TE UVS Niederösterreich 1994/11/30 Senat-MD-93-735

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Veröffentlicht am 30.11.1994
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Spruch

Herr R U, vertreten durch Herrn RA Dr. P H, **** M******, B****** Straße **/*/*, hat gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft M vom **.**.199*, Zl. 3-*****-9*, betreffend Bestrafungen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 und dem Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 fristgerecht Berufung erhoben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch das Mitglied Dr. H A. K über die gegen die Punkte 2. bis 4. des Straferkenntnisses erhobene Berufung wie folgt entschieden, sowie bezüglich der gegen Punkt 1. eingebrachten Strafberufung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am **.**.199* folgende Berufungsentscheidung verkündet:

 

 

I.

a)

Der Strafberufung gegen Punkt 1. der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1991, BGBl. Nr. 51/1991, keine Folge gegeben und der Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

 

b)

Der Berufungswerber hat dem Land Niederösterreich gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991, BGBl. Nr. 52/1991, S 120,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 2 Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu bezahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens der Behörde erster Instanz zu bezahlen (§ 59 Abs. 2 AVG).

 

II. Der Berufung gegen die Punkte 2. bis 4. der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis im Umfange dieser Punkte aufgehoben.

 

    Gleichzeitig wird die Einstellung des die Punkte 2. bis 4. betreffenden Verwaltungsstrafverfahrens verfügt, und zwar

zu den Punkten 2. und 3. jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2

    VStG und zu Punkt 4. gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG.

Text

 

Mit Straferkenntnis vom **.**.199*, Zl. 3-*****-9*, erkannte die Bezirkshauptmannschaft M den nunmehrigen Berufungswerber schuldig, am **.**.199* um **.** Uhr, im Ortsgebiet von M******, auf der H****straße Höhe Haus Nr. ** zur M*****gasse in Fahrtrichtung Osten, als Fahrzeuglenker eines Fahrrades,

1.

den Gehsteig in der Längsrichtung befahren zu haben;

2.

die Einbahnstraße in der unzulässigen Fahrtrichtung befahren zu haben;

3.

die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung anderen Straßenbenutzern, die sich auf den Vorrang (offensichtlich gemeint: Vorgang) einzustellen hatten, nicht angezeigt zu haben;

4.

auf dieser Fahrt einen amtlichen Lichtbildausweis nicht mitgeführt zu haben.

 

Aufgrund dieser Verwaltungsübertretungen nach § 68 Abs. 1 StVO

(Punkt 1.), §§ 99 Abs. 3 lit. a, 7 Abs. 5, jeweils StV0

(Punkt 2.), §§ 99 Abs. 3 lit. a, 11 Abs. 2, jeweils StVO (Punkt 3.) und §§ 134 Abs. 1, 102 Abs. 5 lit. a, jeweils KFG (Punkt 4.) verhängte die Erstbehörde zu den Punkten 1. bis 3. jeweils gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu Punkt 4. gemäß § 134 Abs. 1 KFG jeweils Geldstrafen und zwar zu

Punkt 1. S   600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 16 Stunden), zu

Punkt 2. S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden), zu

Punkt 3. S   500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Stunden) und zu

Punkt 4. S   300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden).

Weiters schrieb die Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 VStG einen Kostenbeitrag von insgesamt S 240,-- vor.

 

Gegen den "gesamten Inhalt" dieses Straferkenntnisses erhob der Beschuldigte fristgerecht mit der Begründung Berufung, daß die erstinstanzliche Entscheidung inhaltlich rechtswidrig und mangelhaft begründet sei.

Abschließend beantragte der Berufungswerber die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses hinsichtlich der Punkte 2. bis 4. und diesbezügliche Verfahrenseinstellung, sowie zu

Punkt 1. des Straferkenntnisses eine Ermahnung gemäß § 21 VStG auszusprechen.

In eventu beantragte der Beschuldigte die verhängte Strafe in eine mildere umzuwandeln oder ganz nachzusehen.

 

Mit Schreiben vom **.**.199* teilte die Bezirkshauptmannschaft M mit, von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung keinen Gebrauch zu machen und um Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses zu ersuchen.

