RS UVS Oberösterreich 2004/11/11 VwSen-550166/5/Kl/Pe

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 11.11.2004
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Rechtssatz

Die Stadtgemeinde G ist öffentliche Auftraggeberin im Sinn des § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw. des § 1 Abs.2 Z1 Oö. VNPG. Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert von mindestens 200.000 Euro bei Lieferaufträgen im Sinn des § 9 Abs.1 Z2 BVergG. Die gegenständliche Vergabe unterliegt daher dem Oö. VNPG; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden (§ 17 Abs.1 BVergG). Gemäß § 2 Abs.2 und § 13 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist der unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagserteilung zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

1.

zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie

2.

zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

Der Oö. Verwaltungssenat hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin für nichtig zu erklären, wenn sie

 1. im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG oder den hierzu erlassenen Verordnungen steht und

 2. für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Die Zuschlagsentscheidung ist gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG eine gesondert anfechtbare Entscheidung (vgl. § 3 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz), welche gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes in der Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG angefochten werden kann.

Der Nachprüfungsantrag vom 3.11.2004 richtet sich gegen die Zuschlagsentscheidung vom 22. bzw. 28.10.2004 und erfüllt die Zulassungsvoraussetzungen.

Durch den Verweis auf die Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG in Teil II Z1 der Anlage zu § 9 Oö. VNPG handelt es sich funktional um eine Rechtsmittelfrist. Eine solche beginnt ganz allgemein erst dann, wenn der Rechtsmittelberechtigte die Möglichkeit hat, Kenntnis vom Inhalt der anzufechtenden Entscheidung zu erlagen (vgl. Hahnl, BVergG, nwV, S. 503). Der Antrag ist daher auch rechtzeitig eingebracht.

Mit Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 9.11.2004, VwSen-550167/4/Kl/Rd/Pe, wurde dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben und die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 4.12.2004 untersagt.

Gemäß § 2 Abs.2 Z2 und § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte die Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung auszusprechen, wenn sie im Widerspruch zu den Bestimmungen des BVergG oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Als Beschwerdepunkte führte die Antragstellerin aus, dass sie Bestbieterin sei, ihr die höchste Punktezahl zuzusprechen sei und sie daher den Zuschlag erhalten müsste. Sie sei daher im Recht auf Zuschlagserteilung verletzt. Nach den Behauptungen der Antragstellerin und den Nachweisen der vorgelegten Unterlagen wurde ein mit 22.10.2004 datiertes Schreiben an die Antragstellerin über die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung verfasst und darin die Anordnung der E-Mailzustellung an die Adresse getroffen. Nach den Behauptungen der Antragstellerin ist dieses Mail nie bei ihr eingelangt. Auch die Auftraggeberin hat trotz Aufforderungsschreiben des Oö. Verwaltungssenates vom 5.11.2004 einen Zustellnachweis für diese E-Mailzustellung am 22.10.2004 an die Antragstellerin nicht vorgelegt und nicht beigebracht. Vielmehr legte die Auftraggeberin ein weiteres mit 28.10.2004 datiertes Schreiben an die Antragstellerin vor, welches nachweislich laut Sendebericht mit Fax am 28.10.2004 um 13.54 Uhr der Antragstellerin übermittelt wurde. Das genannte mit 22.10.2004 datierte Schreiben ging per E-Mail lediglich bei der Bestbieterin ein, was diese auch mit einem E-Mail am 9.11.2004 bestätigte. Auch die weitere Bieterin behauptet in einem weiteren Nachprüfungsantrag, dass sie das E-Mail am 22.10.2004 nicht erhalten hätte, sondern vielmehr erst ein mit 2.11.2004 datiertes Verständigungsschreiben über die Zuschlagsentscheidung bei ihr per Fax am 2.11.2004, 11.58 Uhr bzw. 13.23 Uhr laut Sendebericht eingelangt ist. Dies wurde durch die Nachweisunterlagen der Auftraggeberin belegt. Auch hinsichtlich dieser Bieterin liegt ein Nachweis über eine E-Mailzustellung nicht vor.

