TE UVS Wien 1992/03/05 03/13/1387/91

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Veröffentlicht am 05.03.1992
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Betreff

Der BW war mit Straferkenntnis 1) gem §24 Abs1 litn, 2) gem §24 Abs3 litd StVO schuldig erkannt worden, sein Kfz am A-Weg abgestellt zu haben, wobei er zu dieser Straßenstelle nur durch Übertretung eines gesetzlichen Verbotes (hier: "Allgemeines Fahrverbot ausgenommen Anrainer") gelangen konnte und weil am Abstellort nicht mehr 2 Fahrstreifen für den fließenden Verkehr frei blieben. Er erhob dagegen Berufung und wendete gegen 1) ein, daß er Anrainer des B-Weges sei, welcher aber nur über A-Weg erreicht werden kann. Gegen 2) daß es sich wegen der mangelnden Verkehrsfrequenz am A-Weg nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle. Der UVS stellte fest, daß der A-Weg eine Gesamtbreite von weniger als 5 m aufwies. Der UVS gab der Berufung gegen 1) Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gem §45 Abs1 Z2 VStG ein, jedoch gegen 2) keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Bestrafung.

Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Bachler über die Berufung des Herrn G vom 26.11.1991 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 8.11.1991, Zahl Pst 3138/D/91, wegen Übertretung der §§ 1) 24 Abs1 litn, 2) 24 Abs3 litd StVO 1960, entschieden:

Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung zu Punkt 1) des Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Zif2 VStG eingestellt. Der Berufungswerber hat daher gemäß §65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 1) zu leisten. Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung zu Punkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in Punkt 1) mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung zu lauten hat:

"Sie (G) haben am 3.7.1991, von 21.45 Uhr bis 22.10 Uhr, in W, L-Weg, das dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug auf einer Fahrbahn mit Gegenverkehr abgestellt (geparkt), obwohl nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freiblieben."

Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 VStG zu Punkt 2) einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 %, das sind S 100,--, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Sachverhalt ist vom Berufungswerber nicht bestritten worden.

Zu Punkt 1):

Der Berufungswerber wendet im wesentlichen ein, er sei Anrainer und deshalb zur Zufahrt berechtigt.

Als Anrainer sind die Besitzer der neben der Straße befindlichen Liegenschaften anzusehen. Der Begriff "Anrainer" umfaßt also nicht nur die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges, sondern auch allfällige (Rechts-)Besitzer, sodaß außer dem Eigentümer einer neben der Straße gelegenen Liegenschaft auch jenen Personen

 

die Anrainereigenschaft zuzuerkennen ist, welche an dieser Liegenschaft ein Bestandsrecht besitzen.

Der Berufungswerber wies durch den über Aufforderung vorgelegten Mietvertrag vor, daß er Mieter im Hause in W, Straße N ist und ihm der Hausgarten zur Mitbenützung mitvermietet wird. Das Mietverhältnis besteht seit 1.8.1983 auf unbestimmte Zeit. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien stellte fest, daß der Hausgarten des Hauses 81 mit jenem des  Hauses 83 zusammengehört und an den C-Weg angrenzt. Der gegenständliche Hausgarten befindet sich somit sowohl neben der Straße Straße N als auch neben dem C-Weg. Der Berufungswerber ist sohin als Anrainer des C-Weges anzusehen.

Da der C-Weg ausschließlich durch den L-Weg erreicht werden kann, erstreckt sich die Anrainereigenschaft des Berufungswerbers auch auf den L-Weg.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Punkt 2):

Der Berufungswerber bekämpft ausdrücklich die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Straferkenntnisses. Er bringt im wesentlichen vor, daß am L-Weg kein fließender Verkehr bestehe und begründet dies im wesentlichen mit der mangelnden Verkehrsfrequenz auf dem L-Weg.