 

Bezüglich der Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses betreffenden Strafberufung wurde am **.**.199* gemäß § 51 e Abs. 2 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschuldigten und seines Rechtsvertreters durchgeführt. Bezüglich der gegen die Punkte 2. bis 4. der erstinstanzlichen Entscheidung gerichteten Berufung war gemäß § 51 e Abs. 1 VStG von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß das Straferkenntnis im Umfange dieser Punkte aufzuheben ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

1.

VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 68 Abs. 1 StVO:

(Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses)

 

Die Berufungsschrift enthält zwar die Erklärung, das "Straferkenntnis seinem gesamten Inhalte nach" anzufechten, allerdings ist dem weiteren Vorbringen, insbesondere dem ausdrücklichen Eingeständnis, daß es sich bei der zu Punkt 1. genannten Übertretung "um das einzige tatsächlich verwirklichte Delikt handelt" und dem Umstand, daß sämtliche diesen Punkt betreffenden Ausführungen nur die Strafbemessung und die Anwendbarkeit des § 21 VStG zum Gegenstand haben, im Zusammenhalt mit dem Berufungsantrag "hinsichtlich des zu

Punkt 1. des Straferkenntnisses beschriebenen Faktums eine Ermahnung gemäß § 21 VStG" auszusprechen, zweifelsfrei zu entnehmen, daß sich das diesbezügliche Rechtsmittel ausschließlich gegen die Strafe richtet.

 

Außerdem erklärte der Beschuldigtenvertreter in der Berufungsverhandlung ausdrücklich, daß sich die zu diesem Punkt erhobene Berufung ausschließlich gegen den Strafausspruch richtet.

 

Der erstinstanzliche Schuldspruch blieb somit unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft, sodaß die Berufungsbehörde in ihrer Entscheidung von dem in erster Instanz zur Schuldfrage festgestellten Sachverhalt auszugehen hat (VwGH 16.09.1971, 1268 u.a./70, VwGH 22.02.1990, 89/09/0137).

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Strafbemessung das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Darüber hinaus sind Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, auf das Verschuldensausmaß Bedacht zu nehmen, sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Verletzung einer dem Interesse aller Verkehrsteilnehmer dienenden Schutzvorschrift, wie § 68 Abs. 1 StVO eine darstellt, vergrößert die sich aus dem Straßenverkehr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit von Menschen ergebenden Gefahren, und dient die gegenständliche Norm sowohl der Sicherheit des Radfahrers als auch der Sicherheit der übrigen Straßenbenützer.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO ist die Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

 

Der Unrechtsgehalt der Tat ist als nicht unerheblich zu qualifizieren.

 

Bei der für den Wohnort des Beschuldigten zuständigen Bezirkshauptmannschaft M scheinen laut Stand vom **.**.199* keine Vormerkungen auf.

 

Die Berufungsbehörde legt ihrer Entscheidung bezüglich der allseitigen Verhältnisse die vom Beschuldigten in der Berufungsverhandlung getätigten Angaben zugrunde, wonach er ein monatliches Nettoeinkommen von S **.000,-- (14 x jährlich) bezieht, eine Sorgepflicht hat und jeweils Hälfteeigentümer zweier PKW (Volvo 440, Baujahr 1989, Zeitwert: ca. S 80.000,--; Volvo 340, Baujahr 1984, Zeitwert: ca. S 10.000,-- bis

S 15.000,--) ist.

 

Der Beschuldigte verantwortete sich auch in der Berufungsverhandlung geständig und gab weiters an, das Vorliegen eines Gehsteiges klar erkannt und das Fahrrad absichtlich am Gehsteig gelenkt zu haben, um nicht auf der Fahrbahn der Einbahnstraße entgegen der zulässigen Fahrtrichtung zu fahren.

Aus diesen Angaben ergibt sich, daß der Beschuldigte die gegenständliche Tathandlung absichtlich, somit in der schwersten vorsätzlichen Schuldform, begangen hat.

 

Weiters bestätigte der Beschuldigte, die Tatörtlichkeit zwecks Verkürzung des Heimweges befahren zu haben, weil unter Benützung des etwas abseits gelegenen Radweges die Wegstrecke länger sei. Er habe sich zur von ihm gewählten Abkürzung kurzfristig, somit aus Unbesonnenheit entschlossen.