Gemäß § 100 Abs.1 BVergG hat der Auftraggeber den Bietern gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich elektronisch oder mittels Telefax mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Ein unter Verstoß gegen die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bestehende Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgter Zuschlag ist nichtig.

Gemäß § 100 Abs.2 BVergG darf der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden.

Gemäß § 20 Z42 BVergG ist eine Zuschlagsentscheidung die an Bieter abgegebene nicht verbindliche Absichtserklärung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll.

Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass die gegenständlich angefochtene Handlung der Auftraggeberin mit Ausnahme der Voraussetzungen des § 100 Abs.1 BVergG jedenfalls die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zuschlagsentscheidung erfüllt. So hat der interne Willensbildungsprozess bei der Auftraggeberin ordnungsgemäß stattgefunden, der Bekanntgabe an die Bieter kommt ein Erklärungswert nach außen zu und die Handlung ist der Auftraggeberin zuzurechnen. Darüber hinaus ist die Bekanntgabe ausnahmslos an sämtliche Bieter ergangen. Darin wurde mitgeteilt, wem der Zuschlag erteilt werden soll. Sowohl nach der Rechtsprechung des BVA und des VfGH sowie des europäischen Rechts, wurde daher eine Zuschlagsentscheidung als Willenserklärung, der Erklärungswert nach außen zukommt und die dem Auftraggeber zuzurechnen ist, erlassen.

Fraglich ist hingegen, ob die nach außen in Erscheinung getretene Zuschlagsentscheidung (nach der Definition des § 20 Z42 BVergG) mangels der Einhaltung der Bekanntmachungsvorschrift gemäß § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG einen tauglichen Anfechtungsgegenstand iSd § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG bildet oder ob sie per se nichtig und somit als nicht existent anzusehen ist.

Das Bundesvergabeamt hat in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, ausgeführt: "Wesentlich ist dabei, ob es in der dogmatischen Begrifflichkeit einen Unterschied geben kann zwischen der einen zulässigen Anfechtungsgegenstand bildenden und somit für die Nachprüfung verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung einerseits und andererseits der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden und somit vollwirksamen Zuschlagsentscheidung, wobei der letzte Begriff neben den Voraussetzungen für die "verfahrensrelevante Zuschlagsentscheidung" zusätzlich auch die Voraussetzungen des § 100 Abs.1 erster Satz BVergG erfüllt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzuhalten, dass § 100 BVergG nicht dem Rechtsschutz (Verfahrensrecht), sondern dem materiellen Recht des BVergG (iSd Art.14b B-VG) zuzurechnen ist. Dieser Bestimmung kommt daher prima vista für die Auslegung des Begriffs (und des Vorhandenseins) der Entscheidung bzw. Zuschlagsentscheidung im Verfahrensrecht keine Bedeutung zu. Diese Unterscheidung wird gerade im Hinblick auf die Kompetenzbestimmung des Art.14b B-VG und der damit zusammenhängenden Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber offenbar. Somit kennen auch die gesetzlichen Vergabevorschriften eine Unterscheidung zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht. Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass diese beiden Rechtsteilbereiche unterschiedliche Begrifflichkeiten beinhalten können. Die Möglichkeit des Vorliegens von unterschiedlichen Begrifflichkeiten wird auch durch den Gesetzestext des BVergG 2002 selbst indiziert. So lautet die Überschrift zu § 100 BVergG: "Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung". Auf den ersten Blick ist diese Überschrift zwar insofern irreführend, als dem nachprüfungsrechtlichen Entscheidungsbegriff notwendigerweise jedenfalls eine gewisse Publizität zu eigen ist ... Geht man allerdings davon aus, dass § 100 BVergG eine, im materiellen Recht weitere Rechtsfolgen auslösende Bekanntmachungsvorschrift einer verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung ist, erhält die bei § 100 BVergG gewählte Überschrift ?Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung' Sinnhaftigkeit. ... Damit lässt sich aus § 100 BVergG samt dessen Überschrift ableiten, dass der Gesetzgeber zwischen der verfahrensrelevanten Zuschlagsentscheidung und der die Rechtsfolgen des § 100 BVergG auslösenden, vollwirksamen Zuschlagsentscheidung unterscheidet."