Zunächst ist dem Berufungswerber beizupflichten, daß zwischen den Begriffen Gegenverkehr und fließender Verkehr rechtlich ein Unterschied besteht. Der Ausdruck "Gegenverkehr" bedeutet, daß eine Straße in zwei gegensätzlichen Richtungen befahren werden darf. Der L-Weg ist eine Sackgasse. Daraus ergibt sich zwangsweise, daß das Zu- und Abfahren in gegensätzlichen Richtungen erfolgt. Es handelt sich somit um eine Straße mit Gegenverkehr.

Danach ist zu prüfen, ob es sich beim L-Weg um eine Straße mit fließenden Verkehr handelt. Das Gesetz versteht den Ausdruck "fließender Verkehr" als Gegensatz zum "ruhenden Verkehr". Bei der Einstufung einer Sackgasse als Verkehrsfläche im Sinne des §19 Abs6 StVO 1960 (welche zur Begriffsbestimmung des "fließenden Verkehrs" vorrangig heranzuziehen ist) kommt es nicht auf die Verkehrsfrequenz, sondern darauf an, ob sie sich in ihrer gesamten Anlage von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (OGH 22.5.1975, 2 Ob 104/75, ZVR 1975/215).

Somit ist als Vorfrage zu prüfen, ob es sich beim L-Weg überhaupt um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt. Straßen mit öffentlichem Verkehr sind zufolge §1 Abs1 2 Satz StVO 1960 solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, ob also die Landfläche ganz oder teilweise in Privateigentum steht. Entscheidend ist vielmehr das ausschließliche Merkmal des Fußgänger- bzw Fahrzeugverkehrs, also ihre Benützung. Eine Straße kann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Aus dem alleinigen Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern befahren werden darf, zB nur von Anrainern, kann nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt (ständige Judikatur des VwGH, zB 12.12.1973, 1079/73).

Der L-Weg darf zwar nur von Anrainern befahren werden, er darf aber von jedermann zu Fuß ohne jedweder Beschränkung benützt werden, sodaß er schon aus diesem Grund als Straße mit öffentlichem Verkehr gilt.

 

Danach ist zu prüfen, ob sich der L-Weg in seiner gesamten Anlage von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet oder nicht. Hiezu wurde festgestellt:

"Der Gehsteig im Zuge Straße N ist über die Einmündung des L-Weges durchgezogen und Niveaugleich mit dem L-Weg und weist bei der Einmündung desselben eine Anrampung (wie bei einer Gehsteig- Auf- und -überfahrt zu einem Grundstück) auf (s Pfeil auf beiliegenden Fotos Nr 1 und 2).

Der L-Weg ist gepflastert (Kleinstein) bis zur Anrampung zum Straßenzug Straße N (dies ist jedoch bei Annäherung auf dem Straßenzug Straße N nicht erkennbar).

Vielmehr erkennbar ist der L-Weg bei der Annäherung durch die Straßenbenennungstafel, ein bei der Einmündung stehendes Verkehrszeichen gemäß §52/1 StVO (allgem Fahrverbot) mit dem Zusatz "ausgen Fahrzeuge der Anrainer, deren Lieferanten, Senkgrubenräum-, Müllsammel- und Straßendienstfahrzeuge" mit einem Verkehrszeichen gemäß §53/11 StVO (Sackgasse) sowie ein Verkehrszeichen gemäß §52/23 StVO (Vorrang geben) auf dem L-Weg vor der Einmündung in die  Straße N (dieses Verkehrszeichen jedoch nur bei Fahrtrichtung stadteinwärts - auf Foto Nr 2 rechts neben der Straßenbenennungstafel andeutungsweise erkennbar)."

Weiters wurden Fotos angefertigt, welche den vorstehenden Eindruck bestätigen.