 

Dieser vom Beschuldigten (angeblich kurzfristig) gefaßte Entschluß steht allerdings in keinem direkten Zusammenhang mit der Tatbegehung, weil die Entscheidung zur Abkürzung des Heimweges nicht zwangsläufig auch den Entschluß zur Begehung der gegenständlichen Tat umfaßte.

Dem Beschuldigten wäre trotz Abkürzens des Heimweges durch Benützung der Hauptstraße sehr wohl ein rechtskonformes Verhalten möglich gewesen, nämlich indem er das Fahrrad am in der Hauptstraße befindlichen Gehsteig schiebt.

 

Im übrigen erscheint es der Berufungsbehörde höchst unglaubwürdig, daß sich der ortskundige Beschuldigte, welchem der distanzmäßige Unterschied seines Heimweges bei Benützung des Radfahrweges einerseits bzw. der H****straße anderseits sehr genau bekannt ist, erst kurzfristig für die kürzere Strecke entschieden haben soll, sondern ist bei lebensnaher Betrachtung unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung wesentlich wahrscheinlicher, daß sich der Berufungswerber nach Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile sehr bewußt zur Abkürzung des Heimweges entschlossen hat.

 

Laut Angaben des Beschuldigten benützten zum Tatzeitpunkt keine Personen den Gehsteig, und ergaben sich im gegenständlichen Verfahren auch keine Anhaltspunkte für am Gehsteig befindliche Sachen.

Der Umstand, daß trotz Vollendung der Tat kein "Schaden" entstand, kann somit im gegenständlichen Fall mangels Erkennbarkeit einer konkreten Möglichkeit eines solchen keinen Milderungsgrund bilden. Es ist nicht nachzuvollziehen, welcher konkreten Schadensherbeiführungsmöglichkeit sich der Beschuldigte enthalten haben hätte können.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich wertet daher mildernd die Unbescholtenheit und die geständige Verantwortung, erschwerend die absichtliche Tatbegehungsweise.

 

Im Hinblick darauf, daß der Beschuldigte durch sein rechtswidriges Verhalten den Schutzzweck der übertretenen Norm des § 68 Abs. 1 StVO verletzt hat, die Höchststrafe für das zur Last gelegte Delikt S 10.000,-- beträgt, der Unrechtsgehalt der Tat nicht unwesentlich ist, sowie unter Berücksichtigung des Verschuldensausmaßes, der beiden Milderungsgründe, des äußerst gewichtigen Erschwerungsgrundes, der allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten und general- und spezialpräventiver Erwägungen erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ die von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe von

S 600,-- (ebenso wie die Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden) tat- und schuldangemessen.

 

Die in diesem Ausmaß festgesetzte Geldstrafe erscheint insbesondere angesichts des gewichtigen Erschwerungsgrundes (qualifizierter Vorsatz) und der Einkommensverhältnisse des Beschuldigten an der absoluten Untergrenze des Ermessensspielraumes liegend.

 

Eine außerordentliche Milderung der Strafe (§ 20 VStG) kommt bei der gegenständlichen, keine Mindestgrenze enthaltenden Strafdrohung nicht in Betracht, die kumulativen Voraussetzungen (geringfügiges Verschulden und unbedeutende Folgen der Übertretung) für die Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) liegen aufgrund des sich aus der absichtlichen Tatbegehungsweise ergebenden, beträchtlichen Verschuldensausmaßes nicht vor.

 

Der Strafberufung war aus diesen Gründen keine Folge zu geben und der zu Punkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergangene Strafausspruch, folglich auch der damit zusammenhängende Kostenausspruch, vollinhaltlich zu bestätigen.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

 

 

2.

VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH §§ 99 Abs. 3 lit. a, 7 Abs. 5, jeweils StVO:

(Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses)

 

Gemäß der zum Tatzeitpunkt in Geltung stehenden Fassung des § 7 Abs. 5 StVO durften Einbahnstraßen nur in der durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs. 1 Z. 10 StVO ("Einbahnstraße") angezeigten Fahrtrichtung befahren werden, sofern nicht bestimmte Gruppen von Straßenbenützern hievon durch Verordnung ausgenommen wurden.

 

Gemäß der in § 2 Abs. 1 Z. 3b StVO enthaltenen Legaldefinition gilt als Einbahnstraße eine Straße, deren Fahrbahn für den Verkehr in einer Richtung bestimmt ist.