Diese Rechtansicht wird auch in einem verstärkten Senat vom BVA am 9.2.2004, 10N-137/03-20, bekräftigt (vgl. auch "Formmangel der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung; zur Frage der absoluten Nichtigkeit oder Nichtigerklärung bei Verletzung der Formvorschriften" in ZVB 2004/09, S. 254ff). Dieser Rechtsauffassung hat sich auch der Oö. Verwaltungssenat angeschlossen (vgl. VwSen-550162/5/Kl/Pe uam.). Es ist daher die gegenständlich angefochtene Zuschlagsentscheidung aus Sicht des Nachprüfungsverfahrens als verfahrensrelevante (existente) Entscheidung des Auftraggebers und daher tauglicher Anfechtungsgegenstand gemäß § 20 Z13 lit.a sublit.aa BVergG anzusehen.

Dabei geht der Oö. Verwaltungssenat von folgenden weiteren Überlegungen aus:

Gemäß Art.II Abs.2 A Z2 EGVG haben die unabhängigen Verwaltungssenate das AVG voll anzuwenden. Dem AVG liegt der Bescheid als anfechtbare Entscheidung zugrunde. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Verfassungsgerichtshofes zum Bescheidbegriff bzw. zur Qualität einer Entscheidung als Bescheid gemäß § 58 AVG muss an eine behördliche Erledigung hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden und ist dann die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann nicht wesentlich, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat. Dabei ist der Bescheid als Ganzes zu beurteilen. Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung nicht zu Lasten der Partei beantwortet werden darf (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5.A., S. 434f mit Nachweisen). Die Judikatur stellt daher Form und Inhalt einer Erledigung in gewisse Wechselbeziehung. Weil die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers ebenfalls als anfechtbare Entscheidung im Nachprüfungsverfahren vor der Nachprüfungsbehörde einer Rechtsbeurteilung unterzogen wird, kann die Bestimmung des § 58 AVG und die dazu ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts analog herangezogen werden. Demnach ist auch bei der gegenständlich ergangenen Zuschlagsentscheidung aus dem Inhalt klar der Wille des Auftraggebers und der Wille zur Erlassung einer Entscheidung ersichtlich und kommt daher der in § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG angeordneten Übermittlungsart keine existenzbedrohende Bedeutung zu. Dies insbesondere auch deshalb, weil - wie auch schon das Bundesvergabeamt in der obzit. Entscheidung ausgeführt hat - § 100 Abs.1 BVergG eine Bestimmung des materiellen Rechts darstellt und daher die Formalvoraussetzung dieser Bestimmung nur wesentlich ist für die Rechtswirkungen gemäß § 100 Abs.2 BVergG, nämlich die Auslösung der Stillhaltefrist von 14 Tagen "ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1". Die Bekanntgabe iSd Formalvorschriften des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG stellt daher nur eine wesentliche und existenzbegründende Vorschrift für die Auslösung der Stillhaltefrist und die Nichtigkeit eines trotzdem erfolgten Zuschlages bzw. die Nichtigkeit eines Zuschlages entgegen der gesetzlichen Mitteilungsverpflichtung dar. Eine Bedeutung im Nachprüfungsverfahren im Hinblick auf die Existenz der Entscheidung kommt der Bestimmung des § 100 Abs.1 Satz 1 BVergG nicht zu.