Es liegt durch die Anrampung zwar ein Merkmal vor, das den L-Weg von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet, die Mehrzahl der objektiven Merkmale, nämlich die Straßenbefestigung (Pflasterung), die Straßenbenennungstafel, die Verkehrszeichen "Fahrverbot mit Zusatztafel" und Sackgasse sowie das Verkehrszeichen "Vorrang geben" vor der Einmündung in die Straße N überwiegen eindeutig, sodaß sich der L-Weg in seiner gesamten baulichen Anlage nicht von sonstigen Straßen mit öffentlichem Verkehr unterscheidet. Es handelt sich daher nicht um eine untergeordnete Verkehrsfläche (ruhender Verkehr), sondern um eine Straße mit fließendem Verkehr. Somit war zuletzt zu prüfen, ob durch das Parken des Berufungswerbers zwei Fahrstreifen frei blieben oder nicht. Vom Freibleiben zweier Fahrstreifen kann nur dann gesprochen werden, wenn die restliche Fahrbahnbreite mehr als 5 m beträgt, da der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, daß ein Fahrstreifen im Fließverkehr 2,50 m breit ist, ein Parkstreifen entsprechend schmäler. Da der L-Weg in seiner Gesamtbreite 5 m nicht überschreitet, ist durch das Parken des Berufungswerbers unmöglich eine mehr als 5 m messende restliche Fahrbahnbreite freigeblieben.

Insoweit der Berufungswerber vorbringt, es läge eine Notstandssituation vor, weil er nämlich spät abends von der Arbeit nach Hause kommend, bestrebt war, möglichst schnell zu seiner schwangeren Frau, die seiner Hilfe bedurfte, zu gelangen und es wäre ihm nicht zumutbar gewesen, bis weit nach Mitternacht bis die von den Heurigenbesuchern besetzten Parkplätze infolge der Sperrstunde frei werden, in N zu kreisen, wurde erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden:

"Jeder Kraftfahrer muß damit rechnen, in bestimmten Gebieten, wozu der innere Stadtbereich zählt, keinen Parkplatz zu finden. Stellt er sich nicht darauf ein und hat er deshalb eine Notstandssituation selbst verschuldet, so kann von einem die Schuld ausschließenden Notstand nicht gesprochen werden (VwGH 24.4.1974, 1999/73, 27.10.1977, 1967/76, 11.9.1979, 1374/79 uva).

 

Das Gebiet der Heurigen in N ist solch einem Gebiet wie dem inneren Stadtbereich gleichzuhalten, zumal der Berufungswerber selbst angab, daß ihm die Parkplatzsituation bekannt war. Es wäre ihm durchaus zumutbar gewesen, öffentliche Verkehrsmittel oder Taxis zu benützen. Es liegt daher kein schuldbefreiender Notstand vor.

Somit hat die Behörde den vorliegenden Sachverhalt bereits richtig

rechtlich beurteilt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Antrag auf Verkehrsfrequenzzählung war abzuweisen, da es, wie oben ausgeführt, beim Begriff "fließender Verkehr" nicht auf die Verkehrsfrequenz ankommt. Der Antrag auf Einsicht in die den Verkehrszeichen "allgemeines Fahrverbot, ausgenommen Anrainer" zugrundeliegende Verordnung war abzuweisen, da der Berufungswerber in diesem Punkt ohnehin Recht bekommen hat und sich der Antrag daher erübrigte.

Die Änderung im Spruch erfolgte zur genaueren Anpassung an den gesetzlichen Tatbestand, da sich bereits aus der Abstelldauer von 25 Minuten ergab, daß es sich um ein Parken handelte, was der Berufungswerber im übrigen auch nicht bestritten hat. Eine Herabsetzung der Strafe kam aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen. Deshalb war der Unechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering.

Das Verschulden des Berufungswerbers kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Bei der Strafbemessung wurden zwei auf der gleichen Neigung beruhende Verwaltungsvorstrafen als erschwerend gewertet, sowie die überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und die Sorgepflicht für die Ehefrau und ein Kind berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende vorschrift des §64 Abs1 und 2 des VStG.

Schlagworte
Straße mit öffentlichem Verkehr, bauliche Anlage, fließender Verkehr, Halte- und Parkverbot, Anrainer
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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