 

Aus dieser Legaldefinition folgt, daß sich die, oben zitierte, in § 7 Abs. 5 StVO normierte Verpflichtung, eine Einbahnstraße nur in der durch das Hinweiszeichen "Einbahnstraße" angezeigten Fahrtrichtung zu befahren, nur auf die Fahrbahn, also den für den Fahrzeugverkehr bestimmten Teil der Straße (§ 2 Abs. 1 Z. 2 StVO), nicht jedoch auf den Gehsteig, bei welchem es sich um einen für den Fußgängerverkehr bestimmten, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzten Teil der Straße handelt (§ 2 Abs. 1 Z. 10 StVO), bezieht.

 

Folgerichtig waren bei Ausnahmen von der Einbahnregelung, etwa für Straßenbahnen oder Radfahrer, Leit- oder Sperrlinien zur Trennung der entgegen der Einbahnstraße fahrenden Verkehrsteilnehmer vom übrigen Fahrzeugverkehr anzubringen

(§ 7 Abs. 5, 2. Satz StVO, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung).

 

Derartige Ausnahmen konnten bspw. für Radfahrer auf gesonderten Radfahrstreifen verordnet werden, wobei ein Radfahrstreifen einen für den Fahrradverkehr bestimmten und besonders gekennzeichneten Teil der Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 Z. 7 StVO) darstellt.

 

Der Umstand, daß für Ausnahmen von der Einbahnregelung besondere Vorkehrungen auf der Fahrbahn zu treffen waren, bestätigt, daß der Geltungsbereich der in § 7 Abs. 5, 1. Satz StVO (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung) normierten Verpflichtung nur auf die Fahrbahn beschränkt war.

 

Unter Zugrundelegung der - unbestrittenen - erstinstanzlichen Verfahrensergebnisse hat der Beschuldigte mit dem Fahrrad ausschließlich den Gehsteig, nicht jedoch auch die Fahrbahn befahren.

Da somit das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Befahrens der Fahrbahn einer Einbahnstraße nicht verwirklicht wurde, ist der Tatbestand des § 7 Abs. 5 StVO, in der zum Tatzeitpunkt in Geltung stehenden Fassung, nicht erfüllt, und hat der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.

 

Das angefochtene Straferkenntnis war daher im Umfang des Punktes 2. aufzuheben, gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG war von der Fortführung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens  abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

 

3. VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH §§ 99 Abs. 3 lit. a, 11 Abs. 2, jeweils StVO:

   (Punkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses)

 

Gemäß § 11 Abs. 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

 

Der Tatbestand des § 11 Abs. 2 StVO ist nur dann erfüllt, wenn andere Straßenbenützer durch den beabsichtigten Vorgang behindert oder gefährdet werden konnten (VwGH 24.10.1986, ZfVB 1988/1/204).

 

Die Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs. 2 StVO setzt somit die konkrete Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer voraus, d. h., die Anzeigepflicht besteht dann nicht, wenn andere Straßenbenützer durch den beabsichtigten Vorgang weder behindert noch gefährdet werden können (VwGH 24.04.1986, ZfVB 1987/1/199).

 

Der Lenker eines Fahrzeuges hat nicht generell jede bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder jeden bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens, sondern solche Vorgänge nur dann anzuzeigen, wenn andere Straßenbenützer in Betracht kommen, die durch den Vorgang behindert oder gefährdet werden könnten (VwGH 23.03.1984, ZfVB 1984/6/3410).

 

Dem zu diesem Punkt ergangenen erstinstanzlichen Schuldspruch liegen die Anzeige des Gendarmeriepostens M vom **.**.199*, GZ P ****/*/**.**, und die schriftliche Stellungnahme des Meldungslegers vom **.**.199* zugrunde, nach welchen sich der Sachverhalt wie folgt darstellt:

Zum Tatzeitpunkt lenkte der Beschuldigte das Fahrrad in M******, H****straße, Fahrtrichtung stadtauswärts auf dem Gehsteig. Zur gleichen Zeit befuhr der Meldungsleger im Beisein eines weiteren Gendarmeriebeamten mit einem Patrouillenfahrzeug die H****straße in entgegengesetzter Richtung.