Diese Auslegung entspricht im Übrigen auch der Judikatur des EuGH, der grundsätzlich von einem weiten Begriff der in einem Nachprüfungsverfahren anfechtbaren Entscheidung ausgeht (vgl. z.B. EuGH 28.10.1999, C-81/98, Alcatel Austria). Wenngleich auch das europäische Recht im hier vorliegenden Unterschwellenbereich - mit Ausnahme der Gemeinschaftsgrundsätze - keine unmittelbare Wirkung entfaltet, so ist doch das gesamte Rechtsschutzsystem des BVergG in starker Anlehnung an die europäischen Regelungen konstruiert und hält der Gesetzgeber in den Materialien grundlegend fest, dass die Begriffe "Nachprüfung" bzw. "Nachprüfungsverfahren" dem Gemeinschaftsrecht entlehnt sind und das gesamte BVergG "die Regelungen des EG-Vergaberechts unter Wahrung eigenständiger Wesenszüge des österreichischen Rechtssystems in das innerstaatliche Recht umsetzen" (1.118 Blg.NR. 21. GP). Auch der Verfassungsgerichtshof geht von einer doppelten Bindungswirkung des Gesetzgebers an Gemeinschaftsrecht und österreichisches Verfassungsrecht aus und stellte sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zwischen der Rechtsposition von Bietern und Bewerbern im Unter- und Oberschwellenbereich als verfassungswidrig fest (VfGH 9.11.2001, G10/01 u.a.).

Aus der Sicht des Nachprüfungsverfahrens als Verwaltungsverfahren nach dem AVG darf daher nach der bereits zitierten Judikatur der Höchstgerichte als auch der Judikatur des EuGH ein Fehler in der Entstehung einer Handlung des Auftraggebers und das Risiko der Qualifikation dieser Handlung des Auftraggebers nicht dem Rechtsschutzsuchenden aufgebürdet werden. Bei anderer Auslegung hätte es nämlich sonst der Auftraggeber durch Fehler der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung in der Hand, den Erfolg bzw. Misserfolg des von der Antragstellerin eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens zu steuern. Dies wäre aber mit einem effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar. Die Annahme der Nichtexistenz der Zuschlagsentscheidung bzw. des Nichtingangsetzens der Stillhaltefrist würde den Bieter jeglichen Rechtsschutzes berauben (vgl. auch die Judikatur des Oö. Verwaltungssenates, VwSen-550132/6/Kl/Pe vom 5.3.2004 sowie VwSen-550162/5/Kl/Pe).

Wie bereits oben dargestellt wurde, ist die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung per E-Mail am 22.10.2004 nicht bei sämtlichen Bietern eingelangt und war daher im Sinn des § 100 Abs.1 BVergG nicht nachweislich, weil ein Nachweis der Zustellung nicht erbracht wurde. Nachweislich bedeutet nach der Rechtsprechung des VwGH "durch Nachweis bestätigt, belegt" nicht bloß nachweisbar. Die Bekanntgabe muss daher durch einen Nachweis dokumentiert sein, wobei die Dokumentationspflicht den Auftrageber trifft (sh. BVA wie oben). Hingegen ist die weitere Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung per 28.10. bzw. 2.11.2004 jeweils im Weg des Telefax nachweislich (Sendebericht) erfolgt, jedoch fehlt es an der gemäß § 100 Abs.1 BVergG gebotenen gleichzeitigen Mitteilung. Diese Bestimmung dient der Gleichbehandlung der Bieter (vgl. § 21 Abs.1 BVergG). Die Bieter werden dann nicht gleich behandelt, wenn die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei ihnen einlangt. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 100 Abs.1 BVergG im Hinblick auf die gleichzeitige Mitteilung ist daher auch als Verstoß gegen die Vergabegrundsätze gemäß § 21 Abs.1 BVergG (Gleichbehandlungsgebot) zu sehen.

Gemäß § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz ist die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, wenn sie im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG (konkret zu § 100 Abs.1 erster Satz BVergG) steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Auch diese kumulativ geforderte Voraussetzung für eine Nichtigerklärung liegt vor, weil ein in Folge einer nicht rechtmäßig bekannt gegebenen Zuschlagsentscheidung erteilter Zuschlag nichtig ist (§ 100 Abs.1 letzter Satz BVergG, wobei gemäß den obigen Ausführungen für das Zustandekommen einer Zuschlagsentscheidung im materiellrechtlichen Sinn die Einhaltung der Formvorschriften für die Mitteilung erforderlich ist). Zu diesem Ergebnis kommt auch das BVA in seiner Entscheidung vom 19.9.2003, 10N-81/03-12, RN 25. Die Zuschlagsentscheidung ist rechtswidrig und daher aus diesem Grund für nichtig zu erklären.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wurde darüber hinaus die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin durch den Oö. Verwaltungssenat einer materiellen Beurteilung nach den übrigen Beschwerdepunkten unterzogen.

