ausschließlich auf den Sicherungszweck anderer Verkehrsteilnehmer abzustellen. An diesem ist der Betroffene in der Figur "der Risikoeignung für die Teilnahme am Straßenverkehr und dem Schutzbedarf der übrigen Verkehrsteilnehmer zu messen", wobei es letztlich diese Eignung zu prognostizieren gilt. Somit bedarf es einer sachbezogen nachvollziehbaren (und nicht bloß pauschal gehaltenen) Begründung. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur etwa kritisch aufgezeigt, dass "die - vor den zur vollen Tatsachenkognition berufenen Verwaltungssenaten - vom Verwaltungsgerichtshof gepflogene Einschätzung der ohnedies formelhaft beschriebenen Sinnesart, letztlich immer eine negative Verhaltensprognose mit Ablaufdatum dargestellt hätte" (Frank, Die Entziehung der Lenkberechtigung - Die fehlende Nebenstrafe - Einordnung in den Schutzbereich des Art. 6 EMRK, ZVR 2000, 326).

Wenn demnach bei den "die Verkehrszuverlässigkeit ausschließenden Charaktermängel anderer Art" nur schwer überprüfbare Prognosen durch die Judikatur gebildet werden (müssen), ist demgegenüber ein ausschließlich in einer - jedenfalls bis zum Anlassfall - bestehenden schädlichen Sinneshaltung, durch die Teilnahme am Fahrzeugverkehr unter Alkoholeinfluss und ein daraus präsumiertes Risiko, medizinisch objektivierbar. Dabei wird durchaus nicht übersehen, dass die Fragen der gesundheitlichen u. charakterlichen Eignung zu unterscheiden sind, wenngleich sachlich doch nicht zu bestreiten ist, dass diese bei der sogenannten Alkoholproblematik ineinander verfließen. Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker und Alkoholkonsum sind eine Geisteshaltung. Fällt der Alkoholkonsum bei einer Person tatsächlich weg, ist es sachlich nicht haltbar zu sagen, die Verkehrszuverlässigkeit bedingende Sinnesart zum positiven ergäbe sich erst nach einer bestimmten Zeitspanne. Mit Blick darauf scheint es sachlich nicht haltbar den hier schon glaubhaft gemachten Wandel, erst nach einer schemenhaft festgelegten Zeitdauer einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich zu machen oder sich überhaupt darauf beschränken zu wollen, erst nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne die erforderliche Sinneshaltung wieder hergestellt sehen zu wollen.

In letzter Konsequenz würde bei bloß formelhafter Begründung einer Entzugszeit neben dem Sicherungselement auch ein punitives Element zur Wirkung kommen, was mit Blick auf das dem österreichischen Entzugsrecht fremden Strafelement - im Gegensatz zu dem in Deutschland als Nebenstrafe konstruierten Fahrverbot - gegen den Grundsatz "ne bis in idem" zu einem konventionswidrigen bzw. verfassungswidrigen Ergebnis führen würde (abermals Frank, ZVR 2000, 326, S. 8 mwN). Eine verfassungskonforme Vollziehung des Führerscheingesetzes ist daher gehalten sich inhaltlich mit der Frage der Verkehrszuverlässigkeit und den Charaktereigenschaften in Würdigung der Gesamtpersönlichkeit eines Menschen auseinander zu setzen.

Wenn daher der Berufungswerber in einem halben Jahr, d.h. ab November 2004, darzutun vermag, dass er sich bis dahin dem Alkohol tatsächlich fernzuhalten vermochte, dann wird auch schon zu diesem Zeitpunkt und ungeachtet seines einschlägig negativen Vorlebens von seiner Risikoeignung ausgegangen werden können. Darüber hinaus kann unter diesem Aspekt die Verkürzung der Entzugsdauer bzw. des ausgesprochenen Verbotes für den Berufungswerber sogar ein starker Impuls zu einer nachhaltigen Abkehr vom Alkohol erblickt werden (zur Risikoeignung s. Himmelreich/Janker, MPU Begutachtung, 2.A.) Sollte er dies nicht tun können, wird wohl der Verkehrspsychologe bzw. letztlich der das Endgutachten erstellende Amtsarzt zu einer fachlich negativen Prognosebeurteilung gelangen können, welche letztlich wohl zu einem abweisenden Bescheid über den Antrag auf eine (Wieder-)Erteilung der Lenkberechtigung führen würde. Abschließend sei bemerkt, dass die in der Judikatur beschriebenen Fälle von ausgesprochenen Entzugszeiten, auf den jeweiligen Einzelfall nur eingeschränkt umsetzbar sind. So erachtete der Verwaltungsgerichtshof etwa eine Entzugsdauer von nur sechs Monaten im Jahr 2001 nach zweier vorausgegangener Alkofahrten (1996 u. 2000), wobei der zweite Entzug (im Jahr 2000) auf fünfzehn Monate ausgesprochen war, als angemessen (VwGH 4.7.2002, 2001/11/0362).

Andererseits kommt es laut Verwaltungsgerichtshof für die Annahme des Mangels der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht darauf an, ob Alkoholkonsum (ohne Bezug auf das Lenken von Kraftfahrzeugen) nicht ausgeschlossen werden kann, sondern ob die Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung darauf schließen lassen, der Betreffende sei nicht willens oder nicht in der Lage, sein Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum an die Erfordernisse des Straßenverkehrs anzupassen, es sei konkret zu befürchten, dass er im durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als Lenker eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen werde (VwGH 27.11.2001, 2001/11/0266, sowie 18.3.2003, 2002/11/0143). Damit bleibt die Tatsacheninstanz gefordert eine nachvollziehbare Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Wenn abschließend die Behörde erster Instanz darauf verwies, dass "auf Grund seines Gesamtverhaltens der Berufungswerber damit zu rechnen habe im Zuge der Antragstellung die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme erbringen zu müssen, schiene es im Sinne des oben gesagten fast widersprüchlich - will man im Entzug keine versteckte Strafmaßnahme sehen - eine solche Untersuchung im Lichte dieses Beweisergebnisses nicht schon früher zuzulassen.

Schlagworte
Risikoneigung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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