Beim Begegnungspunkt der beiden Fahrzeuge (auf Höhe des Hauses Nr. 51) forderte der Meldungsleger den Beschuldigten auf, anzuhalten. Dessenungeachtet setzte jedoch der Beschuldigte seine Fahrt stadtauswärts fort und bog, ohne ein  Handzeichen zu geben, von der Hauptstraße nach rechts in die M*****gasse ein. In weiterer Folge wendeten die Gendarmeriebeamten das Dienstfahrzeug, fuhren dem Radfahrer nach und konnten diesen in der M*****gasse kurz vor der A*******gasse anhalten.

 

Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes im Zusammenhalt mit der vom Meldungsleger angefertigten Übersichtsskizze ergibt sich, daß das gegenständliche Einbiegemanöver ca. 150 Meter hinter dem beim Begegnungspunkt anhaltenden Dienstfahrzeug vorgenommen wurde und das Gendarmeriepatrouillenfahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewendet worden war.

 

Es handelte sich daher bei dem das Gendarmeriefahrzeug lenkenden Beamten weder um einen nachfolgenden noch um einen entgegenkommenden oder unmittelbar vor dem Beschuldigtenfahrzeug fahrenden Kraftfahrer, sodaß der Gendarmeriebeamte durch den vom Beschuldigten beabsichtigten Rechtsabbiegevorgang weder behindert noch gefährdet werden konnte.

 

Weder der schriftlichen Anzeige, der Stellungnahme des Meldungslegers und der Übersichtsskizze noch den übrigen erstinstanzlichen Verfahrensergebnissen lassen sich Anhaltspunkte für sonstige in Betracht kommende Straßenbenützer, die durch den Vorgang behindert oder gefährdet werden hätten können, entnehmen.

 

Mangels konkreter Behinderungs- oder Gefährdungsmöglichkeit anderer Straßenbenützer bestand für den Beschuldigten keine Anzeigepflicht i. S.d. § 11 Abs. 2 StVO, sodaß er die ihm zu Punkt 3. zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Das angefochtene Straferkenntnis war daher im Umfange dieses Punktes aufzuheben, gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG war von der Fortführung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

 

4.

VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH §§ 134 Abs. 1, 102 Abs. 5 lit. a, jeweils KFG:

(Punkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses)

 

§ 102 KFG regelt die Pflichten eines Kraftfahrzeuglenkers. So hat dieser gemäß Abs. 5 lit. a leg. cit. den Führerschein oder Heeresführerschein, beim Lenken von Motorfahrrädern, den Mopedausweis oder einen amtlichen Lichtbildausweis auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.

 

Die Verpflichtung, einen amtlichen Lichtbildausweis auf einer Fahrt mitzuführen, trifft somit nur den Lenker eines bestimmten Kraftfahrzeuges, nicht jedoch einen Radfahrer.

 

Dies entspricht auch dem Anwendungsbereich des KFG, wonach die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur auf Kraftfahrzeuge und Anhänger anzuwenden sind (§ 1 Abs. 1 KFG).

 

Das vom Beschuldigten gelenkte Fahrrad, welches mit einer Vorrichtung zur Übertragung der menschlichen Kraft auf die Antriebsräder ausgestattet war, erfüllt das in § 2 Z. 1 KFG normierte Kriterium eines Kraftfahrzeuges, nämlich den Antrieb durch technisch freigemachte Energie, nicht und unterliegt deshalb nicht dem Anwendungsbereich des KFG.

 

Da sich die gesetzlichen Bestimmungen des § 102 KFG ausschließlich an den Kraftfahrzeuglenker richten, kann das dem Beschuldigten als Lenker eines Fahrrades zur Last gelegte Verhalten nicht unter die Bestimmungen des § 102 Abs. 5 lit. a KFG subsumiert werden, weil ein Fahrrad nicht als Kraftfahrzeug i.S.d. KFG zu qualifizieren ist.

 

Das erstinstanzliche Straferkenntnis ist aus diesem Grunde inhaltlich rechtswidrig und war daher zu beheben.

 

Da die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat (Nichtmitführen eines amtlichen Lichtbildausweises als Fahrradlenker) keine Verwaltungsübertretung bildet, war gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG von der Fortführung des diesbezüglichen Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

 

Sämtliche in dieser Entscheidung zitierten gesetzlichen Bestimmungen des AVG gelten gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren und waren deshalb anzuwenden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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