Gemäß § 20 Z13 lit.a sublitt.aa BVergG ist die Ausschreibung (§ 20 Z6 BVergG) eine gesondert anfechtbare Entscheidung und es wurde die gegenständliche Ausschreibung in der gemäß § 9 und Teil II Z1 der Anlage zu § 9 des Oö. VNPG festgelegten Frist nicht angefochten. Es sind daher alle jene Mängel, die die Ausschreibung betreffen, wegen Verfristung von einer weiteren Nachprüfung präkludiert. Die Ausschreibung ist daher rechtskräftig und rechtswirksam geworden.

Wenn daher in der Ausschreibung das Bestbieterprinzip festgelegt wurde und die Zuschlagskriterien wie unter den Feststellungen (Punkt 3.) ausgeführt festgelegt wurden, so sind insbesondere die Zuschlagskriterien von der Antragstellerin nicht rechtzeitig angefochten worden und daher wirksam geworden. Dies bedeutet, dass die Antragstellerin die rechtskräftigen Zuschlagskriterien bei der nunmehrigen Angebotsprüfung gegen sich gelten lassen muss.

Zwar überlässt Art.30 Abs.1 lit.b BKR dem öffentlichen Auftraggeber die Wahl der Kriterien für die Zuschlagserteilung, doch kommen nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen. Sie müssen geeignet sein, das dem Auftraggeber zustehende Burteilungsermessen nach objektiven Gesichtspunkten zu handhaben und dürfen kein willkürliches Auswahlelement enthalten (EuGH vom 20.9.1988, C-31/87). Verfügt er grundsätzlich bei der Auswahl der Kriterien über einen sehr weiten Beurteilungsspielraum, ist er aber doch insofern beschränkt, als er das auch für die Privatwirtschaftsverwaltung geltende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes zu beachten hat (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung [1993], 196).

Diesen Gesichtspunkten der Objektivität und des Sachlichkeitsgebotes erscheint das Kriterium "Beurteilung des Betriebspersonals" ohne Angaben der Maßstäbe, wonach das Betriebspersonal beurteilt, nicht nachzukommen. Wegen der oben angeführten Präklusion kann dieser Mangel nicht mehr geltend gemacht und aufgegriffen werden. Es ist daher von der unanfechtbar gewordenen Ausschreibung auszugehen. Es ist daher das Vergabeverfahren zwischen der Ausschreibung und der nächsten gesondert anfechtbaren Entscheidung, nämlich der nunmehr angefochtenen Zuschlagsentscheidung, einer Überprüfung zu unterziehen. Nach den vorliegenden Angebotsunterlagen und der weiters vorgelegten Angebotsprüfungszusammenstellung ist nachvollziehbar belegt, dass die Antragstellerin in der Angebotsbewertung nicht die höchste Punktezahl erreichte. Zwar bot sie mit dem niedrigsten Preis an, was zu der höchsten Punktezahl hinsichtlich des Kriteriums "Preis" führte, nämlich zu 60 Punkten. Weiters erhielt sie - wie sämtliche Mitbewerber - die höchste Punktezahl bei der Vertragswerkstätte. Allerdings wurden ihr laut Beurteilung des Betriebspersonals keine Punkte vergeben (im Gegensatz dazu erhielt die Bestbieterin die höchstmögliche Punktezahl von 20 Punkten). Hinsichtlich der technischen Spezifikationen erhielt die Antragstellerin 6,4 Punkte, also deutlich mehr Punkte als ihre Mitbewerber (die Bestbieterin erhielt 4,5 Punkte, eine weitere Mitbewerberin 3 Punkte). Allerdings ist aufgrund der Gewichtung der Kriterien selbst bei Vergabe der Höchstpunktezahl bei den technischen Spezifikationen von 9 Punkten - unter Berücksichtigung der maximalen Punktezahl beim Kriterium Preis und Standort der Vertragswerkstätte - eine Punktezahl, die jene der Bestbieterin übersteigt, nicht erreichbar. Nähere Gründe einer Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Bewertung des Betriebspersonals wurden im Antrag nicht angeführt. Die Bewertung des Betriebspersonals mit der Höchstpunktezahl zugunsten der Bestbieterin ist belegt. Es haftet daher der Zuschlagsentscheidung keine Rechtswidrigkeit an.

Nach § 74 Abs.2 AVG bestimmen die Verwaltungsvorschriften, in wie fern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Pauschbetrag festgesetzt werden. Gemäß § 18 Abs.4 Oö. VNPG hat der bzw. die, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragsteller bzw. Antragstellerin gegen den Antragsgegner bzw. die Antragsgegnerin Anspruch auf Ersatz der entrichten Gebühren.

Dieser Ersatzanspruch bezieht sich nur auf die nach § 18 Abs.1 Oö. VNPG entrichteten Gebühren, nicht aber auf andere Aufwendungen des Antragstellers.

Nach dem Ausschussbericht Blg. Nr. 1550/2002 zum kurzschriftl. Bericht des Oö. Landtags, XXV.

Gesetzgebungsperiode, zu § 18, handelt es sich bei diesem Gebührenersatz um einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch, der mittels Mahnklage bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden kann, was zur Folge hat, dass die obsiegende Antragstellerin zur Durchsetzung des Gebührenersatzes gezwungen ist, ein zusätzliches Verfahren vor Gericht einzuleiten. Diese Auffassung steht jedoch in Konflikt mit dem System des Verwaltungsverfahrensrechtes und verfassungsrechtlichen Vorgaben.

Dazu führten jüngst Thienel und Bratrschovsky in ZVB 2004/33 aus: "Bei den in § 177 vorgesehenen Gebühren handelt es sich um Kosten iSd § 74 AVG, die dem Antragsteller im Verwaltungsverfahren erwachsen. Das AVG enthält zwar keine Definition des Begriffes der "Kosten" der Beteiligten; wegen der prinzipiellen Vorbildwirkung der ZPO für das AVG liegt es aber nahe, zur Auslegung dieser Bestimmung auf die Regelungen der ZPO über die Kostentragung durch die Parteien und den allfälligen Kostenersatz zurückzugreifen. Der für die Kostentragung einschlägige § 40 ZPO spricht in diesem Zusammenhang von "durch ihre Prozesshandlungen verursachten Kosten": Diese sind zunächst von jeder Partei selbst zu bestreiten und der obsiegenden Partei unter bestimmten Voraussetzungen zu ersetzen. Es ist offensichtlich, dass sich § 74 AVG an die Systematik dieser Regelungen anlehnt. Die Formulierung der ZPO geht in diesem Zusammenhang von einem weiten Verständnis des Begriffes "Kosten" aus. Dies spricht dafür, auch den Begriff "Kosten der Beteiligten" in § 74 AVG weit auszulegen. Die Gebühr nach § 177 ähnelt nun den Gerichtsgebühren nach dem GGG. Diese werden in gerichtlichen Verfahren als Kosten iSd § 40 ZPO behandelt und ihr Ersatz wird nach den §§ 41 und 43 ZPO im Falle des Obsiegens zugesprochen. Auch die vergleichbaren Eingabegebühren in Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH werden selbstverständlich als Kosten des Verfahrens behandelt und dem Antragsteller bei Obsiegen ersetzt. Angesichts der Ähnlichkeit der Gebühren nach § 177 mit den genannten Gebühren ist kein Grund ersichtlich, warum sie nicht als Kosten der Beteiligten iSd § 74 AVG zu qualifizieren sein sollten. Beim Gebührenersatz nach § 177 Abs.5 geht es somit um den Ersatz von Verfahrenskosten. Nach § 74 Abs.1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm erwachsenden Kosten (zunächst) selbst zu bestreiten, das heißt, zu bezahlen. Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, richtet sich gemäß § 74 Abs.2 AVG nach den Verwaltungsvorschriften; das AVG sieht also keinen generellen Ersatz der Kosten der Beteiligten vor, sondern verweist diesbezüglich auf die Verwaltungsvorschriften. Nur für den Fall, dass die Verwaltungsvorschriften einen solchen Kostenersatz vorsehen, regelt § 74 Abs.2 AVG dessen Geltendmachung: Der Anspruch ist danach so zeitgerecht geltend zu machen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Dementsprechend bestimmt § 59 Abs.1 AVG, dass der Spruch des Bescheides (in der Hauptsache) auch die "allfällige Kostenfrage" zu erledigen hat; zu dieser Kostenfrage gehört auch die Entscheidung über einen Kostenersatz nach § 74 Abs.2 AVG. Das AVG geht also unmissverständlich davon aus, dass es sich bei der Entscheidung über den Kostenersatz nach § 74 Abs.2 AVG um eine akzessorische Erledigung handelt, die zur Hauptsache hinzutritt und zu der die in der Hauptsache zuständige Behörde berufen ist.

Dieser akzessorische Charakter der Kostenentscheidung in Verwaltungsverfahren wird in der Rechtsprechung aller Höchstgerichte betont: So hat der VwGH wiederholt judiziert, dass es sich bei der Entscheidung über einen Kostenersatz um eine verfahrensrechtliche Entscheidung handelt, für die hinsichtlich Zuständigkeit und Instanzenzug die jeweiligen Bestimmungen für die "Hauptsache" maßgeblich sind. Auch der VfGH hat mehrfach ausdrücklich ausgesprochen, dass Verfahrenskosten eines Verwaltungsverfahrens akzessorisch zum Hauptanspruch seien, selbst wenn es im betreffenden Verwaltungsverfahren um einen zivilrechtlichen Anspruch geht.

Für die Gebühren nach § 177 und deren Ersatz ergibt sich daraus Folgendes:

§ 177 Abs.5 ist eine Verwaltungsvorschrift iSd § 74 Abs.2 AVG, die den Ersatz bestimmter Kosten - die dem Antragsteller erwachsen sind - vorsieht. Da das BVergG 2002 keine Regelungen über die Geltendmachung dieses Gebührenersatzes enthält, kommt § 74 Abs.2 AVG zur Anwendung. Dies bedeutet, dass das BVA auf Antrag über diesen Kostenersatz abzusprechen hat. Dass diese Kompetenz des BVA in § 162 BVergG nicht vorgesehen ist, verschlägt dabei nichts: Selbstverständlich ist das BVA im Zuge der von ihm durchgeführten Verfahren zur Erlassung aller im AVG vorgesehenen verfahrensrechtlichen Bescheide zuständig: Die Kompetenz dazu ergibt sich aus dem AVG, das die jeweils in der Hauptsache zuständige Behörde zur Erlassung aller verfahrensrechtlichen Bescheide im Zuge des betreffenden Verfahrens ermächtigt."

Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Oö. Verwaltungssenat an. Das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz enthält hinsichtlich der Gebühren und des Gebührenersatzes zum Bundesvergabegesetz gleichlautende Bestimmungen. Gemäß Artikel II Abs.2A Z2 EGVG haben auch die Unabhängigen Verwaltungssenate das AVG und damit § 74 AVG anzuwenden. Da die Gebühren nach § 18 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz eindeutig als Kosten der Beteiligten iSd § 74 AVG zu qualifizieren sind, § 18 Abs.4 leg.cit. eben eine Verwaltungsvorschrift iSd § 74 Abs.2 AVG, die den Ersatz bestimmter Kosten vorsieht, darstellt, und auch das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz wie das BVergG 2002 keine Regelungen über die Geltendmachung des Gebührenersatzes enthält, hat auch der Oö. Verwaltungssenat, der das AVG anzuwenden hat, über diesen Kostenersatz abzusprechen. Auf Grund dieser eindeutigen Regelung des AVG und des Fehlens entsprechender (abweichender) Bestimmungen im Oö. VNPG kommt auch der Oö. Verwaltungssenat zur Überzeugung, dass die Materialien außer Betracht bleiben müssen, die eine Gerichtszuständigkeit annehmen und war demgemäß spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Zuschlagsentscheidung, nicht gleichzeitig, nicht nachweislich; Nichtigerklärung; Präklusion der Anfechtung der Ausschreibung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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